Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 56: Kapitel 56 ----------------------     Die nächsten Tage vergingen mehr oder minder harmonisch. Sie verbrachten fast den ganzen Tag zusammen, schliefen im selben Bett und verstanden sich besser und besser. Aber während Shinji sich zunehmend an den neuen Nate gewöhnte, schien der von Tag zu Tag gereizter zu werden.     Als er Nate am Sonntag schließlich im Bad entdeckte, wie er finster in den Spiegel sah, während er sich die Zähne putzte, konnte er nicht mehr anders als zu fragen:     "Willst du darüber reden?"     Er war sich nicht sicher was los war. Ob es das Bein war, das nicht schnell genug verheilte oder die ausbleibenden Erinnerungen - denn nach der einen über den Supermarkt, hatte es keine neuen Entwicklungen gegeben - oder dass er langsam der Beziehung überdrüssig wurde, weil die auch nicht wirklich vorwärts ging. Bisher hatten sie nicht miteinander geschlafen, weil es sich nicht wirklich ergeben hatte und Shinji doch immer wieder zurückgezuckt war, wenn es doch etwas ernster wurde. Er hatte noch immer angst davor, Nate das volle Ausmaß seiner Phobie zu zeigen und er befürchtete, dass dem das allmählich auf die Nerven ging.     Es war ja auch verständlich, oder nicht? Es war als ob Shinji ihm nicht genug vertrauen würde, ganz abgesehen davon, dass Männer eben ihre Bedürfnisse hatten. Shinji war schon immer eine Ausnahme gewesen, aber das Internet war voll davon, dass Männer nun mal Zuwendung brauchten, ihre Triebe befriedigen mussten. Und Nate war vor ihrer Beziehung nicht gerade ein Kind von Traurigkeit gewesen, wie man so schön sagte. Auch während ihrer ersten Woche in der Beziehung waren sie sehr aktiv gewesen. Vielleicht hätte er sich einfach überwinden sollen, dann ginge es Nate jetzt vielleicht besser.     "Nicht wirklich", grummelte Nate nur als Antwort und nahm Shinji ziemlich den Wind aus den Segeln. Vertraute Nate ihm so wenig, dass er nicht einmal mit ihm darüber reden wollte, was ihn bedrückte? Er verstand wirklich nicht, was los war. Aber vielleicht war es wirklich nur sexuelle Frustration und Nate wollte ihn nicht bedrängen. Das wäre typisch für den anderen.     Shinji wartete, bis sein Freund fertig mit Zähneputzen war und trat dann an ihn heran, bevor er noch aus dem Raum verschwand.     "Ich muss noch duschen. Wie wär's, wenn du mir dabei Gesellschaft leistest?"     Der Blick der ihn jetzt traf, ließ ihn an seinem eigenen Verstand zweifeln. Nate sah ihn an, als hätte er ihm vorgeschlagen, Fischstäbchen zukünftig nur noch zusammen mit Vanillesoße zu essen.     Waren sie denn nicht zusammen? Und war es für ein Paar nicht normal, dass sie miteinander duschten? Hatte Nate Angst, sich nicht zusammen reißen zu können? War die Einladung zum Sex nicht deutlich genug gewesen? War er wirklich so unfähig?     "Ich habe gestern abend schon geduscht.", murmelte Nate nur und drängte sich dann an ihm vorbei. Shinji konnte noch sehen, wie er nach der Zigarettenschachtel griff. Nates Konsum war die letzten Tage auch überproportional gestiegen.     Langsam war er mit seinem Latein am Ende. Er hatte seinen Freund noch nie so erlebt. So verschlossen, ausweichend und schlecht gelaunt.     Es stand nur eines fest: So konnten sie nicht zu Lily. Die war schon so unsicher, wenn Nate ihr so gegenübetreten würde, würde sie nie wieder ein Wort ihm gegenüber vorbringen.     Egal was es war, sie mussten das jetzt klären, weshalb Shinji seinem Freund direkt nachging.     "Liegt es an mir?", stocherte er dann einfach weiter. Er schlug jetzt den gleichen Ton an, wie sonst nur mit anderen: Forsch und kühl und gefühlsmäßig distanziert. "Ist dir das Ganze mit mir doch zu viel?"     "Es liegt nicht an dir", kam die vollkommen genervte Antwort. Nicht sehr überzeugend.     Nate sah ihn nicht einmal an. Er stand nur da und zog an der Zigarette, als handele es sich um seinen letzten Atemzug, seine Körperhaltung so angespannt, als würde er jeden Moment explodieren.     Einen Augenblick später, wurde die Zigarette ausgedrückt, obwohl sie gerade einmal halb geraucht war. Allmählich ergab Nates Verhalten gar keinen Sinn mehr.     "Und das soll ich dir glauben?", stocherte Shinji weiter. Normalerweise war er nicht so hartnäckig und würde Nate auch nie unterstellen zu lügen, aber wenn er die Dramaqueen spielen musste, damit Nate endlich mit der Sprache rausrückte, würde er das tun. Sie mussten das klären. "Wo du mich seit Tagen kaum anfasst? Welcher Mann schlägt eine Dusche mit seinem Partner aus?"     Eigentlich war ihm das egal. Wenn Nate nicht danach war, sollte er sich auch nicht dazu zwingen, aber sie brauchten irgendeinen Aufhänger für einen handfesten Streit.     "Denkst du ich merke nicht, wie stumm du geworden bist? Wenn du keinen Bock mehr auf mich hast, dann sei wenigstens so fair und sags mir und warte nicht darauf, dass es mir irgendwann zu viel wird!"     So ein Gespräch hatte er mit einer seiner Exfreundinnen schonmal gehabt. Oder mit mehreren. Vielleicht auch mit allen.     Nate rang sichtlich um Fassung, atmete angestrengt durch, schloss die Augen und schien innerlich bis zehn zu zählen.     "Shinji… ich hab dir bereits gesagt… es liegt nicht an dir.", sagte er in gefährlich ruhigem Ton. Doch statt doch noch in die Luft zu gehen, zog er sein Handy aus der Hosentasche und überprüfte die Uhrzeit, während er sich langsam, fast drohend, in Shinjis Richtung drehte: "Wir müssen los. Lass uns später darüber reden."     Langsam fragte Shinji sich, wie viel Selbstbeherrschung sein Freund tatsächlich hatte und ob man sie überhaupt überwinden konnte. Kein anderer Mensch wäre jetzt noch so ruhig. Also musste er wohl noch einen Gang zulegen und die Diva spielen: "Weißt du was? Vergiss es! Geh allein zu Lily, ich hab keinen Bock mehr auf den Scheiß! Offenbar leben wir beide in verschiedenen Beziehungen!"     Das hatte er auch schon oft gehört und er ließ auch den dramatischen Abgang nicht aus. Ein großer Teil von ihm hatte Angst, es zu übertreiben, aber er wusste sich einfach nicht anders zu helfen.     Mit einem lauten Krachen fiel die Schlafzimmertür hinter ihm zu und um die Illusion perfekt zu machen, startete er seinen Computer. Innerlich allerdings zählte er langsam bis zehn. Wenn Nate dann immer noch nicht im Zimmer stand, hatte er ein Problem…     Er hörte Nate fluchen und kurze Zeit später fiel die Eingangstür ins Schloss.     Fuck… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)