»Steig auf!« von Gmork ([ Otayuri ]) ================================================================================ Teil fünfzehn: »Nähe« --------------------- Surrende Kameras, wildes Gekreische und tosender Applaus um ihn herum. Die Geräuschkulisse vibrierte durch sein Inneres, ein zartes Kribbeln, das ihm Gänsehaut bescherte. Sein Gesicht glühte unter der Hitze der vielen Scheinwerfer, während er beinahe in seiner Euphorie ertrank. Zwischen den vielen Stimmen hörte er immer wieder seinen Namen heraus, während er triumphierend die Goldmedaille in die Kamera hielt, auf dass die Presse ein perfektes Foto von seinem Sieg schoss. Sein Gesicht und seine Arme schmerzten bereits vom vielen Posieren, aber es genoss es mehr, als jemals zuvor. Nur langsam ebbte der Applaus ab und die Presse gab den Weg zum Ausgang frei. Yakov, Lilia und Victor empfingen ihn am Rand der Eisfläche, neben ihnen die Trainer der anderen Gewinner und natürlich ein ganzer Haufen restlicher Teilnehmer, die ihm auf die Schulter klopfen wollten. Einem plötzlichen Impuls folgend, wandte er den Kopf nach rechts. Sein Blick traf auf ein braunes Augenpaar, nur wenige Meter entfernt und in der Masse beinahe untergehend. Er glaubte, ein Lächeln darin zu erkennen. Gern hätte er sich mit ihm unterhalten, doch die anderen schoben ihn gnadenlos weiter. So reckte er nur seinen Daumen nach oben - eine Geste, die alles sagte und doch nicht genug. Aber er wusste, dass er es verstehen würde. Im Vorbeigehen bekam er von irgendjemanden einen monströsen Blumenstrauß in die Hand gedrückt, der ihm nun fast die komplette Sicht versperrte. Vom süßen Geruch benebelt, verließ er das Stadion, Yakov und Lilia links und rechts von ihm, während Victor den Schluss bildete. Selbst draußen wurden sie von Jubelschreien empfangen. Die meisten kamen von seinem Fanclub, der bei jedem Wettbewerb an Ort und Stelle war und seinen Sieg scheinbar noch leidenschaftlicher feierte, als er selbst. Ihre lauten Stimmen stachen wie eine schmerzhafte Melodie in seinen Ohren. »Yuri!« « »Yurio!« »Hier drüben, Yuri!« »Er ist so niedlich, ich steeerbe!« »Ich liebe dich, Yuri!« »Bitte, mach ein Foto mit mir, Yuri!« »Mit mir auch!« »ICH WILL AUCH!« »Hey, ich war zuerst da!« »Yurio!« »Yuuuri!« »Yuriooo!« »Yuri.« Lilias Hand legte sich auf seine Schulter. Yuri, der am liebsten einfach weitergelaufen und ins Taxi gestiegen wäre, ahnte schon, was jetzt kam. »Ein guter Eiskunstläufer und wahrer Sieger gibt seinen Fans die Ehre.« Und wie Recht er mit seiner Vermutung hatte. Fuck. Er stöhnte innerlich auf, drückte Victor dennoch unwirsch und ohne ihn anzusehen den Blumenstrauß in die Arme. Seinen Fanclub zu bedienen würde mit Sicherheit wieder Stunden dauern … Aber er hatte ja doch keine andere Wahl. Und irgendwie, auch wenn er das niemals offen zugeben würde, machte es ihm auch Spaß. Zumindest ein wenig … Kaum kam er dem Mob zu nahe, packten ihn schon gierige Hände und zogen ihn in ihre Mitte. Die Massen an Fans schlossen ihn augenblicklich ein. Gefühlt tausend Umarmungen und Selfies stand er tapfer durch, nahm Geschenke, hauptsächlich in Form von Katzenplüschtieren, entgegen und schrieb gleichzeitig seinen Namen auf Fotos von ihm. »So Ladies, Schluss für heute!« Wie aus dem nichts stand Victor plötzlich neben ihm. Es würde wohl für immer ein Rätsel bleiben, wie er es bis zu ihm geschafft hatte. Aber tatsächlich wandten sich viele der Mädchen von Yuri ab - allerdings nur, um jetzt den hochgewachsenen Russen anstatt seiner anzuschmachten. Yuri nutzte die Gunst der Stunde und stahl sich wieder in die Freiheit. Victor folgte keine Minute später. »Na los, hauen wir ab, bevor die noch das Taxi einkreisen.« »Mhm.« Er hatte gerade einen Schritt in Richtung Taxi getan, da traf sein Blick auf blaue Augen, halb versteckt unter einem hellbraunen Haarschopf. Etwas verwundert blieb er stehen. Von den Yuris-Angels war er nur fröhliche Gesichter gewohnt, niemals hatte ihn jemand davon enttäuscht angesehen. Er sah zu ihr herüber, neigte den Kopf dabei leicht nach rechts. Sie war seinem Blick längst ausgewichen und versteckte ihr Gesicht hinter einem Heft, das sie mit beiden Händen so fest umklammerte, dass die Ränder schon unschöne Knicke aufwiesen. Nur mit viel Fantasie konnte man noch einen Teil ihrer Stirn ausmachen, feuerrot angelaufen. Die Menge verstreute sich bereits, doch sie stand wie angewachsen an Ort und Stelle. Kurzerhand ging er auf sie zu. Kaum bemerkte sie ihn, wich sie unbewusst ein kleines Stück zurück. »Hmpf.« Er verschränkte die Arme und versuchte über das Heft hinweg in ihr Gesicht zu sehen. »Und was stehst du hier noch so rum?« Tatsächlich ließ sie das Heft sinken und wagte es, seinen Blick zu erwidern. Ihre rot angelaufenen Wangen bildeten einen seltsamen Kontrast zu ihren hellen Iriden. »Also …« Anhand ihrer Körperhaltung wurde es Yuri schnell klar. Herumdrucksend trat sie von einem Fuß auf den anderen. Scheinbar wollte sie, wie alle anderen seines Fanclubs, ein Foto mit ihm. Den hohen Andrang zum Dank hatte sie es wohl nicht bis zu ihm geschafft. Wahrscheinlich rührte daher auch ihr enttäuschter Gesichtsausdruck. »Also, ich …« Gott, war die schüchtern. Er löste die Verschränkung seiner Arme und griff nach dem Heft. »Zeig mal!« Tatsächlich ließ sie ihn gewähren, auch wenn sie bemüht gelassen in eine andere Richtung sah. Er schlug das Heft auf - und blickte überrascht auf das Foto, das darin lag. Es war eines von ihm, aber nicht darüber wunderte er sich, sondern, dass es keines dieser ausgedruckten Instagram-Selfies war. Es war eine richtige, professionelle Fotografie. Sie zeigte ihn in seinem Küroutfit des letzten Jahres - damals als er auf dem Eis die aufblühende Freundschaft zwischen ihm und Otabek dargeboten hatte. Noch heute erinnerte er sich gern daran zurück. »Hmpf. Wo hast du das denn ausgegraben?« Peinlich berührt verschränkte sie ihre Finger ineinander. »… Ebay.« Er hob eine Braue. »Ebay. Aha. Und wo hast du die halbe Million her, die der dreckige Verkäufer dafür wollte?« Ein Wunder, aber das Rot in ihrem Gesicht konnte tatsächlich noch dunkler werden. »Es gab nicht viele Bieter, also … eine halbe Million war es nicht.« »Na wenigstens etwas.« Er musterte sie forschend, was ihr deutlich unangenehm war. Es war nicht seine Art sich großartig mit seinen Fans zu unterhalten und das schien auch sie zu wissen. Die Verwunderung strömte ihr aus jeder Pore. Und sie war nicht als Einzige davon irritiert. Yuri konnte sich seine Neugierde nicht so recht erklären, aber irgendwas an ihr war … spannend. Schon allein, dass sie ein Kürfoto signieren lassen wollte, hob sie deutlich von den anderen ab. Zum ersten Mal fühlte es sich an, als würde jemand seine wirkliche Arbeit wertschätzen und nicht das ganze Drumherum, das er mit sich brachte. »Also.« Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ignorierte, dass seine drei Begleiter etwas weiter entfernt schon ungeduldig mit den Füßen scharrten. »Du, äh, bist nicht immer dabei, oder? Hab dich vorher noch nie geseh’n.« »Dir fällt so etwas auf?« Verlegen spielte sie mit ihren Haaren herum, die ihr lang und schwer über die Schultern fielen. Yuris Blick verfing sich in den glänzenden Strähnen. Schnell sah er in eine andere Richtung. »Normalerweise nicht.« Warum verengte sich seine Kehle so plötzlich? »Für das Ticket für das Grand Prix Finale musste ich tatsächlich ein bisschen sparen. Beim nächsten Mal kann ich wahrscheinlich nicht dabei sein, aber … das ist nicht so schlimm. Hauptsache, ich habe dich wenigstens einmal laufen gesehen.« Jetzt spürte Yuri eine verräterische Hitze seinen Hals hinaufkriechen. Komplimente bekam er immer zu Hauf, doch die unverblümte Erhrlichkeit in ihren Worten warf ihn ziemlich aus der Bahn. Dazu strahlte sie ihn regelrecht an und das Leuchten ihrer Augen knisterte in seinen Eingeweiden. »Du warst echt toll.« »Hmpf.« Gut, er konnte nicht bestreiten, dass das seit langem ein Kompliment war, worüber er sich wirklich freute. »Ich muss jetzt aber weiter. Hast du ‘nen Stift?« »Oh, äh …« Ein wenig hilflos kramte sie in den Taschen ihrer Jacke, allerdings ohne fündig zu werden. »Ich hab ihn vorhin einem der anderen Mädchen geliehen. Sie hat ihn wohl mitgenommen …« »Okay. Dann wartest du halt schnell.« Und schon kehrte er um und schloss schnellen Schrittes zu den anderen auf. Auffordernd streckte er Yakov eine Hand entgegen. »Stift. Sofort.« »Was treibst du da? Du hältst uns auf!« Yakovs Stimme triefte vor Verstimmung. Yuri verdrehte die Augen. »Jetzt mach schon, sonst dauert das noch länger!« Grimmig zog sein Trainer einen Kugelschreiber aus der Innentasche seines Mantels, den Yuri ihm augenblicklich aus der Hand riss. Schnell zog er noch eine einzelne Blume aus dem Strauß hervor, der irgendwann von Victor in Lilias Hände gewandert sein musste. Das überraschte Pfeifen seines Eislaufkollegen versuchte er zu ignorieren, als er schnurstracks zurück zu dem Mädchen stampfte. Erwartungsvoll hielt sie ihm das Foto entgegen. Und als er zum Schreiben ansetzte, kam ihn eine durchaus peinliche Frage in den Sinn. »Hmpf. Wie heißt du denn eigentlich?« Sie schien diese Nebensächlichkeit auch vergessen zu haben, denn die Röte hielt schlagartig wieder Einzug in ihr Gesicht. »Oh, ähm … Maria.« »Okay.« Bemüht ordentlich schrieb er eine Widmung und seinen Namen auf die Rückseite des Fotos, dann reichte er es ihr zurück. Ihre Finger streiften sich und ein seltsames Gefühl floss durch seinen Körper. Auf einmal fühlte er sich wahnsinnig leicht ums Herz. »Danke!« Kurz drückte sie das Foto an ihre Brust, bevor sie ihm ein verlegenes, aber strahlendes Lächeln schenkte. »Ist mein Job.« Er versuchte zurück zu lächeln, brachte aber nur eine schiefe Grimasse zustande. »Aber, du scheinst ‘n netter Kerl zu sein, also gern geschehen.« Gott, was laberte er nur? Schnell hielt er ihr die Blume entgegen. Sie war dunkelblau und duftete nach Frühling. Ihre Gesichtszüge entgleisten. Fassungslos starrte sie auf den langen grünen Stiel, an dem bereits weitere Knospen aufbrachen. Ihr schienen die Worte zu fehlen, was es für ihn nur noch unangenehmer machte. »Nimm sie schon! Ist ein Geschenk!« Endlich griff sie danach. Yuri achtete bemüht darauf, sie kein zweites Mal zu berühren. Er trat einen Schritt zurück. »Also, ich muss jetzt los.« Sie nickte. »Danke, Yuri. Ehrlich.” Betont lässig winkte er ab. »Schon gut. Nur ein Tipp noch.” Verwirrt wartete sie darauf, dass er weitersprach, also tat er ihr und sich selbst den Gefallen. Er hatte das Gefühl an Ort und Stelle im Boden versinken zu müssen und wollte ins Taxi. Möglichst schnell. »Wenn du das nächste Mal etwas willst, dann sei gefälligst nicht so schüchtern und lass dich nicht zur Seite schieben!« Schon wandte er sich ab und ging davon, wich im letzten Moment Victor aus, um ihn nicht anzurempeln. »Los jetzt!« Unwirsch zog er die Tür des wartenden Taxis auf, stieg ein und knallte sie betont laut wieder zu. Die kalte Fensterscheibe dämpfte die Hitze unter seinen Schläfen, konnte aber seine schwitzigen Hände nicht beruhigen. Als sie losfuhren, brannten die fragenden Blicke der anderen auf seiner Haut. »Haltet bloß die Schnauze, ich hab kein Bock auf dummes Gelaber!« Er wusste auch so, was sie dachten. Schließlich hatte er sich noch nie so verhalten. Noch nie länger als eine Minute mit einem Fan gesprochen oder gar Blumen an sie verschenkt. Lautlos seufzend schloss er die Augen. Und erst recht nicht hatte er jemals seine private Handynummer unter ein Autogramm gekritzelt.   Hätte es so laufen können? Er schlug die Augen auf. Sonnenlicht schien in das Zimmer und strich über seine Wangen. Potya schnurrte leise neben ihm. Yuri beneidete ihn um seinen Schlaf, denn er lag bereits seit Stunden wach. Sonntagmorgen - sein einziger freier Tag in der Woche. Heute herrschte striktes Verbot von Training und Ballett, weil Lilia die Meinung vertrat, dass er wenigstens einen Tag in der Woche nur für sich brauchte. Sehnsüchtig wünschte er sich den Montag herbei, an dem er wieder auf der Eisfläche stehen und sich Sprüngen und Pirouetten hingeben konnte. Heute jedoch stand Selbstbeschäftigung an und mittlerweile hasste Yuri diesen Begriff. Nicht, dass er nichts mit sich anzufangen wusste. Sankt Petersburg bot viele Möglichkeiten einen schönen Tag zu verbringen. Allerdings brachte keine einzige davon tatsächlich Ablenkung. Seit jenem verherenden Telefonat mit Otabek vor zwei Tagen kreisten seine Gedanken unaufhörlich nur um ein Thema. Um ihn herum erwachte das Haus zum Leben. Leise Schritte hallten durch den Flur, die Kaffeemaschine arbeitete blubbernd, Geschirr klirrte, als jemand den Tisch für das Frühstück vorbereitete. Er hörte, wie Yakov und Lilia sich unterhielten. Gelassen und bei weitem nicht so beruflich distanziert, wie er die beiden kannte. Irgendwie … liebevoll. Yuri hatte keine Ahnung von Liebe. Schon allein die Vorstellung, aus heiterem Himmel Gefühle für jemanden zu entwickeln, war ein Absurdium. Ein Yuri Plisetsky verfiel nicht einfach so jemandem. Allein seine Karriere ließ das nicht zu. Ihm fehlte schlichtweg die Zeit für solche Nebensächlichkeiten. Und, der Ehrlichkeit halber, auch das Interesse an Aktivitäten solcher Art. Trotzdem erwischte er sich in den letzten Tagen immer wieder dabei, wie er sich ausmalte, nach einem Auftritt einfach so einem Mädchen zu begegnen, ihr eine Blume zu schenken und seine Handynummer auf ein Autogramm zu kritzeln. So unrealistisch diese Vorstellung auch sein mochte, so war es unter den vielen Möglichkeiten doch die einzig plausible. Wer wusste schon, wie man sich verhielt, wenn zum ersten Mal solch fremde Empfindungen auftraten? Wer wusste schon, wann man sich in jemanden verliebte? Seufzend drehte er sich auf den Bauch und zog sich eines der Kissen über den Kopf, als könnte er so jegliche Emotionen aus seinem Verstand verbannen. Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber das war es nicht. Seine Finger krallten sich in die weichen Daunen. Vielleicht hätte alles wirklich so einfach sein können, wäre Otabek nicht in sein Leben getreten. Vielleicht wäre irgendwann ein schüchternes, unaufdringliches Mädchen in seinem Fanclub aufgetaucht, dass er angesprochen hätte. Sie hätte ja nicht einmal Maria heißen müssen, obwohl er diesen Namen von all den Millionen, die es auf der Welt gab, am liebsten hatte. Sich immer wieder in Fantasien über das „Was-wäre-wenn” zu flüchten, half ihm allerdings nicht. Die Realität sah anders aus und sie brachte seine Traumwelt bedrohlich ins Wanken. Kein Mädchen, sondern ein Junge. Es war Otabek. Sein bester Freund, der seit kurzem scheinbar vergeben war. Eigentlich konnte er das „scheinbar” streichen, wo er sich doch zu über neunzig Prozent sicher war. Warum sonst sollte ein Mädchen bei ihm einziehen? Zwar hatte Otabek es nicht ausgesprochen, doch das Gehörte reichte für Yuri vollkommen aus, um sich den Rest zusammen zu reimen. Die schmutzigen Details wollte er lieber gar nicht erst erfahren, obwohl er Otabek vor zwei Tagen noch via Whatsapp versprochen hatte, möglichst bald wieder zu skypen, damit er Yuri von den Neuigkeiten berichten konnte. Eine feste Zeit war dieses Mal nicht geplant, da Otabek aufgrund seines straffen Zeitplanes noch nicht sagen konnte, wann es passte. Er musste die verlorene Zeit beim Training aufholen und die Clubs verlangten auch händeringend nach ihm. Somit fielen die Abende schon einmal flach, außer er stand irgendwann mal nicht hinter dem Pult. Yuri wünschte sich, dass er es ihm doch einfach via WhatsApp schrieb, aber Otabek schien das tatsächlich persönlich besprechen zu wollen. »Scheiße!« Er konnte das nicht. Der Gedanke allein war schon unerträglich, wie sollte er sich dann fühlen, wenn Otabek es ihm ins Gesicht sagte? Lieber täte er, als wüsste er von nichts, als würde sie gar nicht existieren. »Was für ein ekelhafter Gedanke. Du bist wirklich das letzte.« Sein Smartophone vibrierte.   Katsudon das Schweinchen - 18.06 8:42 »Hey Yuri! Du hast heute frei, oder? Hast du Lust was mit uns zu unternehmen?«   Was unternehmen? Mit den beiden? Pärchen konnte er momentan wirklich null gebrauchen. Allerdings – was sollte er sonst machen, außer den ganzen Tag in seinem Zimmer zu versauern? Jetzt, da sein Laptop im Arsch war, hatte er nicht mehr viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Wahrscheinlich war es am besten, wenn er sich darauf einließ.   Yuri Plisetsky - 18.06 8:44 »Und was wollt ihr machen?«   Katsudon das Schweinchen - 18.06 8:45 »Wissen wir noch nicht genau. Aber das Wetter ist heute so schön. Wir können ja ein wenig durch die Stadt bummeln und dann ins Kino und anschließend was essen?«   Das klang wirklich sehr standardmäßig. Viel lieber würde er mit ihnen einen Tandemsprung machen, damit wäre defiinitiv für Ablenkung gesorgt.   Yuri Plisetsky - 18.06 8:50 »Geht klar. Wann?«   Katsudon das Schweinchen - 18.06 8:50 »So gegen Mittag? Wir holen dich ab!«   Yuri Plisetsky - 18.06 8:51 »Okay«   Kaum drückte er auf Senden, klopfte es an seiner Tür. »Yuri, komm frühstücken.« Unmotiviert rappelte er sich auf. »Bin gleich da …« Kurz kraulte er Potya die Ohren, der daraufhin verschlafen seinen Kopf hob, dann holte er wahllos irgendwelche Klamotten aus dem Kleiderschrank, zog sie sich über und betrat das Esszimmer. Zwei Stunden später klingelte es an der Tür. Lilia öffnete und komplimentierte die beiden ins Haus. Yuri konnte durch die geschlossene Badezimmertür hören, wie sie sich begrüßten und ins Wohnzimmer gingen. Er selbst war vor einer knappen halben Stunde von seiner Joggingtour, die selbst Lilia ihm nicht verbieten konnte, zurückgekehrt. Für ihren Ausflug hatte er sich bereits in Schale geworfen, gerade putzte er sich noch die Zähne und kämmte zum Abschluss seine Haare ein letztes Mal durch. Zufrieden betrachtete er sich. Er sah so ziemlich normal aus. Gott sei Dank waren die tiefen Ringe unter seinen Augen verschwunden. Um keinen Preis wollte er, dass jemand seine miese emotionale Lage spitzbekam. Schwungvoll stieß er die Tür auf und trampelte ins Wohnzimmer. »Können wir los, oder was?« »Hey, Yuri!« Das Katsudon winkte ihm fröhlich zu, ebenso Victor. »Yurio! Gut siehst du aus!« »Hmpf.« Wenn du wüsstest, alter Mann. »Wo ist Makkachin?« »Zuhause. Ihn überallhin mitzunehmen wird zu anstrengend für uns alle.« Lilia sah sehr glücklich darüber aus. Yuri konnte sich lebhaft vorstellen, wie sich ihr Gesicht beim Anblick des riesigen Pudels verzog, der sich auf ihrem teuren Teppich herumwälzte. »Hmpf. Also gehen wir jetzt, oder wollt ihr hier pennen?« »Nein, nein.« Beide standen auf und verabschiedeten sich von Yakov und Lilia. Yuri folgte ihnen. Ihr Weg führte sie zu den Märkten von Sankt Petersburg. Obwohl es Sonntag war, wimmelte es hier vor Menschen. Stände mit den verschiedensten Angeboten säumten links und rechts die belebte Einkaufsmeile. Händler priesen mit lauten Stimmen ihre Ware an. Kulinarische Klassiker reihten sich an Delikatessen und Spezialitäten aus fernen Regionen und obwohl Yuri schon des Öfteren hier war, erschlugen ihn die exotischen Gerüche jedes Mal aufs Neue. Victors Beschluss, Makkachin daheim zu lassen, war begründet. Der arme Pudel hätte bei all den Eindrücken nicht gewusst, wo vorne und hinten ist. Sie kaufen nichts, schlenderten nur von Stand zu Stand und bedienten sich an den Kostproben. Allerdings spendierte Victor jeden von ihnen ein großes Softeis, dass sie genüsslich schleckten, als sie die letzten Geschäfte passierten. »Yurio, kennst du eigentlich den Junona-Rynok?« »Häh?« »Scheinbar nicht.« Das Schweinchen gluckste in sich hinein. »Das ist ein riesiger Markt, wo es tausende Schallplatten, CD’s und Filme zu kaufen gibt, die kaum etwas kosten. Das wäre mit Sicherheit was für dich und Otabek!« Das sich heranbahnende Lächeln erstarb automatisch, bevor es auf sein Gesicht treten konnte. »Hm, klingt nicht schlecht.« »Wollen wir da hin?« »Mhm.« Er knabberte an seiner Eiswaffel. »Los geht’s.« »Amazing!« Victor schritt begeistert voran und die beiden Yuris hatten Mühe ihn einzuholen. Yuri ging mit Absicht ein wenig hinter ihnen, beobachtete sie verstohlen. Ständig berührten sie sich, nur um sich zu berühren. Da ein Streichen über den Rücken, hier ein neckender Griff in den Nacken, das Zwirbeln einer Haarsträhne zwischendurch. Zaghaft, fast nur zufällig, aber keinesfalls schüchtern. Sondern … voller Liebe. Froh, endlich den riesigen Markt erreicht zu haben, begann Yuri sich durch die Massen an Platten, CDs und DVDs zu wühlen. Wo Victor und sein Katsudon waren, interessierte ihn nicht. Er war so in diesem musikalischen Reichtum versunken, dass er nicht mehr auf sie achtete. Tatsächlich wurde er fündig - und das mehrmals. CDs von Bands, die als „vergriffen” galten, fand er hier zu lächerlichen niedrigen Preisen. DVDs, an die er altersbedingt in normalen Geschäften nicht herankam, wurden verkauft, ohne dass man ihm nach seinem Ausweis fragte. Das ein oder andere Konsolenspiel gesellte sich zu einer Sammlung, von der Yuri erst heute beschlossen hatte, sie zu gründen. Sein Beutel war mittlerweile so voll, dass er befürchtete, die Trageriemen könnten dem Gewicht nicht standhalten und reißen. Als er das nächste Mal auf seinem Smartphone die Uhrzeit checkte, waren zwei Stunden vergangen. Und er hatte eine Nachricht von Otabek, die ihn mit Sirenenstimmen lockte, doch er zögerte den Chat zu öffnen. Zwischen Freude und Angst spannte sich ein Seil, auf dem er balancierte - und er schwankte bedrohlich. Schließlich steckte er sein Smartphone zurück in die Jackentasche, ohne die Nachricht geöffnet zu haben und widmete sich weiter seinem eskalierenden Einkauf. »Yurio, wir haben Hunger.« Victor stand plötzlich neben ihm. Yuri glaubte einen quengelnden Unterton wahrzunehmen, doch er achtete nicht darauf. Sein Blick ruhte schon seit Minuten auf der LP, dessen Hülle er nur durch Zufall entdeckt und beinahe übersehen hätte. Das schwarze Cover war an allen Ecken ausgefranst und abgegriffen, teilweise so stark, dass die Farbe bereits abblätterte. Bei weitem nicht so edel, wie er es schon einmal in der Hand gehalten hatte und trotzdem zog ihn der Name an: NOX. War es Schicksal oder frappierender Zufall, dass er in diesem Meer aus Musik ausgerechnet auf dieses Album stieß? »Oh.« Victor lehnte sich über seine Schulter und sah auf das Cover. »Ist das nicht das Album, das Otabek dir mal empfohlen hat?« »Hmpf.« Wie sehr wünschte er sich nun, niemandem davon erzählt zu haben. »Uhm, ganz schön teuer.« Tatsächlich war diese abgewetzte Schallplatte mit stolzen 5850 Rubel teurer, als seine anderen Fundsachen zusammen. Yuri verstand es nur zu gut, denn laut Verkäufer war NOX mit gerade mal hundertzwanzig Exemplaren weltweit eine Rarität. Er wollte lieber nicht wissen, wie viel Otabek für seine nagelneue hingeblättert haben musste, wenn eine stark gebrauchte schon so viel Geld brachte. Ohne Victor zu antworten überlegte er noch ein paar Sekunden, bevor er das Album - zugegeben mit einer Wagenladung Überwindung - zurück in die Box gleiten ließ. Hätte er es ein paar Wochen zuvor gefunden, wäre der Kauf besiegelt gewesen. Heute allerdings sah die Sache anders aus. Die tiefen, beruhigenden Wellen der Gitarren hatten sich in den letzten Tagen in heiße Lava verwandelt, die sein Inneres quälend verbrannten und seine Organe zu Stein werden ließen. Wo er sich in manchen Phasen nur zu diesen Songs hatte entspannen können, fühlte er mittlerweile keine erlösende Euphorie mehr, sondern nur noch dumpfe Betrübnis. Dabei liebte er dieses Album. Vielleicht war genau das der Grund. »Gehen wir.«   Yuri freute sich, dass Victor und sein Katsudon ihn seit ihrem gemeinsamen Urlaub in Hasetsu immer öfter in ihre Freizeitaktivitäten miteinplanten. Trotzdem durchströmte ihn Erleichterung, als er endlich die Tür seines Zimmers hinter sich schließen konnte. Schwer atmend ließ er den Beutel mit seinen Errungenschaften zu Boden gleiten und rieb sich die vom Gewicht schmerzende Schulter. Gott sei Dank hatten sie den Kinobesuch gestrichen und den Abend in einem Restaurant ausklingen lassen. Eigentlich hätte man den Sonntag als gelungen bezeichnen können - wäre nicht immer wieder dieses beklemmende Gefühl in seiner Brust aufgestiegen, wenn er die beiden bei ihrem unscheinbaren Austausch von Zärtlichkeiten beobachtet hatte. Ihre Gefühle standen ihnen stets ins Gesicht geschrieben, auch wenn sie es zu verbergen versuchten. Ihre Augen verrieten es, ihr Lächeln, die heimlich zugeworfenen Blicke. Sie liebten sich. Sein Smartphone vibrierte. Er zog es hervor. Eine zweite Nachricht von ihm, obwohl selbst die Erste noch ungelesen war.   Otabek Altin - 18.06 14:05 »Hey. Wie siehts heute bei dir aus?«   Otabek Altin - 18.06 19:56 »Der Club hat mich versetzt, also hab ich Zeit und bin online.«   Wenn die Menschen in seiner Umgebung von Liebe sprachen, dann sprachen sie von den berühmten Schmetterlingen im Bauch, die Yuri lediglich ein Augenrollen hervorlockten. Von dem Gefühl federleicht zu sein und alles schaffen zu können. Von Hingabe, Anziehung und Zärtlichkeiten. Bedingungslosigkeit, Vertrauen, Verlangen.   Yuri Plisetsky - 18.06 19:59 »Sorry, ich bin noch mit Victor und dem Schweinchen unterwegs. Gehen noch ins Kino«   Niemand hatte je von Schmerz gesprochen. Von der anderen, dunklen Seite der Medaille. Yuri hatte sich beides immer nur sehr vage vorstellen können, versucht es sich auszumalen, mit dem Pinsel seiner Fantasie. Doch die Leinwand war immer seltsam farblos geblieben, ohne Form oder Konturen. Wenn er jetzt ein Bild malen würde, wäre Otabek darin zu erkennen? Welche Farbe hätte es? Mit welchen Farben malte man Lügen? Denn schon wieder log er ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. Seltsam, wie schnell man seine eigenen Prinzipien über Bord werfen konnte. Aber selbst wenn er zugestimmt hätte: Skypen war momentan so oder so keine Option. Dafür brauchte es erst einmal einen neuen Laptop.   Otabek Altin - 18.06 20:01 »Okay, dann wünsche ich euch viel Spaß. ;)«   Immer wieder dieser Smiley. Langsam ließ er sich auf sein Bett fallen, den Chat noch immer offen. Für einen Moment war er verführt, bis ganz nach oben zu scrollen und alles von Anfang an durchzulesen. Doch dann legte er sein Smartphone beiseite, denn lebensmüde war er nicht. Aber müde.   Hitze ließ ihn schwer atmen. Seine Haut prickelte. Der Geruch kam aus allen Richtungen und hüllte ihn ein. Leder und Frischluft. So beruhigend, so vertraut. Doch da war noch etwas anderes, etwas Neues und Aufregendes. Nähe. Gesunde Haut und heißer Atem, der seine Wange streifte, wie eine Sommerbrise. Das Heben und Senken einer Brust. Warme Finger streiften seine Ohrmuschel, schoben eine wilde Haarsträhne zur Seite und zwirbelten das Ende zwischen den Kuppen. Er vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge und sog die holzige Note seines Duschgels ein. Die Hand setzte ihre Wanderung fort, glitt in seinen Nacken und vergrub sich in seinem Haaransatz, zog leicht und neckend daran, ohne ihn Schmerzen zu bereiten. Erschaudernd ging er selbst nun auf Erkundungsreise, zeichnete mit seinen Fingern die kräftigen Schlüsselbeine nach, fuhr über den zuckenden Adamsapfel, übers Kinn bis hoch zu den Wangen. Seine Belohnung, ein Lächeln, fühlte er mehr, als dass er es sah. Die Mundwinkel verzogen sich deutlich und er glaubte ein Grinsen zu erkennen. Schelmisch und anziehend. Er wollte es nicht nur mit den Händen spüren, stützte sich auf und erklomm den heißen Körper, dessen Arme sich öffneten und ihn bereitwillig empfingen. Da waren so viele Fragen, doch die Antworten interessierten ihn nicht. Nicht jetzt. Jetzt zählte nur der Genuss, die Kostprobe des Unbekannten. Er wollte es schmecken. Angenehm schweres Gewicht legte sich um seine Schultern, zog ihn unnachgiebig in die Tiefe, näher zu sich. Hände glitten seinen Rücken hinab. Er schloss die Augen, kam ihm entgegen und –   – saß kerzengerade im Bett. Seine Lungen zogen sich schmerzhaft zusammen und pressten keuchenden Atem hervor. Mit weit aufgerissenen Augen sah er sich um. Die Dämmerung war dabei den Tag einzuholen und schickte die ersten Schatten in die Ecken seines Zimmers. Seine Klamotten klebten ihm schweißnass am Körper. Zitternd griff er sich in den Nacken, wo er noch immer eine schwere Hand zu spüren glaubte. Doch da war keine Hand. Niemand war hier, außer er. Schwer atmend fiel er zurück in die Kissen, breitete die Arme aus und sah an die Decke. Ein Traum. Nur ein verdammt intensiver Traum. Intensiv und voller Verlangen. So viel Verlangen, dass es ihm in die Realität gefolgt war und sich mit enormem Druck in seiner Körpermitte zusammenballte. »Fuck …« Peinliche Hitze entflammte auf seinen Wangen. Es war nicht seine erste Erektion nach dem Schlaf, allerdings die erste, der er gewillt war, sich hinzugeben. Sich selbst zu erkunden und dem Kribbeln Raum zu geben, den es vorher nie hatte. Verbissen starrte er weiter nach oben, versuchte das beständige Pochen in seinen Lenden und das wilde Gefühl in seinem Inneren abzuschütteln. Nein! Das ging nicht. Das war nicht richtig. Und doch – dieses Mal flauten die Erinnerungen nicht ab, viel eher vertieften sie sich noch. Noch immer spürte er die heißen Pfade, die Otabeks Hände auf seinem Rücken hinterlassen hatten und zu seinem größten Unmut bäumte sich der Druck immer weiter auf, rieb unangenehm über den Stoff seiner Shorts. Seine Augen tränten bereits vor Anstrengung, doch seine Gedanken waren unaufhaltsam. Es hatte sich so echt angefühlt, so greifbar. So gut. »Fuck … denk an irgendetwas anderes.« Vielleicht an JJ – aber das wäre wohl zu viel des Guten. Lieber spielte er innerlich die Kurzprogramme seiner Eislaufkonkurrenten ab, konzentrierte sich auf die Erinnerung der Lieder, die sie dafür ausgewählt hatten. Soweit so gut. Doch ausgerechnet, als das Katsudon begann seinen Eros zu tanzen, zog sich seine Körpermitte beinahe schmerzhaft zusammen. Damit hatte er genau das Gegenteil erreicht und alles nur noch schlimmer gemacht. Ausgerechnet beim Schweinchen meldete sich das Kribbeln zurück. Wollte sein Körper ihn eigentlich komplett verarschen? Schweiß- und Kälteeinbrüche tobten in ihm. Wütend strampelte er die Decke von sich. Schuld daran war einzig und allein, dass er ihn und Victor bei ihrem kitschigen Pärchengehabe beobachtet und sich vorgestellt hatte, wie sich das mit Otabek anfühlen mochte. Ihn zu berühren, seine Hand zu nehmen, vielleicht sogar seine Lippen auf seinen zu spüren. Leugnen war zwecklos. Er wollte es erleben. Wieder und wieder und nicht nur im Schlaf. Auch nicht mit einem Mädchen, selbst wenn sie Maria hieß. Otabek war es, der ohne in der Nähe sein zu müssen elektrische Impulse in verbotene Regionen schickte. »Scheiße.« Nicht mehr als ein klägliches Wimmern brachte er zustande. »Ich will nicht in dich verliebt sein.« Ein Jammer, dass Worte nicht genug Macht besaßen, um Tatsachen zu ändern. Natürlich war es ihm schon seit letztem Freitag bewusst, doch es laut auszusprechen verlieh seinem Dilemma eine einschneidende Endgültigkeit, der er sich nicht entziehen konnte.   »Aber ich bin es. Und auch noch unglücklich.« Was sollte er nur tun? Gegen Zanila Smirnowa versprach er sich nicht den Hauch einer Chance. Und selbst wenn doch, so war die Wahrscheinlichkeit, dass Otabek Interesse an Yuri haben könnte, mehr als gering. Warum sollte er auch? Er war erwachsen, gutaussehend, arbeitete als DJ, hatte eine eigene Wohnung und ein verdammtes Motorrad. Yuri wusste, dass es einige Kandidatinnen gab, die ihn anschmachteten. Und er wusste, dass Otabek das wusste. Mit so vielen Möglichkeiten würde Yuri ihm gar nicht erst in den Sinn kommen. Das stand fester, als seine nächste Qualifikation für den Grand Prix. Trotzdem konnte es so nicht weitergehen. Und wenn er lernen musste es zu akzeptieren, so war das noch immer besser, als ihre Freundschaft aufs Spiel zu setzen. Denn Otabek zu verlieren war ein Albtraum, dem er sich niemals stellen wollte. Abwesend strich er über den Bund seiner Shorts, versuchte seine Erektion zu ignorieren, die bei der leisesten Berührung zuckte und ihm immer wieder neue Schweißperlen auf die Stirn trieb. Nur zu gern würde er dem nachgeben, sich fallen lassen, einen Moment der Realität entfliehen und sich vorstellen, Otabek nahe zu sein. Doch er blieb eisern, drehte sich auf den Bauch und angelte nach seinem Smartphone. Wenn er handeln wollte, dann musste er sofort damit beginnen. Er würde sich Otabeks Neuigkeiten stellen und sich über sein persönliches Glück freuen. Wenn er glücklich war, konnte er es auch sein. Hoffentlich. Alles war besser, als im Selbstmitleid zu versinken. In Russland gab es keine Wasserfälle, unter die er sich flüchten konnte. Er wollte nicht mehr davonlaufen – und mit der Erinnerung an den Wasserfall, fiel ihm der erste Schritt in die richtige Richtung wie Schuppen von den Augen. Eigentlich hatte er jetzt Otabek schreiben und nach einem Telefonat fragen wollen, jedoch verschwand diese Idee im Schatten einer anderen - einer besseren. Entschlossen öffnete er den Chat mit dem Schweinchen und tippte eine Nachricht.   Yuri Plisetsky – 18.06 22:07 »Hey Schweinchen, hast du morgen Zeit? Du hast gewonnen, okay? Ich muss mit dir reden >.<«   Abgeschickt. Gespannt wartete er auf eine Antwort und die folgte prompt.   Katsudon das Schweinchen – 18.06 22:08 »Morgen nach dem Training? Wir können eine Runde mit Makkachin in den Park gehen. Ohne Victor.«   Kurz und knapp – scheinbar wusste sein Namensvetter sofort, worum es ging. Dankbar bestätigte Yuri seinen Vorschlag, dann rappelte er sich auf, um seinen Gefühlen mit einer kalten Dusche den Kampf anzusagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)