»Steig auf!« von Gmork ([ Otayuri ]) ================================================================================ Teil vier: »Treffen« -------------------- Bildungsreisen hatten Yuri eine Menge gelehrt. Erstens: Zeit war relativ und verging nicht schneller, nur weil man es wollte. Zweitens: Klassenkameraden wurden nicht sympathischer, auch wenn man sich ein Zimmer mit ihnen teilte. Drittens: Obwohl er für sein großes Mundwerk bekannt war, scheiterte er beim Vortragen von Referaten – besonders Referaten in fahrenden Bussen. Viertens: Auch wenn Sport zur Gewohnheit zählte, schmerzten Füße irgendwann von den vielen Erkundungstouren durch die Museen. Aber: Bildung versprach nicht immer nur Langeweile. Yuri musste zugeben, dass diese Touren ihm Vergnügen bereitet hatten. Sicher, diese dummen Referate über die Stadt, durch die sie hindurchfuhren, hätten sie sich schenken können. Doch abgesehen davon … es gab Schlimmeres, als Bildungsreisen. Und wie froh Yuri war, nicht immer an das bevorstehende Wiedersehen mit Otabek denken zu müssen. Die allerdings wichtigste Lektion schlug mit voller Wucht zu, als er sich von seiner Klasse verabschiedet hatte und allein im Check-In-Bereich stand: Ablenkung milderte Nervosität nur so lang, wie man sich eben ablenken ließ. Yuris Maschine hob in zwei Stunden ab. Der Flug würde nur anderthalb Stunden dauern. Dreieinhalb Stunden, dann stand er ihm gegenüber. Sein Herz begann wie wild zu schlagen. Zeit war relativ, ja. Und ein Arschloch. Dennoch keimte jetzt in seiner Brust der Wunsch auf, viel mehr davon zu haben. Er war noch nicht so weit. Zwei Stunden, bis er im Flieger saß. Zwei Stunden Zeit, sich die Beine zu vertreten.   Nach Abgabe seines Koffers schlenderte er mit seinem Rucksack über der Schulter durch den riesigen Flughafen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Ab und zu blieb er vor einen der Shops stehen und begutachtete kritisch die Klamotten. Nichts dabei, was ihn angesprochen hätte – sprich keine Aufdrucke von Tigern, Katzen oder Leoparden. Frustriert schnaubte er.  Shopping fiel also flach. Da half nur Plan B: Essen. Nach wenigen Umdrehungen erfassten seine Augen ein McDonalds. Der Fraß war bekannt dafür, überall gleich zu schmecken und Yuri liebte diese komischen frittierten Erdbeertaschen. Falsch machen konnte er also nichts. Ausgestattet mit seiner Nervennahrung ließ er sich im Wartebereich auf einen der Sessel nieder, konnte allerdings nicht widerstehen ein Foto von seiner Beute zu schießen und auf Instagram zu posten. Gerade als er einen ersten Bissen genommen hatte, vibrierte es in seiner Jackentasche. Sich wie nebenbei die Finger an der Hose abwischend öffnete er den Chat.   Otabek Altin – 29.02 9:31 »Wie siehts aus?«   Hmpf. Schiss hab ich, so siehts aus! Um nichts auf der Welt würde er diesen Gedanken laut aussprechen, oder gar schreiben. Entschlossen tippte er eine Antwort.   Yuri Plisetsky – 29.02. 9:34 »Hab eingecheckt! :D Und mir gerade ne Erdbeertasche gegönnt. In 1,5h fliege ich los und brauch dann nochmal 1,5h«   Otabek Altin – 29.02. 9:34 »Alles klar. Ich hole dich dann ab.«   »Häh? Wie, der holt mich ab?!« Sein Herz rutschte ihm in die Hose. Damit verpuffte die Möglichkeit sich in den letzten Minuten zu sammeln, während er auf dem Weg zu ihm war. Die Erdbeertasche hinterließ einen faden Geschmack auf seiner Zunge. Er kippte schnell Sprite hinterher, starrte dann aufs Display, seinen Namen an.   Yuri Plisetsky – 29.02 9:38 »Oh okay. Ich check dann aber vorher noch im Hotel ein und bring meinen Koffer weg :O«   Otabek Altin – 29.02. 9:39 »Das war auch mein Plan.«   Na immerhin hatte sich einer von ihnen Gedanken gemacht. Mit Schrecken musste Yuri feststellen, sich nicht ein einziges Mal über irgendwelche Planungen den Kopf zerbrochen zu haben. Wirklich klasse. Manchmal war er ein verdammter Idiot. Ein erneutes Vibrieren befreite ihn aus seinem Selbstmitleid.   Otabek Altin – 29.02. 9:43 »Schreib mir, wenn du eincheckst, dann mache ich mich auf den Weg.«   Yuri Plisetsky – 29.02. 9:45 »Ok«   Schnell ließ er das Smartphone wieder in der Tasche verschwinden. Wo ihn die Gespräche mit Otabek immer beruhigen konnten, machten sie ihn jetzt nur umso nervöser. Ob er sich überhaupt auf Yuri freute? Otabek verstand es mit Perfektion, nichts von seinem Inneren preiszugeben. Meistens. Bis auf ein einziges Mal vor wenigen Wochen, während des Telefonates mitten in der Nacht. »Du würdest mich niemals nerven.« Hitze staute sich in seinem Magen. Yuri glaubte ihm. Er musste einfach. Ein Blick auf die Uhr: Eine Stunde noch. Murrend erhob er sich, nachdem er sich Kopfhörer in die Ohren gesteckt hatte. Ruhig sitzen schien unmöglich. Bewegung war besser, also schlenderte er erneut durch die riesige Halle und brachte so die restlichen kräftezehrenden Minuten hinter sich.   Als die Maschine abhob, glaubte er seine Innereien am Erdboden zurückgelassen zu haben. Nervös trommelte er mit den Füßen und brachte damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Passagiere neben sich in Unruhe. Er ignorierte es und beobachtete das rege Treiben um ihn herum. Das erste Kind füllte bereits geräuschvoll die Notfalltüte. Jemand keifte einen anderen an, mit den Füßen doch bitte aus seinem Tanzbereich zu verschwinden. Eine Stewardess verschüttete Champagner über einen verärgerten Gast. Yuri seufzte und schenkte seiner Umgebung keine Beachtung mehr. Normalerweise genoss er das Fliegen, doch heute war sein Kopf dermaßen voll, dass er einfach nichts fühlte. Sein Blick glitt aus dem Fenster und verlor sich zwischen den Wolken. Das Herz stolperte in seiner Brust. Natürlich landete der Flieger mit Verspätung. Natürlich wurde sein Koffer als letztes ausgespuckt. Natürlich fuhren ihn sämtliche Taxen vor der Nase weg. Almaty schikanierte ihn, eindeutig. Als er endlich auf dem Weg zum Hotel war, zog er sein Smartphone hervor. Akku leer. »Warum, warum nur, häh? Verdammte Kacke! Ich hab‘ keinen Bock mehr!« Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Fensterscheibe geschlagen. Wie auf Kommando drückte der Fahrer das Gaspedal durch, vermutlich in der Hoffnung seinen Passagier schnellstmöglich loszuwerden. Gott sei Dank waren die Straßen halbwegs frei. Kein Stau, der dieser Fron die Krone aufgesetzt hätte. Aufatmend betrat er die Lobby und holte sich auch hier ohne Probleme seine Zimmerschlüssel ab. Die Pechsträhne verebbte langsam. Der Prunk seines Luxuszimmers ließ ihn kalt. Lilia hätte auch einfach ein stinknormales Zimmer in einem stinknormalen Hotel buchen können. Hatte während der Bildungsreise ja auch funktioniert. Er scherte sich um diesen übertriebenen Luxus nicht. Seine Augen klebten an der Steckdose neben dem riesigen Bett. Schon auf dem Weg dorthin öffnete er seinen Koffer und wühlte nach dem Ladegerät, verteilte dabei die Hälfte des Inhalts auf dem Boden. Endlich bekam er es zu fassen, ging in die Knie und führte seinem Smartphone endlich frischen Strom zu. Eine Minute ratterte es, bevor er es anschalten konnte. Sofort öffnete er den Chat, doch anstatt Otabek zu schreiben, entschied er sich ihn anzurufen. Es klingelte. Einmal, zweimal, dreimal. Das Freizeichen schien ihn auszulachen. Er umklammerte das Gerät mit schwitzigen Händen, legte nicht auf. Wenn er sich nicht komplett blamieren wollte, war es nun Zeit sich zusammen zu reißen. »Hey.« Endlich er hatte abgenommen. Yuri sog unhörbar die Luft ein, überspielte seine Unsicherheit mit Kaltschnäuzigkeit. »Wird Zeit, dass du mal rangehst, alter!« »Wird Zeit, dass du dich meldest.« Der Konter kam unerwartet und das Schmunzeln in Otabeks Stimme brachte Yuri in Verlegenheit. »Ja … sorry man.« Er schlug sich gegen die Stirn, kniff die Augen zusammen. Warum musste er immer zum Kleinkind mutieren, wenn er unsicher war? Tief durchatmen. »Hier ging ‘ne Menge schief, aber ich bin jetzt im Hotel.« »Alles klar, ich mache mich auf den Weg.« Kein Vorwurf. Kein Tadel. Nur die immer gleichbleibende Gelassenheit. Seine warme Stimme strömte über Yuris Nacken. »Okay.« Er gab ihm die Adresse durch. »Das ist ganz in der Nähe. Gib mir zwanzig Minuten, ich warte dann vor dem Hotel.«   »Okay.« Sein Wortschatz war vor Aufregung offenbar flöten gegangen. »Also. Bis gleich.« Yuri legte auf, ohne etwas zu erwidern. Zwanzig Minuten. Würde er eine Dusche schaffen, ohne sich zu verspäten? Er musste, wenn er gut aussehen wollte. Mit seinen Hygieneartikeln und frischen Klamotten bewaffnet verschwand er im angrenzenden Badezimmer. Auch dieser Raum interessierte ihn nicht im Geringsten. Nur über die vergoldeten Armarturen rümpfte er die Nase, freute sich aber trotzdem, als das Wasser sofort mit der richtigen Temperatur aus der Brause kam. Die Zeremonie verlief schnell, aber gründlich: Zuerst die Haare shampoonieren, danach den Körper einseifen und beides gleichzeitig abspülen. Schon stieg er wieder aus und keine zwei Minuten später trocknete er seinen Schopf mit einem Föhn, der bestimmt mehr gekostet hatte, als sein Smartphone. Victors Worte hallten plötzlich durch seinen Kopf. »Sei einfach du selbst, dann brauchst du auch nicht nervös zu sein.« So ein Penner! Was wusste der denn schon? Seine Ratschläge hätte er ihm am liebsten sonst wohin geschoben. Doch Victor hatte zum Abschied nur freundlich gelächelt und sich dann umgewandt, ihn dreist stehen gelassen, ohne sich seinen Shitstorm abgeholt zu haben. »Verdammter Penner! Verdammt, verdammt! Sei einfach du selbst, leck mich am Arsch!« Wer hatte den überhaupt eingeladen bei seiner Abreise dabei zu sein? Yuri definitiv nicht. Die Perfektion, mit der er Victors Stimme nachäffte ließ ihn auflachen. Offenbar drehte er jetzt komplett durch. Er schaltete das Gerät aus und knallte es zurück auf die Halterung. Wütend stieg er erst in frische Klamotten, dann in seine Chucks, nahm seinen bereits gepackten Rucksack und knallte die Tür hinter sich zu. Angst und Freude rangen um Aufmerksamkeit. Der Fahrstuhl schien direkt zur Hölle zu fahren. Draußen blickte er auf die Uhr. Fünfzehn Minuten waren vergangen. Kein Otabek weit und breit. Unruhig lief er hin und her, hob bei jeder Person, die auf ihn zukam, erwartungsvoll den Kopf, wurde aber nicht erlöst. Um sich abzulenken scrollte er durch Instagram, aber die Fotos verschwammen vor seinen Augen. Wann kam er? Wann? Er konnte dann jetzt nicht mehr. Er hielt es nicht mehr aus, wandte sich zur Tür um und – Ein Motorgrollen rauschte heran, ging in ein Quietschen über und erstarb dann direkt hinter ihm. Das Ächzen einer schweren Maschine ließ Yuris Magen explodieren. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich um. Da stand er. Lederjacke, zerrissene Jeans, schwere Stiefel an den Füßen. Sogar die Fingerlosen Handschuhe waren dabei. Seine lässige Eleganz ließ Yuri zusammenschrumpfen. Er selbst trug seinen Lieblingshoodie – den mit den Leopardenohren an der Kapuze – und plötzlich kam er sich wahnsinnig albern darin vor. Otabek atmete schwer, offenbar aus der Puste. Ob er sich beeilt hatte? Doch als er die Sonnenbrille abnahm, schenkte er Yuri ein Lächeln – eines, dass er so noch nie gesehen hatte – und warf ihm seinen Ersatzhelm entgegen. »Steig auf.« Leichtigkeit flutete seinen Magen. Er strahlte ihn an und schwang sich aufs Motorrad.   Ein Schlüssel klirrte, dann wurde die Tür aufgesperrt. Fremde und doch so bekannte Gerüche strömten Yuri entgegen. Er schloss die Augen und gönnte sich lautlos einen tiefen Atemzug. »Fühl dich wie zuhause.«  Und wie er das tat – schon vor dieser Aufforderung. Wenn er auf die letzten Stunden zurückblickte, fragte er sich, wovor er solch schreckliche Angst gehabt hatte, gleichzeitig schämte er sich für eben dieses Fehlempfinden. Denn anders als erwartet war ihr Wiedersehen nicht von Zwang begleitet. Es war wie in ihren Chats – nur, dass sie sich in Fleisch und Blut gegenüberstanden. Nach einer langen Fahrt hatte Otabek an einem See gestoppt. Sie waren einfach nur am Wasser entlang spaziert, hatten sich unterhalten und – wie bei ihrem ersten Treffen – dem kalten Wind getrotzt. Yuri berichtete von der Bildungsreise, von den Referaten und Museen, von seinen nervigen Klassenkameraden und auch von ihrem Ausflug in eine Eishalle. Von seiner Wut über das Gaffen und den unverhohlenen Neid der anderen, als er sie nach ein paar gedankenlosen Übungen dabei erwischte. Otabek sagte nichts. Er schmunzelte nur und lauschte seinen Erzählungen mit ehrlichem Interesse. Im Gegensatz dazu erzählte er Yuri von seiner Arbeit als DJ, der überrascht darüber an seinen Lippen hing und auch das kleinste, unwichtigste Detail darüber aufsaugte. Selbst ihr Schweigen in den kurzen Gesprächspausen war nie unangenehm oder peinlich, sondern entspannt und voller Genuss. Als kannten sie sich bereits ihr ganzes Leben. Yuri hatte jäh begriffen, dass er bis zu diesem Moment keine Ahnung gehabt hatte, was Freundschaft wirklich bedeutete und wie sie sich anfühlte. In Otabeks Wohnung angekommen sah er sich verstohlen um, während er sich die Schuhe von den Füßen streifte. Um einen guten Eindruck zu hinterlassen, stellte er sie ordentlich neben die Tür, dorthin, wo auch einige andere von Otabek standen. Im Zwielicht der schwindenden Sonne erkannte man nicht viel vom Flur, nur der helle Laminatboden glänzte ihn freundlich an. Otabek nahm ihm Jacke und Rucksack ab, bevor er ihn ins Wohnzimmer führte. Kaum hatte Yuri die schwarze Couch erblickt, ließ er sich auf sie fallen, die Glieder genussvoll ausgestreckt. Ein leises Stöhnen kam aus seinem Mund. Er fühlte sich ausgelaugt. »Setz dich doch.« Otabek versuchte ein schiefes Grinsen zu verbergen, als er eine Lampe in der Ecke anschaltete. Das weiche Licht erhellte den Raum, war aber nicht unangenehm. »Hey, du hast gesagt ich soll mich wie zuhause fühlen!« »Hm. Stimmt.« Ein Schmunzeln. Er gab sich geschlagen. Yuri sah sich auch hier um, erkannte dunkle Möbel auf hellem Boden, eine E-Gitarre, massenhaft Schallplatten und viel, viel Technik. Hier sah es wirklich so aus, wie in seinen Vorstellungen. »Willst du was trinken? Sprite?« Überrascht schnellte sein Blick zu seinem Gastgeber, der gelassen an der Wand lehnte, die Arme verschränkt. »Ja, man! Ich steh auf Sprite!« »Ich weiß.« Irritiert kratzte er sich am Kopf. »Häh? Woher das denn?« Otabek stieß sich ab und betrat die angrenzende offene Küche, zog den Kühlschrank auf. »Instagram.« Seine Antwort klang so beiläufig, dass Yuris Irritation noch mehr stieg. »Wie jetzt? Du stalkst mich auf Instagram und hast extra Sprite für mich besorgt?« Schon stand er wieder vor ihm und reichte ihm eine Glasflasche mit eisgekühlter Limonade. Und einem Strohhalm. Auf Yuris Frage hin nickte er, als wäre das nichts. Yuri prustete los. »Das ist … echt nett.« Er hoffte, sich seine roten Wangen nur einzubilden. Otabek hob die Schultern, jedoch zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Hatte Yuri ihn mit seinen Worten beschämt? »Ich meine … Das hat noch nie jemand für mich gemacht. Bin nur überrascht darüber. Deswegen … Danke.« Gott sei Dank glättete sich seine Mimik wieder. Yuri schien ihn also nicht in Verlegenheit gebracht zu haben. Beruhigt sog er an dem Strohhalm, bevor er die Flasche vorsichtig auf dem dunklen Wohnzimmertisch abstellte. »Ziemlich coole Wohnung.« Noch immer versuchte er jedes Detail um sich herum einzuscannen. »Schau dich ruhig um.« Darauf hatte er nur gewartet! Flink erhob er sich und steuerte zuerst das Plattenregal an, das neben dem Fernseher stand. Die Regalbretter bogen sich unter der Last. Hier würde man vermutlich alles von Techno über Trance bis Rock und Metal finden. »Wow. Echt richtig krass!« Otabek stellte sich hinter ihn und betrachtete seine Sammlung ebenfalls, erwiderte aber nichts. Yuri drehte sich zu ihm um. »Das sind hunderte, alter! Wie bist du an so viele Platten rangekommen?« Er hob nur die Schultern. »Teilweise ein Erbe von meinem Großvater, von Flohmärkten, teuer im Internet erworben, Geschenke … nichts Besonderes.« »Nichts Besonders? Du hast ja keine Ahnung! Manche Music-Stores wären neidisch auf dich!« Otabek lächelte schief. »Naja, jeder sammelt doch irgendwas. Du etwa nicht?« Yuri verzog das Gesicht. »Ja … Katzenplüschtiere von meinem Fanclub. Ganz toll.« Dies war wieder ein Moment, in dem er sich schrecklich albern vorkam. Obwohl er seine Plüschtiersammlung liebte. Doch von Otabek kam kein herablassender Kommentar, sondern er nickte nur. »Siehst du.« Und damit war das Thema für ihn wohl erledigt. Yuri wandte sich von der Plattensammlung ab und schielte zum Fernseher. Im offenen Regal darunter standen glänzend und staubfrei einige Konsolen. Von der Playstation eins bis vier bis hin zur Nintendo Switch war hier alles vertreten - von den Spielen einmal abgesehen. Er verkniff sich eine weitere Bemerkung über Sammlungen. Das machte seiner Plattenkollektion schon beinahe Konkurrenz. »Lust?« Otabek beugte sich an ihm vorbei und zog ein Spiel aus dem Regal. Yuris Blick blieb an seinen Gesichtszügen hängen, an den dichten Augenbrauen, dem scharfgezogenen Unterkiefer, an der markanten Nase. Was hatte er gefragt? »Hm?« »Hast du Lust zu zocken?« Mittlerweile hatte Otabek sich wiederaufgerichtet und hielt ihm ein Spiel entgegen. Mario Kart. Was auch sonst. Yuris Blick wurde angriffslustig. »Ich werd‘ dich sowas von platt machen, du wirst das Spiel danach hassen!« Otabek blieb davon unbeeindruckt. »Wir werden sehen.«   Schüsseln mit Chips standen auf dem Wohnzimmertisch, der Inhalt über den größten Teil der Fläche verteilt. Schokoriegelpapier zierte den Boden. Offene Bier- und Spriteflaschen standen neben der Couch. Über den Fernseher flimmerte ein Film. Lichter zogen an ihren Augen vorbei und ließen Yuris Lider flattern. »Du bist müde.« Otabeks Stimme klang leise neben seinem Ohr, ließ Yuri aufschrecken. Sie saßen so nah beieinander, dass er das Aroma von Otabeks Duschgel roch. Schon seit Stunden saßen sie so. Sie berührten sich nicht. »Ich bin hellwach, okay?« Er zog seine Jacke enger um den Körper und bettete das Kinn auf den Knien. »Schon klar. Deswegen hattest du auch gute zehn Minuten deine Augen zu.« Irgendetwas regte sich in Yuri. Da war dieses Gefühl in seiner Brust. »Hast du mich beobachtet?« Wenn Otabek sich ertappt fühlte, dann verriet er sich nicht. Weder Scham, noch Irritation war in seinen Augen zu lesen. »Ja. Ich muss ja wissen, wann es reicht.« »Mir reichts noch lange nicht!« »Das hast du auch vorhin gesagt, als du wieder mal verloren hast.« Trotzig wandte Yuri seinen Blick wieder zum Fernseher zurück. »Kurz vor der Ziellinie Bananenschalen zu streuen ist auch ziemlich unfair, du Idiot!« »Nein. Es ist nur ziemlich idiotisch die zu übersehen und darauf auszurutschen.« Gespielt warnend reckte Yuri seine Faust. »Ja, danke auch!« Er senkte den Arm wieder. »Hast ja Recht … und mir fall’n wirklich gleich die Augen zu.« Otabek trank sein Bier leer. »Eigentlich wollte ich dich noch zurückfahren …« Das letzte Wort hing in der Luft, als würde ein Teil vom Satz fehlen, aber er sprach nicht weiter. Yuri schüttelte den Kopf. »Kein Ding. Ich nehm mir’n Taxi.« »Unsinn.« Yuri fühlte sich von Otabeks intensiven Blick aufgespießt. Etwas durchfuhr ihn, doch er ließ sich nichts anmerken. »Wir sehen uns nicht oft. Die Zeit, die wir haben, sollten wir nutzen.« Mit diesen Worten erhob er sich. Yuri sah ihm irritiert dabei zu, wie er lustlos, aber pflichtbewusst die Verpackungen einsammelte und so Ordnung schaffte. »Du meinst … Ich kann hier pennen?« »Ja, das meine ich.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)