Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 57: Kapitel 57 ----------------------     Hatte er es jetzt doch übertrieben? War Nate jetzt weg?     Doch ehe er überlegen konnte, was er jetzt tun sollte - er hatte schon sein Handy in der Hand um anzurufen und sich zu entschuldigen - wurde plötzlich seine Tür aufgerissen.     "Ich geh bestimmt noch ohne dich. Entweder wir gehen beide oder gar nicht."     Er hätte fast erleichtert ausgeatmet, doch er musste in der Rolle bleiben. Nate war immer noch viel zu gefasst… das durfte echt nicht wahr sein.     "Ach, jetzt plötzlich brauchst du mich?", fragte er bissig und drehte sich nicht einmal zu seinem Freund um. Stattdessen begann er ziellos auf seinem Bildschirm herum zu klicken, um so zu wirken, als wäre er beschäftigt.     Im nächsten Moment hatte er jeweils einen Arm neben sich auf dem Tisch und wurde leicht in den Schreibtisch gedrückt.     "Shinji, hör auf mich zu reizen. Heute ist echt kein guter Tag dafür."     Falsch, heute war genau der richtige Tag dafür, aber irgendwie beruhigte es ihn, dass Nate sah, dass er sich untypisch verhielt und das absichtlich tat. Hieß aber nicht, dass er nicht weiter im Bienenstock stochern würde.     "Muss ich jetzt also auf deine Stimmung achten, um sagen zu dürfen, was ich will? Was kommt als nächstes? Ich darf nur noch dann reden, wenn du es mir erlaubst?"     Woah, war er unfair. Ein wenig hasste er selbst sich für diese Worte. Er würde so etwas niemals sagen, seinem Freund niemals unterstellen, aber irgendwie musste er den Knoten doch lösen! Irgendwie musste er Nate dazu bringen, ihm endlich entgegen zu schreien, was eigentlich los war.     Er zuckte heftig zusammen, als Nate neben ihm auf die Tischplatte schlug. Langsam kamen sie an das Limit seiner Beherrschung, auch wenn Shinji ein kleines bisschen Angst davor hatte, wie es hinter dieser Grenze aussah. Er hatte Nate noch nie ausflippen sehen, aber er würde es wohl gleich erleben.     "Was willst du denn von mir? Wissen, was los ist? Wenn ich es weiß, geb ich dir Bescheid. Aber im Moment weiß ich gar nichts, okay? Ich hab verdammt noch mal keine Ahnung, wer du bist oder wer ich bin oder was wir hier überhaupt machen. Ich hab keine Ahnung, wer meine Familie ist. Ich hab keine Ahnung, wer deine Familie ist. Das einzige, was ich mache, ist warten. Ich habe echt absolut keine Lust mehr auf diese Scheiße!"     Nates Stimme donnerte durch den Raum und ließ Shinjis Nackenhaare zu berge stehen. Zum Glück wusste er, dass Nate seine Hand niemals gegen ihn erheben würde, was ihn aber nicht daran hinderte, doch etwas von Nate weg zu rollen, als er es zuließ. Da er selbst nicht emotional involviert war, konnte er ruhig blieben um die richtigen Fragen zu stellen. Es fiel ihm schwer die Worte zu finden, aber er sprach sie energisch:     "Und was willst du jetzt machen? Dich den Rest deines Lebens von jedem fern halten, den du mal gekannt haben könntest? Und was heißt, du weißt nicht, wer ich bin? Wir leben seit über einer Woche zusammen, verbringen jede Minute des Tages zusammen. Du kannst mir nicht sagen, dass du nicht weißt, wer ich bin! Und dass du nichts weiter tust, als zu warten, liegt allein an dir, an sonst nichts. Willst du wirklich dein altes Leben wegwerfen, nur, weil es etwas schwierig ist, es wieder kennen zu lernen? Du verweigerst immer noch die Krücken, weil du zu stolz bist, um Hilfe anzunehmen, aber plötzlich brauchst du Erinnerungen, um dich auf dein eigenes Leben einzulassen? Ich bitte dich!"     "Wie soll ich dich innerhalb von einer Woche kennenlernen, wenn ich mich selbst nicht einmal innerhalb eines Monats kennenlernen kann? Ich bin mir selbst fremd! Manchmal wache ich auf und bin mir nicht einmal sicher, ob das mein eigener Körper ist. Aber ich seh es langsam ein… Ich werde mich nie wieder erinnern können. Den, den du geliebt hast, den gibt es nicht mehr. Der ist irgendwo zwischen Afghanistan und Amerika gestorben und ich weiß auch nicht einmal, wo oder wie. Ich dachte, ich müsste nur sein Leben weiterleben und irgendann wäre es meines. Aber das fühlt sich nicht nach meinem Leben an. Und scheiße noch mal, seit wann rede ich von mir in der dritten Person?"     Nate stieß sich vom Schreibtisch ab und ließ sich frustriert stöhnend auf der Bettkante nieder, bevor er seinen Kopf in seine offene Handfläche legte.     Wirklich hilfreich fühlte sich Shinji jetzt nicht, aber wenigstens hatte Nate etwas Luft abgelassen und hatte angefangen mit ihm zu reden. Er stand selbst auf und kniete sich dann vor Nate hin, legte sanft seine Hände auf dessen Knie, um sich bemerkbar zu machen.     "Und warum muss ich mich erst aufführen wie die letzte Zicke, damit du mir das sagst?", fragte er sanft und lächelte entschuldigend. Er versuchte so wenig Vorwurf wie möglich in diesen Satz zu legen, er meinte es auch nicht anklagend, er wünschte sich nur, dass Nate über so etwas mit ihm sprach.     "Es fühlt sich nicht an, wie dein Leben, weil du es nicht zulässt, Nate. Während ich längst aufgehört habe, nach deinem früheren Ich zu suchen, versuchst du Erinnerungen herbei zu zwingen und schottest dich davor ab, eigene Erfahrungen zu sammeln. Es gibt keinen einfachen Weg im Leben und auch wenn das ziemlich abgedroschen klingt, ist es leider so. Du wirst nicht eines Tages aufwachen und dich erinnern und selbst wenn… wer sagt, dass es sich dann anfühlt, wie Erinnerungen und nicht einfach wie ein Film, den du mal gesehen hast? Entspann dich, lass dich drauf ein und beginne noch einmal von vorne. Ich weiß, das ist scheiße und nervt… aber ich gehe mit dir mit. Ich bin da. Den ganzen Weg bis zum Ende, wo immer das auch liegen mag."     Nate saß da wie eine Puppe, der man die Stränge durchgeschnitten hatte. Er wirkte vollkommen in sich zusammen gesunken und niedergeschlagen. Shinji hatte ihn noch nie so gesehen und er wollte, dass das aufhörte.     "Ich versteh das nicht", murmelte Nate, vollkommen kraftlos. "Wie konntest du so einfach darüber hinwegsehen und… bist du sicher, dass du in Wahrheit nicht danach suchst, auf Gemeinsamkeiten zu stoßen? Ich habe das Gefühl, ich würde dir die Beziehung wegnehmen, die du dir eigentlich wünschst."     Irgendwie hatte Shinji das Gefühl, dass sie dieses Gespräch schon einmal geführt hatten und er auf Nates Position gewesen war. Natürlich nicht mit dem gleichen Thema, aber mit einem sehr ähnlichen Wortlaut. Ob Nate ihn damals auch am liebsten durchgeschüttelt hätte und ihm einhämmern wollte, dass alles okay so war, wie es nun einmal war? Dass er niemand anderen suchte, sondern alles so war, wie er es wollte? Wahrscheinlich…     "Weil du im Grunde immer noch der selbe bist. Ich habe am Anfang abgecheckt, ob du die wichtigsten Grundeigenschaften behalten hast und das hat mir gereicht. Und da war noch so viel mehr, was geblieben ist. Ob du jetzt neuerdings Süßkram magst oder einen Film den du früher mochtest jetzt scheiße findest, ist doch egal. Du bist immer noch der geduldige, loyale, wundervolle Mensch, in den ich mich auch beim ersten Mal schon verliebt habe. Sicher vergleiche ich noch, aber das würde ich bei einem neuen Partner auch. 'Welche Dinge hat er auch, die mir wichtig sind?', 'Welche neuen Dinge sind da, die ich mir merken muss?'… diese Fragen stellt man sich immer, wenn man einen neuen Partner hat, das ist normal. Und du bist glücklicherweise in fast allen Punkten der Selbe geblieben, weshalb du mir auch keine Beziehung weg nimmst. Ich habe die Beziehung die ich mir wünsche."     Er ließ Nate Zeit, die Worte zu verarbeiten und sie sacken zu lassen. Es schien zu funktionieren. Die Hand verschwand aus dem Gesicht, die Haltung wurde wieder natürlicher und entspannter.     "Woher nimmst du nur diese Zuversicht? Du solltest eigentlich enttäuscht sein. Aber stattdessen versuchst du mich immer wieder aufzubauen."     Es wurde Zeit, Nate die Worte zu schenken, die er ihm vor einigen Tagen schon geschenkt hatte:     "Ich mag dich, Nate. Deshalb kümmere ich mich gerne um dich. Du würdest auch dasselbe für mich tun, oder?"     Nate kam ihm langsam entgegen, legte eine Hand in seinen Nacken und zog ihn dann in einen sanften Kuss. So ruhig und sanft war er seit Tagen nicht gewesen. Endlich konnte auch Shinji sich entspannen.     "Ja, das würde ich", flüsterte Nate ihm gegen die Lippen und sah ihm tief in die Augen, "aber wenn ich dir so nahe bin wie jetzt, will ich einfach nur noch die Vergangenheit mit dir wieder haben. Obwohl ich weiß, dass die Zukunft mit dir reichen sollte… Ich werde aber ab jetzt versuchen, mich nicht mehr so auf die Vergangenheit zu fixieren."     Das war doch schon ein großer Fortschritt. Hoffentlich konnte Nate sich an seine eigenen Worte halten. Statt sich von ihm zu lösen, stand Shinji jetzt auf und drückte Nate nach hinten aufs Bett, gab ihm einen kurzen, aber tiefen Kuss.     "Du musst nicht allein damit fertig werden. Ich bin dein Partner, ich trage gerne einen Teil deiner Last."     Er hielt kurz inne, strich seinem Partner sanft über die Brust und ließ sie direkt über dessen Herz liegen.     Er war sich nicht ganz sicher, ob das, was er vor hatte, jetzt das richtige war, aber er wollte es versuchen.     "Denn nur wenn du mich einbeziehst, kann ich dir die kleinen Geheimwaffen des Lebens zeigen, die es uns erlauben, für ein paar, wenige Momente an gar nichts denken zu müssen."     Mit geschickten Fingern begann er das Hemd, das Nate trug, aufzuknöpfen, ehe er mit sanften Bewegungen die Haut darunter verwöhnte.     "Schließ die Augen und entspann dich. Ich helfe dir den Stress der letzten Tage etwas abzubauen."     Denn egal, ob ein Mann es nun brauchte, oder nicht: Guter Sex war eine hervorragende Methode, um ein paar Glückshormone zu produzieren. Und da sie nicht viel Zeit hatten, musste es ein Blowjob tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)