Make a Wish von dattelpalme11 (Eine Kurzgeschichtenreihe) ================================================================================ Kapitel 4: Verkupplungsversuche ------------------------------- „Ich glaube, ich werde niemals den Richtigen finden“, jammerte Mimi Tachikawa selbstmitleidig und beugte sich über ihren dampfenden Cappuccino, den sie sich bestellt hatte. Gegenüber von ihr, saß ihre beste Freundin, die ihr aufmerksam zuhörte und sich voll und ganz ihren Männerproblemen widmete. So langsam war es echt frustrierend. Sie war vierzwanzig, lebte allein in einer kleinen Wohnung und sehnte sich nach dem großen Glück, dass sie einfach nicht finden wollte. Ihre letzte längere Beziehung war bereits über ein Jahr her und sämtliche Dates, die sie in der letzten Zeit hatte, verliefen sich sprichwörtlich im Sande, da keiner dieses besondere Kribbeln in ihrer Magengegend auslösen konnte. „Irgendwas mache ich doch ganz sicher falsch“, murrte sie und fasste sich durch ihre langen braunen Haare. „Der letzte Kerl mit dem ich aus war, war definitiv ein Fußfetischist!“ Verdutzt blickte Sora sie an und runzelte die Stirn. „Wie kommst du denn darauf? Hat er deine Füße zu lange angesehen?“ „Nein…“, antwortete Mimi sprachlos und rutschte näher an ihre Freundin heran, da sie nicht wollte, dass die anderen Cafébesucher ihr Gespräch zwangsläufig mitbekamen. „Er meinte, er steht darauf, wie ich meine Füße so grazil in den Fokus setze.“ Verwirrt betrachtete Sora Mimis Füße, die heute durch offene Sandalen und einem feurigroten Nagellack in Szene gesetzt wurden. „Vielleicht meinte er es ja auch nett und fand deinen Nagellack schön“, versuchte sich Sora zusammenzureimen, doch Mimi schüttelte vehement den Kopf. „Nein, schön wär’s. Ich hatte noch nicht mal offene Schuhe an! Und dann kam die Aussage, dass er ja gerne meine Füße mal in Natura sehen würde“, fasste Mimi verzweifelt zusammen. „Und was hast du gemacht?“ „Ich habe vorgegeben auf die Toilette zu gehen, habe dann aber bezahlt und bin abgehauen. Ich zeig diesem Kerl doch nicht in aller Öffentlichkeit meine Füße! Der hat sie doch nicht mehr alle!“, plusterte sie sich auf und griff nach ihrem Cappuccino. „Irgendwie treffe ich in letzter Zeit nur solche Leute. Was mache ich nur falsch?“ Ein wehleidiger Blick fixierte ihre rothaarige Freundin, den sie mit einem Schulterzucken erwiderte. „Ich…keine Ahnung. Vielleicht solltest du deine Ansprüche runterschrauben“, erwiderte sie unbedacht und schürte augenblicklich Mimis Wut. „Ich habe doch keine hohen Ansprüche!“, verteidigte sie sich sofort. „Ich möchte halt einen Kerl, der gebildet ist. Gut aussieht und sportlich ist. Witzig sollte er natürlich auch sein und vor allem sollte er nur Augen für mich haben!“, zählte sie auf und überlegte kurz, ob sie an alle Merkmale gedacht hatte. Sora kicherte nur. „Natürlich, du bist überhaupt nicht anspruchsvoll. Bestimmt hast du eine Checkliste in deiner Handtasche versteckt, um die Merkmale auch abhaken zu können.“ „Was? Nein! Und es ist doch okay, dass ich so eine ungefähre Vorstellung von meinem Traumtyp habe. Ich will halt langsam jemanden treffen, mit dem ich mir was Längerfristiges vorstellen kann.“ „Dir ist aber schon klar, dass das eine Wunschvorstellung ist?“, hakte Sora skeptisch nach. „Du wirst vielleicht jemanden kennen lernen, auf den nicht jedes Merkmal passt, obwohl du gerade wirklich Taichi beschreiben hast.“ Ein Grinsen legte sich auf die Lippen der Rothaarigen, als Mimi völlig perplex dreinblickte. Taichi? Nie im Leben! Er war einer der wenigen Männer, mit denen sich Mimi absolut nichts vorstellen konnte. Er war dickköpfig, ziemlich ungehobelt und geriet ständig mit ihr aneinander, da sie einfach nicht dieselben Ansichten teilten. Jedes Mal gerieten sie in Streit über Banalitäten und redeten dann den halben Abend nicht mehr miteinander, weil sich alles hochgeschaukelt hatte. Sora wusste das und Mimi konnte nicht verstehen, warum ihr bei ihrer Beschreibung ausgerechnet der Casanova Taichi in den Sinn kam. Ständig flirtete er mit irgendwelchen Mädels, die er kurz zuvor kennen gelernt hatte, nur um mit ihnen die Nacht verbringen zu können. Er war ein Macho. Ein Herzensbrecher. Und ganz sicher nicht Mimis Typ. „Tai steht ganz sicher nicht auf meiner Liste! Er ist ein Idiot, der sich gerne durch fremde Betten wälzt“, fasste sie empört zusammen. Sora legte den Kopf schief und nahm ihre Tasse in die Hand, um daran zu nippen. „Also gibst du zu, dass du eine Liste hast?“, fragte sie bevor sie sich einen Schluck genehmigte. „Ich habe keine Liste“, knurrte Mimi erbost und drückte sich gegen die Stuhllehne. Was dachte ihre beste Freundin nur von ihr? Dass sie so verzweifelt war? Sie konnte doch gar nicht wissen, wie sie sich fühlte, da sie schon seit Ewigkeiten mit Yamato zusammen war und vor Jahren ihr letztes „richtiges“ Date hatte. Und dann wollte sie ihr ernsthaft Taichi aufschwätzen? Nur weil sie vielleicht beide Single waren und sich im Sog der Einsamkeit befanden? Na ganz toll. Lieber gab sie dem Fußfetischisten eine weitere Chance, als sich auf ein Date mit Taichi Yagami einzulassen. _ Gedankenverloren schritt er durch die Wohnung seines besten Freundes, die er mit seiner Freundin bewohnte. Neidvoll betrachtete er die Pärchenbilder, die die Wand zierten und ihm schmerzvoll aufzeigten, was ihm im Leben fehlte. Taichi seufzte leise, als er sich von der Wand abwandte und mit seinem kühlen Bier ins Wohnzimmer schritt und sich neben Yamato auf der Couch niederließ. „Was seufzest du denn so rum? Sind dir die heißen Mädels ausgegangen?“, scherzte Yamato, unwissend einen wunden Punkt zu treffen. Denn Taichi hatte schon lange die Lust an diesen zwanglosen Bekanntschaften verloren, da er sich nach mehr sehnte. Er wollte eine Beziehung. Sesshaft werden, statt ständig nur auf dem Sprung zu sein. Er wollte ein Mädchen, bei der er sich fallen lassen konnte und in deren Nähe er sich wohlfühlte. Auch wenn er nicht unbedingt ein Romantiker war, wünschte er sich manchmal genau diese kitschigen Momente, die man in den langatmigen Liebesfilmen sah. Wie man sich stundenlang in die Augen sehen konnte und wusste, dass man seinen Seelenverwandten gefunden hatte. Dass man Zuhause war und einfach bedingungslos geliebt wurde, ohne etwas beweisen zu müssen. „Ach, ich bin’s einfach leid! Ich habe keine Lust mehr, mich aus Schlafzimmern zu schleichen“, nörgelte er und rutschte die Couch hinab. „Naja, es ist ja nicht so, dass du die Frauen nicht ein zweites Mal treffen könntest“, warf Yamato bedenkend ein und nippte genüsslich an seinem Bier. „Aber die Mädels, die ich in den Bars aufgabele, möchte ich kein zweites Mal treffen! Wir hatten zwar mal eine Nacht lang Spaß zusammen, aber…“ Taichi hielt inne. Es war nicht so, dass er die Mädchen, zu denen er mit nach Hause ging, nicht nett fand. Nein, sonst würde er wohl kaum mit ihnen schlafen. Aber ihm fehlte das gewisse Etwas. Das Abenteuerliche und Interessante, dass er bei keiner Eroberung entdecken konnte. „Vielleicht solltest du wirklich mal aufhören immer gleich mit ihnen ins Bett zu steigen. Ich glaube, so langsam hast du dir echt genug die Hörner abgestoßen und solltest dich mal festlegen“, meinte Yamato energisch und versuchte ihm eine Beziehung schmackhaft zu machen. Wie immer schwärmte er natürlich von seiner Sora, die für ihn die Welt bedeutete. Immer wenn er über sie sprach, sah Taichi dieses Funkeln in seinen blauen Augen, was ihm zeigte, dass er sie auch nach all den Jahren noch aufrichtig liebte. Taichi hingegen fiel kein einziges Mädchen ein, über das er so euphorisch sprechen konnte, wie sein bester Freund, der aus dem Schwärmen gar nicht mehr rauskam. Genervt hörte Taichi ihm zu und bemerkte erst gar nicht, dass er ihm eine Frage gestellt hatte. „Hallo? Erde an Taichi?“, kopfschüttelnd wedelte er mit der Hand vor seinem Gesicht herum, was Tai aufschrecken ließ. „Was denn?“, hakte er mürrisch nach und knibbelte an dem Etikett seines Biers, dass sich langsam löste. „Naja, ich habe dich gefragt, wie deine Traumfrau sein sollte, aber du bist wohl mit deinen Gedanken ganz woanders“, stichelte er grinsend, während Taichi zu überlegen begann. Wie sollte seine Traumfrau sein? Irgendwie hatte er sich nie wirklich darüber Gedanken gemacht. Er schob den Gedanken einer Beziehung immer zur Seite, da er lieber seinen Spaß haben wollte und bei den Mädels auch ziemlich gut ankam, was er tatsächlich auf seine sportliche Figur zurückführte. „Naja, hübsch sollte sie schon sein, aber sie sollte auch etwas im Köpfchen haben. Und es wäre toll, wenn sie gut kochen könnte, um mich mit diversen Gerichten zu verwöhnen. Aber ich möchte auch keine Frau, die mir nur nach dem Mund quasselt. Sie soll auch ihre eigene Meinung haben und zu dieser stehen“, beschrieb er ausführlich und nickte bei seinen Überlegungen. Grübelnd berührte sich Yamato mit einer Hand am Kinn und fuhr nachdenklich mit dem Daumen und dem Zeigefinger darüber. „Klingt ja ziemlich nach Mimi“, stellte er nüchtern fest und brachte Taichi dazu, dass sein Gesicht vollkommen entglitt und er sich leicht aufsetzte. „Mimi? Unsere Nervensäge? Ganz sicher nicht. Mit ihr halte ich es keine fünf Minuten aus“, rechtfertigte er sich und stellte sein Bier auf dem Couchtisch ab. „Ach wirklich? Vielleicht ist sie ja genau diejenige, die du brauchst und außerdem hat sie selbst immer nur Pech in der Liebe.“ „Na an was das nur liegt“, murmelte Taichi entrüstet und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit ihrem Prinzessinnengehabe verschreckt sie eben die Männerwelt. Ich glaube niemand will bei ihr der Hofsklave sein.“ „Der Hofsklave? Übertreibst du nicht ein bisschen? Und ich kann mich auch noch ziemlich gut daran erinnern, dass du in der Oberschule ’ne Zeitlang ziemlich in sie verschossen warst“, rief Yamato ihm in Erinnerung, was den Brünetten erröten ließ. Erbost presste er die Lippen aufeinander und konnte nicht fassen, dass sein Freund diese alten Kamellen auspackte. Er war siebzehn gewesen und hatte zur damaligen Zeit noch nicht sonderlich viel Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gesammelt gehabt. „Ich war siebzehn und du kannst ja nicht behaupten, dass sie im Bikini nicht ansehnlich aussieht“, erwiderte er nur abwinkend. „Und über diese Geschmacksverirrung bin ich schon lange drüber hinweg.“ „Wow, ich bin echt sprachlos. Aber gut steh‘ dir ruhig weiterhin im Weg. Ich liebe dich trotzdem, auch wenn du mit dreißig wohl noch auf dieser Couch sitzen wirst, um mir auf den Sack zu gehen“, antwortete Yamato lächelnd und kassierte von Taichi einen eindeutigen Blick, den er jedoch nicht lange aufrechterhalten konnte. Was wenn sein bester Freund Recht hatte? Was wenn er sich bei all dem selbst im Weg stand und Angst hatte, sich seinem Glück einfach hinzugeben? Aber Mimi als seine Freundin? Nein, das konnte er sich wirklich nicht vorstellen. _ „Und wie war dein Tag mit Mimi?“, fragte er seine Freundin, die gerade vor ihrem Schminktisch saß und ihr Make-up entfernte. Mit einem Wattepatt fuhr sie sich über ihre müde Augenpartie und wollte nichts sehnlicher als endlich ins Bett fallen, da der Tag sie doch ganz schön geschlaucht hatte. Mimi und ihre Männerprobleme. So langsam konnte sie es echt nicht mehr hören. „Wie immer. Sie versprüht den gleichen Zynismus gegenüber Beziehungen wie letzte Woche“, klärte sie ihn auf und sah in ihrem Tischspiegel wie Yamato auf sie zukam und behutsam die Arme um sie schmiegte. Liebevoll küsste er ihre Wange und seufzte leise, während er immer noch die innige Umarmung aufrechterhielt. „Taichi ist auch nicht besser. Er meckert die ganze Zeit, aber wenn man ihm einen Vorschlag unterbreitet, blockt er ständig ab“, murrte er eingeschnappt und spürte wie Sora sanft über seinen Unterarm strich. „Heute hat er mir sogar die perfekte Frau beschrieben. Du wirst nicht glauben, auf wen seine Beschreibung passt.“ Ein geheimnisvolles Lächeln zierte sein Gesicht, als er sachte von Sora abließ und zur Kommode ging, um einen neuen Schlafanzug hervorzukramen. Verwirrt blickte Sora ihrem Freund nach und runzelte die Stirn. „Megan Fox?“, hakte sie nach, da sie Taichis Frauengeschmack schlecht einschätzen konnte, weil er sich anscheinend am liebsten gar nicht festlegen wollte. „Nee, es ist schon jemanden, den wir sehr gut kennen und auch ständig über ihre Beziehungsprobleme jammert“, sagte Yamato grinsend, da sein Tipp mehr als nur eindeutig war. Sora klappte sofort der Mund auf, auch wenn sich kein Wort über ihre Lippen bewegte. Yamato nickte nur bestätigend und tauschte sein Shirt gegen sein Schlafanzugoberteil. „Ich hatte heute Nachmittag genauso dämlich geguckt, als mir die Parallelen aufgefallen sind, aber gut, ich denke die beiden würden sich auf Dauer sowieso zerfleischen“, antwortete er sorglos und pellte sich aus der engen Jeans, die er achtlos auf den Hocker neben der Kommode beförderte. Sora beobachtete wie ich Matt fertig anzog und gerade Anstalten machte ins Bad Zähne putzen zu gehen, als sie ihn nachdenklich aufhielt. Denn auch ihr kam plötzlich ein Gedanke, den sie heute während des Kaffeetrinkens noch nicht mal ernst genommen hatte. „Weißt du, Mimi hat heute auch ihren Traumtyp beschreiben. Und du wirst es nicht glauben, aber die Beschreibung passt in vielen Punkten auf Taichi“, erwiderte sie verwundert und warf den Wattepatt in den kleinen Tischmülleimer, den sie auf ihrem Schminktisch platziert hatte. „Wirklich? Das ist ja komisch. Die beiden hassen sich doch die meiste Zeit des Tages“, stellte Yamato unbeeindruckt fest, konnte sich aber durchaus vorstellen, dass beide einen ähnlichen Geschmack hegten. Auch wenn die Zwei es niemals zugeben und es bis über den Tod hinaus leugnen würden, waren deutliche Verbindungen vorhanden, die Yamato mehr als einmal aufgefallen waren. Beide waren stur, behaarten gerne auf ihrer Meinung und liebten es sich gegenseitig auf die Palme zu bringen. „Aber vielleicht ist es genau das, was sie brauchen um glücklich zu sein“, erwiderte Sora spitzfindig. Yamato blieb mitten im Raum stehen und verstand nicht so wirklich auf was seine Freundin hinauswollte. Sora drehte sich ihm zu und grinste verschmitzt. „Na vielleicht müssen wir sie einfach auf ihr Glück stoßen, weil sie es sonst nicht erkennen. Dafür sind sie einfach zu blind“, erklärte sie und hielt auf einmal die Luft an und warf ihre Arme in die Lüfte. „Das ist es! Wir organisieren ein Blind Date!“ „Ein Blind Date?“, wiederholte Yamato skeptisch. „Darauf lassen die sich doch niemals ein!“ „Ach, so ein Quatsch. Wir müssen ihnen nur ein bisschen gut zureden und puff…schon sind sie frisch verliebt“, sagte Sora euphorisch und strahlte über das ganze Gesicht, während Yamato seiner Skepsis nachhing. „Also ich glaube ja nicht, dass das so schnell geht…“ „Vertrau mir einfach. Love is in the air“, meinte Sora großspurig, bevor sie sich fröhlich summend wieder ihrem Gesicht widmete. _ Nervös stand sie mitten in dem kleinen Café und zupfte ihr dunkelblaues Top zurecht. Sie konnte immer noch nicht fassen, auf was sie sich da eingelassen hatte. Ein Blind Date? Wieso konnte Sora nur so überzeugend sein? Sowas war doch absolut gar nicht ihr Ding. Und auch wenn Sora ihr versicherte, dass es sich um einen tollen Typen handelte, war Mimi einfach nur skeptisch eingestellt. Was wenn Sora ihren Geschmack überhaupt nicht traf? Oder noch schlimmer, was wenn der Typ sie unattraktiv, oder langweilig fand und sie am Ende abservierte? Panik kroch ihren Rücken hinauf, als sie sich bedacht umschaute und nach einem möglichen Fluchtweg suchte. Im Moment war noch kein Typ zu sehen, der als Erkennungszeichen eine rote Rose bei sich trug, vielleicht schaffte sie es ja noch unbemerkt zu verschwinden. Wieso hatte sie sich überhaupt auf sowas eingelassen? War sie wirklich so verzweifelt? Okay gut, vielleicht war sie es schon etwas leid geworden, da sie in letzter Zeit so viele Idioten traf. Vielleicht hatte Sora auch recht und sie sollte wirklich ihre Ansprüche runterschrauben, um endlich glücklich zu werden. Sie seufzte herzlich, als sie sich zeitgleich verzweifelt durch die Haare fuhr. Was sollte sie machen? Dableiben und abwarten? Oder panisch aus dem Lokal stürmen, um der nächsten Enttäuschung vorzubeugen? Bestimmt hatte sich Sora sehr viele Gedanken gemacht, als sie den jungen Mann für sie ausgewählt hatte. Sollte sie also wirklich Soras Bemühungen mit Füßen treten? Nein, das konnte sie beim besten Willen nicht, weshalb sie sich an der Bar niederließ und wartete. Sie bestellte sich ein Wasser und starrte immer wieder zur Uhr, die die Wand zierte. Natürlich war sie mal wieder viel zu früh dran und musste auf ihren möglichen „Traumprinzen“ selbstverständlich warten, was in ihr eine Achterbahnfahrt der Gefühle auslöste. Auch wenn sie sich vorgenommen hatte zu bleiben, sprang ihre Stimmung sekündlich um. Als ihr potentielles Date dann auch fünf Minuten nach der verabredeten Zeit nicht aufgetaucht war, wurde Mimi allmählich ungeduldig. Sie knapperte an ihrer Unterlippe herum und wippte unruhig mit ihrem linken Bein, da sie schon die Befürchtung hatte versetzt zu werden. Und niemand versetzte eine Mimi Tachikawa! Sie leerte ihr Glas und platzierte das Geld sichtbar auf der Theke, als sie sich dazu entschloss, die Toiletten zu besuchen. Würde er danach immer noch nicht hier stehen, würde sie das Café auf der Stelle verlassen und Sora vollheulen, welchen unzuverlässigen Chaoten sie da nur an Land gezogen hatte. Doch das Schicksal hatte andere Pläne. Gerade als sie aufgestanden war und sich in Richtung der Toiletten drehte, wurde die Tür aufgerissen und ein abgehetzter junger Mann mit roter Rose trat in das Café ein. Er schnaufte und fuhr sich beherzt über seine verschwitzte Stirn, während Mimi förmlich die Spucke wegblieb. Das konnte doch nicht wahr sein! Was tat er nur hier und warum in drei Teufelsnamen hatte er eine rote Rose in der Hand? Welches perfide Spiel wurde hier nur gespielt?! Ungläubig beobachtete sie ihn, sah wie er allmählich zu Atem kam und sich neugierig umschaute. Mimi überlegte erst ob sie ihm den Rücken zudrehen sollte, damit er sie nicht erkannte, doch innerhalb einer Sekunde war alles zu spät gewesen. Taichis Gesicht entgleiste, als er Mimi im blauen Top vor sich sah und die pure Fassungslosigkeit spiegelte sich in seinen geweiteten Augen wieder. „Was machst du denn hier?“, fragte er empört und trat näher an sie heran. „Das Gleiche könnte ich dich fragen!“, entgegnete sie schrill, fing sich aber schnell wieder, da sie feststellte, dass beide wohl die Ahnungslosen in dieser Sache waren. „Oh mein Gott! Lass mich raten, dass Blind Date war Yamatos Idee gewesen, oder?“ Taichi nickte nur unbeholfen und klammerte seine Finger um das bunte Papier, in das die Rose gewickelt war. „Oh man, die beiden haben uns reingelegt!“, stellte Mimi erbost fest. „Verkuppeln die jetzt neuerdings ihre Single-Freunde?“ „Anscheinend schon…aber die beiden sind auch ganz schön durchtrieben. Ich hätte es eigentlich wissen müssen“, grummelte Taichi und blickte niedergeschlagen zu der Rose, die er immer noch in Händen hielt. „Dabei habe ich mich so abgehetzt, weil ich dieses dusselige Ding extra noch kurz vor dem Date kaufen wollte.“ „Wir sollten uns wirklich überlegen, wie wir es den beiden heimzahlen! Uns so ins Messer laufen zu lassen…ich fass‘ es nicht!“, regte sich Mimi auf und verschränkte die Arme wütend vor der Brust. „Wartest du denn schon lange auf mich?“, fragte Taichi behutsam und fing Mimis irritierten Blick sofort auf, da sie immer noch nicht fassen konnte, dass sie tatsächlich auf Taichi gewartet hatte. „Ach das ist schon in Ordnung. Ich wollte sowieso gleich gehen“, informierte sie ihn etwas steif, da sich sein Gesicht augenblicklich veränderte. Der hoffnungsvolle Schimmer in seinen Augen verblasste plötzlich und wurde von purer Enttäuschung ersetzt, die Mimi prompt ein schlechtes Gewissen machte. Wahrscheinlich hatte er sich das Ganze auch anders vorgestellt gehabt. „Wie wäre es, wenn wir noch ein Stückchen Kuchen essen? Die Schokotorte ist hier echt lecker“, meinte Mimi versöhnlich und erhellte sofort sein Gesicht. „Ach, du willst jetzt mit mir Kuchen essen?“, hakte er grinsend nach und konnte nicht verbergen, dass ihm dieser Gedanke mehr als gefiel. Mimi wurde prompt verlegen und drehte ihren Kopf zur Seite. „Bild‘ dir ja nicht ein, dass das ein Date ist! Aber ich glaube, wir könnten unsere Rachegelüste ruhig mit einem Stückchen Torte befriedigen“, erwiderte sie kess und steuerte direkt einen Tisch an, der gerade frei geworden war. „Schon klar, Prinzessin“, bestärkte er sie grinsend und folgte ihr an den Tisch. _ Nie im Leben hatte er erwartet gehabt, dass sich dieser Nachmittag so entwickeln würde. Statt sich den Kopf abzureißen und sich feurige Beleidigungen an den Kopf zu werfen, hatte Taichi das Gefühl, dass er sich das erste Mal seit langem richtig fallen lassen konnte. Natürlich war er zuerst sehr geschockt gewesen, dass ausgerechnet Mimi sein Blind Date war, aber je länger er Zeit mit ihr verbrachte desto mehr schien er die Entscheidung seiner besten Freunde nachvollziehen zu können. Nach einem Stückchen Kuchen und einer heißen, dampfenden Tasse Kaffee, waren sie gemeinsam in den Park gegangen und unterhielten sich locker über Gott und die Welt. „Und die Rose darf ich wirklich behalten“, fragte sie kichernd und hielt sie sachte an ihrem Stiel fest, um sich nicht daran zu stechen. „Klar, was soll ich denn damit?“, stellte er die Gegenfrage und blickte in ihr strahlendes Gesicht, dass sein Herz auf einmal zum schneller schlagen brachte. Er wandte hastig den Blick von ihr und konnte diese plötzliche Reaktion seines Körpers gar nicht nachvollziehen, als Mimi auf einmal an seinem Arm zog und in die Ferne deutete. „Guck mal, da hinten gibt es eine Vogelnestschaukel“, sagte sie begeistert und zeigte auf den Spielplatz, der sich direkt vor ihnen erstreckte. „Jetzt sag nicht, dass du mit mir schaukeln gehen willst“, erwiderte Taichi belustigt und fing einen eindeutigen Blick von Mimi auf. „Was denn? Ist doch sicher witzig und außerdem haben wir ja hier kein Date“, betonte sie extra, was bei Taichi ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hinterließ. Sie waren schon über eine Stunde zusammen und verbrachten eine schöne Zeit miteinander…und dann sagte sie sowas? Wäre es etwa so schlimm, wenn das hier tatsächlich ein Date wäre? „Okay, ich bin zuerst da“, rief Mimi und lief lachend auf die Vogelnestschaukel zu, die seicht vom Wind bewegt wurde. Völlig perplex starrte er ihr einen kurzen Moment nach, als er ebenfalls loslief, sie aber erst bei der Schaukel einholen konnte. Geschwind setzte sich Mimi auf die robuste Sitzfläche und ließ sich nach hinten fallen, sodass Tai aufpassen musste nicht direkt von der Schaukel getroffen zu werden. Er hielt sie mit den Händen auf, stütze sich auf und setzte sich ebenfalls, während Mimi den kompletten Innenraum einnahm und ihm ein überlegenes Grinsen schenkte. „Such‘ dir eine andere Wohlfühloase. Hier ist besetzt“, grinste sie und breitete sowohl die Arme und Beine aus, sodass sie einem Seestern gar nicht so unähnlich sah. „Du könntest auch etwas Platz machen, dann könnten wir uns beide reinlegen“, murrte Taichi empört und blieb einfach stur sitzen, da er sich ganz sicher nicht von einer Mimi Tachikawa vertreiben lassen würde. „Könnte ich, aber ich finde diese Position gerade unglaublich bequem“, murmelte sie entspannt und blinzelte gegen die Sonne. „Ich kann mich auch einfach auf dich legen. Mit Körperkontakt habe ich wirklich kein Problem“, erwiderte er neckend. „Sind das etwa die Anmachsprüche des berühmten Taichi Yagami? Damit bekommst du die Mädels rum? Ernsthaft?“ Mimi zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, während Taichi immer noch am Rand saß und sie genauestens beobachtete. Seit wann war sie eigentlich so hübsch und warum war ihm das vorher nie wirklich aufgefallen? Lag es etwa an der Sonne, oder warum fühlte er sich von ihr so angezogen? Ihre kirschroten Lippen formten sich wieder zu einem sanften Lächeln, und ließen seine Hände ganz schwitzig werden, während er immer noch versuchte, sein Gewicht am Rand der Vogelnestschaukel auszubalancieren. Sie machte ihn nervös, doch das wollte er nicht vor ihr zugeben. „Hat es dir etwa jetzt die Sprache verschlagen? Bin ich ja gar nicht von dir gewöhnt“, murmelte sie und biss sich auffällig in die Unterlippe, was er schon ganz schön sexy fand. Sie spielte also mit ihm. Eine typische Eigenschaft, die eine Mimi Tachikawa ausmachte. Doch darauf würde er sich nicht einlassen. Es wurde Zeit die Spielregeln umzudrehen. Mit einem abgeklärten Blick kam er ihr plötzlich näher und beugte sich über sie, sodass er ihr direkt in die Augen schauen konnte. „Flirtest du etwa mit mir? Ich dachte, das wäre kein Date…“, raunte er ihr zu und stützte sich mit seinen Armen neben ihrem Kopf ab, was eine unmittelbare Nähe zwischen ihnen zuließ. „Naja…irgendwas müssen sich unsere Freunde ja was dabei gedacht haben. Wir sind eben beide allein und das kotzt mich einfach nur noch an“, antwortete sie ehrlich. „Ich würde mich wahnsinnig gerne wieder verlieben, aber Sora hat wohl recht. Ich bin zu anspruchsvoll.“ Sie seufzte resigniert und blickte Taichi traurig an, als sie etwas zur Seite rutschte und ihm Platz machte damit er sich ebenfalls hinlegen konnte. Aus ihrer Stimme triefte die pure Frustration, die Taichi an sein eigenes unglückliches Liebesleben erinnerte. „Ja…mir geht’s ähnlich. Ich habe keine Lust mehr, ständig rastlos zu sein. Ich möchte endlich jemanden finden, bei dem ich mich Zuhause fühle“, flüsterte er mit verhangener Stimme und richtete seinen nachdenklichen Blick zum hellblauen Himmel, der von weißen Wolken bedeckt war, die die seltsamsten Formen zeigten. Seltsam. Genau, das war das Stichwort. Was taten sie hier eigentlich? Vor einer Minute glaube er noch, dass sie miteinander geflirtet hatten und dann war alles wie eine Seifenblase zerplatzt und hinterließ zwei verbitterte Seelen, die sich nichts sehnlicher wünschten, als der wahren Liebe zu Begegnen. „Taichi…“, ertönte ihre leise Stimme. „Wollen wir…wollen wir vielleicht noch was essen gehen?“ Verblüfft über ihre Frage, drehte er den Kopf zu ihr und blickte in ihr errötetes Gesicht. Sein verwunderter Blick erweichte sich langsam und das seichte Pochen seines Herzes flüsterte ihm bereits die passende Antwort zu. „Sehr gerne“, erwiderte er matt, setzte sich auf und stieg von der Vogelnestschaukel, bevor er auch Mimi hinunterhalf. Ein betretenes Schweigen stellte sich auf dem Weg zur Pizzeria ein, was sich jedoch allmählich löste, als sie einen Tisch gefunden hatten. Gemeinsam verbrachten sie einen unvergesslichen Abend, der sich aus tiefsinnigen, aber auch witzigen Gesprächen zusammensetzte, sodass beide gar nicht bemerkten, dass sie bereits den halben Tag miteinander verbracht hatten. Erst als die Sonne bereits untergangen war und Taichi Mimi nach Hause bringen wollte, realisierte er, dass er möglicherweise seine Traumfrau die ganze Zeit in seiner Nähe gehabt hatte. Sein Herz wurde immer schwerer je näher sie sich Mimis Wohnung näherten, da er sich genau genommen gar nicht von ihr verabschieden wollte. Er wollte, dass dieser Tag nicht endete. Er wollte, mehr Zeit mit ihr verbringen. Er wollte Dinge, die er so noch nie empfunden hatte. Wie sollte er sich jetzt von ihr verabschieden? Sollte er sie umarmen? Sie fest an sich drücken? Sie küssen? Oh Gott, in seinem Kopf herrschte das reinste Chaos… „So, hier sind wir also“, meinte Mimi unsicher und kramte bereits nach ihrem Schlüssel, den sie in ihrer riesigen Tasche versteckt hielt. „War wirklich schön mit dir heute. Hätte ich gar nicht erwartet…“ „So liebenswert wie immer“, er grinste, als Mimi ihm sachte gegen den Arm schlug, aber ihre Hand weiterhin auf seinem Oberarm ruhen ließ. Sanft bohrten sich ihre Nägel in seinen Arm, während Taichi unweigerlich ihre Nähe suchte und mit den Fingerspitzen ihre Taille entlangwanderte. „W-Willst du…möchtest du vielleicht noch mit nach oben kommen?“ Er schluckte. „Ich dachte, das wäre kein Date“, murmelte er ihr entgegen, um kam ihrem Gesicht gefährlich nahe. Mimi blickte zu ihm rauf und das helle Licht der Straßenlaterne ummantelte ihr rötlich schimmerndes Gesicht. „Vielleicht habe ich mich ja getäuscht…“ Anspannung durchzog seinen Körper, als er die Lippen fest aufeinanderpresste und sich langsam von ihr löste. Irritiert blickte sie ihn an, während sich ein verletzter Gesichtsausdruck ihre fröhliche Miene verdrängte. „Mimi, ich möchte wirklich nicht, dass du das in den falschen Hals bekommst, aber ich glaube es wäre nicht so gut, wenn ich mitkomme“, antwortete er bestimmt und trieb ihr die Fassungslosigkeit ins Gesicht. „Was? Aber warum? Ich meine, wir hatten doch eine schöne Zeit und…“ „Geh morgen wieder mit mir aus“, unterbrach er sie sanft und zog sie an ihrem Arm wieder näher zu sich heran, sodass sie in seine Arme stolperte. „Ich denke, Sora und Matt haben sich wirklich etwas dabei gedacht und mir ist heute Abend klargeworden, dass ich gerne mehr Zeit mit dir verbringen möchte. Aber ich will es richtig angehen. Das hier soll etwas Besonders werden.“ Sprachlos starrte sie ihn an und schwieg für einen kurzen Moment, bevor sie in der Lage war ihm zu antworten. „Etwas Besonders? Habe ich dir etwa schon so den Kopf verdreht?“, hakte sie verführerisch nach und presste sich dicht gegen ihn. Ein rötlicher Schimmer legte sich über Taichis Wangen, als er sich räusperte und den Kopf zur Seite wandte. „Bild‘ dir darauf ja nichts ein! Schließlich bist du diejenige, die mich nach dem ersten Date in die Wohnung lassen wollte“, unterstellte er ihr verlegen. „Ja und? Ich hätte dir einen schönen Kaffee gemacht! Aber du hast wohl nur ziemlich versaute Hintergedanken!“ „Ich? Wohl eher du!“ „Als ob ich Sex beim ersten Date in Erwägung ziehen würde“, protestierte sie vehement. „Stimmt, dafür müsste man locker sein und du bist eben ein Kontrollfreak wie es im Buche steht“, konterte er amüsiert. „Aber ein Abschiedskuss wäre wirklich nicht schlecht.“ Mimi kicherte und spielte an seinem Hemdkragen. „Wer sagt, denn das du jetzt noch einen bekommst? Verdien‘ ihn dir“, sagte sie provokant und ließ ihn los. „Was? Das ist doch nicht dein ernst?!“, antwortete er sprachlos, während sie bereits ihren Schlüssel in der Hand hielt und entschuldigend mit den Schultern zuckte. „Gute Nacht, Taichi“, verabschiedete sie sich von ihm zwinkernd und machte den Absatz kehrt, während er sprachlos den Kopf schüttelte. Diese Frau war einfach unglaublich. Gerade als er sich ebenfalls in Bewegung setzten wollte, spürte er wie jemand sanft seine Schulter berührte. Er hatte sich noch nicht mal umgedreht, als er plötzlich Mimis Duft vernahm und ihre Lippen verlangend auf seinen spürte. Er nahm sie leicht nach oben und fühlte wie sie sich an ihn presste und ihre zarten Finger in seiner wilden Mähne vergrub. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich von ihm gelöst hatte, da ihr unschuldiger Kuss immer sinnlicher wurde und Verlangen nach mehr säte. Doch Mimi ließ langsam von ihm ab und lächelte schüchtern, als er ihr sanft einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Sie biss sich auf die Unterlippe und blickte ihn zufrieden an. „Dann sehen wir uns morgen?“ „Ja…“, murmelte Taichi mit verhangener Stimme und merkte, wie sie sich langsam von ihm löste. „Okay, ich freue mich schon drauf“, erwiderte sie ehrlich und machte sich auf den Weg zu ihrer Wohnungstür. Taichi blickte ihr noch eine Zeitlang hinter und auch sie drehte sich ihm nochmal zu, bevor sie in ihrer Wohnung verschwand. Geistesabwesend berührte er seine geschwollenen Lippen, als sich ein glückliches Lächeln sein Gesicht zierte. Auch wenn er anfangs von dem Blind Date gar nicht begeistert war, spürte er das es sein Leben urplötzlich auf den Kopf gestellt hatte und ihm einen neuen Weg aufzeigte, den er ohne Sora und Matt niemals erkannt hätte. Er war endlich bereit, die Liebe in sein Leben zu lassen. Und dafür war er seinen Freunden unendlich dankbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)