Bis du mein bist... von Lady_Shanaee (- edited version -) ================================================================================ Kapitel 2: Im Kerker -------------------- Es war bereits Nacht, als sich das trockene Gras unter den Hufen des Kissard in Pflastersteine verwandelte. Die Soldaten des Königs waren in einen raschen Laufschritt gefallen, wodurch der junge Lythari einsehen musste, dass er sie tatsächlich aufgehalten hatte. Fremde Naralfir näherten nun plötzlich mit Fackeln, und auch von seiner Position aus erkannte Saladir lange Kais aus grobem Holz, an denen kleine Boote vertäut waren. Der Fluss, in den man ihn heute Morgen geworfen hatte, war inzwischen zu einem breiten Strom geworden, dessen Brandung an nasse, schwarze Felsen klatschte. Sie hatten die Hauptstadt erreicht, vermutete der Lythari, denn die Händler hatten berichtet, dass sich der Talkessel zum Meer hin öffnen würde und die Hauptstadt in einer Bucht an diesem lag. Auch der Geruch, der nun in der Luft hing, bestärkte diese Vermutung: Es roch nach gekochtem Essen, was seinen Magen wieder heftig zum Knurren brachte, sowie nach Salz, Seetang und Fisch... ungewohnt für einen, der in einer bewaldeten Hügellandschaft ausgewachsen war. Das Meer auf der einen Seite und eine karge Ebene, die von einem riesigen Gebirge umschlossen war, auf der anderen: Saladir stellte fest, dass eine Flucht aus diesem Land sehr schwierig sein würde. Stimmen ertönten. Der Gefangene hob mühsam den Kopf und erblickte mehrere Naralfir, die mit offensichtlicher Verwunderung auf ihn deuteten. Eine Traube aus Leuten hatte sich um sie gebildet, und Azul durchritt sie mit schweigender Selbstverständlichkeit, als begrüßten ihn seine Untertanen mit einem Spalier und hätten nur auf seine Rückkehr gewartet. Das Kissard drängte einfach jeden beiseite, der im Weg stand. „Wer ist das, Euer Majestät?", fragte eine alt klingende Frauenstimme. „Entweder ein Dieb oder eine Trophäe", antwortete Ugrui. „Das wird sich noch herausstellen." „Mama, der Mann hat Haut, die aussieht wie Milch!" Es war ein Kind, was da gesprochen hatte und genau dieses zog nun heftig an Saladirs Haar, als es unter Kylafs Arm hindurch schlüpfen konnte. Der Lythari biss die Zähne zusammen. „Fass das nicht an!", rief die Mutter entsetzt, als Akal das Kleine auch schon zu fassen bekam und zurück in ihre Arme schleuderte. „Du wirst sonst krank!" „Mama, das Haar ist ganz weich!", erzählte der Junge aufgeregt. „Wie die Federn von meinem Küken!" „Ich hab' mir Lythari immer ganz anders vorgestellt...", hörte Saladir eine andere, diesmal männliche Stimme. „Irgendwie größer... und mit mehr Muskeln." „Er ist viel zu hübsch für einen Mann!", zischte eine weitere Frauenstimme. Saladirs Kopf wurde an seinen Haaren nach oben gerissen, bis er in die wütenden Augen einer Naralfir blickte, die – ihrer Aufmachung nach zu schließen – ganz offensichtlich eine Kurtisane sein musste. Ihr Gesicht war auffällig mit Kohlestift um die Augen und mit Karmin auf dem Mund bemalt, und an ihren Unterarmen blinkten zu viele Schmuckreifen, die weder zu ihren zahlreichen Halsketten, noch zu dem überlangen Ohrschmuck passten, der bis auf ein üppiges Dekolleté reichte. In den Augen des Lythari war das weder Eleganz noch Stil, doch vielleicht hatten die Naralfir auch hier andere Maßstäbe und die Frau war nur eine edle, reiche Dame... Plötzlich ertönte ein schrilles Kreischen, und der Zug an Saladirs Haaren ließ schlagartig nach: Azul hatte ihr die Hand abgeschlagen, und silbern glitzernde Armreifen fielen klirrend zu Boden. „Hat dieses Ding Euch etwa jetzt schon in seinen Bann geschlagen?", kreischte die Frau tränenüberströmt, während in Saladir das Entsetzen aufstieg wie eine Spinne, die sein Rückgrat hinauf krabbelte. „Schnauze, du Schlampe!", fauchte Fenach die Frau an und stieß sie unter dem rauen Gelächter einiger Männer in die Menge zurück, in der sie verschwand. Auf eine Handbewegung von Ugrui hin gingen Akal und Fenach nun voran durch das Volk, um eine schmale Gasse zu formen, während Kylaf und er die Nachhut bildeten. Saladir sah die Anspannung in ihren Gesichtern und spürte den Druck von Azuls Hand in seinem Rücken, der sehr fest geworden war. Er musste das Gesicht des Königs nicht sehen, um ahnen zu können, wie finster es aussehen musste, und der Gedanke an die eiskalte Miene bei Traduis Tod stieg in ihm auf wie eine dunkle Vorahnung. Das Getuschel der Umstehenden verfolgte die Gruppe den ganzen Weg über durch die verwinkelten, steinernen Gassen der Stadt. Immer mehr Naralfir kamen hinzu und jeder schien etwas zu sagen oder Erwartungen an das weitere Schicksal des gefangenen Diebes zu haben. Saladir ließ den Kopf hängen, in einem vergeblichen Versuch, all die Beleidigungen und Morddrohungen auszublenden und Tränen der Wut zurückzuhalten. Immer schlimmere Vorstellungen nahmen in seinem Kopf Gestalt an, als sein Verstand ihn mit Schreckensbildern überflutete. Wäre er doch niemals hier hergekommen... Hätte er doch die Felsen als Schutzwall akzeptiert und niemals einen Fuß auf diesen verfluchten Boden gesetzt! Es schien ewig zu dauern, bis das Gerede leiser wurde und sie die nächtliche Stadt sowie ihre Gerüche und Geräusche allmählich hinter sich ließen. Da erklang das ächzende Quietschen eines sich öffnenden Tores. „Majestät. Ihr seid zurück", sagte jemand erleichtert, von dem Saladir vermutete, dass es der Haushofmeister sein musste. „Ja. Die Jagd hat sich etwas hingezogen." Azul stieg vom Kissard und zog Saladir ebenfalls auf die schmerzenden Füße. Ein alter, dünner Mann näherte sich ihnen und musterte den taumelnden Prinzen mit zusammengekniffenen Augen. „Zusätzlich zu Fleisch bringt Ihr uns junges Elfengemüse mit..." „Der fiel uns nebenbei in die Hände", warf Akal ein. „Ja, genau!", pflichtete ihm Fenach bei und hielt dem Mann die inzwischen verwelkten Nachtrosen regelrecht unter die Nase. „Der wollte uns bestehlen!" „Ich verstehe", sagte dieser, rieb sich über das Kinn und nickte langsam. „Ich habe da schon etwas gehört..." „Bringt ihn in den Kerker, aber krümmt ihm kein Haar", unterbrach ihn Azul. „Löst die Fesseln, wenn ihr dort seid." Damit ließ er Saladir in der Obhut seiner Dienerschaft zurück und ging durch ein eisenbeschlagenes Portal in das nur noch spärlich erleuchtete Schloss. Saladir vermutete deshalb, dass es bereits weit nach Mitternacht sein musste. Aber... Entsetzen ballte sich in seinem Magen zusammen wie eine schwere, schleimige Kugel... er sollte in den Kerker?! „Ey, Bikur! Arbeit für dich!", rief Ugrui, und ein weiterer Naralfir erschien plötzlich aus dem Halbdunkel. Saladir hob schüchtern den Kopf und wusste auf den ersten Blick, dass dies nur der Kerkermeister sein konnte: Der Körper des Gerufenen war riesig und so muskulös, dass es schon unwirklich aussah. Das Gesicht war von Narben entstellt und das hauptsächlich dunkle Haar der Naralfir fehlte ihm völlig. Nur beleuchtet vom flackernden, gelblichen Licht der Fackeln an den Schlossmauern wirkte er mehr als beängstigend... Es war die Art von Mann, vor dem man sich besser versteckt hielt und still war, um nicht seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Saladirs Knie wurden weich, während ihm das Herz bis zum Hals schlug. „Verdammt, Ugrui! Brüll' hier nich' so rum!" Er brach ab, als sein Blick auf den Lythari fiel, und seine ohnehin schon grobschlächtigen Züge verfinsterten sich noch mehr. „Was will dieses Mondelfen-Viech denn hier?" „Wer weiß schon, was im Kopf eines Mondelfen vorgeht...", antwortete der Gefragte. Bikur spuckte auf den Boden und kam drohend näher. „Mit euch Dreckselfen habe ich noch eine Rechnung offen", knurrte er, riss Saladirs Kopf an dessen Haaren nach oben und holte aus, um den Lythari zu schlagen. „So ein Hübscher..." Doch Ugrui hielt ihn auf. „Lass den Scheiß, verdammt. Der König hat grade befohlen, ihm nichts zu tun. Tradui hat er höchstpersönlich ertränkt, weil er Scheiße gebaut hat!" „Dieses halbe Hemd hat mir gar nichts zu sagen." „Nicht hier, verflucht!" Ein verächtliches Schnauben folgte Ugruis Worten, doch der Kerkermeister schien ganz offensichtlich keinen besonderen Wert auf eine Bestrafung zu legen. „Schön. Dann woll'n wir mal kucken, wo wir den unterbringen können." Damit ergriff Bikur Saladir im Genick und schob ihn grob vor sich her über den Schlosshof und durch eine dicke, eisenbeschlagene Holztür fernab vom Eingang. Die Treppe dahinter führte scheinbar endlos in die Tiefe. Ein fauliger Geruch nach Blut, Fäkalien und nassem Gestein hing schwer in der Luft und raubte dem jungen Prinz fast den Atem. Es war fast völlig dunkel, lediglich einige wenige Fackeln erleuchteten grobe Wände und Gänge, die in regelmäßigen Abständen nach links und rechts abzweigten. Manche Zellen in diesen Gängen waren mit schwer aussehenden Türen verschlossen, andere dagegen nur mit Gitterstäben versehen, doch Saladir wagte es nicht, den Kopf zu heben und hineinzuschauen – aus Angst, was er dort vielleicht entdecken könnte. Aus einigen drangen Schreie oder Wimmern, sonst herrschte an diesem Ort eine bedrückende Stille, die über allem lag wie ein Grabtuch. Wen es hierher verschlug, der sollte vergessen werden, fuhr es ihm durch den Kopf. War das auch sein Schicksal? Würde niemand erfahren, was aus ihm geworden war? Was würde aus ihm werden, wenn er hier blieb? Der Lythari strauchelte vor Entsetzen und wäre gefallen, doch Bikurs Pranke in seinem Nacken hielt ihn aufrecht. Je tiefer sie über weitere Treppen und Flure in das Gewölbe vordrangen, desto schwächer fühlte er sich. Schließlich öffnete der Kerkermeister eine der Türen und nickte zufrieden. Die Scharniere quietschten genauso wie der Schlüssel, als er im Schloss gedreht wurde und trotz des Halbdunkels konnte Saladir sehen, wie massiv das Holz war, aus dem man sie gezimmert hatte. Eine kleine Luke auf Augenhöhe diente offenbar zum Ausspähen und eine etwas breitere ganz unten zum Füttern der Gefangenen. „Hier is' sowas wie du am besten aufgehoben", knurrte Bikur. Unsanft wurde Saladir in das winzige Verlies gestoßen, seine Fesseln zerschnitten und die Tür hinter ihm versperrt. Endlich wieder Bewegungsfreiheit... Er blickte sich um und seufzte. Weit oben gab es ein vergittertes Fenster, das wohl nur dazu da war, den Gestank, der in den Wänden hing, zu mildern oder die Eingekerkerten am Ersticken zu hindern. Ansonsten bestand der Raum nur aus schwarzem, stellenweise mit Moos bewachsenem Stein und in einer Ecke einem Eimer, der dem Geruch nach als Toilette diente. In die Wand auf der – von der Tür aus betrachtet – rechten Seite war eine Halterung für Fackeln angebracht und dicht neben ihr zwei Eisenringe eingelassen, an denen Ketten hingen, die nicht verrostet waren. Saladir schauderte, als er das bemerkte: Entweder pflegte der Kerkermeister die Zellen oder es war noch nicht allzu lange her, dass dieses Loch einen anderen „Gast" beherbergt hatte. Welches Los diesen wohl getroffen hatte? Der Lythari wagte es nicht, darüber nachzudenken, genauso wenig wie über die Frage, warum Bikur die Luke oben in der Tür nicht geschlossen hatte, so dass ein wenig Fackelschein in das Verlies fiel. Saladir setzte sich auf den Boden und starrte an die Decke. Ugruis Mantel half gegen die feuchte Luft und die Kälte ein wenig, doch sie schien sich bis in seine Knochen gefressen zu haben, so dass es ihm schwer fiel, nicht immer noch zu zittern. Er hatte einst davon gelesen, dass manche Leute zu zittern begannen, wenn Anspannung nachließ und dass Heiler diesen Zustand als „Schock" bezeichneten. Hatte auch er einen Schock und fror eigentlich gar nicht? Wenigstens war er nun jedenfalls dem schneidenden Wind nicht mehr ausgesetzt, der zu diesem Land zu gehören schien wie die Sterne zum Himmel... Da hatte er sich ja ernstlich was eingebrockt, überlegte der junge Prinz dann. Er konnte nur hoffen, dass sein Vater irgendetwas besaß, das für Azul ausreichend und wertvoll genug war, um ihn gehen zu lassen. Saladir legte sich erschöpft auf die Seite und während er gedanklich abschweifte, schlief er ein. Er erwachte schlagartig, als er ein Klappern von der Tür her hörte. Neugierig setzte er sich auf und bemerkte dann, wie ein Tablett mit einer Schüssel Suppe und einem Stück Brot darauf durch die untere Luke der Tür geschoben wurde. Sofort kroch er hin und machte sich über das Essen her. Die Suppe war scharf und dünnflüssig, das Brot alt und hart... aber beides zusammen machte wenigstens satt. Saladir zwang sich, langsam zu essen und sorgfältig zu kauen, denn wer wusste schon, wann er das nächste Mal wieder etwas bekam? Außerdem war er derart hungrig, dass ihm selbst verdorbene Speisen Recht gewesen wären... So vergingen die Tage, wie der Lythari am Lichtwechsel in dem kleinen Fenster sehen konnte. Es blieb länger hell, und vermutlich wurde es draußen immer wärmer... doch in seiner Zelle spürte man davon nichts. Er hatte viel zu viel Zeit zum Nachdenken, und so wiederholte sich das letzte Gespräch mit seinem Bruder in seinem Kopf wieder und wieder. Athavar war erfüllt von Sorge und Wut über eine so unüberlegte Entscheidung gewesen, das verstand Saladir inzwischen. „Du kannst nicht gehen! Dein Platz ist hier an Vaters Seite, während ich als Kronprinz die Amtsgeschäfte für ihn übernehme." Er war auf und ab gegangen, hatte sich das blaue Haar zerzaust, weil auch ihm nichts einfiel, was sie, die Prinzen, noch hätten tun können, um das Leid ihres Vaters zu lindern. „Nein! Ich kann hier nicht herumsitzen und nichts tun!" Auch Athavar war nicht faul gewesen, denn es war seine Idee gewesen, überall nachzufragen, ob es Nachtrosen nur in Mythen oder tatsächlich gab. Aus einem der ältesten Bücher in der Schlossbibliothek hatte er einen Schimmer der Hoffnung geborgen. „Saladir..." „Nein!" Saladir schüttelte den Kopf und zog Ugruis Mantel fester um sich. Athavar würde sich nun auch noch mit Sorgen um seinen Verbleib quälen müssen, denn da alle Männer gestorben waren, konnte niemand eine Nachricht überbringen. Sein Bruder hatte fast auf einen Schlag seine ganze Familie verloren, und es war niemand da, der ihm Trost spenden konnte. Saladir hätte in dieser Situation noch Rarya zum Trost gehabt, doch sein Bruder hatte die Last der Verantwortung geschultert und das Leben weitaus ernster genommen, als der Jüngere. Für eine Geliebte oder gar eine Braut war nur wenig Zeit gewesen. „Deine Gesellschaft wird Vater Kraft geben, bis die Soldaten mit den Nachtrosen zurück sind..." Damals... und das schien Jahre zurückzuliegen... hatte Saladir nicht verstanden, wie viel Trost und Kraft man aus der Anwesenheit einer geliebten Person ziehen konnte. Inzwischen hätte er viel dafür gegeben, nicht völlig allein im Reich der Feinde zu versauern. Um wieder heimkehren zu können... „Ich werde hier nicht tatenlos herumsitzen! Ich werde den Trupp anführen!" Er hatte nur an sich und sein Leid gedacht, und nicht einen Gedanken daran verschwendet, was sein Vater dabei fühlen mochte, wenn sein Sohn seinetwegen auf eine Reise ins Ungewisse aufbrach. Nun, da er selbst hier festgehalten wurde und nicht wusste, ob er jemals lebend dieses Verlies wieder verlassen würde, bereute Saladir seinen leichtsinnigen Aufbruch sehr. Bei dem Gedanken, dass er alle, die ihm lieb und teuer waren, vielleicht nie wiedersehen würde, zog sich etwas schmerzhaft in ihm zusammen. Das Magenknurren, das dann folgte, riss den Lythari aus seinen Gedanken, und er schaute sich um. Die Schale mit dem Trinkwasser war bereits seit dem vergangenen Tag leer und seine Mahlzeiten schienen einen Zweck zu verfolgen, den er nicht verstand: An einem Tag war es so wenig, dass es seinen Hunger nur noch mehr schürte, am nächsten gar nichts außer Wasser – und manchmal dagegen so viel, dass es für mehr als einen reichte, sich aber durch die Feuchtigkeit in der Zelle nicht lagern ließ. Es war eine einfache Methode, die allerdings sehr gut funktionierte: Bei jedem Geräusch von draußen vor der Tür hoffte der junge Lythari auf Essen. Alles andere schien dann plötzlich nebensächlich. Schritte und Schlüsselklirren waren von draußen zu hören, und Saladir kroch neben die Luke an der Tür. Erschrocken wich er zurück, als er erkannte, dass sich nicht die Luke, sondern die Tür selbst öffnete. Das spärliche Licht vom Flur ließ ihn die Augen geblendet zusammenkneifen. Zuerst dachte er, es wäre vielleicht Azul, doch dann erkannte er den Kerkermeister. Was wollte der denn von ihm? „Is' mir egal, was der König sagt. Er is' nich' da und kann dich nicht retten", knurrte der Naralfir, und Saladir wich instinktiv zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. „Ich hab' meinem Vater versprochen, jeden verfluchten Lythari so qualvoll wie möglich zu töten und nun hab' ich endlich mal wieder Gelegenheit, mein Versprechen zu halten." Saladir bezweifelte stark, dass jemand ihn schreien hören würde, geschweige denn zu Hilfe eilen. Bikur zerrte ihn hoch auf die Füße, schlug zu, und die Wucht seines Schlages ließ den Kopf des Wehrlosen zur Seite fliegen. Noch ehe er etwas sagen konnte, traf ihn der nächste Schlag, dieses Mal in den Magen. „Wieso hast du... das deinem Vater... versprochen?", versuchte Saladir kläglich das Schlimmste zu verhindern. „Das geht dich einen Scheiß an!", brüllte Bikur. „Ihr Mondelfen glaubt wohl, euch gehört die Welt?" Mit ungeheurer Wucht warf ihn der Kerkermeister an die Wand wie einen faulen Apfel. Ein Knirschen ertönte und der Lythari schrie gepeinigt auf. Durch den Aufprall hatte Bikur ihm die linke Schulter ausgekugelt. Er rollte sich schutzsuchend zusammen, als Tritte auf ihn einprasselten wie ein Steinschlag. Saladir hoffte inständig, dass sein Peiniger bald von ihm abließ, schmeckte Blut und Galle in seinem Mund und vermutete, dass er sich wohl nicht nur auf die Zunge gebissen hatte. Einmal mehr riss Bikur ihn hoch, um ihn quer durch die Zelle zu schleudern und dann weiter auf ihn einzutreten. Ohne Rücksicht, ohne Gnade, ohne Ende... „Was geht hier vor?", fragte plötzlich eine Stimme von der Tür her, und in ihrem Ton lag etwas, das dem Lythari trotz aller Schmerzen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er musste nicht die Augen öffnen, um zu wissen, dass der König der Naralfir in der Tür stand. Den eisigen, emotionslosen Ton hätte er überall und unter Tausenden wiedererkannt. „Ich gebe diesem Vieh, was es verdient", zischte der Kerkermeister, hielt aber in seiner Tortur inne. „Meine Befehle lauteten, ihn einzusperren, ihn aber nicht zu misshandeln. War ich so undeutlich?" Saladir hörte ihn näherkommen. Erschöpft öffnete er die Augen, und sein wirr umherschweifender Blick begegnete den stechenden roten Augen des Königs. Die Wut, die Azul ausstrahlte, war fast greifbar. Urplötzlich wurden die Fingernägel des Naraflir zu Krallen und noch bevor der Kerkermeister irgendetwas tun konnte, stieß der König seine Hand in den Brustkorb seines Untergebenen. Blut spritzte, als Azul die Hand wieder zurückzog. Als ihm klar wurde, dass er dem Kerkermeister das Herz herausgerissen hatte, wurde Saladir eiskalt. Der blutverschmierte Klumpen in der Hand des Naralfir zuckte, was bedeutete, dass das Herz noch schlug. Krachend fiel Bikurs Körper zu Boden, während Azul das Organ fallen ließ und mit seinem Stiefel darauf trat. Das Geräusch als es zerplatzte, war zu viel für den jungen Prinzen: Er übergab sich ächzend. Wie auf ein geheimes Zeichen tauchten zwei weitere Naralfir in der Kerkertür auf. „Bringt ihn weg, und beschafft mir einen neuen Kerkermeister." Die beiden gehorchten stumm, ohne Fragen zu stellen. Azul selbst holte eine Fackel aus einer der Halterungen von draußen und steckte sie in die dafür vorgesehene Fassung neben den beiden Eisenringen. Stöhnend rappelte Saladir sich auf und lehnte sich erschöpft gegen die kalte Wand hinter ihm. Sie tat ihm gut, denn durch Bikurs Behandlung fühlte er sich erhitzt wie vom Fieber. Die Schmerzen in Brust, Magen und Schulter pochten wie ein zweites Herz, und jeder Atemzug sandte eine neue Schmerzwelle durch seinen Körper. Der König der Naralfir hingegen verschloss die Tür hinter sich mit dem Schlüssel, den Bikur in seiner Rage fallen gelassen hatte, und setzte ein wölfisches Grinsen auf. „Nun... Da diese leidige Kleinigkeit erledigt ist, gibt es etwas, das ich mit dir besprechen muss, kleiner Dieb..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)