Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 58: Kapitel 58 ----------------------     Es dauerte nicht lange, bis er Nate zum Kommen gebracht hatte und bis auf ein paar Tropfen, schaffte er es diesmal auch, alles zu schlucken.     Auch beim Verhalten während des Geschlechtsverkehrs hatte sich Nate nicht wirklich verändert. Er mochte es nicht, Geräusche dabei zu machen, rang immer noch um Fassung und knebelte sich lieber mit der eigenen Hand, als laut zu stöhnen. Shinji liebte es, wenn er ihm - wie diesmal auch - dennoch kleine Geräusche entlocken konnte.     Um seinen Freund nicht einfach allein mit den Nachwirkungen seines Orgasmus zu lassen, küsste er sich nach oben, bis zu dessen Wange. Einen Kuss wollte er ihm nicht geben, damit Nate sein eigenes Sperma nicht schmecken musste.     Aber lange Zeit hatten sie nicht, um danach noch zu kuscheln, weshalb er sich doch fast sofort wieder aufrichtete.     Nate war deutlich noch dabei, seine Gefühle zu sortieren, vielleicht war es also sogar besser, wenn er ihn ein wenig allein ließ.     "Ruh dich kurz aus", hauchte er sanft. "Ich geh kurz ins Bad, dann können wir los."     Die Aktion war selbst nicht spurlos an ihm vorbei gegangen und er hätte nichts lieber getan, als weiter zu machen, aber genau deshalb löste er sich jetzt von seinem Partner. Sie waren so schon spät dran und er sollte seine Notfalltropfen präventiv nehmen, damit er keine Panikattacke während des Essens riskierte. Obwohl sein Kopf sich noch immer leicht von all den Hormonen an fühlte, lag ihm das Sperma wie Steine im Magen und er fühlte sich unruhig. Das würde nicht besser werden und gerade heute sollte er sich zusammenreißen können.          Das Zähneputzen dauerte etwas länger als erwartet. Es war weniger der Geschmack, als vielmehr das Gefühl der zähen Flüssigkeit auf seiner Zunge, das er nicht los wurde. Nach mehreren Minuten Schrubben und mehreren Runden Mundwasser, wusch er sich noch das Gesicht und fühlte sich endlich wieder einigermaßen sauber.     Als er das Bad wieder verlassen wollte, rannte er fast gegen Nate, der im Türrahmen stand.     "Oh, sag doch was", murmelte er peinlich berührt. Er hatte nicht gewollt, dass Nate dabei zusah, wie er sich so gründlich wusch, nachdem, was sie gerade getan hatten.     Es fiel ihm plötzlich schwer, seinem Partner in die Augen zu sehen, weshalb er einfach an ihm vorbei schlüpfte, ohne ihn mehr als notwendig zu berühren. Er eilte ein bisschen zu schnell in die Küche, obwohl er wusste, dass die Tropfen nicht sofort helfen würden. Der Druck auf seiner Brust würde er in einigen Minuten verschwinden, aber er würde wenigstens verschwinden.     Fuck, es war doch nur ein kleiner Blowjob gewesen. Er hatte wirklich angenommen, das würde nicht mehr so schlimm. Vielleicht steigerte er sich da aber auch nur in etwas rein, weil er erwartete, dass es so sein musste. Er war sich nicht sicher.     Jedenfalls fühlte er sich schon ruhiger, als er das Wasser mit dem Medikament darin geschluckt hatte.     Nate war ihm gefolgt, er hatte ihn gehört.     "Sorry", murmelte er kleinlaut. "Das hat nichts mit dir zu tun."     Ob er ihm das abnahm, wusste er nicht, aber er hoffte es. Hoffentlich stritten sie nicht nochmal. Das von vorhin saß ihm immer noch tief in den Knochen. Das war es ihm wert gewesen, aber es trug nicht zu seiner psychischen Stabilität bei.     Er konnte Nate noch immer nicht ansehen. Es war weniger die Phobie, als die Scham über seinen Zustand. Er sollte sich wirklich nicht so anstellen, das war doch lächerlich.     "Mach dir keinen Kopf, ich weiß das", hörte er Nate sagen und er entspannte sich etwas.     "Ich kann Lily anrufen und sagen, dass wir später kommen."     So richtig wusste Shinji nichts mit sich anzufangen. Er war unruhig und innerlich zittrig. Er wollte aus dieser Situation raus, aber wusste nicht wie oder wohin.     Für's Erste schüttelte er aber den Kopf: "Nein… nein… gib mir nur einen Moment. Das geht sicher gleich wieder."     Als er Nate das letzte Mal einen geblasen hatte, war es nicht so schlimm gewesen, oder? Aber selbst wenn… seitdem war ein Jahr vergangen und die letzten Tage waren schwer und stressig gewesen. Er hätte wissen müssen, dass es nicht so einfach werden würde.     Automatisch trugen seine Füße ihn zum Kühlschrank und er holte eine Packung Ben&Jerry's aus dem Gefrierfach. Eis half immer.     "Mal abgesehen davon, dass ich gerade ein wenig aufgelöst bin…" Er nahm sich einen Löffel und schob sich kurz darauf eine große Ladung des Schokoladentraums in den Mund. "Hat es dir gefallen? Hat es etwas geholfen?"     Als er geradezu treudoof zu Nate aufschaute, wurde ihm klar, dass kein halbwegs anständiger Mensch, jetzt mit einem 'Nein' antworten würde. Es war eine echt dämliche Frage, was dann auch die halb gestotterte Antwort deutlich zeigte: "Äh… ja… natürlich."     Er strich sich als Antwort durchs Haar und lächelte entschuldigend um den Löffel herum. "Sorry", murmelte er und arbeitete weiter daran, die Packung in seiner Hand zu leeren. Nate lachte leise, aber sanft.     Er fühlte sich noch immer furchtbar unruhig, was ihn schließlich aufgebend seufzen ließ.     "Ich schreib Lily doch besser, dass wir ein paar Minuten später kommen… ich muss mich erst mal wieder beruhigen. So kann ich da nicht hin."     Nach einer kurzen Nachricht ließ er seine Hand mit dem Handy dann auch wieder sinken. Er hatte extra hinten an gefügt, dass alles in Ordnung sei und sie einfach nur zu viel getrödelt hatten.     "Ich weiß gerade echt nichts mit mir anzufangen… das fühlt sich komisch an."     Tat es wirklich. Er fühlte sich aufgekratzt, aber nicht wirklich schlecht. Ein bisschen war es wirklich so, als würde er einfach nur zu sehr die Attacke erwarten und sie damit erst auslösen.     Nachdem er das Handy wieder in seiner Hosentasche verstaut hatte, griff Nate sanft nach seinem Handgelenk und drehte ihn zu sich und näher an den anderen Körper heran. Dann hatte er auch schon Arme um sich, die ihn sanft an die Brust des Anderen drückten.     "Wenn dir die Nähe zu viel wird, dann schlag mir einfach ins Gesicht.", scherzte Nate sanft. Stattdessen lehnte sich Shinji selbst mehr in die Umarmung und schloss die Augen. Er konnte nicht genau sagen warum, aber er schmunzelte.     "Wie musst du dich nur fühlen?", fragte er leise in den Raum hinein. "Wenn ich mich jedesmal so benehme, als wäre das, was wir getan haben, etwas furchtbares. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich das für dich an fühlt."     "Ich mache mir nur Sorgen um dich", kam die sanfte Antwort und Shinjis Schmunzeln wurde etwas tiefer. Wie konnte Nate nur glauben, dass das hier nicht genau die Beziehung war, die er wollte, gar brauchte? Nate war noch immer perfekt für ihn.     "Das geht wieder rum", hauchte er und versuchte wohl irgendwie ungelenk Nate jetzt aufzubauen. "Ich bewundere jedes Mal, dass du nicht einfach wütend und schreiend weg läufst…"     Es war ihm noch immer ein Rätsel, warum Nate immer und immer wieder blieb, aber er hatte aufgehört, das ernsthaft zu hinterfragen. Er hatte sich daran gewöhnt, dass es eben so war und dass Nate sogar jetzt nur, nur im Kopf hatte, sich um Shinji zu sorgen.     "Ich wüsste nicht, warum ich weglaufen sollte. Zumal ich im Moment auch gar nicht laufen könnte." Nates folgendes Schnauben klang sowohl belustigt, als auch tief frustriert. Das Bein verheilte eben wirklich nur sehr langsam.     "Danke", hauchte Shinji als Antwort und legte seine Arme jetzt auch um Nate. "Danke, dass du bei mir bleibst, das nicht persönlich nimmst und mir einfach nur beistehst."     "Es ist etwas, das tief in die verwurzelt ist und dir Angst macht. Warum sollte ich dich damit alleine lassen? Du bleibst ja auch bei mir und erträgst meine Launen."     Er atmete tief durch und vergrub sein Gesicht in Nates Brust. Er tat das so gerne. Es war ihm klar, dass er das Thema genau jetzt fallen lassen sollte, doch er konnte noch nicht ganz. Er brauchte die Worte von Nate gerade, die Unterstützung, die Zustimmung, die Sicherheit.     "Launen zu ertragen ist wohl was anderes, als seinem Freund nach dem Sex beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht halten zu müssen…" Er sagte das halb im Scherz, Nate wusste ja nicht, dass das so ähnlich schon passiert war. "Eigentlich sollte das 'danach' angenehm und schön sein… ich frage mich, ob ich es je dahin schaffe, dass es das ist."     Warum hielten die Hormone auch nicht länger? Während des Verkehrs dachte er ja auch nicht darüber nach und kurz davor genauso wenig.     Beruhigend kraulte Nate Shinjis Nacken, was den leise zum Schnurren und Nate selbst leise zum Lachen brachte: "Ich weiß ja nicht, wie oft wir dieses Gespräch schon führen mussten, aber…"     "Einige Male…", warf Shinji beschämt ein. Es war ja eigentlich wirklich lächerlich, dass sie ständig über das selbe sprachen, aber er brauchte diese Rückversicherung und diesmal war es ihm wirklich wichtig, weil er sehen musste, wie der 'neue' Nate darauf reagierte. Er konnte da einfach nicht aus seiner Haut.     "… ich glaube es müsste schon Schlimmeres passieren, dass ich von hier wieder weggehe."     Die Worte waren so leise, dass Shinji sich kurz nicht sicher war, ob er alles verstanden hatte, aber doch… Nate hatte ihm gerade wirklich gesagt, dass er sich nicht vorstellen konnte, jemals von ihm weg zu wollen. Und das schon nach gerade einmal einer Woche. Schon wieder… oh Mann.     Der Knoten in seiner Brust löste sich mit jedem der schnellen Herzschläge weiter, die dieses Geständnis bei ihm auslöste.     Er hätte nicht gedacht, dass sie so schnell wieder so intensiv zusammen finden würden. Es fühlte sich fast wieder an wie vorher.     "Wir sind irgendwie jedes Mal ziemlich schnell, wenn es um unsere Beziehung geht, was?"     "Ich schätze mal ja.", antwortete Nate sanft und ein wenig belustigt, obwohl er sich an das erste Mal gar nicht erinnern konnte. Aber das war wirklich typisch für sie. Solche Momente ließen Shinji manchmal glauben, dass sie beide füreinander bestimmt waren. Sie hatten sich fünfzehn Jahre aus den Augen verloren und waren innerhalb von nicht einmal zwei Wochen zusammen gekommen, obwohl Shinji vor nichts anderem mehr Panik gehabt hatte, als sich eingestehen zu müssen, dass er schwul war. Und nun, nur eine Woche, nachdem er mit Nate hatte von vorne anfangen müssen, machten sie bereits da weiter, wo sie aufgehört hatten.     An Nate zu lehnen gab ihm Kraft. Wenn er mit Nate zusammen war, hatte er weniger Angst vor der Welt da draußen. Mit Nate an seiner Seite, konnte er alles schaffen, das wusste er jetzt. Und er würde auch damit klar kommen, dass sich Nate nicht an ihre Schulzeit erinnern konnte. Letztendlich war das gar nicht so schlimm.     "Ich denke, wir können jetzt los.", murmelte Shinji nach einigen Augenblicken.     "Bist du dir sicher?" Nate drückte ihn besorgt etwas fester an seine Brust, als wolle er ihn vom Rest der Welt abschirmen, und atmete tief seinen Geruch ein. Nachdem Shinji noch einmal bestätigend genickt hatte, löste sich Nate von ihm und wuschelte ihm wie früher auch immer durch die Haare.     "Ich hab echt eine Schwäche für deine Haare", stellte Shinjis Partner für sich fest, klang dabei aber auch peinlich berührt. Er hätte nie gedacht, dass Nate diese Gewohnheit irgendwann einmal unangenehm sein würde. Das war irgendwie niedlich.     Nachdem sich Shinji die Haare wieder etwas geglättet hatte, folgte er Nate in den Flur, um sich die Schuhe anzuziehen. Er strich seinem Freund sanft über den Rücken und lächelte: "Es nervt mich jedes Mal, wenn du mir die Haare verwuschelst, aber ich würde es unglaublich vermissen, wenn du es nicht mehr tun würdest."     Er erinnerte sich kurz daran, wie eifersüchtig er gewesen war, als Nate Randy durch die Haare gewuschelt hatte. Randy… der war froh, den kleinen Amerikaner nicht mehr gesehen zu haben, seit diesem einen Tag. Aber er ahnte auch, dass auf kurz oder lang, Nate wieder mit ihm in Kontakt treten würde. Die beiden waren eben Freunde, daran konnte er nichts ändern. Mittlerweile fühlte es sich wenigstens nicht mehr so an, als würde seine Eifersucht ein Loch in seine Brust brennen. Er würde Nate nicht mehr hergeben und Nate würde nach allem hoffentlich auch nicht mehr von ihm weg wollen.     Das war aber alles ziemlich nebensächlich. Vor ihnen lag ein potentiell sehr anstrengendes Essen mit Nates Schwester und seiner Nichte.     Er seufzte schwer: "Ich hätte viel lieber Lust, den Rest des Tages mit dir im Bett zu verbringen."     "Der Nachmittag gehört dann uns", versprach Nate und Shinji freute sich bereits darauf.          Draußen schloss Nate ein wenig zu ihm auf. Shinji hatte nicht bemerkt, wie er sich wieder von ihm entfernt hatte. Er spannte sich etwas an, doch Nate wusste wohl, dass er ihn jetzt ablenken musste:     "Weißt du, in welches Restaurant Lily will?"     Das hatte Nate früher wirklich besser hin bekommen, aber Shinji konnte nicht verlangen, dass sein Freund sich immer dann zum Affen machte, wenn es ihm gerade nicht gut ging. Auch wenn er es gerade ein wenig vermisste, es hätte ihn beruhigt. Obwohl er wusste, dass sie ein absolut neutrales Bild abgaben, warf Shinji einen Blick über die Straße. Es waren einige Menschen unterwegs, so wie immer, und so wie immer, schenkte niemand ihnen Beachtung. Natürlich nicht. Die dachten höchstens, sie wären Freunde, nichts mehr. Warum sollte man auch bei jedem Paar von Männern auf der Straße gleich annehmen, dass sie etwas miteinander hatten? Das war vollkommener Unsinn und das wusste Shinji auch, er wusste das… sein Herz wollte nur nicht aufhören, aufgeregt zu schlagen.     "Ich weiß es nicht genau, aber ich schätze, was familienfreundliches, wegen Hana. Und auch nichts extravagantes. Vielleicht italienisch."     Das war immerhin klassisch, oder? Er kannte niemanden, schon gar kein Kind, das keine Pizza oder Spaghetti mochte.     "Italienisch", wiederholte Nate und sah in den blauen Himmel, "darauf hätte ich jetzt wirklich Lust." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)