Niichan von MariLuna ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7   „Gott sei Dank!" stößt Shredder erleichtert hervor, als sich die Tür zu seinem Quartier vor ihnen öffnet. „Mein Quartier hat diesmal nichts abbekommen." Ein paar Dinge sind schon um- oder heruntergefallen, doch es ist noch alles heil. „Diesmal?" hakt Kazuo nach, während er ihm hilft, eine Stehleuchte wieder aufzurichten. „Das hier ist mein zweites Quartier“, erklärt ihm sein Bruder, derweil er einen Wandschrank öffnet und darin herumwühlt. „Das erste hat den Übergang von der Erde in die Zwischendimension nicht überlebt. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, daß das hier den endgültigen Crash erst recht nicht übersteht.“ Er seufzt einmal schwer und schenkt seinem Bruder ein schiefes Lächeln. „Du dachtest doch nicht wirklich, dass ich mir kein besseres Bad leisten kann? Ach, ich vermisse meine Wohlfühloase. Aber die ist jetzt ziemlich platt." Für ein paar Sekunden starrt er einfach nur betrübt vor sich hin, dann schüttelt er sich kurz und sucht weiter. „Was? Platt?“ Kazuo stockt fast der Atem. „Zum Glück warst du da nicht drin." „Notfallprotokoll. Bei Alarm rennen wir alle zur Kommandozentrale. - Hier, zieh das an." Mit diesen Worten drückt er Kazuo einen langen Mantel, eine Thermo-Cargohose und einen Hoodie in die Hand. „Warum?" will Kazuo verdutzt wissen, während er zusieht, wie sein Bruder ähnliche Bekleidung aufs Bett wirft und dann beginnt, sich aus seinem Arbeitsoverall zu pellen. Außer einem T-Shirt und einer Boxershorts trägt er nichts darunter. Kazuo bemerkt, dass er starrt und macht sich hastig daran, sich ebenfalls umzuziehen. „Wir können nicht in den Klamotten da raus gehen", erklärt Shredder, während er in eine schwarze Cargohose steigt und sich einen grauen Sweater mit Foot-Clan-Logo über den Kopf zieht. „Es ist kalt da draußen. Und … hm, keine Ahnung, was sich da noch draußen herumtreibt. Eine zusätzliche Kleidungsschicht schadet nie. Äh … Es macht dir doch nichts aus, was von mir zu tragen, oder?“ erkundigt er sich zögernd. Kazuo schüttelt nur den Kopf und streicht versonnen über den Fleecehoodie, bevor er sich den Mantel umwirft. Ein nostalgisches Gefühl überkommt ihn. Für einen Moment ist er wieder der Junge, der die Sachen seines älteren Bruders aufträgt. Immer wenn er traurig war, musste er nur eines seiner Shirts, einen Sweater oder auch Sakis alte Schuluniform anziehen und fühlte sich sofort besser. Also nein, was sollte er dagegen haben? Er spürt plötzlich Shredders Blick auf sich ruhen, schnappt aus seinen Erinnerungen zurück und schenkt ihm ein kleines Lächeln. Shredder starrt nur für einen Atemzug auf diese vollen Lippen und kämpft gegen den Drang an, sie einfach nur küssen zu wollen, dann räuspert er sich einmal, zieht entschlossen den Reißverschluß seines Parkas hoch bis zum Kinn und befiehlt seinem Bruder dann mit merkwürdig belegter Stimme, ihm zu folgen...     Das Technodrome ist wirklich beeindruckend. Bisher kennt Kazuo es ja nur von innen, und er wußte, es ist groß, aber er hätte nie gedacht, daß es so groß ist. Er bekommt Nackenstarre, wenn er nur daran hinaufsieht. Und die Schäden sind immens. Zwei Reparaturdrohnen haben sich schon an die Arbeit gemacht, aber auch einem Neuling wie Kazuo ist klar, daß zwei einfach zu wenig sind. Aber – wie sein Bruder ihm verrät – sie haben nur die beiden. „Der restliche Reparaturdienst sind wir“, erklärt ihm Shredder seufzend, während sie sich daran machen, die Kampffestung langsam zu umrunden, um die Schäden zu begutachten. Rocksteady und Bebop laufen ein paar Meter vor ihnen, sie sind mit Kameras ausgestattet und dokumentieren so die Schäden. Die meisten Außenkameras hat es nämlich auch erwischt. „Seit Monaten sind wir am Herumbasteln. Aber jetzt sind wir ja in der DimensionX, da dürfte wenigstens das mit den Ersatzteilen kein Problem mehr sein. Und vielleicht lässt Krang auch ein paar Profis kommen, die wissen, was sie tun. Ich kenne ja meist nicht mal die Namen der Dinge, die ich da instandsetze.“ Kazuo nickt nur und versucht, seinem Bruder nicht allzu bewundernde Blicke zuzuwerfen. Das hier geht doch weit über die üblichen Heimwerker-Tätigkeiten wie einen verstopften Abfluß zu beseitigen hinaus. Aber Saki war ja schon immer gut darin, Dinge zu reparieren – wenn Kazuo da nur an tropfende Wasserhähne oder ihre Fahrräder denkt... und wieviele Nachmittage haben sie wohl im Hof gesessen und gemeinsam ihre Mofas aufgemotzt? Alles, was er darüber weiß, hat ihm sein Bruder beigebracht. Wie konnte er all das in den letzten Jahren nur verdrängen? Das ist ihm jetzt wirklich peinlich. „So übel scheint es hier ja gar nicht zu sein“, wechselt er das Thema und wirft diesmal einen besonders langen Blick um sich. Es ist empfindlich kühl, genau wie sein Bruder gesagt hat, und die Landschaft ist karg und felsig und die vorherrschende Farbe des Lichts ist hier Rot und wahrscheinlich hat sich hier schon mal jemand zu Tode gelangweilt, aber er kann sich schlimmere Orte vorstellen. Andererseits kann er sich auch nicht vorstellen, dass sie die Strahlengewehre nur zur Zierde mitgenommen haben. Das Ding wiegt einiges. „Na“, grinst Shredder unfroh, „dann warte mal, bis die Gar'taks aufwachen.“ „Gar'taks?“ „Lästige kleine Biester. Sie sehen aus wie Fellkugeln, aber sie haben fiese Zähne. Lass dich von ihnen bloß nicht beißen. Zum Glück sind sie nicht sehr schnell. Sogar die beiden Deppen da“, vielsagend nickt er zu Bebop und Rocksteady hinüber, „haben es geschafft, sich noch nie beißen zu lassen. Und das heißt schon was, wenn ich bedenke, was hier schon alles hinter ihnen her war.“ Der sanfte Unterton und das kleine Lächeln strafen seine harten Worte Lügen – er ist stolz auf seine Mutanten und er betrachtet sie als gute Freunde. „Bleib also immer in der Nähe, Kazuo.“ Der nickt nur, zögert und lässt dann das Gewehr von seiner Schulter in seine Hände gleiten. Sicher ist sicher. Sie machen weiter mit der Inspektion und finden einen Hüllenbruch und beschließen nach einer kurzen Rücksprache mit Krang per Kommunikator, diesen sofort zu beheben, weil er doch ziemlich nahe am Boden ist und keiner von ihnen Lust auf ungebetenen Besuch hat. Krang schickt ihnen eine Drohne, die ihnen ein Wägelchen mit Material und Werkzeuge bringt, und dann machen sich die vier an die Arbeit, wobei Shredder und Bebop die Hauptarbeit erledigen, während Rocksteady und Kazuo ihnen nur die Werkzeuge reichen und ab und an mal eine Metallplatte festhalten, damit die anderen beiden sie festschweißen können. Shredder und seine beiden Mutanten arbeiten so routiniert zusammen, dass klar wird: sie machen so etwas öfter. Kazuo kommt sich fast ein wenig überflüssig vor, und weil er sieht, wie sich Rocksteady in regelmäßigen Abständen sichernd umsieht und dabei immer wieder den Sitz seiner Waffe überprüft, macht er es ihm nicht nur nach, sondern geht bald fast vollständig dazu über, die Gegend im Blick zu behalten. Als das erste kugelrunde Ding auf sie zuspringt, ist er über den Anblick so verdutzt, dass er sein Gewehr wieder sinken lässt. „Gar'tak!“ hört er Rocksteady neben sich rufen, ein roter Lichtfinger zischt über den Felsen, trifft das Ding und schleudert es einen Meter zurück. Es quietscht auf und springt wieder dorthin zurück, woher es kam. Dummerweise scheinen seine Artgenossen solche Warnungen nicht zu verstehen, denn plötzlich sind da ganz viele dieser Wesen, die auf sie zurollen und zuhüpfen. Kazuo schüttelt seine Betäubung ab, nimmt das Gewehr in beide Hände, legt an und schießt. Er hat noch nie auf etwas Lebendiges geschossen, und vielleicht ist es hilfreich, daß er gesehen hat, daß diese Schüsse diese Wesen nicht töten, aber spätestens nachdem er dem zehnten Gar'tak einen auf den Pelz gebraten hat, empfindet er so etwas wie grimmigen Ärger auf diese dummen Tiere. Und beim fünfzehnten ist er in einen Zustand der konzentrierten Gefühlskälte gerutscht, der mit seinen regelmäßigen Übungen auf dem Schießstand vergleichbar ist, wo es nur leblose Zielscheiben gibt und sein Name seit Jahren die Top Ten der besten Schützen anführt. Dumm auch für die Gar'taks, daß er sich als letzte Verteidigungslinie zwischen ihnen und seinem Niichan sieht...     „He, Chefchen“, Bebop klopft Shredder um Aufmerksamkeit heischend auf die Schulter und deutet dann, als dieser ihm einen fragenden Blick zuwirft, zu Rocksteady und Kazuo hinüber, die ihnen hier den Rücken freihalten. „Der kann besser schießen als du.“ Es ist eindeutig, dass er damit nicht Rocksteady meint, denn dessen gute Schießkünste sind ihnen beiden hinlänglich bekannt. Shredder schiebt sich die Schweißerbrille in die Stirn, dreht den Kopf, und großer Stolz erfüllt ihn, als er seinen Bruder dabei beobachtet, wie dieser die Gor'taks so erfolgreich abwehrt. „Ja“, murmelt er, während sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen schleicht. „Das kann er, nicht wahr?“ Dann wird er sich Bebops intensiven Blickes bewusst und schiebt schnell und besonders grimmig hinzu: „Er ist ein Bulle, natürlich kann er gut schießen.“ Es ist Bebops großes Glück, dass Shredder seine Augen hinter seiner lila Brille nicht sehen kann (Bebop weiß schon, warum er sie trägt) und daher nichts von dem vergnügten Funkeln in ihnen weiß. Bebop gelingt es sogar, nicht zu grinsen. „Wir könnten so jemanden wie ihn gut gebrauchen“, meint der Mutant nur trocken und geht dann wieder zurück an seine Arbeit. Shredder beobachtet seinen Bruder noch eine ganze Weile gedankenverloren, bis er sich dessen bewußt wird, dann schnippt er sich die Schutzbrille wieder auf die Nase und dreht sich hastig wieder um, um weiter zu schweißen. Drei Minuten später sind er und Bebop fertig, werfen sich ein erleichtertes Grinsen zu und packen ihr Werkzeug wieder ein. Shredder will sich gerade umdrehen und den anderen beiden zurufen, daß sie jetzt aufbrechen können, da schreit Bebop neben ihm plötzlich warnend auf, packt ihn am Arm und zieht ihn nach hinten. Aus seinem Augenwinkel sieht Shredder eine Bewegung, es ertönt ein ziemlich sattes, platschendes Geräusch und der Gar'tak, der sich eben von oben auf ihn herabfallen lassen wollte, fliegt, getroffen durch einen wie einen Baseballschläger geschwungenen Gewehrkolben, drei Meter durch die Luft. Shredder, der noch nicht ganz begriffen hat, was da eben geschah, sieht, wie Kazuo mit einem grimmigen Gesichtsausdruck an ihm vorbei zu dem betäubten Gar'tak hinübergeht und das Tier gnadenlos unter seinem Stiefel zermalmt. Dann dreht sich Kazuo, das Gewehr lässig auf der Schulter, mit einem strahlenden Lächeln zu ihm herum. „Alles okay?“ Shredder schluckt nur einmal schwer und nickt dann. Er ist so verblüfft, dass er glatt vergisst, sich zu bedanken. „Coole Aktion, Kazuo!“ lobt Bebop mit hochgerecktem Daumen. Der brummt nur einen Dank, hebt den Kopf und betrachtet die Gleisketten, die hinter ihnen aufragen, misstrauisch. „Sie kommen übers Kettenlaufwerk. Besser, wir gehen. Oder sollen wir sie abwehren? Bevor sie einen Weg ins Technodrome finden? Bei den vielen Löchern ist das mehr als wahrscheinlich.“ „Nee“, erwidert Rocksteady, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hat, „die kommen nicht rein. Die betreten kein Haus, kein Zelt, kein Fahrzeug. Geschlossene Räume gefallen ihnen nicht.“ Während er redet, schießt er noch schnell ein paar der letzten Gar'taks über den Haufen. „Aber wir sollten jetzt wirklich gehen.“ Mit diesen Worten bückt er sich, hebt das Werkzeug auf und wirft es lautstark auf das kleine Wägelchen. Es ist, als würde das Geräusch Shredder aus einer Art Trance wecken, er findet jedenfalls plötzlich wieder zu seiner gewohnten Autorität plus Kommandoton zurück. „Dann steht hier nicht so blöd herum, ihr Produkte einer Schnecke! Auf geht’s!“     Eine Handvoll Gar'taks folgt ihnen noch, aber nur so lange, bis sie auf der anderen Seite des Technodromes sind. Vielleicht wurde es ihnen zu langweilig. Die vier trauern ihnen nicht nach. Kazuo, der als Letzter geht und ihnen wachsam den Rücken deckt, eilt erst auf einen Zuruf seines Bruders nach vorne, wo ihm Shredder eine Kamera in die Hand drückt. Während die beiden Brüder die Schäden auf dieser Seite aufzeichnen, trotten Bebop und Rocksteady ein paar Meter hinter ihnen und schieben das Wägelchen. „He, Nasi. Pst“, macht Bebop plötzlich leise, lehnt sich zu seinem Freund hinüber und flüstert in sein Ohr: „Hör mal: Shredder liebt seinen Bruder.“ „Hä?“ macht Rocksteady nur verständnislos und reibt sich die Nase. Von Gor'taks bekommt er immer allergischen Schnupfen. „Natürlich tut er das. Sie sind Brüder.“ „Ich meine“, konkretisiert Bebop mit immer noch gesenkter Stimme und immer ein sicherndes Auge auf die beiden Männer wenige Meter vor ihnen: „Er liebt ihn ein wenig mehr als nur … nun ja, brüderlich.“ „Echt?“ Rocksteady wirft einen neugierigen Blick zu Shredder und Kazuo hinüber und beobachtet sie etwas genauer. Jetzt, wo es Bebop erwähnt … die Blicke, die Shredder seinem Bruder zuwirft, die Art, wie er mit ihm redet und seine gesamte Körpersprache: so offen, so sehr Kazuo zugewandt, als zähle nichts auf dieser Welt mehr als diese eine Person … es ist subtil, aber wenn man es einmal entdeckt hat, findet man immer mehr Hinweise. Rocksteady wirft Bebop einen verstohlenen Seitenblick zu. Vielleicht muß man dieses Gefühl kennen, um es bei anderen wieder zu erkennen. Rocksteady denkt kurz darüber nach und zuckt dann mit den Schultern. „Na ja... sie sind erwachsen.“ Andererseits – die beiden sind Brüder! Das macht das Ganze etwas … pikant. Rocksteady denkt an seine eigenen Geschwister, denkt daran, wie es wohl wäre … und schüttelt sich innerlich. Er ist nicht einmal dazu fähig, den Gedanken zu Ende zu denken. „Hm...“, macht Bebop plötzlich gedankenverloren. Rocksteady wirft ihm einen neugierigen Blick zu. „Was?“ Bebops Blicke hängt noch immer wie gebannt an Shredder und Kazuo, obwohl die beiden weder besonders nahe beieinander stehen oder sich besonders ausgiebig unterhalten, sondern nur in einem geradezu heilig anmutenden Ernst die Außenwände des Technodromes abfilmen. „Na, ich dachte nur gerade …“, meint er dann ungewohnt grüblerisch, „es kam mir damals schon irgendwie komisch vor, wie er auf Kazuo reagiert hat, damals, weißt schon, als der sich mit den Turtles verbündete um ihn zu verhaften. Er war mehr … enttäuscht und verletzt als wütend.“ „Ja, ich erinnere mich. War das erste und einzige Mal, dass er sich nach so einem Tag voll die Kante gab. War echt nicht lustig.“ Rocksteady schaudert in Erinnerung daran, und auch Bebop stimmt ihm da beklommen zu. Shredder neigt nicht dazu, sich zu betrinken, dazu hängt er viel zu sehr an seinen Gehirnzellen, aber an diesem Abend vor knapp anderthalb Jahren war er regelrecht abgestürzt. Für die Dauer einiger Sekunden beobachten sie die beiden Brüder einfach nur schweigend. „Jetzt scheint Kazuo aber doch ganz in Ordnung zu sein...“, beginnt Bebop schließlich und beweist dann, dass er durchaus zu sehr tiefsinnigen Gedanken fähig ist: „Er war dabei als Shredder starb, vielleicht liegt es daran.“ „Shredder starb nicht“, widerspricht ihm Rocksteady sofort. „Das war der Avatar.“ „Ja, genau, das meine ich“, stimmt ihm Bebop gutmütig zu. „Aber Kazuo wußte das doch nicht. Für ihn war es sein Bruder, der starb.“ „Hm...“ meint Rocksteady gedehnt und wirft ihm einen langen Seitenblick zu. „Was?“ „Wenn ich dran denke, ich müsste zusehen, wie du stirbst...“ schaudernd schlingt Rocksteady die Arme um um seinen Oberkörper und umarmt sich selbst. „Musst du doch nicht, Nasi.“ Tröstend zieht Bebop ihn an sich und gibt ihm einen zärtlichen Kuß auf die Nase. „Entschuldige, dass ich damit überhaupt angefangen habe. Und jetzt hör auf, an sowas zu denken, okay?“ Rocksteady nickt nur wortlos. Doch ab sofort betrachtet er Kazuo mit wesentlich mehr Nachsicht und Verständnis.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)