Safe von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- ---1--- Blinzelnd erwachte Nils. Die Sonne schien durch seine nur halb geschlossenen Fensterläden und blendete ihn. /Scheiße/, fluchte er innerlich und zog sich die Decke über den Kopf. Als er gerade noch einmal eingedöst war, wurde seine Zimmertür von außen geöffnet und eine vertraute Stimme rief laut ins Zimmer: "Aufstehn, Nilsi, du kommst zu spä~hät!" "Hn!", murmelte Nils in sein Kopfkissen. /Scheiß auf Schule.../ Plötzlich wurde ihm die Decke weggezogen und das Sonnenlicht fiel abermals zielsicher mitten auf sein Gesicht. Grinsend stand seine Mutter mit der Bettdecke in der Hand vor ihm. "Aufstehn, hab ich gesagt, Faulpelz!" Nils, der langsam zu sich kam, wollte gerade anfangen zu meckern, als sie schon wieder zur Tür heraus war. "Wie kann man morgens um halb sieben schon so gut drauf sein?!" grummelte er. Nun blieb ihm nichts anderes mehr übrig als aufzustehen. Langsam setzte er sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Erst jetzt bemerkte er, dass er in der Nacht ziemlich geschwitzt hatte. Kein Wunder, denn sein Zimmer lag unter dem Dach und jetzt im Sommer kühlte es dort kaum ab. Die Luft im Raum schien zu stehen und Nils erhob sich schnell, um das Fenster aufzureißen und die frische und noch relativ kühle Luft tief einzuatmen. /Wird bestimmt wieder so heiß wie gestern/, dachte er bei sich und öffnete seinen Kleiderschrank, um ein T-Shirt und eine kurze Hose rauszukramen. Wie er in der Schule aussah, war ihm eigentlich relativ egal. Gähnend schlurfte er ins Bad, streifte seine Boxershorts ab und stieg in die Duschkabine. Er stellte das Wasser auf 20 Grad und duschte sich schnell eiskalt ab, um endgültig wach zu werden. Dann drehte er den Temperaturregler wieder höher und ließ das Wasser über seinen Rücken prasseln. Nachdem er sich eingeseift und abgeduscht hatte, stellte er die Brause schweren Herzens wieder ab. "Noch ein kleines bisschen länger duschen... das wär jetzt was", seufzte er. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er noch genau 8 Minuten Zeit hatte, sich abzutrocknen, anzuziehen, sich die Zähne zu putzen, zu frühstücken und sein Schulzeug zusammenzupacken. /Shit./ Schnell und noch ziemlich nass schlüpfte er in seine Klamotten und begann, sich die Zähne zu putzen. Währenddessen hörte er den Wetterbericht im Radio: "...Nordhessen bis 29 Grad und in Mittelhessen heute sogar bis zu 32 Grad! Ist das nicht wunderbar?..." /Ja. "Wunderbar"./spottete er innerlich. Als er erneut auf die Uhr schaute, hatte er noch genau 3 Minuten. Er sprintete in sein Zimmer, warf Mäppchen, Collegeblock und Biobuch in den Rucksack und sprang in großen Sätzen die Treppe ins Esszimmer hinunter. "Morgen!", rief er seinem zeitunglesenden Vater zu und schnappte sich eine Flasche Wasser vom Tisch, die er auch noch in den Rucksack stopfte. Frühstück musste wohl oder übel ausfallen. "Soll ich dir noch schnell was zu essen machen?", rief seine Mutter aus der Küche. "Nö", erwiderte Nils, "keine Zeit, ich hol mir was am Kiosk!" Und gleich darauf war er in seine ausgelatschten Turnschuhe geschlüpft und hatte die Haustür hinter sich zufallen lassen. Kopfschüttelnd setzte sich Monika Funk ihrem Mann gegenüber an den Esstisch. "Irgendwann verpasst er noch mal den Bus, ich sag's dir!" Grinsend schaute Bernhard Funk sie über den Sportteil der Zeitung an und zwinkerte: "Hoffentlich!" Der kleine VW-Bus, der ihn jeden Morgen zur Schule und auch wieder nach Hause brachte, solange er noch keinen Führerschein besaß, stand schon wartend und mit laufendem Motor an der Hofeinfahrt, als Nils ins Freie trat. Er überquerte den Hof und öffnete die Schiebetür des Busses. "Morgen", grüßte er den Busfahrer, der nur irgendwas vor sich hingrummelte. Kaum war Nils eingestiegen und hatte die Tür geschlossen, setzte sich der Bus auch schon in Bewegung und er plumpste auf die hintere Sitzbank, nicht ohne sich dabei den Kopf zu stoßen, wie fast jeden Morgen. "..." Er hielt sich mit Flüchen vornehm zurück. Um Hit Radio FFH und seinen nervenden, viel zu gutgelaunten Moderatoren zu entgehen, packte Nils seinen Discman aus und steckte sich die Stöpsel in die Ohren. Er drückte auf "Play" und ließ sich entspannt in den Sitz zurückfallen, als die ersten Takte von "Pleasure" erklangen. Wie lange hörte er jetzt schon diese CD? Er konnte sich gar nicht mehr erinnern. Es war so eine Art Gewohnheit geworden, morgens im Bus B'z [1] zu hören. Dabei konnte er den Kopf frei kriegen und noch ein bisschen vor sich hindösen, bevor der stressige Schultag begann. Doch fast wie auf Befehl drehte Friedrich, der Busfahrer, just in diesem Moment das Radio noch lauter und begann, fröhlich mitzupfeifen. Genervt verdrehte Nils die Augen. Das ging jeden Morgen so. Manchmal hatte er fast das Gefühl, Friedrich wolle ihn nur ärgern. Obwohl er die Musik eigentlich auch dann aufriss, wenn Nils mal nicht Discman hörte. Egal, es war eben nicht zu ändern. Vielleicht hatte der Mann keinen anderen Spaß im Leben. Nils drehte das "Volume"-Rädchen bis zum Anschlag auf und übertönte damit die Backstreet Boys. /Gott sei Dank./ Er schloss die Augen und lauschte der Musik, während der Bus den nächsten Ortsteil ansteuerte, um die restlichen Schüler und Schülerinnen abzuholen. An der ersten Station stand wie immer schon Jürgen am Straßenrand. Der kam wahrscheinlich immer zehn Minuten früher, um den Busfahrer ja nicht zu verärgern. Nils grüßte ihn kurz, als er in den Bus einstieg und sich vorne neben dem nun nicht mehr pfeifenden Friedrich niederließ. Der Bus stand. Nils schloss wieder die Augen. Er grinste in sich hinein. Er wusste ganz genau, was jetzt kommen würde. Sie warteten fünf Minuten. Sie warteten zehn Minuten. Friedrich wurde immer grummeliger und hatte den Motor gerade gestartet, als die Schiebetür mit Schwung geöffnet wurde und man lautes Schnaufen vernahm. Obwohl er genau wusste, was er sehen würde -er sah das ganze schließlich jeden Morgen- schlug Nils wieder die Augen auf und sah in ein gerötetes Gesicht. "Morgen Niko. Na, ausgeschlafen?", spöttelte er. Der Genannte streckte ihm die Zunge heraus und beeilte sich, in den Bus zu steigen und die Türe zu schließen. Sofort fuhr Friedrich an und Niko fiel nach hinten auf den Sitz. Nils sah ihm noch eine Weile belustigt zu, wie er versuchte, sich zu ordnen, gleichzeitig seinen Rucksack abzuziehen und sich anzuschnallen. Ein paar Minuten später hatte Niko, der eigentlich Nikolai hieß, sich halbwegs gerichtet und lehnte sein heißes Gesicht an die kühle Fensterscheibe. Er seufzte laut. Nils drückte auf "Pause". "Meinst du, du schaffst es irgendwann noch mal, pünktlich zu sein?", fragte er schmunzelnd. Niko atmete tief ein. Strähnen seines blonden, zerzausten Haares hingen ihm immer noch in seinem vom Laufen und der nun schon wärmer werdenden Luft verschwitzten Gesicht. "Ich sag dazu nix..", kam die Antwort. Nils lachte einmal kurz auf. "Und genau deswegen mag ich dich so", versicherte er und machte die Musik wieder an. Es stimmte. Niko war sozusagen sein bester Freund. Sie kannten sich schon von klein auf, waren zusammen in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen, hatten den Gymnasialabschluss zusammen geschafft und gingen nun in wieder in die selbe elfte Klasse. Nils wusste gar nicht, was er gemacht hätte, hätte er Niko nicht gehabt. Die beiden stritten sich kaum und waren auf allen Gebieten ein gutes Team. Mit Niko konnte man diskutieren, weggehen, traurig und lustig sein. Ja, lustig war der Niko schon. Wieder musste Nils grinsen. Nikos Trotteligkeit war nicht zu übertreffen. War da eine Stufe? Niko fiel drüber. Saß Niko auf einem Stuhl? Er fiel grundsätzlich runter. Gab es einen wichtigen Termin? Niko vergaß ihn oder kam zu spät. Es war nicht zu glauben. Aber genau das machte seinen Freund noch liebenswerter, als er ohnehin schon war. Die nächsten zwei Stationen bekam Nils nicht richtig mit. Er widmete sich ganz seiner Musik. Schließlich wusste er ja, was passierte. Im nächsten Ortsteil stieg Jona zu -ein total düsterer Typ, der sich selbst für einen Goth hielt, es aber Nils' Meinung nach nicht wirklich war. Mit seinen schwarzen Klamotten wirkte er eher lächerlich. Er ging in eine der Parallelklassen. Dann waren da noch Mira und Jana, die eineiigen Zwillingsschwestern, die so gut wie keiner auseinanderhalten konnte. Die beiden waren eigentlich ziemlich hübsch. Beide hatten dieselben langen glänzenden haselnussbraunen Haare, beide trugen oftmals ähnliche Klamotten und beide hatten dieselbe, fast schon perfekte Figur. Lange Beine, schlanke Taille, einen knackigen Hintern und eine angemessene Oberweite. Das einzige Detail, an dem Wissende die Mädchen auseinander zu halten vermochten, war die Tatsache, dass Mira im rechten Ohr einen silbernen und Jana einen goldenen Ohrstecker trug. Nils war das schnell aufgefallen und es war ihm am Anfang oft eine Hilfe gewesen. Doch jetzt, nach ungefähr zwei Monaten in der neuen Klasse, hatte er gelernt, die beiden auch ohne Ohrringe unterscheiden zu können. Mit der Zeit hatte er sie kennen gelernt und die Unterschiede bemerkt. Vom Charakter her waren sie ziemlich unterschiedlich. Mira eher forsch und selbstbewusst, Jana relativ zurückhaltend. Außerdem hatten beide völlig verschiedene Stimmen. Ja, Mira und Jana waren nette Mädels. Manchmal fragte sich Nils, warum er eigentlich nicht auf eine von beiden stand, wie so viele Jungs aus seinem Jahrgang. Er wusste es selbst nicht, aber irgendwie reizten sie ihn so gar nicht. Er hielt sie schon fast für zu perfekt und dadurch nicht mehr interessant genug. Egal. Genug Verehrer hatten sie. In der letzten Ortschaft stieg noch Ahmid zu. Ihn mochte Nils auch gern. Er ging in dieselbe Klasse wie Streber Jürgen und kam ursprünglich aus Afghanistan. Ahmid war ein sehr netter Typ. Allerdings hatte Nils nicht sonderlich viel mit ihm zu tun; er traf ihn höchstens mal in der Pause oder abends beim Weggehen. Nachdem alle Schülerinnen und Schüler eingesammelt worden waren, schlug Friedrich den Weg zur Schule ein. Nach ungefähr einer Viertelstunde wurde der Bus langsamer und stoppte schließlich. Nils streckte sich um die Müdigkeit endgültig abzuschütteln, packte seinen Discman weg und stieg nach den anderen aus. Neben Niko ging er über den kleinen Schulhof auf den Haupteingang zu. "Sagt mal, ihr beiden, habt ihr Mathe?", fragte Jana hinter ihnen. Nils überlegte kurz. "Ich hab nur die eins. Den Rest hab ich irgendwie nicht gepeilt. Du Niko? Ey, Nik!" "Äh. Was? Mathe? Hatten wir da was auf?" Nils grinste zu Jana. Die grinste zurück. Jeder hatte mitbekommen, dass Nikolai etwas zerstreut war, als er am ersten Schultag gleich vom Stuhl gefallen war und beim Vorstellen aus Versehen Nils' anstatt seinen eigenen Namen genannt hatte. Trotzdem konnten ihn fast alle gut leiden. "Hey, Niko", stupste Nils seinen Freund mit dem Ellenbogen in die Rippen, "keine Sorge Kumpel, kannst nachher bei mir abschreiben, dann hast du zumindest 'nen Teil." Dankbar grinste Niko Nils an. "Danke Schatz!" Nils schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken und lachte. Zusammen betraten sie das Schulfoyer. ----- [1]: B'z sind 'ne japanische Rockband. Sorry, aber das musste einfach rein! *dämlich grinst* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)