Till The World Stops Turning Round von Schreibfeder (Wie weit bist du bereit zu gehen?) ================================================================================ Kapitel 1: Heimkehr ------------------- „Lass los, bitte ...“ Seine Hand verfestigte sich um ihre und zog sie ein kleines Stückchen wieder hinauf, ehe sie wieder hinunter rutschte und leidvoll zu ihm hinauf sah. Der Wind fegte durch ihre Haare und hauchte ihm ihren süßen, vertrauten Duft zu. Als würde die Natur ihn auf das Kommende vorbereiten wollen, ihm noch eine letzte Erinnerung schenken wollen. „Niemals!“, schrie er und sah wie seine Tränen glitzernd durch die Luft flogen. Kleine, schimmernde Diamanten, die ihn verhöhnten. Unter ihnen rauschte der Fluss in einer unglaublichen Geschwindigkeit und kollidierte mit den harten, spitzen Felsen am Rand. Der kalte Regen sprang ihm ins Gesicht, wirbelte seine Haare auf und schien ihm für einen kurzen, kleinen Moment neue Kraft zu schenken. Diese Kraft versuchte er auszunutzen, um einen weiteren Versuch zu starten, sie zu sich hinauf zu ziehen. Sein Gesicht wurde, völlig ungewohnt, zu einer kalten, starren Maske, als er ihr tief in die schönen Augen sah. Was er sah, war Entschlossenheit und Trauer. Er wusste, dass sie sich aufgegeben hatte. Unter unglaublicher Anstrengung probierte er seinen verletzten Arm anzuheben. Doch auch dieses Mal rutschte sie an ihm wieder hinunter. „Die Brücke wird uns nicht beide halten! Es hat keinen Sinn, wenn wir beide sterben!“, weinte sie, zappelte und wollte sich von ihm losreißen. Das führte jedoch nur dazu, dass er noch ein Stückchen mit ihr hinab sank. Das Seil, an dem er sich festhielt, knirschte und riss ein paar Millimeter weiter ein. „Doch, das wird sie, ganz bestimmt! Keinem von uns wird etwas zustoßen!“ Gelogen – das wusste er selbst. Sein Herz setzte aus, als er begriff, was das bedeutete. Er würde sie verlieren ... „Es tut mir so leid. So leid … Ich liebe dich!“ Ihre Finger glitten langsam aus seinen Händen. „Nein! Nein! Nein! Neeeein!“ Und dann ließ sie los …   ~Sechs Monate zuvor~   °°°†°°° Herbst °°°†°°°   „Das ist doch wohl ein Scherz", hustete Shikamaru Nara, der eigentliche Leiter der aktuellen Mission, und kniff beide Augen, angesichts der dichten Rauchwand, einige hundert Meter vor ihm, zusammen. Der Himmel über ihm und seiner Kameradin, schien von Minute zu Minute dunkler zu werden. Wahrscheinlich würde es innerhalb der nächsten paar Stunden anfangen zu regnen. Bis dahin sollten sie sich schon längst einen geeigneten Schlafplatz gesucht und die Zelte aufgebaut haben. Allerdings bestand Sakura darauf das abgebrannte Dorf vor ihnen nach Überlebenden abzusuchen. Obwohl sie als gegenwärtige Iryōnin des Teams die Pflicht hatte, sich zurückzuhalten und im Falle eines Falles am Leben zu bleiben, würde sie nie zögern in ein brennendes Gebäude zu rennen. Er konnte darüber nur den Kopf schütteln. Sie waren gerade dabei gewesen eine Schriftrolle mit wichtigen Informationen zur Bekämpfung von feindlichen Ninjatruppen entgegenzunehmen, als plötzlich eine Truppe von maskierten Ninja in das Dorf stürmte und eine Bombe hochgehen ließ. Zum Glück war Sakura so scharfsinnig gewesen und hatte rechtzeitig bemerkt, dass der Rauch giftige Stoffe beinhaltete, sodass sie noch fliehen konnten, bevor es zum Äußersten gekommen wäre. Shikamaru wollte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn nicht. Leider war die Schriftrolle dabei verloren gegangen, da der Bote zusammen mit ihr davon gesprungen war. Deshalb konnte Shikamaru auch bei weitem nicht nachvollziehen, weshalb sich die Kunoichi wieder in Gefahr begeben wollte. Doch bevor er noch etwas hätte sagen können, hatte sich Sakura auch schon ein Stück Stoff von ihrem schwarzen Shirt abgerissen, vor Nase und Mund gepresst und war, wie vom Teufel gejagt, zurück ins Dorf gestürmt. "Verdammt! So eine sture Frau!" Zornig tat er es der Haruno ein paar Sekunden später nach und preschte ihr hinterher. Nur schwerlich erkannte er den rosanen Schopf seiner Kameradin, der immer wieder von links nach rechts und wieder zurück flog. Anscheinend hatten die Bewohner auch hier mit der Epidemie zu kämpfen gehabt, die vor ein paar Monaten den gesamten Kontinent überfallen hatte und drohte sich noch weiter darüber hinaus auszubreiten. Schon vorhin hatte er es bemerkt, in welch schlechtem Zustand das kleine Dörfchen war. Der Putz war abgeblättert, die Pflanzen verdorrt, die Menschen kränklich und müde. Es war ... bedauernswert. Anfangs waren es nur wenige gewesen. Arme Teufel, die hustend, mit krustiger Haut, geröteten Augen und steifen Gliedern bei ihnen am Dorftor geklopft und um Hilfe gebeten haben. Doch wurden sie ohne Ausnahme abgewiesen, da man keine fremden Kranken in Konoha gebrauchen konnte. Auch, wenn Sakura einen kleinen Aufstand gemacht hatte, als sie davon erfuhr, waren sowohl Tsunade als auch Kakashi strickt dagegen gewesen diese Menschen in ihr Dorf zu lassen. Manchmal verfluchte er ihre fürsorgliche, aufopferungsvolle Art. Sie war so leichtsinnig. Ein paar Wochen später hatte die Krankheit allerdings schon weite Kreise gezogen und war bis in die fünf großen Ninjadörfer vorgedrungen. Nichtmal die großartige medizinische Versorgung kam noch dagegen an. Die besten Mediziner des gesamten Kontinents fanden sich zwar des öfteren zusammen und suchten nach einer Lösung, doch waren bisher nur minimale Fortschritte gemacht worden. Man hatte herausgefunden, dass es sich auf jeden Fall um eine schnell zum Ausbruch kommende Erkrankung handelte, die zu neunzig Prozent tödlich verlief. Anfängliche Symptome, die sich immer mehr verschlimmerten, waren zum Beispiel Luftnot, rote Flecken auf der Haut, Benommenheit und Bewegungsunfähigkeit. Laut Sakura war die Lebenserwartung für einen Erkrankten nicht höher als drei Monate, wenn man nicht behandelt wurde. Zwar wusste man, dass die Krankheit sich über sogenannte infizierte Chakrareste verbreitete, die sich in der Luft befanden, allerdings ging es nur sehr schleppend voran, was die Entwicklung eines Heilmittels betraf. Zuerst wurde das Chakranetz und dann der gesamte Körper angegriffen. Da selbst ein Neugeborenes einen minimalen Anteil an Chakra im Körper besaß, wurden auch einfache Menschen infiziert. Zwar geschah dies nur in seltenen Fällen, doch es gab sie. Und zur Behandlung brauchte man jeden Mediziner, den man aufbringen konnte. Deshalb war er auch so verwundert gewesen, dass gerade Sakura mit ihnen mitgeschickt wurde. Als wenn er seine Gedanken verscheuchen wollte, schüttelte Shikamaru seinen Kopf und sah zu seiner Kameradin. Voller Entsetzen glitt ihr Blick über die kümmerlichen Reste des Dorfes, in dem es kein Anzeichen mehr auf Leben gab, und blieb an einer verkohlten Spielzeugpuppe hängen, die sie mit einem verzerrten Lächeln anstarrte. "Sakura, es bringt nichts. Hier wird niemand -" Ein leises Scheppern unterbrach ihn und zog die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Unter einem kleinen Trümmerhaufen guckte eine Kinderhand hervor und leises Wimmern war zu hören. Schnell lief Sakura darauf zu und räumte die paar Brocken in Windeseile beiseite, sodass der kleine, eingefallene Körper darunter zum Vorschein kam. Braune, verängstigte Augen sahen ihnen entgegen. Langsam kniete die Kunoichi sich hin und strich dem Jungen in einer mütterlichen Geste über den Kopf. "Keine Angst. Ich hole dich hier raus", presste Sakura unter dem Stoff hervor und riss ein weiteres Stück von ihrem Oberteil ab, um es dem Jungen vor Nase und Mund zu halten. „Shikamaru, hilf mir bitte.“ Gemeinsam richteten sie den verletzten Jungen auf und hievten ihn auf den Rücken des Shinobi. Zusammen rauschten sie schließlich aus dem Dorf hinaus, wobei sich Sakura immer wieder nach weiteren Überlebenden umsah. Jedoch war es vergebens. Das sah sie spätestens dann ein, als hinter ihnen ein Gebäude glühend heiß explodierte und die beiden beinahe von den Füßen riss. Es war schrecklich. Die Leichen häuften sich an den Straßenrändern und starrte sie von allen Seiten aus toten, leblosen Augen an. In diesem Moment wurde ihr eines klar. Das Ende war eingeläutet.   Nachdem sie das Dorf wieder verlassen und sich einige hundert Meter davon entfernt hatten, hielten beide an und sahen sich wütend in die Augen. Shikamaru, weil er es nicht leiden konnte wie leichtsinnig sie mit ihrem Leben umging und Sakura, weil sie nicht verstehen konnte, wie er einfach weiter gezogen wäre. "Lass uns die Südroute nehmen. Das ist der kürzeste Weg nach Konoha", knurrte er. Zum Glück war der Junge auf seinem Rücken eingeschlafen. So bekam er von all dem nichts mehr mit. "Ja, in Ordnung." Sakura strich dem Jungen ein paar Strähnen aus dem Gesicht und war froh, dass sie sich von ihren Instinkten hatte leiten lassen. Sonst wäre er mit Sicherheit auch gestorben. Langsam setzten beide wieder ihren Weg fort und achteten stets darauf niemandem zu begegnen. Sie sollten einen Kampf vermeiden. Vor allem, weil sie nun ein Kind bei sich hatten. "Warum kämpfen diese Idioten überhaupt? Hier ist doch nichts zu holen", murmelte die Kunoichi und stieß sich von einem Ast ab. "Es herrschen Notstände, Sakura. Was erwartest du? Nahrung und Kleidung sind hier Mangelware. Jeder kämpft gegen jeden. Man holt sich das, was man braucht." Betroffen senkte Sakura ihren Blick und malträtierte ihre Unterlippe. Mittlerweile verabscheute sie das Dasein als Ninja, da es nur Schmerz, Leid und noch mehr Schmerz beinhaltete. Sowohl für Beteiligte, als auch für Außenstehende. So viele, unzählige Familien litten unter den Kleinkriegen zwischen den Ninjadörfern. Anstatt sich wirklich um die Bekämpfung der Krankheit zu bemühen, nahmen einige Dörfer die momentane Notlage einfach so hin und konzentrierten sich stattdessen lieber auf die Vernichtung anderer Gebiete. "Durch diesen Wald führt die einzige Verbindung zwischen Ishi no Kuni und Kawa no Kuni. Und wer die kontrolliert, kontrolliert die ganze ..." Plötzlich hielt Shikamaru inne und zwang sie somit ebenfalls stehenzubleiben. "Hast du das gehört?" Sakura spitzte die Ohren und blickte rasch zur Seite, als sie ein leises Stöhnen vernahm. Beinahe zeitgleich zückten Shikamaru und sie ihre Kunai und hielten sie kampfbereit vor ihre Oberkörper. "Was war das?", flüsterte Sakura und trat einen Schritt näher zu ihrem Kameraden. Dieser näherte sich langsam einer Stelle, an der sich verdächtig viele Sträucher, Blätter und Halme sammelten. Man sah deutlich, dass sich darunter ein Körper befand. Fest blickte sie dem genialen Strategen in die Augen und wartete auf ein Zeichen. Er hob die Hand und war bereit das Versteck desjenigen auffliegen zu lassen, als eine ihnen wohl bekannte Stimme ertönte. „Sakura!“ Vertraute, blau-grüne Augen sahen ihnen entgegen, worauf sich beide hinknieten und die paar Blätter wegschoben. "Temari?!" Das Erste, was Sakura direkt an ihrer Freundin auffiel, war der abgekämpfte Ausdruck in ihrem Gesicht. Erst dann bemerkte sie den stark gerundeten Bauch der Suna-Nin und hätte sich beinahe an ihrer eigenen Spucke verschluckt. „Temari ...“ Der Schock stand Shikamaru ganz klar ins Gesicht geschrieben. Sakura wusste, dass die beiden mal eine kleine Liaison eingegangen waren, als die Blonde Konoha mal wieder einen Besuch abgestattet hatte. Doch, ob daraus auch das Baby entstanden war, wusste sie nicht. Und sie sah Shikamaru an, dass er ebenso verwirrt war wie sie. Fachmännisch legte Sakura ihre Hände auf Temaris Bauch und tastete diesen ab, ehe sie sich der Blonden zuwendete. „Dein Kind ... Es ist fast soweit“, lächelte sie und beschloss Shikamaru für den Moment in den Hintergrund zu schieben. Inzwischen kannte sie ihn schon lang genug, um zu wissen wie aufgewühlt er im Inneren war. "Ich hatte schon die ersten Wehen, denke ich. Seit einer guten Viertelstunde überkommen mich regelmäßig kleine Schmerzeswellen", keuchte Temari und sah Sakura fest in die Augen, als würde sie stumm um Hilfe bitten. "Was machst du dann überhaupt hier?", wollte Shikamaru schließlich mit leicht zittriger wissen, in der auch ganz klar unterdrückte Wut zu hören war. "Ich ... Ich wollte, dass das Kind in Konoha zur Welt kommt. Bei dir … Kankuro hat mich begleitet, doch auf der Hälfte des Weges, da ...“, Temari schnaubte verächtlich und kniff ihre geröteten Augen zusammen ,“Er war auf der Suche nach einem sicheren Umweg für uns. Da griffen uns Ishi-Nins an und töteten ihn. Er starb, weil er mich beschützen wollte. Ich bin eine schöne Kunoichi, was?" Ihr Gesicht verzog sich zu einer leidvollen Miene. "Seitdem verstecke ich mich hier. Das ist jetzt schon ein paar Stunden her, glaube ich." Ihre Hand legte sich ebenfalls auf ihren Bauch, direkt neben Sakuras, und fuhr diesen sorgenvoll auf und ab. Die Angst, dass ihrem Baby durch die Kälte und den Stress etwas geschehen war, war groß. Sie dankte ihrem Gott dafür, dass er Sakura, die wohl fähigste Iryōnin im ganzen Feuerreich, herbeigeführt hatte. "Komm erstmal hoch", meinte Sakura dann nach ein paar Minuten und reichte ihr eine Hand, während sie mit der anderen ihre Rücken stützte. "Bis Konoha ist es zu weit für sie. Was sollen wir tun? Wir können sie ja schlecht hier lassen." Nach einer Lösung suchend, sah die rosahaarige Kunoichi ihren Kameraden an, der diesmal jedoch genauso ratlos wie sie war. Er zog lediglich seine Augenbrauen zusammen und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. Selbst, wenn er einen Intelligenzquotienten von über 200 hatte, wirkte er in diesem Augenblick erschreckend ahnungslos. Die Gewissheit, dass er Vater wurde, schien sein Denken lahmzulegen. "In östlicher Richtung, nur ein- zwei Kilometer weit steht ein Göttertempel, den die Kawa-Nins zu einem Lazarett umfunktioniert haben. Vielleicht können wir dort erstmal hin", warf Temari plötzlich ein und blickte die beiden so verzweifelt an, dass ihnen gar nichts anderes übrig blieb, als zuzustimmen. „Gut, wir werden dort hingehen. Temari und das Kind brauchen Hilfe. Vielleicht kannst du den Medizinern dort auch ein wenig zur Hand gehen. Aber versuch unnötigen Chakraverbrauch zu vermeiden, du wirst es brauchen.“, sprach er zu seiner Kameradin und steckte den Kunai wieder weg. Durch Sakuras Nacken kroch ein Kribbeln, als sie sich an ihren ersten Besuch in einem Lazarett erinnerte. Es war nicht unbedingt eine schöne Erfahrung gewesen, das Wehklagen von so vielen Mitmenschen in den Ohren zu haben. Sie erinnerte sich noch lebhaft an ein kleines Mädchen, dem man das Bein weg geschlagen hatte. Damals hatte sie gerade erst mit ihrer Ausbildung unter Tsunade begonnen und war noch zu unerfahren gewesen, um zu helfen. Ihr Weltbild war noch das unschuldig reine eines Kindes gewesen, das sich am liebsten in den Armen seiner Mutter vergraben hätte. Doch nun kannte sie die bittere Realität. Das Leben eines Ninja war nichts Schönes oder gar Ruhmvolles, wie man es ihr früher glaubhaft machen wollte. Man hatte ihr Erfolg und Reichtum versprochen. Allerdings hatte man das Dunkle, das Schlechte, das Blutvergießen einfach verschwiegen und ein Siegel drüber gelegt. So war sie naiv genug gewesen, um das Ninjadasein zu ihrem Traum zu machen. Und ihr äußerst attraktiver Teamkollege, mit dem sie auch gleich ihre beste Freundin hatte ausstechen können, war nur ein kleiner Bonus gewesen. Dass sich daraus eine wahrhaft, tiefe Liebe entwickelte, hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen können. Inzwischen war sie sogar so weit, dass sie ihn einfach nur noch glücklich sehen wollte. Und, wenn er dazu seinem Heimatdorf und seinen Freunden fernbleiben musste, nahm sie das gerne so hin. Obwohl eine gehässiges Stimme in ihrem Kopf sie für diese Einstellung verurteilte. »Und wenn er gar nicht glücklich ist? Wenn Sasuke da draußen mehr und mehr verbittert? Wenn er gar nicht mehr unser Sasuke ist? Du weißt, er wollte dich und Naruto töten. Die einzigen Menschen, zu denen er eine Bindung hatte, die weit über Kameradschaft hinaus ging. Was ist, wenn er ...« brachte ihr innerer Teufel das zur Sprache, vor dem sie sich am meisten fürchtete. "Sprich es nicht aus!", fuhr sie sich selbst dazwischen, wusste aber gleichzeitig, dass sie sich nicht aufhalten konnte, den Gedanken auszuführen. »Wenn er zu seinem ureigenen Verderben geworden ist? Zu einem von Hass und Rache erfüllten Menschen? Zu jemandem, der mit dem Tod seines Bruders auch sich selbst verloren hat? Zu einem kalten Monster?« Als hätte dieser Gedanke ihr Herz zersplittert, blieb Sakura urplötzlich stehen und presste ihre Augen so zusammen, als würde sie unvorstellbare Schmerzen erleiden. "Sakura!" Temaris Stimme war nur ein weit entferntes Flüstern, obwohl sie direkt neben ihr stand. »Was ist, wenn er schon längst tot ist und du nur noch seine bleichen Gebeine bewundern kannst?« fing die Stimme in ihrem Kopf die Rede wieder auf. Auch sie hatte sich mit der Zeit geändert. Sie himmelte Sasuke schon längst nicht mehr an, sondern wurde zu dem, was Sakura an sich selbst verabscheute. Sie hatte sich mit der Trauer und dem Schmerz, den Sakura durch Sasukes Taten hatte erleiden müssen, vollgesogen. »Was ist, wenn er Naruto, den Einzigen, der jemals wirklich für uns eingestanden ist und uns neben Lee wirklich ehrlich geliebt hat, umgebracht hat?« Hörte sie da eine gewisse Sympathie für den blonden Chaosninja heraus, oder bildete sie sich das nur ein? "Das würde er nie tun", knurrte sie ihr Inneres Ich an und verzog auch äußerlich ihr Gesicht zu einer von Wut verzerrten Miene. »Wie kann man nur so naiv sein? Du hast beide seit Jahren nicht mehr gesehen. Sasuke hat es schon mal probiert. Du weißt, er würde auch nicht zögern, dir sein Schwert durch den Leib zu stoßen. Wenn du ihn das nächste Mal siehst, solltest du …« Plötzlich flog Sakuras Kopf zur Seite und ein leicht leuchtender Handabdruck prangte auf ihrer pochenden Wange. Fassungslos blickte sie Shikamaru in die Augen, der sie stur anstarrte. "Was ist bloß los mit dir? Du kannst doch nicht einfach mitten im Weg stehen bleiben und Löcher in die Luft starren. Tut mir leid. Es ist zwar völlig gegen meine Prinzipien Gewalt gegen Frauen anzuwenden, aber du warst ja völlig weggetreten. Wo warst du nur mit deinen Gedanken?" Seine Stimme hatte einen sanfteren Ton angenommen als am Anfang. Sakura schüttelte allerdings nur den Kopf und rieb sich mild lächelnd ihre Wange. Auch, wenn es manchmal nicht so aussah, war Shikamaru ein echter Freund. Er war seinem Dorf und seinen Freunden stets loyal gegenüber und setzte alles für die Werte, die er vertrat, ein. Sakura respektierte und schätzte ihn. "Unwichtig. Lass uns weiter gehen, ja?" Er nickte und drückte den Jungen auf seinem Rücken in eine bessere Position, ehe sie langsam ihren Weg fortsetzten. Jedoch nicht ohne ihr noch einen skeptischen Blick von der Seite zuzuwerfen.   Nach einer Weile sahen sie die Säulen des großen Tempels schon vor sich und liefen schwerlich darauf zu. "Wer seid ihr?" Ein Kunai flog an ihnen vorbei und blieb in dem Baum hinter Sakura stecken, deren Wange es beinahe getroffen hätte, wenn sie nur etwas weiter rechts gestanden hätte. Shikamaru hatte schon sein Kunai gezückt und sich in Angriffsposition begeben. Doch als er den Wachposten zwischen den beschädigten Gesteinsbrocken sah, ließ er sein Kunai wieder ein Stück sinken. "Wir haben eine hoch schwangere Frau und einen kleinen Jungen bei uns, der dringend medizinische Hilfe benötigt!", rief Sakura zu dem Mann hinüber und kam auf ein Zeichen hin, zu ihm. Er schien in den letzten Tagen einiges erlebt zu haben, da seine schmuddelige Kleidung völlig zerschlissen war und an ein paar wenigen Stellen Blutspuren aufwiesen. Misstrauisch begutachtete er die vier mit seinen grauen Augen, ehe er sie passieren ließ. Schmerzensschreie und Wehklagen hallte zwischen den Wänden des Tempels wieder und zerrissen Sakura beinahe das Herz. Eine Mutter rief verzweifelt nach ihren Kindern und betete zu Gott, dass er sie doch zurück bringen möge. Eine andere Frau weinte um ihren Mann, der gerade von ein paar Männern weg getragen wurde. Es war ein schreckliches Bild, das sich ihnen bot. So voller Leid, Trauer und Schmerz, dass Sakura beinahe schlecht wurde. Schluckend wandte sie den Blick ab und sah zu Temari, die sich keuchend den Bauch hielt. „Wie geht es dir?“, wollte sie leise wissen und räumte währenddessen eine staubige Platte neben dem Altar frei, auf den sich Temari legen konnte. „Ich bin erschöpft und fühle mich, als hätte man mir ein Messer in den Körper gerammt.“ Entsprechend ihrer Antwort, sah sie auch aus. Das zerzauste, blonde Haar klebte in ihrem verschwitzten Gesicht, ihre Kleidung war hier und da ein wenig verrutscht und ihre Körperhaltung erinnerte an die einer gebrechlichen, alten Frau. „Setz dich, ich kümmere mich derweil um den Jungen. Wenn was ist, schrei einfach.“ Mit einem Zwinkern verabschiedete sich Sakura und zerrte Shikamaru an seinem Ärmel bestimmend hinter sich her zu einem kleinen Tisch, auf den er den Jungen behutsam gleiten ließ. Ein altes, schmutziges Tuch diente dabei als Kopfstütze. „Hol mir bitte zwei Schüsseln mit Wasser. In die eine gibst du bitte etwas Rosenextrakt hinzu. Findest du in meiner Tasche.“ Während er die geforderten Sachen besorgte, nahm sie ihr Kunai zur Hand und schnitt das löchrige Shirt des Jungen auf, ehe sie auf seiner Brust – ein paar Zentimeter neben dem Herzen – leicht die Haut einschnitt. Somit hatte sie schon mal einen Kanal, der ihr die Entfernung des Gifts erleichtern würde. Fachmännisch zog sie ihre langen Haare zu einem strengen Zopf und begutachtete währenddessen mit professionellen Augen den Körper des Jungen, der sich im Brustbereich merkwürdig aufwölbte. Als Shikamaru mit den gefüllten Schüsseln schließlich zurück kam, sah sie das erste Mal von ihrem Patienten auf und bemerkte erst jetzt, dass sich ein paar der Tempelmediziner um sie herum versammelt hatten, damit sie ihr bei der Arbeit zusehen konnten. In ihren Augen waren die völlig inkompetent. „Was steht ihr hier so herum? Kümmert euch lieber um die Verletzten“, fuhr sie diejenigen scharf an und biss die Zähne zusammen, weil sie sonst ausfallend werden würde. Langsam sammelte sie Chakra in ihrer Hand und ließ diese in die Schüssel mit dem Blütenwasser gleiten, worauf es sich in Form einer großen Blase an ihrer Handfläche sammelte. Mit dieser wandte sie sich wieder dem Jungen zu, der ihr mit seiner ungesunden Blässe, Sorgen bereitete. „He, du da!“ rief sie jemanden von den Helfern zu, der gerade nichts zu tun zu haben schien. Obwohl das in diesem Chaos eigentlich unmöglich war. Der junge Mann mit den zotteligen, braunen Haare, schreckte auf und blickte sie völlig irritiert an. „Komm her und hilf den Jungen festzuhalten. Sonst wird er unruhig und das kann ich während der Behandlung nicht gebrauchen“, befahl sie streng und ließ, als sie sich sicher war, dass man den Jungen fest im Griff hatte, vorsichtig die Blase durch den kleinen Schnitt in seinen Körper gleiten. Es war von Vorteil, dass der Junge in völlige Bewusstlosigkeit abgedriftet war und so nur wenig mitbekam von den Schmerzen, die er eigentlich hätte erleben müssen. Doch sollte er sein Bewusstsein wiedererlangen, waren sie auf alles vorbereitet. Nach einer kleinen Weile zog Sakura die Blase wieder vorsichtig aus dem jungen Kinderkörper hinaus und entdeckte eine dunkle Flüssigkeit, die sich im Inneren der Blase angesammelt hatte. Seufzend ließ sie das schmutzige Wasser in eine der Schüsseln gleiten und war der jungen Frau an ihrer Seite, die alles gespannt beobachtete, dann doch dankbar, dass sie ihr fürsorglich den Schweiß von der Stirn wischte. Nach und nach entfernte sie, indem sie diese anstrengende Prozedur immer und immer wieder wiederholte, auch den Rest der giftigen Substanz und ließ sich schlussendlich, nachdem sie die Wunde geschlossen und dem Jungen noch schnell einen provisorischen Verband umgelegt hatte, erschöpft gegen den verstaubten Altar neben sich sinken. „Sie sind großartig. Ich möchte auch einmal so werden, wie Sie, und Menschen das Leben retten.“ Die junge Frau, die ihr die ganze Zeit aufmerksam bei der Arbeit zugesehen und assistiert hatte, blickte sie aus großen, strahlenden Augen an, als würde sie einem Helden gegenüberstehen. „Glaub mir“, fing sie an zu reden ,“Solch ein toller Mensch bin ich sicherlich nicht.“   Schweigend lief Sakura durch das Lazarett und half, wo sie nur konnte. Die Menschen waren reihenweise fasziniert von der hübschen Wunderheilerin, die es vermochte vielen von ihnen das Leben zu retten.   „Wir würden gerne zusehen, wie du das machst, um von dir zu lernen“, sprachen zwei junge Mediziner die junge Kunoichi schließlich an, als sie dabei war die Stichwunde eines Mannes im mittleren Alter zu versorgen. Ein mit purem Alkohol getränktes Tuch lag in ihrer Hand, während sie damit vorsichtig die Wunde abtupfte, um sie zu desinfizieren. Nicht alle Wunden benötigten ihr Chakra. Für einige reichte auch einfach nur Nadel und Faden. „Diese Menschen brauchen eure Hilfe und keine neugierigen Augen“, meinte sie bestimmt. Vielleicht klang es hart, doch Weichspülerei würde hier keinem helfen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie einer der beiden sich nach ihren Worten dem Verletzten neben ihnen zuwandte und seine Verletzung versorgen wollte. „Er wird nicht mehr lange leben. Für ihn kommt jegliche Hilfe zu spät. Doch anderen kann noch geholfen werden. Und die müsst ihr aussuchen und von den anderen trennen. Viele Leben hängen davon ab.“ Ihre Stimme war so fest, dass sie keinen Widerspruch zu ließ. Doch die beiden Männer blieben nur verunsichert neben ihr stehen und starrten auf sie hinab. Die Zweifel standen ihnen ins Gesicht geschrieben. „Ab … Aber ich weiß nicht, ob ich sowas kann. Wie soll ich erkennen, wen man noch retten kann und wen nicht? Ich möchte nicht jemanden an seinen Wunden sterben lassen, dem noch geholfen werden kann.“ „Das müsst ihr selbst entscheiden. Ich weiß, dass ich Unmögliches von euch verlange, glaubt mir. Aber das hier ist ein Krieg. Wenn ihr zu sanftmütig hierfür seid, dann verlasst diesen Ort besser. Doch wenn ihr den Menschen hier wirklich helfen wollt, dann macht euch nun an die Arbeit. Denn davon gibt es hier wahrlich genug.“ Während sie dies sagte, nähte sie die Wunde unter ihrer Hand zusammen und verband sie sorgsam mit ein paar Leinen. Aufmunternd klopfte sie noch einmal sanft auf die Wunde und lächelte dem Mann zu. „Ich danke Ihnen.“ Nickend erhob sie sich aus der Hocke und setze ihren Weg durch den Tempel fort. In den letzten Jahren hatte selbst sie einiges an emotionaler Kälte zugelegt, was bei den Bildern, die sie tagtäglich zu Gesicht bekam, auch gar nicht verwunderlich war. Inzwischen betrachtete sie die Welt mit anderen Augen. Auch sie hatte irgendwann einmal erwachsen werden müssen. Seufzend packte sie ihr schweißnasses Oberteil mit zwei Fingern am Rücken und zog es ein wenig von der Haut ab, um sich ein bisschen Luft zu kommen zulassen. Zugegeben war sie ganz schön müde. Doch Erschöpfung war an diesem Ort völlig fehl am Platz. Hier benötigte man all ihre Kraft.*   „Sasuke Uchiha, ich hätte wirklich nicht geglaubt, dich meines Lebtages noch einmal zurück im Dorf zu wissen.“ Ein beinahe mütterliches Lächeln lag auf Tsunades Lippen als sie sorgfältig seinen empfindlichen Arm mit einem frischen Verband umwickelte. Ein paar schwarze Strähnen hingen ihm lose in seinem markanten Gesicht und verdeckten teils seine verschiedenfarbigen Augen. Der Ausdruck in ihnen war ruhiger, nicht mehr voller Hass und Abscheu gegen die Menschen, die er liebte. Zwar strahlte er noch immer die gewohnte Kälte aus, doch er schien endlich Eins mit sich selbst zu sein. Alleine die Worte, die er an Kakashi gerichtet hatte, überzeugten sie davon. „Die Zeit der Rache und der darauffolgenden Buße ist vorbei. Es ist an der Zeit zu leben.“ Während sie ihren Gedanken nachhing packte sie unabsichtlich einmal zu fest zu, sodass Sasuke sich einen überraschten Schmerzeslaut verkneifen musste. Tsunade hatte ihn aus seinen Überlegungen über das eben Erlebte gerissen. Er hatte an eine arme Frau gedacht, die er vorhin vor den Tores Konohas hatte beobachten können. Verzweifelt hatte sie um Hilfe gebeten, weil ihre Kinder ein paar Meilen weiter weg auf ihre Rückkehr warteten und sie sich in ihrem Zustand nicht um sie kümmern konnte. Aus den roten Flecken an ihren Armen hatte er geschlussfolgert, dass sie erkrankt sein musste. Sie hatte geweint und sich mit dem Kopf voran in den Schmutz geworfen. Doch wurde sie einfach wieder fortgeschickt. „Warum helft ihr den anderen Menschen, die unter der Epidemie leiden nicht und scheucht sie stattdessen fort?“, fragte er unverblümt nach und spürte augenblicklich wie Tsunade ein weiteres Mal beherzt zugriff. Ein leises Seufzen entfloh ihm, als die ehemalige Hokage endlich wieder von ihm abließ. „Weißt du Sasuke, Konoha hat auch so seine Probleme mit der Epidemie. Wenn du dich vorhin genauer umgesehen hättest, hättest du erkannt, dass sich nur wenige Menschen auf der Straße befinden.“ Wenn Sasuke ehrlich war, war ihm das gänzlich entgangen. Er hatte sich lediglich nach seinem Zuhause und einem warmen, weichen Bett gesehnt, in das er sich hinein fallen lassen wollte. Doch Kakashi wollte ihn erst untersucht haben, bevor er etwas anderes unternahm. Und so war er gleich ins Krankenhaus gelaufen. „Fast vierzig Prozent des Dorfes stehen unter Quarantäne. Das Krankenhaus wird nur noch für außerordentlich schwierige Fälle und Untersuchungen von Nichterkrankten genutzt, da es sonst überfüllt wäre. Stattdessen wurden leerstehende Häuser umfunktioniert, um die Erkrankten dort zu beherbergen und zu versorgen. Ich mag es nicht Familien auseinander zu reißen, doch in diesem Fall bleibt uns keine andere Wahl als die Menschen voneinander zu trennen, Sasuke. Wir haben einfach keinen Platz und keine Mittel, um das halbe Ninjareich zu pflegen.“ Es klang schlüssig. Er konnte Kakashis und Tsunades Entschluss verstehen. Sasuke wusste nicht, wie er an ihrer Stelle gehandelt hätte. „Das bringt mich zum nächsten Punkt, Sasuke. Da wir nicht wussten, ob und wann ihr zurückkommen werdet, haben wir ...“, begann Tsunade, wurde aber schon im nächsten Augenblick von einem lauten Geschrei unterbrochen. Naruto kam wie ein Wirbelwind in das Behandlungszimmer gestürmt. Einen Arm geschient und einen Verband um seinen Fuß flatternd. „Sasuke, hast du es schon gehört? Sensei Kakashi und die alte Oma haben unsere Wohnungen zu Krankenstationen umgebaut. Wir sind obdachlos!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)