Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 40: Hana ---------------- Hana - Nates Nichte - saß schon auf der untersten Treppe des Hauses, in dem Lily wohnte und sprang mit einem fröhlichen "Naaaate" auf, als sie sie beide entdeckte. Sie bremste allerdings, als sie Shinji richtig wahrnahm. "Wer ist das?" Nate schien die Frage ihm überlassen zu wollen, denn auch nach einem hilfesuchenden Blick, machte der den Mund nicht auf. Mist, wie sprach man denn mit einem Kind? "Eh… hi… Ich bin Shinji. Ein Kumpel von Nate." Das klang ziemlich steif, aber wenigstens hatte er überhaupt was raus gebracht. Er konnte einfach nicht mit Kindern. War es wirklich so eine gute Idee gewesen, dass er mitkam? "Shinji", wiederholte Hana mit überdeutlichem amerikanischen Akzent. Während sie mit ihm sprach, griff sie Nates Hand und wickelte dessen Arm um sich. "Wie alt bist du, Shinji? Was ist denn dein Lieblingsessen? Ich liebe Pancakes! Und Pudding." Das Leben, das aus Hanas Augen sprach, war atemberaubend. Er hatte noch nie einen Menschen mit so viel positiver Energie gesehen. Nate stupste ihr leicht in die Wange: "Lass das bloß nicht deine Mama hören." Hana kicherte darauf, war aber weiter auf Shinji fixiert, der etwas perplex versuchte, den Redestrom zu verstehen. "Pudding ist total lecker! Magst du sehen, welcher Pudding mein Lieblingspudding ist? Onkel Nate kauft ihn mir immer. Komm, komm" Er hatte wohl keine Wahl, denn das kleine Mädchen zog Nate schon eifrig die Treppe hoch. Wie alt die Kleine wohl war? Bestimmt hatte Nate ihm das schon einmal gesagt, aber er hatte es vergessen. Er würde sie auf 7 schätzen, vielleicht ein wenig jünger. "Nate, bist du schon da?", rief eine Frauenstimme, als sie die Wohnung durch eine weit geöffnete Tür betraten. Sie zogen sich gerade die Schuhe aus, als Schritte näher kamen. "Diese Arbeit macht mi-… Oh, halle Shinji." Die gestressten Gesichtszüge von ihr wurden weicher, statt härter und sie setzte zu einem Lächeln an. "Hat Nate Verstärkung mitgebracht?", lachte sie und hielt ihm die Hand hin. Kurz sah Shinji perplex auf die Hand, als hätte er vergessen, dass es normal war, jemandem zur Begrüßung die eben jene zu schütteln, ging aber dann auf die Geste ein. "Sieht wohl so aus. Hi. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich mitgekommen bin." Das schiefe Lächeln, das er zustande bekam, fühlte sich deutlich gezwungen an, weshalb er es schnell wieder fallen ließ. Er war jetzt schon froh, wenn er wieder mit Nate und dem Kind allein war. Zwei fremde Personen auf einmal waren doch etwas viel für ihn. "Und entschuldige bitte die Verspätung, das war meine Schuld." "Ach", winkte Lily sofort ab, "Das ist kein Problem. Jetzt seid ihr ja da. Ich frage mich nur, wie ich das schaffen soll, wenn Nate wieder weg ist. Hana war vorher oft im Hort aber… na ja." "Ich hasse den Hort", mischte sich das Mädchen sofort ein. "Kann Nate nicht hier bleiben?" Hanas Augen wurden tellergroß und traurig und sie sah hoffnungsvoll zwischen Lily und Nate hin und her. "Wenn ich nicht hierbleibe, kann ich dir nichts tolles mitbringen", erklärte Nate und grinste extra geheimnisvoll. Doch entgegen von Shinjis Vermutung funktionierte das nicht. Anscheinend wollte Hana wirklich, dass ihr Onkel da blieb. Shinji konnte das Gefühl gut nachvollzeihen, vor allem, wenn er mit einberechnete, dass der Hort keine Option war, aber er vermutete, dass das nicht der Hauptgrund war. "Wolltest du nicht deinen speziellen Pudding herzeigen?", versuchte Nate das nächste Manöver und zog Shinji zu sich. "Der Kerl hier wartet schon darauf." Na danke, Nate. Aber diesmal schien es wenigstens zu funktionieren und Hana begann wieder zu strahlen. "Stimmt ja!" Damit wurde er auch sofort in Beschlag genommen und an den Küchentisch gezogen. Hana holte den Pudding aus dem Kühlschrank und er musste ihr einen gewissen guten Geschmack attestieren. Es war eine Mischung aus Schoko und Vanille mit untergemischten Schokobällchen. Hana riss die Verpackung auf und hielt ihm die Süßspeise zusammen mit einem Löffel hin. "Du darfst kosten", sagte sie großzügig und er sah in ihren Augen, dass er da kein Entscheidungsrecht hatte. Aber zu Süßkram konnte er sowieso nur schwer 'nein' sagen, weshalb ihn das gar nicht störte. Im Hintergrund hörte er noch, wie Lily sich verabschiedete und die Tür zufiel. "Der ist lecker", sagte er ehrlich, aber sonst nichts, in der Hoffnung, dass er danach wieder frei war. Aber diesmal kam ihm sogar Nate zur Hilfe, der sich mit an den Tisch setzte und Hana auf seinen Schoß zog. Sie kicherte vergnügt und sah dann begeistert zu ihrem Onkel auf: "Ich mag ihn!" Das wiederum ließ Nate lachen und ihr zustimmen. Er zwinkerte Shinji kurz verschwörerisch zu, ehe er sich wieder seiner Nichte zuwandte. "Hast du schon deine Hausübungen gemacht?" Das Mädchen erstarrte sofort, hielt anscheinend auch die Luft an und klimperte unschuldig mit den Wimpern: "Aber es ist Freitaaaag." "Na und?" "Ich kann sie morgen auch machen. Oder am Sonntag." "Ich hab Hausaufgaben nie am Wochenende gemacht." Oh ja, das konnte Shinji bestätigen, denn Nate hatte fast nie was für die Schule getan. Aber natürlich versuchte man der nächsten Generation beizubringen, es besser zu machen, als man selbst. Wobei… ihm wäre es recht egal, was sein Kind tat, solange die Noten stimmten. Aber vielleicht kam das einfach daher, dass er immer intelligent genug gewesen war, auch ohne groß zu üben, gute Noten zu schreiben und der Druck, den er von seinem Vater bekommen hatte, alles schwerer statt leichter gemacht hatte. "Es ist immer besser, wenn man sie gleich erledigt. Shinji hat sie auch immer sofort gemacht, nicht wahr?" Er wusste, dass seine eigene Meinung hier nicht gefragt war. Deshalb antwortete er ganz brav das, was Nate von ihm hören wollte: "Ja, hab ich. Und ich war am Wochenende immer froh, dass ich mir keine Gedanken mehr darum machten musste." Selbst als er rausgeworfen worden war, hatte er das noch beibehalten, aber eher, weil er keine Wahl gehabt hatte. In der Zeit, in der er obdachlos gewesen war, war er immer so lange wie möglich in der Schule geblieben und im College hatte er am Wochenende durchgearbeitet, um sich die Gebühren leisten zu können. "Siehst du?" Nate sah Hana an und setzte ein unschuldiges Grinsen auf. "Wir sprechen nur aus Erfahrung. Du wirst es mir danken, wenn du den ganzen Sonntag vertrödeln kannst." Na, jetzt trug sein Freund aber doch etwas dick auf. Aber Hana seufzte ergeben und rutschte von seinem Schoß, um in ihrem Zimmer zu verschwinden. Nate schmunzelte zu ihm und griff seine Hand: "Hättest du mich abschreiben lassen, wenn wir in einer Klasse gewesen wären?" "Sicher, aber ich hab erst angefangen gute Noten zu schreiben, als ich schon im College war." Und selbst da war er nicht über den guten Durchschnitt hinaus gekommen. Heute wäre das anders, aber damals hatte er zu viel um die Ohren gehabt. Es hatte nur eine sehr kurze Zeit während seiner Schule gegeben, in denen er besser gewesen war als das. Diese kurze Zeitspanne, als alles gut gewesen war. Als er sich heimlich gegen seinen Vater aufgelehnt und begonnen hatte, mit Nate und den anderen feiern zu gehen. Als Hana wieder kam, versuchte er die Hand, die Nate noch immer hielt, wieder zu sich zu ziehen, doch Nate ließ ihn nicht weg. In der Zeit verteilte das Mädchen unzählige Bücher und Hefte über den ganzen Tisch und atmete dann erst einmal durch. Letztendlich musste Nate seine Hand doch loslassen, um ein paar Hefte davon abzuhalten, vom Tisch zu rutschen. "Du bist eine kleine Chaotin.", schnaubte sein Freund nur und grinste, während Hana sich auf den Stuhl zwischen ihnen beiden setzte. "Bist du sicher, dass du in der ersten Klasse bist? Das sieht so aus, als würdest du gerade dein Abschlussarbeit schreiben." Die Kleine ließ sich davon aber nicht abbringen und begann, konzentriert ein paar Zahlen und einfache Rechenzeichen aufzuschreiben. "Möchtest du was trinken?", die Frage ging jetzt von Nate an Shinji, der immer noch mit seinem Herzklopfen zu kämpfen hatte. "Kaffee, wenns geht. Aber wenn du mir zeigst, wo alles ist, kann ich mir auch selbst einen machen." Aber Nate winkte nur ab und stand auf. Kurz darauf hörte er das gluckern der Kaffeemaschine. "Ist das richtig?", kam es plötzlich von Hana, was Shinji sich automatisch vorbeugen ließ. "Da solltest du noch einmal drüber schauen.",wies Shinji die kleine sanft an. "Aber der Rest sie sehr gut aus." Er war es nicht ganz gewohnt, sich auch auf positive Dinge zu konzentrieren, wenn er etwas überprüfte. Für gewöhnlich bekam er nur Programmcode, den er verbessern oder reparieren sollte und da konzentrierte man sich nur auf das Negative. "Hmmm", machte Hana und zog prüfend die Augenbrauen zusammen, als sie sich die Aufgabe noch einmal ansah. "Ach!", gab sie kurz darauf von sich und korrigierte das Ergebnis. "Jetzt richtig?" Shinji lächelte ihr zu und nickte, was sie glücklich jubeln ließ. Das war echt niedlich. Hana war wirklich ein Sonnenschein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)