Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 11: Nates Job --------------------- "Wie wär's mit Curry?", schlug Shinji nach einem kurzen Blick in seinen Kühlschrank vor. Ein gutes, japanisches Curry ging eigentlich immer und man konnte es gut noch mal warm machen. Er ahnte, dass Nate sowieso ja sagen würde, deshalb griff er schon einmal alles, was er brauchte. "Ach ja", stoppte er sich dann aber selbst und wandte sich mit einem leicht nervösen Grinsen noch einmal an Nate: "Wenn du was brauchst bedien dich bitte einfach. Ich bin ein beschissener Gastgeber. Cola, Energydrink und Milch sind im Kühlschrank. Die Kaffeemaschine kennst du schon, falls du was willst. Ich bringe dir auch gerne was, oder setze Kaffee auf oder so, aber du musst mir sagen wenn du was willst, ich bemerke so was nämlich nicht." Nate aber winkte nur ab und setzte sich auf das Sofa, das in der Wohnzimmerseite des Raumes stand. "Ich brauch nichts, danke." Und nachdem Nate sich kurz umgesehen hatte: "Hattest wohl vor Kurzem deinen Haushaltstag, was? Scheint dieses mal erfolgreicher gewesen zu sein." Damit erwischte er Shinji dann doch ziemlich kalt. Zum Glück hatte er noch kein Messer in der Hand gehabt, das hätte übel enden können. "He he...", antwortete er erst einmal nur ziemlich verkrampft und wandte sich dem Kochen zu, um Nathan nicht ansehen zu müssen. "Ja... offensichtlich." Dass er zum aufräumen und putzen neigte, wenn er psychische Probleme hatte, musste der andere ja nicht wissen. Diesen letzten Teilsatz dachte er allerdings in letzte Zeit so oft, dass er allmählich befürchtete, doch etwas zu viele Komplexe angehäuft zu haben. Vielleicht sollte er anfangen, dazu zu stehen? Nein, beschloss er für sich. Das waren genug Offenbarungen für einen Tag, er brauchte definitiv Ruhe. "Hey, mach dir nichts draus." Was? Konnte Nate neuerdings Gedankenlesen oder war es wirklich so offensichtlich, woran er gerade dachte? "Ich bin Schlimmeres gewöhnt." Wer in Nates Umgebung hatte denn noch schlimmere Komplexe als Shinji? "Im Chaos fühle ich mich erst richtig wohl." Achso... darum ging es. Ja, das war natürlich logisch. Klar dachte Nate, es wäre ihm peinlich, dass es das letzte Mal hier ziemlich furchtbar ausgehen hatte und wahrscheinlich sollte er sich auch dafür schämen. Oder? Leider konnte er sich noch immer nicht an diese eine Nacht erinnern. Vielleicht war es ja wirklich nicht schlimm für seinen Kumpel gewesen, als er das Chaos hier gesehen hatte. Aber so richtig vorstellen konnte er sich das nicht. Wer fühlte sich schon in fremder Unordnung wohl? Es war doch etwas anderes, ob es die eigene Wohnung und damit auch das eigene Chaos war oder nicht. Shinji ging das auch so. Er selbst brauchte eigentlich ein kreatives Chaos, obwohl er gar nichts kreatives machte. Aber wenn alles zu klinisch und akkurat war, machte ihn das nervös und gab ihm das Gefühl, nicht bei sich zu Hause zu sein. Deshalb war die ganze momentane Ordnung auch nichts, was er sonderlich toll fand, wobei der vorige Zustand auch etwas zu sehr in die anderen Richtung geschlagen war. Da war schon nichts kreatives mehr dran. Wenn er nun aber bei jemand anderem war und dort war es unordentlich in einem solchen Ausmaß, fühlte er sich nicht wohl, weil alles automatisch schmutzig wirkte. Dann wusste man nicht, wo man sich gefahrlos hinsetzen konnte und alles schien beengt und ungemütlich. Aber er wollte Nate auch nicht unterstellen, ihn angelogen zu haben, deshalb sagte er einfach nichts dazu. Japanisches Curry war ein sehr einfaches Gericht, weshalb es schon fast fertig vor sich hin brodelte, als Nathan hinter ihn trat und ihm einen Blick über die Schulter warf. "Ich bin begeistert... und sprachlos. Du hast tatsächlich kochen gelernt." Shinji musste lachen. "Ja, kaum zu glauben, was? Aber es ist eigentlich gar nicht so schwer, wenn man sich an ein paar Regeln hält." "Dann werde ich es wohl nie lernen. Ich hasse Regeln.", erwiderte Nate nur und grinste schief. Irgendwie war das typisch, dachte Shinji bei sich und musste schmunzeln. Früher war er selbst auch mehr gegen Regeln gegangen, aber mittlerweile gaben sie ihm Sicherheit. "Magst du probieren? Vielleicht fehlt ja noch was.", fragte Shinji und hielt Nathan den Löffel hin. Manchmal hatte er das Gefühl, den Umgang mit Menschen vollkommen verlernt zu haben. Bei Nate ging es noch erstaunlich einfach, was aber wahrscheinlich daran lag, dass Nate sehr umgänglich war und Shinji noch von früher kannte. Wahrscheinlich war das auch der einzige Grund, warum sein Kumpel ihre Freundschaft nicht aufgab: Er ertrug das alles, weil er hoffte, dass er wieder mehr so wurde wie früher. Eine andere Erklärung konnte Shinji einfach nicht finden. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Nate aufzischte, als hätte er sich die Zunge verbrannt. Ein prüfender Blick brachte Shinji aber nur ein 'Daumen hoch' ein, das kurze Zeit später von einem "Es ist perfekt" begleitet wurde. Ein wenig fragte er sich ja schon, wie Nate das schmecken konnte, wenn er sich gerade verbrannt hatte. Aber gut... Sein Gast schien etwas zu dem Essen beitragen zu wollen, weshalb er begann die Schränke nach Geschirr zu durchsuchen. "Eins rechts", murmelte Shinji nur und rührte das Curry noch einmal gut durch. Da er danach aber nicht tatenlos am Herd stehen wollte, griff er zwei Gläser - stoppte dann aber: "Ehm... Cola oder Leitungswasser?" Viel mehr Auswahl war nicht da. Es sei denn, Nate stand plötzlich auf Milch zum Essen. Wobei die tatsächlich gar nicht so schlecht zu Curry passte. "Cola.", kam prompt die Antwort. Als sie schließlich gemeinsam am Tisch saßen, fühlte es sich fast so an wie früher. Beinahe so, als wären die 15 Jahren nie vergangen, aber das war ein Trugschluss und obwohl Shinji das wusste, genoss er kurz das Gefühl, dass alles normal war. Doch während sie so dasaßen, kroch die Erinnerung an das Gespräch wieder in Shinjis Bewusstsein. Was nur arbeitete Nathan, das ihm so unangenehm war? Er konnte nicht aufhören darüber nachzudenken. "Gaaaah!", stieß er einige Minuten später aus und raufte sich die Haare. "Ich bin so neugierig!", klagte er über sich selbst. Und setzte gleich ein "Es tut mir leid!" hinten an. Wahrscheinlich hatte Nathan nicht einmal eine Ahnung, worum es ging. Dennoch blieb sein Gast ganz ruhig und zuckte nur mit den Schultern. "Du warst schon immer neugierig. Das braucht dir nicht leid tun." Und Nate fragte nicht einmal nach was er meinte, ganz so, als wolle er ihm zeigen, wie unterschiedlich sie in dem Punkt waren. Vielleicht ahnte er aber auch einfach, was los war. "Es ist nur...", setzte Shinji an, um Nate nicht im Dunkeln zu lassen und um es endlich aus seinen Gedanken zu kriegen. "Ich kanns mir nicht vorstellen. Du bist so ein lockerer Typ. Du kannst mir ohne Probleme davon erzählen, dass du deinem Chef vor die Füße gekotzt hast, aber redest nicht über deine Arbeit? Ich weiß wirklich nicht, was SO schlimm sein kann, dass du nicht darüber reden willst. Und dann gerade wenn es um Sicherheit geht. Was kann man da schon groß komisches tun? Bordellbesitzer? Und selbst das würdest du mir doch knallhart ins Gesicht sagen. Ich versteh's einfach nicht!" Doch statt sauer zu sein, weil er weiter nachbohrte, lachte Nathan aus vollem Hals. Der tiefe Bass, der direkt aus Nates Lunge zu kommen schien, hallte angenehm durch die Wohnung. Shinji mochte Nates Lachen, auch wenn er gerade lieber Antworten hätte. Dennoch nahm er sich zurück und nutzte den Lachanfall um etwas klar zu stellen: "Das musste ich einfach mal loswerden. Ich frag nicht weiter, versprochen!" "Bordellbesitzer!? Wie kommst du denn darauf? Oh Mann..." Hatte Nate ihm überhaupt zugehört? Er war sich da nicht so sicher. "Ich bin alles durchgegangen was zu 'Sicherheit' und 'unangenehm' passt. Der Job ist ne gute Schnittmenge." Doch statt jetzt etwas dazu zu sagen, dass er überhaupt gefragt hatte, wurde Nathan ernster: "Wenn ich es dir sage, versprichst du mir, dass du danach kein einziges Wort darüber verlierst?" Was ging denn jetzt ab? Doch etwa was kriminelles? Aber dachte Nate wirklich, er würde jetzt 'nein' sagen können? Das einzige, was ihn davon abhielt, war, dass er ihm ja eigentlich so schon versprochen hatte, nicht zu fragen. War doch eigentlich nicht fair, oder? Nate fragte ja auch keine Details über damals, weil er wusste, dass Shinji nicht darüber reden wollte. War es fair, ihn dann dazu zu drängen? Na ja... gedrängt hatte er ihn nicht wirklich. Dennoch... er fühlte sich nicht ganz wohl damit und er wollte, dass Nate wusste, dass er sein Versprechen diesmal hielt. Shinji schluckte. "Gut, ich versprech's. Und jedes Mal, wenn mir zu dem Thema trotzdem was raus rutscht, darfst du mich was fragen, was ich sonst eigentlich nicht beantworten würde." Das war doch fair, oder? Quit pro quo oder so ähnlich. "Deal" Aber dann schwieg Nathan erst einmal wieder. "Es ist eigentlich nicht wirklich unangenehm", begann er dann. "Ich spreche nur nicht über die Arbeit, wenn ich hier bin." Hier? Was bedeutete 'hier'? Bei Nates Schwester? In seiner Küche? In dieser Stadt? Wo wohnte Nate eigentlich sonst? "Okay... um dir eine Antwort zu geben... Weißt du, Auftragskiller war gar nicht so weit weg." Wie jetzt? Was? "Ich gehöre zu den Navy SEALs" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)