For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky von Morwen ================================================================================ Kapitel 27: Lavellan -------------------- Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Ellana am nächsten Tag erwachte. In einem Anflug von Panik schreckte sie hoch, bis ihr wieder einfiel, dass Josephine ihr anlässlich der Feierlichkeiten am vorigen Abend den Vormittag frei gegeben hatte. Erst am Nachmittag würde sie sich mit einigen königlichen Abgesandten aus Nevarra treffen, um mit ihnen die Details eines Waffenbündnisses zwischen Nevarra und der Inquisition auszuhandeln. Ellana ließ sich seufzend zurück auf das Kissen sinken und schloss erneut die Augen. Sie konnte sich nicht so recht für Politik begeistern, obwohl ihr klar war, dass sie für den Erfolg der Inquisition unablässig war. Doch sie hatte keine Freude an den politischen Feinheiten des „Spiels“, wie Josephine es zu nennen pflegte, und überließ die weniger wichtigen Entscheidungen nur zu gerne der Diplomatin. Und obwohl Ellana in den letzten Monaten vieles von Josephine gelernt hatte und von ihr für ihr diplomatisches Feingefühl gelobt worden war, war sie stets froh, wenn die Verhandlungen vorüber waren und sie sich stattdessen mit Cassandra im Schwertkampf messen oder Varrics Geschichten aus Kirkwall lauschen konnte. Ein leises, aber beharrliches Klopfen an der Tür ließ sie träge die Augen öffnen. „Ja?“, rief sie verschlafen. „Ich bin es“, ertönte die ruhige Stimme von Solas. „Ich habe etwas zu essen mitgebracht. Es ist bald Mittag und ich dachte, Ihr hättet vielleicht Hunger.“ Sofort war Ellana hellwach. Flink stand sie auf und zog sich eine buntbestickte Tunika über den Kopf, bevor sich auch schon die Tür öffnete und der Elf mit einer Schale voller Obst, Nüssen, Käse und frischem Brot eintrat. Für einen Moment standen sie beide unschlüssig da und sahen sich an, dann lachte Ellana auf und nahm die Schale von Solas entgegen, um sie auf ihr Bett zu stellen. „Setzt Euch doch“, lud sie ihn ein, während sie auf der Matratze Platz nahm und den anderen mit einer Geste aufforderte, es ihr gleichzutun. Er zögerte, doch nur für einen Augenblick, dann setzte er sich neben sie auf das Bett. Schweigend begannen sie zu essen – Ellana, um ihren Hunger zu stillen, und Solas, so vermutete sie, um seinen Händen eine Beschäftigung zu geben und kein Gespräch anfangen zu müssen. Eine seltsame Spannung lag in der Luft, doch keiner wollte den ersten Schritt wagen. Nachdem Solas sie am Abend zuvor geküsst hatte, hatte er sich kurz darauf wieder zurückgezogen und Ellana dabei voller Hoffnung, doch auch voller Fragen und Zweifel zurückgelassen. Was auch immer diese Sache war, die zwischen ihnen war... noch war sie frisch und neu und musste erst noch wachsen. Doch sie hatte das Potential, zu etwas Größerem zu werden, und der Gedanke erfüllte Ellana mit einer überschwänglichen Freude, doch auch mit Nervosität. Nachdem sie sich satt gegessen hatte – sie war doch hungriger gewesen, als sie gedacht hatte – lehnte sie sich mit einem zufriedenen Seufzen zurück und zog die Knie an die Brust. „Das war wundervoll“, sagte sie. „An solch eine Begrüßung am Morgen könnte ich mich gewöhnen.“ Ihr Tonfall war bewusst neckend, damit sich der andere nicht gezwungen fühlte, darauf einzugehen, sollte sie sein Verhalten falsch interpretiert haben und Solas gar nicht die Absicht haben, dies zu einer regelmäßigen Sache zu machen. Doch stattdessen röteten sich die Spitzen seiner Ohren und er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Ich mich auch“, erwiderte er. Ihre Augen weiteten sich. „Solas...“ Er räusperte sich und fuhr mit etwas festerer Stimme fort: „Ich weiß, dass wir uns im Krieg befinden und dies sehr unsichere Zeiten sind, doch...“ Er sah sie wieder an, und beim Anblick der tiefen Zuneigung in seinen Augen zog sich ihr Herz zusammen. „... wenn Ihr mich haben wollt, dann werde ich für Euch da sein“, sagte er. Er legte seine Hand auf die ihre und ihre Finger verschränkten sich so selbstverständlich, als hätten sie es schon unzählige Male zuvor getan. Ellana starrte auf ihre Hände herab. Seine Worte und die Bereitwilligkeit, mit der er ihr sein Herz geöffnet hatte, hatten sie ein wenig überwältigt. „Solas...“, begann sie mit rauer Stimme und er sah sie aufmerksam an. „Verzeiht, ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll. Ich bin etwas...“ „Überfordert?“, bot er an und sie lachte auf. „Das kann man wohl sagen“, entgegnete sie. Er zögerte. „Wenn dies ein schlechter Zeitpunkt ist...“ „Nein!“, unterbrach sie ihn. „Glaubt mir, das ist es nicht.“ Und bevor er noch etwas sagen konnte, legte sie einen Finger an seine Lippen und küsste ihn auf den Mundwinkel. „Es ist mehr, als ich mir je erhofft hätte“, fuhr sie fort. „Ich... habe nur nicht sonderlich viele Erfahrungen mit Beziehungen.“ „Damit seid Ihr nicht allein, ma vhenan“, erwiderte er sanft.  Als sie ihn überrascht ansah, zuckte er nur mit den Schultern. „Auf meinen Reisen bot sich nie eine Gelegenheit dafür.“ Sie lächelte, dann schob sie den Teller beiseite und rutschte ein Stück näher an ihn heran. „Dann lasst uns gemeinsam Erfahrungen sammeln“, sagte sie leise. Er hob die Hand und legte sie warm an ihre Wange, und sie schloss die Augen, als er sich vorlehnte und sie küsste.   Angriff. „Ich... habe eine Bitte an Euch.“ Parade. „Sprecht, und sie soll Euch gewährt werden.“ Gegenangriff. Ellana sah von der Klinge ihres Schwertes auf, dessen Spitze sich in den vom Regen aufgeweichten Boden gebohrt hatte. Cullen hatte sich dazu bereiterklärt, an diesem Abend mit ihr zu trainieren, und obwohl er ihr in Kraft und Erfahrung überlegen war, schwitzte er mittlerweile ebenso, wie sie, so unerbittlich waren ihre Attacken gewesen. „Nicht hier“, entgegnete er so leise, dass nur sie es hören konnte. Die kleine Menge Schaulustiger, die ihnen beim Training zugesehen hatten, löste sich auf, als Ellana wenige Minuten später erschöpft mit einem Handzeichen das Ende des Kampfes signalisierte. Cullen ließ sein Schwert sinken und nickte ihr anerkennend zu, dann bedeutete er ihr mit einer Geste, ihm zu folgen. Sie durchquerten den Hof und betraten die große Halle der Festung, wo sie sich an einer der Feuerschalen niederließen, um sich aufzuwärmen. Um diese Uhrzeit waren alle Tische in der Halle besetzt, da die Bewohner der Festung sich zum Abendessen versammelt hatten, und niemand schenkte ihnen größere Beachtung. „Also“, sagte Ellana, während sie die Hände an die Flammen hielt, „wie kann ich Euch helfen?“ Cullen schien für einen Moment unschlüssig, doch dann gab er sich einen Ruck und sprach: „Es geht um Dorian.“ „Dorian?“ Beim Anblick seines ausdruckslosen Gesichts zog sie die Augenbrauen hoch. „Gibt es Probleme?“ Er holte tief Luft. „Ich... bin mir nicht sicher“, erwiderte er. „Wie ich gestern herausgefunden habe, gibt es unter den Templern auf der Festung einige, die nicht begeistert sind, einen Magier aus Tevinter zum Nachbarn zu haben, und versuchen, ihm Angst zu machen. Ich weiß bisher noch nicht, ob dies nur von einzelnen Personen ausgeht oder ob mehr dahintersteckt, doch ich will versuchen, es herausfinden.“ Sie nickte, besorgt über das, was sie hörte. „Das ist eine sehr ernste Angelegenheit“, sagte sie. „Was gedenkt Ihr zu tun?“ „An dieser Stelle kommt meine Bitte mit ins Spiel...“ Obwohl es unwahrscheinlich war, dass sie jemand belauschte, senkte Cullen die Stimme und Ellana musste sich vorbeugen, um ihn zu verstehen. „Bitte nehmt ihn mit, wenn Ihr das nächste Mal die Festung verlasst“, fuhr Cullen fort. „Dorian ist ein begabter Magier, er wird Euch auf Euren Reisen eine große Hilfe sein. Durch seine Abwesenheit würde sich die Lage auf der Himmelsfeste etwas entspannen und ich könnte ungestört Nachforschungen anstellen und die Identität der Männer ermitteln, die ihn belästigt haben.“ Ellana nickte. Plötzlich verstand sie, was er vorhatte. „Ihr wollt ihn schützen, indem Ihr ihn fortschickt.“ Cullen mied ihren Blick. Der Gedanke, seinen Seelenpartner gehen zu lassen, schien ihn sichtlich zu peinigen. „Nun, ich...“ „Cullen“, sagte sie sanft. „Macht Euch keine Vorwürfe. Ich verstehe, wieso Ihr es tut.“ Er hob langsam den Kopf und sah sie hoffnungsvoll an. „Heißt das, Ihr würdet es in Erwägung ziehen, ihn mit Euch zu nehmen?“ Ellana lächelte. „Um ehrlich zu sein, denke ich schon seit einer Weile darüber nach“, entgegnete sie. „Dorian hat sich in meinen Augen bewiesen, als er sein Leben riskierte, um uns vor dem Angriff auf Haven zu warnen. Ich könnte mir keinen fähigeren Magier an meiner Seite wünschen.“ Er nickte, sichtlich erleichtert über ihre Antwort. Dann schmunzelte er auf einmal. „Ist das so“, sagte er. „Und ich hatte den Eindruck, es gäbe noch einen anderen, nicht weniger talentierten Magier in Eurem Leben...“ Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten. „Nun...“ Eine Bewegung am Rande ihres Blickfeldes erweckte ihre Aufmerksamkeit, und als sie den Kopf hob, sah sie, wie sich gerade die Tür schloss, die von der Halle zur der Rotunde führte, in der Solas für gewöhnlich anzutreffen war. Ihr Blick schien sie zu verraten, denn Cullen erhob sich plötzlich und hielt ihr seine Hand hin. „Geht nur“, sagte er. „Ich bin mir sicher, er erwartet Euch schon.“ Dankbar ergriff sie seine Hand und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. „Ich werde mit Dorian reden“, versprach sie. „Wenn wir nächste Woche zum Fahlbruch reisen, wird er sich sicherlich über die Gelegenheit freuen, mich zu begleiten.“ „Ich danke Euch“, sagte Cullen. Sie schenkte ihm ein Lächeln und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als er sie noch einmal zurückrief. „Und... Ellana?“ Sie sah ihn fragend an. „Eure Abwehr lässt noch immer zu wünschen übrig“, meinte Cullen. Sie seufzte und nickte. „Doch Eure Beinarbeit hat sich seit dem letzten Mal verbessert. Und auch Eure Attacken sind effizienter geworden.“ Er lächelte. „Nur weiter so.“   Dieses Mal war es Ellana, die Essen mitbrachte, als sie wenig später die Halle verließ und den Rundturm betrat, in dem Solas sich eingerichtet hatte. Er arbeitete mit ruhiger Hand an einem der Bilder, die sich über die gesamte Wand vom Boden bis zur Decke spannten, und sah erst zu ihr hinüber, als sie nähertrat. „Das ist sehr zuvorkommen von Euch“, meinte er, als er den Teller in ihrer Hand sah. „Aber das wäre nicht nötig gewesen.“ „Darf ich Euch nicht ebenso verwöhnen, wir Ihr mich, ma vhenan?“, fragte sie warm und ergriff seinen Arm, nachdem er den Pinsel beiseitegelegt hatte, um ihn mit sich auf das Sofa zu ziehen. „Vorsicht“, sagte er amüsiert. „Die Leute könnten reden.“ Doch er ließ sich neben ihr nieder, als sie sich auf das Polster setzte. „Sollen sie nur“, entgegnete sie unbesorgt und griff nach einem Kanten Brot, der noch warm vom Ofen war. Sie aßen schweigend, bis ihr gröbster Hunger gestillt war. Dann begann Ellana, von ihrem Tag zu erzählen und von den frustrierend hochnäsigen Diplomaten, mit denen sie sich am Nachmittag hatte herumärgern müssen.  Solas berichtete seinerseits von seinen Lektüren und dem Spaziergang, den er in der näheren Umgebung unternommen hatte, um nach wertvollen Heilkräutern zu suchen. Es waren keine weltbewegenden Themen, ganz im Gegenteil, doch es war angenehm, den Abend in der Gesellschaft des Elfen zu verbringen, und Ellana genoss jeden einzelnen Augenblick.   „Ihr wollt was?“ Ellana verschränkte die Arme vor der Brust, während Dorian sie weiterhin nur ungläubig anstarrte. „Ich will, dass Ihr mich begleitet“, wiederholte sie. „Ich muss Euch jedoch warnen: es wird zweifellos gefährlich, und Ihr werdet Euch mit Dauerregen, Mücken und Untoten herumärgern müssen.“ „Das klingt in der Tat abscheulich.“ Dorian zwirbelte seinen Schnurrbart. „Ich bin dabei.“ Ellana strahlte. „Wunderbar!“ „Wer wird uns noch begleiten?“, fragte Dorian, während sie Seite an Seite durch den Garten spazierten. Sie dachte nach. „Der Eiserne Bulle“, sagte sie. „Er stört sich nicht an dem Wetter und ist ein schlagkräftiger Kämpfer. Außerdem Solas, weil er die Geister im Fahlbruch studieren will. Und Varric, wenn er sich mal für mehr als fünf Sekunden von Hawke lösen kann. Ansonsten Cole.“ Dorian gab keine Antwort, was ungewöhnlich war, und nach einer Weile blieb sie stehen und sah ihn an. „Seid Ihr nicht glücklich mit meiner Wahl?“, fragte sie. Dorian schenkte ihr ein Lächeln, das jedoch seltsam gezwungen wirkte. „Oh nein“, sagte er. „Ich bin mir sicher, es wird eine ganz wundervolle Reise...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)