I eleniël orco von abgemeldet (Die Sternentochter des Orks) ================================================================================ Prolog: Schicksale ------------------  Viele Schicksale gab es in Mittelerde. So manch ein Äon war seit der Musik der Ainur, der Ainulindale, vergangen, zahllose Leben begannen und vergingen seither in den Strömen der Zeit. Von einigen war in den großen Geschichten ihrer Zeit berichtet worden, der Quenta Silmarillion, der Akallabêth und dem Roten Buch der Westmark, doch viele dieser Schicksale blieben im Verborgenen und verloren sich im Schatten der Historie. Jenes der Halbelbin Earenis war solch ein Schicksal. Sie war keine der großen Persönlichkeiten, bei weitem nicht. Sie war lediglich eine Waise, die ein raues und hartes Leben in der Wildnis des Nordens führte. Ihre Mutter war eine Noldo gewesen, eine vom alten und weisen Volk der Handwerker und Gemmenschleifer unter den eldar, und von ihr hatte sie ihren Namen erhalten, Frau des Meeres. Einst hatte ihre Mutter zu den Leuten Gildor Inglorions gehört und war mit dem Fürsten des vergangenen Nargothrond durch die Wildnis des Nordens gezogen, bis dieser eine, schreckliche Tag kam. Man hatte die wandernden Elben angegriffen, und obgleich ein Elbenfürst von einst ein schrecklicher Gegner sein konnte, so war es den Orks dennoch gelungen ihrer Mutter schlimme Dinge anzutun. Ihr Vater war ein Ork, und obgleich er dafür seinen Kopf verloren hatte, so hatte er noch diese schlimme Saat ins Leben setzen können. Auch wenn Earenis bei weitem kein Kind der Liebe war, so hatte ihre Mutter sich doch dafür entschieden sie auszutragen. Es war ihre Verdammnis. Man hatte ihr noch gestattet ihr Kind im Schutze Bruchtals auszutragen, doch dann wurde sie mit Schimpf und Schande davon gejagt. Sie hatte einer Missgeburt ein erbärmliches Leben geschenkt. Earenis‘ Mutter hatte schwere geistige Schäden davon getragen und sie hatte ihrer Tochter ihr Leben lang keine Liebe entgegen bringen können. Sie hatte sie durchgefüttert, das ja, aber wohl stets mehr mit dem Gedanken, dass ihre Tochter überleben soll und mehr nicht. Und das tat Earenis. Sie musste zusehen, wie ihre Mutter über die Jahre hinweg mehr und mehr verging wie eine welke Blume. Und eines Tages, als Earenis alt genug war, um auf eigenen Beinen zu stehen, legte sie sich hin und wachte nicht mehr auf. Earenis hatte an diesem Tag ihre Sachen gepackt und die kleine Hütte verlassen, die sie mit ihrer Mutter in den Trollhöhen bewohnt hatte. Sie war nie wieder dorthin zurückgekehrt. Seither zog sie als Abenteurerin durch die Lande und verdiente sich mit allerlei Arbeiten ihr Geld. Es war ein hartes Leben, gewiss, aber sie hatte es ja nie anders gekannt. Und wie hätte sie auch wissen sollen, dass ausgerechnet sie eines Tages das Schicksal Mittelerdes bestimmen sollte? Denn bedeutende Ereignisse bahnten sich an. Der Ring wurde gefunden und die Großen Jahre kamen und gingen. Kriege wurden gefochten, und aus der Asche der alten Welt entstand eine neue. Eine bessere? Vielleicht. Sauron mochte vernichtet sein, doch noch waren nicht all seine Spuren getilgt worden. Denn der Dunkle Herrscher hatte Pläne gehabt, die nie zur Verwirklichung gekommen waren. In den dunkelsten Verließen seiner Festung waren schaurige Experimente durchgeführt worden, Experimente, die auf Finsteres abzielten. Denn noch war Morgoth in der Leere jenseits der Kreise dieser Welt gefangen und mit ihm zahlreiche mächtige Geister, deren Dienerschaft Sauron nur zu gern an seiner Seite zu sehen wünschte. Nicht alle der Werke Saurons waren bei seinem Sturz vernichtet worden – oder seine Kreaturen. Manche waren entkommen. Und für einen war nun die Zeit gekommen… Kapitel 1: Questlog: Die überfallenen Bauern -------------------------------------------- Sie machte nicht gerade den besten Eindruck, das war ihr bewusst, wie sie da so stand mit dem grauhäutigen, verhärmten Gesicht, ihrem mattsilbernen Haar und der dunklen, verdreckten Rüstung. Ganz zu schweigen von dem Bastardschwert an ihrer Seite oder gar ihrem finsteren Gesichtsausdruck. Am schlimmsten war wohl der Wolfshund an ihrer Seite. Mistaroa hatte sie den riesigen Rüden mit dem unordentlichen grauen Fell getauft, der ihr niemals von der Seite wich. Zugegebener Maßen sahen die Menschen vor ihr auch nicht minder abgerissen aus. Es war ein Haufen Bauern, die einen Söldner angeheuert hatten, um ihr Problem zu beseitigen, und einen Söldner hatten sie bekommen. Nur eben einen weiblichen. Ganz zufrieden wirkten sie damit nicht. Earenis musterte die dreckigen Gesichter vor ihr. Die ältesten des Dorfes hatten sich um sie versammelt und berieten nun mit ihr ihre Aufgabe, dennoch schien Misstrauen aus ihren Augen. Sie war jemand, die Geld mit der Not anderer verdiente, und das war verwerflich. Natürlich. Aber besser diesen Menschen für Geld zu helfen statt sie für Geld zu meucheln, sagte sie sich. Die wenigsten ihrer Kunden dachten ebenso. „Ihr habt also ein kleines Trollproblem“, sagte sie und lehnte sich vor. Ein alter Mann mit weißem Bart und einem von Falten ganz schrumpeligen Gesicht, das an eine alte Kartoffel erinnerte, schnaubte abfällig. „Klein!“, stieß er hervor. „Nun werd‘ mal nicht frech, Mädchen!“ Sie kniff die dunklen Augen zusammen. „Ich gehe stark davon aus, dass ich älter bin als du.“ Dass sie eine Elbin war, war nicht zu übersehen, auch wenn ebenso nicht zu übersehen war, was anders war an ihr. Die wenigsten wagten danach zu fragen. „Was ist nun?“ „Was soll wohl sein?“, konterte der Alte. „Trolle kamen von den Höhen heran, das soll sein. Sie zerstörten zwei der etwas abseits gelegeneren Höfe, plünderten, was sie konnten und gingen dann wieder.“ Er deutete auf zwei weitere Männer, die nicht gerade besonders freundlich drein sahen. „Ihre Höfe wurden zerstört. Und seitdem kommen die Trolle in regelmäßigen Abständen und rauben uns das Vieh und die Ernte.“ „Wie viel?“, fragte sie unbeeindruckt. Das übliche Gesülze… „Wie viel Geld du dafür bekommst?“, fragte der Alte verärgert. „Ja und nein. Wie viele Trolle?“, korrigierte sie genervt. „Zwei, soweit wir das beobachten konnten“, sagte der Alte. „Sie kommen aus dem Norden. Wo die Steintrolle stehen. Und…“ „Was und?“ „Nun ja, wenn du feilschen willst… Sie haben die Kleine vom guten Beren hier, das Mädchen haben sie auch entführt. Wenn du sie wohlbehalten wieder bringst, bekommst du einen Bonus.“ Earenis seufzte. Na toll, nun auch noch eine Rettungsaktion. „Wie viel bekomme ich?“ Beren schien die ganze Rederei zu lange zu dauern. Er sprang auf. „Alles, was wir haben, nur bring mein Mädchen wieder! Hast du gehört?!“ Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie kräftig durch. Hastig packte sie seine Hände und schob ihn von sich. „Ja, ja! Ist ja gut, ich habe es verstanden!“, rief sie aus. Mistaroa erhob sich und knurrte den Mann an; er war ein perfekt abgerichteter Wachhund, der für seine Herrin jedem an die Kehle gehen würde. Schnell gab sie ihm mit einem Laut zu verstehen, dass alles gut war. Der Wolfshund setzte sich wieder neben sie. Beren sah das Tier misstrauisch an und schien dem Frieden nicht zu trauen. „Ist alles, was wir entbehren können, also genug?“, fragte der Dorfälteste. „Mehr kann ich ja nicht verlangen“, stellte Earenis klar. „Ich kann nur hoffen, dass es ein angemessener Preis ist. Trolle sind keine leichten Gegner.“ „Ja, das ist uns bewusst und ebenso, was wir von dir verlangen, Mädchen.“ Er nannte sie immer noch so. Verstimmt kniff Earenis die Augen zusammen. „Hoffen wir es…“ Da damit alles gesagt war, erhob sie sich und ging kommentarlos. Mistaroa erhob sich träge und trottete hinter ihr her. Hauptsache, sie bekam das Geld am Ende und wurde nicht wieder einmal übers Ohr gehauen. Mit einem inneren Schaudern trat sie aus der Hütte, in der das Geschäft abgeschlossen wurde, hinaus in den nasskalten Regen. Ah, wie sie es liebte… Mit finsterer Miene, den Umhang fest um sich geschlungen, stapfte sie ihrer Aufgabe entgegen. Es war der 14. quelle des Jahres 3020 des Dritten Zeitalters irgendwo im Nördlichen Königreich, auch wenn in solch abgelegenen Gegenden wie dieser noch immer nichts von einem neuen König im Süden zu spüren war. Und das hieß, dass es hier noch immer so rau zuging wie vor zwei Jahren. Banditen, Orkverbände und eben hin und wieder die eine oder andere Trollsichtung alle paar Jahre waren daher durchaus üblich. Aber so war nun einmal Earenis‘ Leben. Nicht dass sie jemals eine Wahl gehabt hätte… Kapitel 2: Trollsichtungen -------------------------- Mit der üblich missgelaunten Miene stapfte Earenis voran. Sie war froh, dass ihr orkisches Erbe manchmal nicht wirklich stark zu tragen kam, denn sonst würde sie jetzt wohl nicht nur bis auf die Knochen durchnässt sein, sondern auch noch erbärmlich frieren. So war die Kälte in ihrer Rüstung noch zu ertragen. Mistaroa hingegen ließ den Schwanz hängen und trottete neben ihr her; er hasste solcherlei Unbilden, eigentlich ungewöhnlich für ein Tier, das nicht als Haustier aufwuchs. Manchmal hatte er eben seinen eigenen Kopf. Trolle jagen. Ihr missfiel der Gedanke, aber sie musste diesen Auftrag annehmen. Das Geld wurde langsam knapp und ihre Ausrüstung bedurfte einer dringenden Überarbeitung. Wenn sie sich die Flicken und Risse in ihrem Umhang und die Dellen und nicht mehr komplett problemlos funktionierenden Scharniere ihrer Rüstung ansah, dann wohl mehr als nur dringend. Die Wege waren vom andauernden Regen der letzten Tage vollkommen durchnässt, mittlerweile hatten sich sogar kleine Seen gebildet, die das Vorankommen noch einmal erschwerten. Earenis schlängelte sich an ihnen vorbei, auch wenn sie dafür nur auf Umwegen die namenlose Siedlung verlassen konnte. Sie hoffte, dass es besser wurde, sobald sie erst einmal den nahen Wald erreicht hatte. In einem Anflug von Boshaftigkeit fragte sie sich, wer bloß hier draußen siedeln wollte. Hier gab es nichts außer Wildnis und Scherereien. Die Böden waren nicht allzu ertragreich und die nächste größere Siedlung war viele Tagesmärsche von hier entfernt. Und nach Bruchtal ging hier sowieso niemand, obgleich das wohl näher liegen würde. Elben… Sie hatte es in den Augen der Männer gesehen, mit denen sie verhandelten. Sie hatten sie gefürchtet, nicht, weil sie anders war als andere Elben, sondern einfach, weil sie eine Elbin war. Zwar konnte sie es ihnen nicht verübeln (ihr eigenes Volk, das der Noldor, war unter ihresgleichen nicht überall gern gesehen), aber in gewisser Weise hatte sie es doch amüsiert. Hätte sie noch unheimliche Geräusche von sich gegeben und noch finsterer drein geschaut, sie hätte wohl alles von den Männern verlangen können. Aber nein, sie war keine Räuberin, sie raubte niemandem auch noch das letzte Hemd. So viel Anstand besaß sie dann doch noch. Im Wald wurde es nur unmerklich besser. Jetzt wurde sie nicht mehr ständig mit Regenwasser begossen, sondern mit kleinen Unterbrechungen dazwischen, wenn das Blattwerk besonders dicht war. Hinzu kam, dass der Waldboden mit Laub des Herbstes bedeckt war, das durch den Regen tückisch glatt geworden war. Sie musste aufpassen, dass sie nicht fiel. Es gab eindeutig Tage, die wollte sie schnellstmöglich vergessen. Dieser gehörte dazu. Norden, hatten die Dörfler gesagt. Bei den alten Steintrollen. Kurzzeitig überlegte Earenis, ob sie dort noch etwas vom Trollschatz aus der Geschichte finden würde, verwarf den Gedanken aber wieder. Nachdem Bilbos Geschichte einige Bekanntheit erlangt hatte, waren sicher schon einige andere Plünderer auf diese Idee gekommen. In Anbetracht ihres Zieles stellte sich Earenis auf noch so einige Stunden ungemütlichen Fußmarsches ein. Augen zu und durch, alles Jammern half ja so oder so nichts. Stattdessen meditierte sie im Gehen, eine spezielle Atemtechnik, die sie sich erdacht hatte, um sich besser auf bevorstehende Missionen besinnen zu können. Sie fand zu ihrer inneren Ruhe und einer für sie fast schon familiären Nähe zur Natur um sie herum. Mistaroas Gedanken durchströmten sie, eine telepathische Verbindung, die für sie völlig normal war, obwohl sie wusste, dass dies bei weitem nicht in jedermanns Augen normal war. Ihr Hund war missgelaunt, das spürte sie, aber sie teilte ihm mit, dass sie da jetzt durch mussten. Mistaroa schien nicht zufriedengestellt zu sein. Trotz der Widrigkeiten war das Ziel alsbald erreicht. Obwohl der Regen schon tagelang angehalten hatte, roch sie erstaunlicher Weise den Hort, bevor sie ihn überhaupt sah. Sie wollte nicht wissen, wie es hier stinken musste, wenn es nicht geregnet hatte. Fast schon bekam der Regen auf diese Weise eine gute Seite. Sie gebot Mistaroa Vorsicht und schlich nun selbst bedächtig durch das Unterholz. Bald war das Ziel erreicht: eine kleine Lichtung, auf der drei steinerne Trolle standen und dahinter, ein wenig verborgen, eine Höhle, aus der ein fürchterlicher Gestank zu ihr herüber wehte. Kapitel 3: Rangeleien --------------------- Zwei Trolle saßen vor der Höhle um ein vom Regen abgeschirmtes Feuer. Anscheinend nutzten sie die dichte Wolkendecke, um auch einmal jetzt nach draußen zu kommen. Sie schienen sich in Sicherheit zu wiegen, zumal es ohnehin schon auf den Abend zuging. Earenis lief das Wasser im Munde zusammen, als sie sah, was die beiden Trolle da an Spießen über dem Feuer brieten: Hammel. Sie wurde an ihren eigenen Hunger erinnert und auch Mistaroa schien der Zahn zu tropfen. Vielleicht blieb nach dem Kampf, wenn sie die Trolle getötet hatte, ja noch etwas für sie über. Zwei Trolle also, große, kräftige Kerle, die sie um mehrere Köpfe überragten. Aber sie waren grobschlächtig und langsam, sie aber schnell und wendig. Ganz zu schweigen von Mistaroa… Schwer, befand sie, herausfordernd, aber bei weitem nicht unmöglich. Sie lockerte ihr Bastardschwert in der Scheide und trat mit selbstbewusster Pose aus ihrem Versteck. Die Trolle hielten verwundert inne und sahen sie groß und auch recht dümmlich an. Waren wohl nicht die hellsten. Mistaroa trat neben sie, sein Fell war gesträubt, er bleckte die Zähne. Einer der Trolle grunzte etwas und stieß seinen Kumpanen an. Dann deutete er auf die zierliche Elbin. Er grunzte noch etwas, legte seinen Hammelbraten zur Seite und griff zu einer Keule. Earenis lächelte herausfordernd, sie würde sich nicht so einfach zu Sülze zerdrücken lassen. Die beiden Trolle stapften auf sie zu. Earenis befahl ihrem Wolfshund, sich einem der beiden Trolle zu stellen und ihn von ihr abzulenken, denn nicht einmal sie konnte es mit zwei Trollen zugleich aufnehmen. Sie zog ihr schartiges Schwert, federte in den Knien und stürmte dann auf den anderen Troll zu. Er sah sie aus kleinen Schweinsaugen verwundert an; anscheinend hatte er von so einem kleinen Geschöpf so viel Dreistigkeit nicht erwartet. Seinem Kumpan erging es nicht besser. Laut kläffend und Zähne fletschend stürzte sich Mistaroa auf ihn. Erst im letzten Moment trat der Troll nach dem grauen Blitz, doch der Rüde war erprobt in Kämpfen gegen übermächtige Gegner und wich flink aus. Schon im nächsten Moment hatte er sich in der dicken, ledrigen Haut am Arm des Trolls verbissen und hing dort wie eine Zecke. Der Troll brüllte auf und schüttelte wie wild seinen Arm, doch Mistaroa ließ nicht los. Earenis Gegner derweil holte mit der Keule aus und wollte damit nach der Elbin schlagen. Doch sie hatte diesen Angriff schon kommen sehen. Im letzten Moment  warf sie sich zu Boden und schlitterte unter der Keule und zwischen den Beinen des Trolls hindurch. In derselben Bewegung schwang sie ihr Schwert und schlug damit nach einem der Beine der Kreatur. Das Biest jaulte auf; das Schwert hatte einen tiefen, blutenden Schnitt hinterlassen. Flink sprang Earenis wieder auf die Beine und setzte dem Troll weiter zu. Ein Stoß gegen den Rücken ließ den Troll herumwirbeln. Seine Keule beschrieb einen weiten Bogen. In Anbetracht dessen, dass Trolle nicht gerade Intelligenzbestien waren, traf die Keule nicht das anvisierte Ziel sondernden den zweiten Troll, der noch immer mit Mistaroa zu kämpfen hatte, gegen den Schädel. Der Getroffene taumelte benommen zurück und stolperte dabei in das Feuer. Wieder hallte ein markerschütterndes und schmerzerfülltes Brüllen durch den Wald. Funken stoben auf und der Troll trug böse Verbrennungen an seinen Füßen davon. Wütend keifte er, Sabber flog ihm aus dem Maul. Von den Schmerzen angestachelt und ungeachtet des Faktes, dass sich Mistaroa noch immer in seinen Arm verbissen hatte, griff er sich einen brennenden Holzscheit und stürmte mit der Wucht einer Steinlawine auf seinen Kumpanen los. Na toll. Erst war ihr Essen ruiniert worden und jetzt keilten sich die beiden Trolle auch noch gegenseitig. Earenis sah zu, dass sie aus der Schusslinie kam und hielt Mistaroa ebenfalls zur Vorsicht an. In blinder Wut hieben die Trolle nun aufeinander ein, der eine mit seiner Keule, der andere mit dem Holzscheit. Funken stoben auf, als das Holzscheit sein Ziel im Gesicht des Trolls fand. Es roch nach verbranntem Fleisch. Der Getroffene jaulte schmererfüllt auf, sank zu Boden und hielt sich das schlimm verbrannte Gesicht. Dies war ihre Gelegenheit. Sogleich stürmten Earenis und Mistaroa wieder voran. Mit einem furchterregenden Knurren ging der Wolfshund den zweiten Troll mit dem Holzscheit an und sprang ihm mitten ins Gesicht. Er verbiss sich in der hässlichen Fratze, kratzte und biss so lange, bis der Troll mit übel zugerichtetem Gesicht hinten über fiel. Dann ging Mistaroa ihm an die Kehle. Den anderen Troll nahm sich Earenis vor. Zuerst schnitt sie ihm mit einem kräftigen Hieb ihres Schwertes die Kniekehlen durch. Dann klettere sie flink seinen breiten Rücken hinauf. Der Troll bockte und wehrte sich, doch die Elbin war geschickt genug, um sich dennoch auf ihm halten zu können. Sie holte mit ihrem Schwert aus und schlug zu. Mit einem Knirschen gab das Genick des Trolles nach. Mit einem Male kehrte Ruhe ein auf der Lichtung. Kapitel 4: Entdeckungen oder auch Questlog abgeschlossen -------------------------------------------------------- Noch etwas schwer atmend aber zufrieden, besah sich Earenis ihr Werk. Zwei tote Trolle, einer mit halb abgetrenntem Kopf, der andere mit förmlich herausgerissener Kehle. Das sollte ihr erst einmal jemand nachmachen! Hechelnd und mit blutigem Fell trabte Mistaroa zu ihr und wollte sich seine Belohnung abholen. „Fein gemacht!“, lobte Earenis ihren treuen Begleiter und kraulte ihn hinter den Ohren. Er drückte sich zufrieden brummend an ihre Beine. Aber noch gab es ja etwas zu erledigen. Das Essen war, nachdem der Dummkopf von Troll darin herumgetrampelt war, ja hinüber, aber noch galt es, das Mädchen des Bauern zu finden. Da sie das Kind auf den ersten Blick nicht sehen konnte, galt ihr nächster Gedanke der Höhle. Es graute ihr davor, dieses stinkende Loch zu betreten, aber sie hatte wohl keine Wahl. Augen zu und durch… Sie atmete mehrmals tief durch und stellte sich dem Unvermeidlichen. Eine Welle des Gestanks, eine regelrechte Wand der übelsten Gerüche, schlug ihr entgegen. Earenis würgte, verzog das Gesicht und hielt sich eine Hand vor die Nase, um wenigstens die Illusion zu haben, etwas von den Gerüchen abzuhalten. Vorsichtig tastete sie sich voran, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Mit einiger Überraschung fand sie nebst dem üblichen Plunder einer Trollhöhle auch zahlreiche orkische Waffen und Rüstungen, die noch nicht allzu viel Staub angesetzt hatten. Sie runzelte die Stirn, denn vor allem die Menge erschien ihr doch sehr ungewöhnlich. „Hallo?“, hörte sie ein zartes Stimmchen aus einer dunklen Ecke der Höhle. „Wer ist da?“ Sie hatte wohl das Ziel ihres Zusatzauftrages gefunden. Zufrieden lächelte sie. Und anscheinend würde es noch einen Bonus geben. Zielstrebig hielt sie auf einen Käfig zu, hinter dessen rostigen Stäben ein Menschenmädchen saß. Das Kind sah sie mit großen, angstgeweiteten Augen an. Es war dreckig, die Kleidung war zerrissen und im Allgemeinen wirkte es mager. Aber ansonsten schien ihm nichts weiter zu fehlen. „Wer bist du?“, fragte sie. „Du bist kein Troll.“ Dann sah sie ihre Ohren. „Bist du eine Elbin?“ Jetzt wurden ihre Augen groß vor Erstaunen. Der Einfachheit halber bejahte Earenis diese Feststellung, während sie sich daran machte eine Möglichkeit zu finden, um das Schloss zu öffnen. Da es schon recht rostig aussah und auch sonst keinen allzu stabilen Eindruck machte, entschied sie sich für die brachiale Variante und schlug kräftig mit dem Schwert auf das Schloss ein. Es gab sehr bald nach. Rasch kam das Mädchen heraus, offensichtlich froh, endlich wieder frei zu sein. Earenis konnte es ihr nicht verübeln. „Bringst du mich jetzt zu Papa?“, fragte das Mädchen hoffnungsvoll. „Ja…“ „Sehr gesprächig bist du ja nicht gerade.“ „Mein Auftrag war es die beiden Trolle zu töten und dich zu finden. Das habe ich getan. Fertig.“ Eingeschüchtert schwieg das Mädchen. Earenis war bewusst, dass sie nicht gerade die angenehmste Zeitgenossin war, aber ihr war es egal. Nachdem diese Verhältnisse zwischen ihnen also recht pragmatisch geklärt waren, beeilten sie sich aus diesem stinkenden Loch zu kommen. Das Mädchen machte schon wieder große Augen, als sie die toten Trolle sah, sagte aber nichts dazu. Stattdessen hatte sie andere Fragen. „Ist das dein Hund?“ „Ja.“ „Er hat ganz blutiges Fell.“ „Er hat ja auch einen Troll getötet.“ „Ui! Und wie heißt er?“ „Mistaroa.“ „Was bedeutet das?“ „Grauhund.“ „Und wie heißt du?“ „Earenis.“ „Und was heißt das?“ „Tochter des Meeres.“ „Ein schöner Name, ich mag ihn!“ „Hm…“ Nach diesem missmutigen Brummen hielt das Mädchen wenigstens den Mund. Schweigend machten sie sich auf den Rückweg, was in Anbetracht des noch immer andauernden Regens, der einsetzenden Dämmerung und des Zustandes des Mädchens jedoch dieses Mal bedeutend länger dauerte. Earenis schlug vor, dass sie einfach im Wald übernachten sollten, doch das schien dem Kind einen gehörigen Schrecken einzujagen. Entsetzt schüttelte sie heftig den Kopf. Wahrscheinlich fürchtete sie, dass sie Geister erneut rauben können, oder ähnliches. Also marschierten sie weiter. Irgendwann hörte wenigstens der Regen auf, auch wenn die Wolkendecke noch immer nicht aufriss. Dem Mädchen war kalt, zumal es immer wieder ausrutschte und sie bald über und über mit Schlamm beschmutzt war, was ihre Lage nicht gerade besser machte. Earenis ertrug all diese Widrigkeiten mit stoischer Gelassenheit. Irgendwann  erreichten sie dann doch das Waldende, auch wenn es recht plötzlich geschah, denn mittlerweile sahen sie kaum noch die Hand vor Augen. Damit war auch das Dorf nicht mehr weit. Sie beschleunigten ihre Schritte, Earenis, weil sie endlich wieder ins Trockene wollte, und ihre kleine Begleiterin, weil sie zu ihrem Vater zurück wollte. Anscheinend rechnete niemand zu so später Stunde mit ihnen, denn als sie das Gemeinschaftshaus im Dorfzentrum betraten, war die Überraschung groß, doch umso größer war auch die Freude. Als Beren seine Tochter sah, sprang er mit einem freudigen Schrei auf, rannte ihr entgegen, schloss sie in seine Arme und wirbelte sie umher. Das Mädchen lachte nicht minder glücklich. Dass sie auch nach dem Regen noch immer fürchterlich nach Troll stank, interessierte niemand. Der Dorfälteste kam an seinem Stock langsam zu Earenis gewankt. Er hielt ein Goldsäckchen in der Hand. Das sah doch ganz nach ihrem Geschmack aus. „Wie versprochen“, sagte er und drückte ihr das Säckchen in die Hand. „Alles, was wir hergeben können. Hoffentlich genug. Da du die Kleine wohlbehalten wieder gebracht hast, bekommst du auch den versprochenen Bonus. Du kannst die nächsten Tage hier bei uns bleiben und dich ausruhen. Wenn du weiter willst, werden wir dir Proviant überlassen, davon scheinst du ja auch nicht mehr viel zu haben.“ Zufrieden lächelte Earenis. „Vielen Dank dafür“, sagte sie; hin und wieder konnte sie eben doch höflich sein. „Das ist ein Angebot, das ich nur zu gern annehme.“ Zu selten hatte sie ein Dach über dem Kopf beim Schlafen. Dennoch ging ihr der Fund in der Höhle nicht aus dem Kopf. Sie beschloss, dem bei Zeiten nachzugehen. Kapitel 5: Begegnungen unter Freunden ------------------------------------- Bruchtal, das war allgemein bekannt, war ein Ort der Ruhe und Erholung. Was weniger bekannt war, dass es hier gern einmal recht chaotisch zuging, was zumeist am Hausherrn lag. Dennoch besuchte Legolas diesen Ort nur allzu gern. Er trieb sein Pferd an, als Elronds Haus in der Ferne im Tal sichtbar wurde. Nur raus aus diesem Sauwetter… „Na endlich“, brummte Gimli hinter ihm. „Wenn dieser Regen noch lange anhält, wachsen mir noch Kiemen.“ „So einen verregneten Herbst hatten wir schon lange nicht mehr“, stimmte Legolas ihm zu. „In Ithiliën könnten wir das gut gebrauchen, auch wird sich Aragorn freuen, dass meine Gärten in Minas Tirith gut gewässert werden. Aber hier im Norden…“ Er erschauderte. „Nein, das brauchen wir eindeutig nicht.“ Natürlich war er das rauere Nordlandklima gewohnt, immerhin war er hier aufgewachsen und hatte den Großteil seines Lebens hier verbracht. Aber seit er nach Ithiliën gezogen war, hatte er sich doch erstaunlich schnell an das milde Seeklima des Südens gewöhnt. Ihr Pferd schien ebenso zu denken, denn schon fast von selbst beschleunigte es seinen Schritt, als es den warmen, trockenen Stall witterte, der auf es wartete. Im Nu hatten sie das Letzte Gastliche Haus erreicht. Normalerweise hätte man sie wohl schon längst begrüßt, aber bei diesem Wetter sang nicht einmal mehr Lindir seine Spottlieder. Was wohl Vor- und Nachteile hatte. Erst als sie in den Vorhof der Feste ritten, kam ihnen ein hochgewachsener, gerüsteter Noldo entgegen. Er hielt die Zügel des Pferdes, damit sie absteigen können. „Willkommen in Bruchtal“, begrüßte er sie. „Man wird Euch so bald als möglich Gemächer zuteilen. Ich nehme an, dieser Besuch hat keinen besonderen Anlass?“ „Mae govannen, Rethtulu“, erwiderte Legolas. Er kannte den Noldo von seinen früheren Besuchen in Bruchtal, immerhin war er kaum von Elronds Seite zu denken. „Und ja so ist es.“ Auch wenn ihm einfach nicht behaglich zumute war, wenn er den achtzackigen Stern auf der Rüstung des Elben sah. Doriath mochte viele tausend Jahre zurück liegen, und doch… Gimli hatte noch – wie üblich – damit zu kämpften, halbwegs elegant vom Pferd zu steigen, was Legolas‘ Aufmerksamkeit auf sich zog. Er half seinem Freund, bevor dieser noch unsanft zu Boden fiel. Nachdem sie ihr Gepäck an sich genommen hatten, führte Rethtulu das Pferd in die Ställe. „Also, ich kann mir einfach nicht helfen, aber ich mag diesen Kerl nicht“, murmelte Gimli. „Ich auch nicht“, brummte Legolas und beeilte sich ins Trockene und Warme zu kommen. Gimli folgte. Eigentlich wollten die beiden Freunde ihre Heimat und ihre Väter besuchen. Nachdem sie aber gehört hatten, dass Aragorn zusammen mit Arwen in Bruchtal auf einen Besuch bei Elrond weilte, hatten sie beschlossen, diesen Umweg zu gehen und ihren Freund ebenfalls wieder zu sehen. Sie wurden in der Feuerhalle fündig. Arwen saß auf einem Stuhl nahe einer der Säulen und wurde von Elrond und Aragorn umsorgt, während einer der Hunde Elronds – eine eigene Züchtung, auf die er sehr stolz war – seinen großen Kopf in ihren Schoß gelegt hatte und ihr Kleid besabberte. Sie wirkte über alles nicht gerade glücklich. „Ich bekomme ein Kind und liege nicht im Sterben!“, begehrte sie soeben auf. Elrond ignorierte sie gekonnt. Stattdessen drückte er ihr mehrere Strickkleider, offensichtlich für Kleinkinder gedacht, in die Hand. „Dennoch muss für alles vorgesorgt sein!“, sagte er mahnend. „So etwas ist keine Kleinigkeit, frag deine Mutter.“ „Kann ich ja nicht mehr.“ „Eben, also muss ich das jetzt wohl machen.“ „Du bist mein Vater und nicht meine Mutter!“ „Macht das irgendeinen Unterschied?“ „Ja!“ Aragorn hielt sich königlich im Hintergrund und verkniff sich angestrengt ein Lachen. In dem Moment bemerkte der Hund die beiden Neuankömmlinge. Mit einem Brummen hob er seinen Kopf. Dann trottete er zielstrebig und einem felligen Gebirge gleich auf die beiden zu. Bei Gimli angekommen, lehnte er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Zwerg, um gekrault zu werden. Dummer Weise hatte Gimli mit diesem Übergriff nicht gerechnet und landete recht sang- und klanglos auf seinem Hosenboden und wurde dabei halb unter dem riesigen Hund begraben. Nun wurden auch der Hausherr und seine Familie auf sie aufmerksam. „Garahû, hierher!“ Elrond pfiff einmal laut, woraufhin sein Hund widerstrebend gehorchte und sich zu ihm begab. Beim Aufstehen landete er jedoch einen zielgenauen und recht kräftigen Tritt in Gimlis Magengegend. Der Zwerg stöhnte gequält auf. Legolas konnte nicht anders, er musste lachen. Er kannte Elronds Hunde zur Genüge, immerhin war er schon so manches Mal in Bruchtal zu Besuch gewesen, und er hegte den vielleicht nicht ganz unbegründeten Verdacht, dass Elrond diesen Hunden mit Absicht ihre Verschmustheit angezüchtet hatte, um Celebrían zu becircen und hatte ihnen seitdem diese Eigenheit nicht mehr abzüchten können. Elrond behauptete natürlich steif und fest, seine Tiere seien hervorragende Wachhunde… Noch immer lachend half Legolas seinem Freund wieder auf die Beine. Dieser brummte irgendetwas Unverständliches in seinen Bart und klopfte sich die Hundehaare von der Kleidung. Indes kam Aragorn zu den beiden. „Schön, euch wieder zu sehen!“, sagte er. „Was verschafft uns die Ehre?“ „Freunde besuchen, was sonst, Jungchen?“, erwiderte Gimli. Kapitel 6: Spurensuche ---------------------- Einige Tage später schon packte Earenis ihre Sachen und brach erneut auf. Obgleich die Dorfbewohner höflich zu ihr waren und insbesondere Beren gar nicht mehr aus den Dankesbekundungen wieder herausgekommen war, hatte sie doch gespürt, dass sie hier nicht allzu willkommen war. Sie wollte die Gastfreundschaft lieber nicht zu lange ausreizen. So stand sie nun also erneut vor der Trollhöhle. Die Kadaver der getöteten Trolle lagen noch immer da, wo sie verendet waren, zeigten mittlerweile allerdings deutliche Bissspuren. Natürlich hatten die Tiere des Waldes schnell ausgemacht, dass hier Beute zu machen war. An der Höhle selbst hatte sich anscheinend nichts verändert. Sie begann die Fundstücke genauer zu untersuchen. Auch Mistaroa schien eifrig bemüht zu sein, ihr dabei zu helfen, und steckte seine Nase todesmutig in all das Gerümpel. Mittlerweile war der Gestank zwar etwas besser geworden, aber er war noch immer abartig. „Was meinst du, Mistaroa?“, fragte sie ihren Rüden. „Was hat das hier zu bedeuten?“ Mistaroa brummte und kratzte am Boden. Earenis sprang an seine Seite, um zu sehen, was er gefunden hatte, aber es war nur ein Mauseloch. Sie gab ihm einen sanften Klaps auf die Schulter. „Such was Richtiges und keinen Happen für zwischendurch“, rügte sie ihn. Mistaroa schien nicht begeistert, kam dem aber nach. Earenis saß sich die Machart der orkischen Waffen und Rüstungen genauer an. Wie sie erhofft hatte, erkannte sie so einiges. Die Schmiedestücke zeigten deutliche Gebrauchsspuren, an manchen klebte sogar noch getrocknetes Blut. Die Schmiedeart selbst war grobschlächtig und wirkte mehr schlecht als recht zusammengeschustert. Es sah ihr sehr nach den Orkstämmen der Nebelberge aus. Damit konnte man etwas anfangen. „Mistaroa!“, rief sie aus. Der große Rüde hob den Kopf und legte den Kopf schief. „Such!“ Sie hielt ihm einen Handschuh entgegen. Mistaroa sprang zu ihr und schnüffelte an dem dargebotenen Gegenstand. Dann drückte er die Nase an den Boden und schnüffelte dort weiter. Earenis folgte ihm aus der Höhle, während er auch am Waldboden weiter schnüffelte. Sie war sich nicht sicher, inwieweit ihr Hund nach dem Regen der letzten Tage und Wochen überhaupt noch eine Fährte finden konnte, aber auf einen Versuch kam es an. Stück für Stück arbeitete sich Mistaroa in den Wald voran. Immer wieder hielt Earenis ihm den Handschuh entgegen, damit er den Geruch erneut in seine Nase aufnehmen konnte, dann suchte er weiter. Es ging nur stockend voran. Offensichtlich fand er immer mal wieder eine Fährte, verlor sie aber recht bald wieder. Am Abend waren sie nicht sonderlich weit gekommen, aber immerhin waren sie vorangekommen. Ihre Spuren schienen nach Norden zu verlaufen, wenn Earenis den Weg richtig einschätzte, den sie von der Trollhöhle bis hierher zurückgelegt hatten. Da es mittlerweile dämmrig wurde, beschloss sie die Suche für diesen Tag zu unterbrechen und schlug ihr Lager auf. Erst am nächsten Tag wollte sie damit fortfahren. So ging es in den nächsten Tagen weiter. Während Mistaroa sich ihren Weg erschnüffelte, hielt seine Herrin ebenfalls die Augen offen, ob sie etwas entdeckte. Bald schon hatten sie die Trollhöhen verlassen und sahen sich erneut den kargen Weiten Rhudaurs gegenüber. Nach und nach führte Mistaroa sie immer weiter in das Gebirge hinein und in Richtung der Ettenöden im Norden. Noch in diesen Tagen war dies ein übles Land, der Hexenmeister von einst war noch nicht vergessen. Earenis ahnte nichts Gutes. Und es sollte sich bestätigen. Sie wanderten schon einige Tage durch Rhudaur, als plötzlich Mistaroa anschlug. Er bellte laut und rannte los. Sie pfiff, woraufhin ihr Hund still wurde und stehen blieb. Er drehte sich nach seiner Herrin um und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Earenis folgte ihm eilig und sah sich dabei um, was der Wolfshund wohl gewittert haben mochte. In der Nähe ragten einige kaum bewachsene Felswände auf. Auf diese hielt Mistaroa zielstrebig zu, wobei er sich immer wieder umdrehte, um sich zu vergewissern, dass Earenis ihm noch folgte. Bei den Felswänden angekommen, hatte sie bald die Ursache des aufgeregten Verhaltens ihres Hundes gefunden. Der Boden hier schien in naher Vergangenheit oftmals betreten worden zu sein, in der Erde konnte sie einige Fußspuren ausmachen. Zusätzlich fand sie einige abgenagte Knochen. Als sie auch noch die Höhle fand und den Geruch wahrnahm, war der Fall klar: Orks. Kapitel 7: Bibliotheksbestände ------------------------------ Wie Rethtulu ihnen gesagt hatte, hatte man ihnen Gemächer zukommen lassen, ebenso für jeden von ihnen ein warmes Bad, um sich wieder aufzuwärmen. Nachdem sie nun also wieder hergerichtet und vorzeigbar waren, hatte Legolas beschlossen, der Bibliothek mal wieder einen Besuch abzustatten. Erestor hatte ihn anstandslos durch gewunken, als er ihn kommen sah; Legolas war ein oft gesehener Gast in Elronds Bibliothek. Gimli wurde allerdings streng gemustert, bevor er mit einem mürrischen Brummen ebenfalls eingelassen wurde. Nun hatte sich der laegel an einem der Tische häuslich nieder gelassen und seine kleine Bücherfestung um sich herum errichtet. Er vertiefte sich gerade in ein Werk über verschiedene Pflanzen und ihre Wirkung in der Heilkunde. Es hatte ihn ehrlich erstaunt, dass dieses Werk nicht aus Elronds eigener Feder stammte; bei den meisten der Bücher über Heilkunde hier war dies der Fall. Gimli wanderte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen die Regalreihen ab und musterte die Werke. Gelegentlich zog er einen der Bände heraus und blätterte mehr oder weniger interessiert in ihm herum, stellte die meisten aber sehr bald wieder zurück. Er pfiff leise ein Lied vor sich ihm, was ihm gelegentliche böse Blicke von Erestor einbrachte, welcher hinter seinem Schreibtisch nahe dem Bibliothekseingang saß und in seinem Katalog schrieb. Dem Zwerg war offensichtlich langweilig. Ihm stach ein Band besonders ins Auge. Das Buch war in braunes Leder gebunden, goldene Buchstaben und Verzierungen waren in den Einband geprägt. „Leben und Werk des Hohen Königs Gil-galad“, las er. Er schlug das Buch auf. „Von Elrond Peredhel“, stand dort. „Sieh mal, Legolas!“, rief er seinem Freund zu und wurde von Erestor wütend angezischt. Er ignorierte ihn. Legolas wühlte sich eine Sichtscharte durch seine Papierfestung und lugte zu Gimli. „Ja?“ „Sieh mal, eine Biographie über Gil-galad, von dem hab sogar ich schon gehört“, erklärte Gimli stolz. Legolas‘ Interesse hielt sich in Grenzen. „Gibt es viele“, sagte er nur trocken und widmete sich wieder seinem Buch. „Herr Elrond hat sie geschrieben.“ Jetzt wurde Legolas doch hellhörig. Er stand auf und ging zu seinem Freund. „Zeig mal her.“ Gimli reichte ihm das Buch. „Gil-galad war verrückt, zweifelsohne“, las Legolas vor. „Natürlich ist das in einer positiven Weise zu sehen. Dieser Elb hatte nun einmal hin und wieder äußerst seltsame Ideen und Anwandlungen. Eine seiner verrücktesten Ideen war freilich, mich zu seinem Herold zu ernennen und in die offene Feldschlacht um Eregion zu schicken. Ich, der ich zu dem Zeitpunkt noch keinerlei Erfahrung im Führen von Heeren hatte! Geschweige denn im Führen von Schlachten mannigfaltigster Art. Als ich ihm genau das vorgehalten hatte, meinte er darauf nur, jeder müsse doch irgendwo einmal anfangen. Nur: Normalerweise fängt man klein an.“ Gimli sah seinen Freund an. Dieser erwiderte den Blick. Dann lachten sie beide herzhaft, was ihnen ein neuerliches Zischen von Seiten Erestors einbrachte. „Ich wusste gar nicht, dass Herr Elrond der Herold Gil-galads war“, sagte Gimli, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Und sein Berater, rechte Hand des Königs, Hofmusiker und im Allgemeinen bester Freund“, ergänzte Legolas. „Hier, sieh: Gil-galad war sehr vieles, doch das meiste davon ist der Allgemeinheit nicht bekannt und nicht bewusst. Man sieht ihn als den letzten Hohen König, als Heerführer und großartigen Strategen und Denker. Aber den Elb, der dahinter steht, kennen nur sehr wenige. Ich als sein Berater, Herold und doch vor allem bester Freund sehe mich in der Pflicht, nach seinem tragischen und bedauernswerten Tod diesen Elb der Welt näher zu bringen, auf das er niemals in Vergessenheit gerät. Dies darf nicht geschehen!“ Legolas schlug das Buch zu und wedelte damit. „Das scheint ein interessantes Werk zu sein“, sagte er und wandte sich Erestor zu. Zielstrebig ging er zu ihm und schob ihm das Buch zu. „Ich würde es mir gerne ausleihen“, verkündete er. Erestor musterte erst ihn, dann das Buch und schließlich Gimli scharf. Er seufzte theatralisch. „Wenn es sein muss…“ Schicksalsergeben trug er den Verleih ein. Strahlend, als wäre er ein kleiner Junge, der gerade sein Lieblingsspielzeug erhalten hatte, drückte Legolas seinen neuen Schatz an sich. Kapitel 8: Gesprächsrunden -------------------------- In dem Moment wurde die Tür zur Bibliothek erneut geöffnet und herein kam Aragorn, gefolgt von Arwen, die eine Hand auf ihren mittlerweile deutlich geschwollenen Bauch gelegt hatte. Fast schon intuitiv hielt Legolas nach Elrond Ausschau, konnte ihn aber beinahe schon zu seiner Verwunderung nicht ausmachen. Er kannte die Eigenheit des Hausherrn, seine Familie etwas zu sehr zu bemuttern. „Hier seid ihr“, begrüßte Aragorn sie. „Dachte ich mir ja schon fast. Hallo, Erestor.“ „Na, schickt dich wieder Elrond zum Lernen, Estel?“, erwiderte Erestor. Schweigen. Erestor hielt inne. „Oh…“, machte er, als ihm sein Fehler auffiel. „Ich vergesse immer wieder, dass du nicht mehr der kleine Junge von damals bist.“ Er lief rot an. „Wie die Zeit vergeht…“ Aragorn schmunzelte. „Das ist doch nicht schlimm.“ Er wandte sich wieder an seine Freunde. „Wenn ihr schon extra diesen Umweg gemacht habt, um uns zu besuchen, dann können wir uns ja nun auch ein wenig unterhalten, was meint ihr?“ „Gerne doch!“, stimmten Legolas und Gimli zu. Sie verließen die Bibliothek und spazierten ein wenig durch die Gänge des Hauses. Arwen hatte eine versonnene Miene, als sie so durch das Haus gingen. „Es ist schön, wieder hier zu sein“, sagte sie. „Ich habe früher auch oft die Sippe meiner Mutter in Lórien besucht, aber an diesem Ort hier hängen doch sehr viele Erinnerungen.“ Sie musste schmunzeln. „Was ich nicht alles zusammen mit meinen Brüdern angestellt habe!“ „Du scheinst sie auf so einige Ideen gebracht zu haben“, sagte Aragorn. „Und dann stifteten sie mich dazu an und schoben es mir in die Schuhe…“ „Der arme Glorfindel, musste er immer auf Elronds Kinder aufpassen!“ Arwen lachte glockenhell. „Aber wie erging es euch, meine Freunde?“, wechselte Aragorn das Thema. „Seit wir uns damals im Fangornwald trennten, hatten wir ja nur brieflich Kontakt.“ „Nun, was soll schon groß sein? Ithiliën blüht und Aglarond auf seine Weise auch“, sagte Legolas. „Faramir ist mir ein guter Nachbar, es lebt sich angenehm mit ihm zusammen. Während meiner Abwesenheit hab ich ihn gebeten, die ganzen Verwaltungsangelegenheiten meiner kleinen Siedlung zu übernehmen, ich habe da vollstes Vertrauen in ihn.“ „Und der Wein fließt, das solltest du noch erwähnen“, fügte Gimli neckisch an. Legolas sah ihn böse an. Gimli grinste zurück, wandte sich dann aber wieder an Aragorn: „Ansonsten ist bei mir wohl dasselbe zu sagen.“ „Und privat?“, wollte Aragorn wissen und fügte schmunzeln und mit einem Seitenblick auf Arwen an: „Schon die große Liebe gefunden?“ Legolas sah seine Gelegenheit zum Gegenschlag gekommen: „Das musst du nicht mich fragen sondern unseren lieben kleinen Freund hier. Er hat sich verlobt!“ Nun war Aragorn ehrlich erstaunt. Groß sah er Gimli an, der unter seinem Bart ganz rot geworden war und verlegen zu Boden sah. „Na, schau an“, sagte Aragorn. „Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Wann ist das denn geschehen?“ „Vor gut drei Monaten“, nuschelte Gimli. „Wie ist sie so?“, wollte Arwen wissen. „Sie heißt Freja“, sagte Gimli. „Und sie ist natürlich die schönste Frau auf der Welt!“, warf Legolas belustigt ein. Aragorn sah ihn mahnend an. „Du bist gemein, Legolas.“ „Das wärest du auch, hättest du das Drama miterlebt. Es war sehr unterhaltsam“, feixte der Elb. Gimli knuffte ihn in die Seite. „Lass das!“ „Aber du musst zugeben, die Blumen waren meine Idee“, erinnerte Legolas ihn. Gimli knurrte ihn verstimmt an. „Wie lange willst du mir das noch vorhalten?“ „Lange.“ Legolas mimte die Unschuld in Person. „Na schön, wenn du es so willst! Deine Idee mit den Blumen war prima, immerhin konnte ich sie damit von mir überzeugen“, brauste Gimli auf. „So, zufrieden?“ Legolas überlegte gespielt. „Ich denke, vorerst schon.“ Gimli kniff die Augen zusammen. Arwen lachte amüsiert. Um von sich abzulenken, wandte sich Gimli lieber an Aragorn. „Bei euch hat sich ja einiges getan“, sagte er und deutete auf Arwen. „Das kann man so sagen“, stimmte Aragorn zu und schenkte Arwen ein warmes Lächeln. „Wann ist es denn soweit?“, wollte der Zwerg wissen. „In gut drei Monaten.“ Mit einem zufriedenen Lächeln strich sich Arwen über den Bauch. „Vater ist schon jetzt ganz verrückt.“ „Na, das haben wir ja vorhin erleben dürfen“, warf Legolas ein. Gimli senkte verschwörerisch die Stimme. „Wenn ich mir die Frage erlauben darf, hohe Frau: Ist er immer so?“ Arwen lachte auf. „Oh ja, das ist er!“, beteuerte sie. „Er weiß auf der anderen Seite dann doch manchmal, wie er sich eigentlich verhalten sollte. Bei Familienangelegenheiten vergisst er es nur allzu schnell. Das Alter…“ Sie mussten lachen, wurden jedoch von einer Glocke unterbrochen. „Ach, ist es schon so spät?“, wunderte sich Arwen. „Es wird wohl Abendessen zusammen mit Vater geben. Kommt.“ Kapitel 9: Dunkle Zeichen ------------------------- Earenis ließ höchste Vorsicht walten. Wenn sie hier wirklich einem größeren Orklager auf die Schliche gekommen war, wie sie es vermutete, dann war hiermit nicht zu spaßen. Mistaroa bemerkte, dass seine Herrin bedeutend vorsichtiger war, und verhielt sich nun dementsprechend. Langsam schlichen sie näher. Die Fußspuren ließen darauf schließen, dass hier öfters ein- und ausgegangen wurde, ebenso, dass es sich um mehrere Personen handeln musste; die Stiefelabdrücke unterschieden sich in Größe, Form und Tiefe. Manchmal ließen sich auch kaum noch erkennbare barfüßige Abdrücke ausmachen. Der Eingang, nicht mehr als ein schmaler, natürlich entstandener Tunnel, der nur grob erweitert wurde, schien unbewacht zu sein. Ungewöhnlich. Earenis runzelte die Stirn. Der Geruch, der  ihr entgegenwehte, war charakteristisch, das stand fest. Ansonsten war es aber verräterisch ruhig. Vorsichtshalber zog sie leise ihr Schwert. Dann wagte sie sich langsam voran. Es war dunkel im Orkstollen und schon bald ließ das Licht, das vom Eingang her herein fiel, stark nach. Sie musste aufpassen, wohin sie trat, denn der Boden war uneben und wenn überhaupt, nur grob bearbeitet. Der Gang wand sich, wurde mal breiter, mal schmaler, was ihre Theorie bestätigte, dass hier ein natürlicher Raum genutzt wurde. Eine Weile war es ruhig. Aus einem ihr unerfindlichen Grund beunruhigte sie das eher, als das Gegenteil der Fall war. All ihre Sinne waren angespannt, sie blickte sich nervös um. Als sie hinter sich, aus der Richtung, aus der sie gekommen war, Lärm hörte, wusste sie, welchen Fehler sie begangen hatte: Sie war zu forsch gewesen. Nun steckte sie in der Falle. Nichts ahnend kamen die Hausherren und würden ein kleines Vögelchen finden, das ihnen ganz unverhofft ins Netz gegangen war. Hastig sah sich Earenis um, doch ein Versteck war nicht auszumachen. Zu allem Übel führten auch noch nicht einmal mehr Seitenwege vom Hauptgang ab. Ihr blieb nur die Flucht nach vorn. Sie rannte, so schnell sie es im Dunkeln wagte. Beide Arme waren zu den Seiten hin ausgestreckt, damit sie fühlte, wo entlang der Gang führte, denn mittlerweile sah nicht einmal mehr sie etwas in der Finsternis, obwohl sowohl Elben als auch besonders Orks in solch dunklen Höhlen sehr gut sehen konnten. Doch gänzlich ohne Licht würde niemand etwas sehen. Plötzlich hörten die Wände zu beiden Seiten auf und sie rannte in eine wahrscheinlich durchaus größere Höhle, wie sie am Echo ihrer Schritte und ihres Atems vermutete. Dann stolperte sie in den Rüstungshaufen. Mit einem Schrei fiel sie vornüber. Es schepperte laut und durch das Echo auch noch langanhaltend. Dann war erschreckende Ruhe. Sie dauerte nur Momente, dann vernahm sie aus dem Gang, wie die Orks ihre Schritte beschleunigten und dem Lärm nachgingen. Verschreckt übermittelte sie Mistaroa, dass er sich bereithalten sollte. Der Wolfshund schnaufte zur Bestätigung. Sie hörte ihn im Dunkeln knurren. Nur Augenblicke später tauchte Fackelschein im Gang auf und dann waren die Orks bei ihr. Für eine kurze Zeit waren beide Seiten zu verblüfft, um zu reagieren, doch die Orks hatten sich schnell wieder beisammen. Es war eine Gruppe von wohl mindestens zwanzig Orks, die sie nun umringten und mit ihren Waffen bedrängten. Earenis sprang auf und schwang ihr Schwert. Die Orks keiften und wurden nun auch ihrerseits rabiater. Mistaroa bellte wie wild geworden und sprang voran, ein grauer Wirbel aus zotteligem Fell, Fängen und Klauen. Die Orks schrien wie wild geworden, als der Rüde unter ihnen wütete und innerhalb weniger Herzschläge zwei von ihnen riss. Erst dann hatten sie sich auch auf diesen Gegner eingestellt. Es waren dennoch zu viele Orks. Earenis und Mistaroa kämpften mit all ihrem Können und Geschick, doch nichts half. Fünf oder sechs Orks konnten sie töten und weitere verwunden, doch sie waren zahlenmäßig weit unterlegen. Schließlich wurden sie überwältigt. Mistaroa wurde an eine improvisierte Leine gelegt und man band ihm das Maul zu, und auch Earenis wurde das Schwert aus den Händen gewunden und diese gefesselt. Die Orks lachten. „Eine schöne Beute haben wir da!“, kreischten sie. „Ein kleines, hübsches Vögelchen, das uns da ins Nest geflattert ist!“ Sie wussten, dass sie eine Elbin war, ging es Earenis durch den Kopf. Wenn sie nicht schnellstmöglich eine Fluchtmöglichkeit fand, könnte das noch übel für sie ausgehen. Sie wusste ja nur zu gut aus eigener Erfahrung, was Orks mit gefangenen Elbinnen anstellen konnten. „Ein komisches Vögelchen“, bemerkte nun ein Ork. „So wirklich elbisch sieht sie ja nicht aus.“ „Egal“, stellte der erste klar. „Bringen wir sie zum Boss, er wird schon sehen, was mit ihr zu machen ist.“ Sie nahmen ihre Gefangene in ihre Mitte und führten sie ab. Im Schein der Fackeln erkannte sie, dass sie sich hier nur in einer etwas größeren Vorratshöhle befand. Die Orks führten sie mit vielen Knuffen und Stößen durch ein weites Gangsystem, anscheinend der weitaus größere Teil von dem, was sie bisher gesehen hatte. Nach und nach schien es ihr, dass sie wirklich in ein Wespennest gestoßen war, denn vor sich vernahm sie immer lauter werdenden Lärm. Ihre Vermutung bestätigte sich, als sie eine weitere, weitaus größere Höhle betraten, die schier überzuquellen schien vor Orks. Als sie eintraten, zogen sie sofort einige Aufmerksamkeit auf sich und schnell sprach sich herum, dass der Spähtrupp eine Gefangene gemacht hatte. Man brachte sie vor einen besonders großen und besonders hässlichen Ork. „Chef“, sagte einer der Orks, „das Spitzohr hier lungerte vorn am Eingang herum. Dachten, sie wäre schönes Spielzeug.“ „Ein Spion!“, donnerte der Anführer. „Na so was. Für wen arbeitest du?“ Earenis schwieg und starrte den Ork nur finster an. „Wie du willst“, erwiderte er gelassen. „Du wirst schon reden. Vielleicht bist du ja auch etwas für den Meister…“ Verwundert horchte sie auf. Welcher Meister? Doch die Orks ließen ihr keine Zeit mehr für Fragen. Kapitel 10: Neuigkeiten für den Herrn ------------------------------------- Elrond hasste Schreibarbeiten, das war schon immer so gewesen. Es kam ihm immer wie eine Strafe vor. Eine gewisse Ironie lag doch darin, dass er solche Arbeiten dennoch selbst übernahm. Früher, als er noch unter Gil-galad gedient und bei ihm in Lindon gewohnt hatte, hatte der Hohe König ihn hin und wieder bei seinen Räten den Schriftführer geben lassen, was bedeutet hatte, dass er das Protokoll hatte führen müssen und nicht mitreden durfte. Gil-galad hatte gewusst, dass er solche Dinge hasste, aber mit einer durchaus nicht abstreitbaren Schadenfreude hatte er es ihm dennoch aufgetragen. Es war eben seine Art gewesen, ihn zu bestrafen, wenn er nicht gespurt hatte. Mit einem Lächeln dachte Elrond an seinen alten Freund zurück. Er vermisste ihn, ihn und seine seltsamen Scherze und Eigenheiten. Dann besann er sich jedoch wieder auf seine Arbeit. Theoretisch häatte er ja seine Schreiber, die ihm die Finanzen fertig vorgerechnet und ausgewertet vorlegen würden, praktisch fühlte er sich wohler, wenn er solche Dinge selbst in die Hand nahm, denn nur dann war er sich sicher, dass auch wirklich alles stimmte. Theoretisch zumindest. Es klopfte an der Tür und er bat denjenigen herein. Es war Ceomon, sein Kammerdiener und Freund. „Herr Elrond“, begrüßte er ihn. „Soeben traf ein Bote Gildors ein, er brachte dieses Schreiben. Außerdem ist das Abendessen fertig.“ Dankend nahm Elrond das Schreiben entgegen. „Wenn das Essen fertig ist, dann hol doch bitte Arwen und Estel, ja? Und auch Legolas und Gimli, wo wir schon dabei sind.“ Seit dem Ringkrieg musste ja auch ihnen die Ehre gegeben werden… Ceomon kam dem nach und Elrond begab sich derweil ins Speisezimmer seiner Gemächer. Man hatte bereits gedeckt und trug soeben das Essen auf. Er setzte sich an seinen Platz am Stirnende des Tisches und studierte nachdenklich die Nachricht, die Gildor ihm hatte zukommen lassen. Kurz darauf kamen auch schon seine Gäste. „Du hast uns Rufen lassen, Vater“, begrüßte Arwen ihn. „Es gibt Abendessen, Thelmae hat gekocht“, sagte er. „Setzt euch.“ Bei der Erwähnung des Kochs blitze sofort die Begeisterung in den Augen seiner Kinder auf. Gimli hatte ohnehin schon das Essen erwartungsvoll gemustert und auch Legolas schien zu wissen, dass man bei ihm immer gut aß. Sie setzten sich und Diener teilten das Essen aus. „Was ist das für ein Brief, den du da hast?“, wollte Aragorn wissen. „Er scheint dich zu beschäftigen.“ Bevor Elrond zu einer Antwort ansetzen konnte, wurde er von Arwen unterbrochen. „Vater, ist das Sonderkost, die du mir hier vorsetzt?“, rief sie aus. „Ja, natürlich“, erwiderte er gelassen. „Kind, mit so einer Schwangerschaft geht man nicht leichtfertig um.“ „Das sollte ich ja eigentlich besser wissen als du, immerhin bin ich schwanger und nicht du.“ „Aber ich habe deine Mutter durch gleich zwei Schwangerschaften begleitet!“ „Vater!“ Zumindest von Elronds Seite war dieses Gespräch beendet. Missmutig aß Arwen ihr Essen. Im Hintergrund versuchte Gimli vergebens ein Lachen zu unterdrücken, was ihm einen bösen Blick von Elronds Tochter einbrachte. Er schwieg sofort. „Gildor schrieb, dass in letzter Zeit vermehrt Orks gesichtet wurden“, ging Elrond nun auf Aragorns Frage ein. „Beunruhigend ist dies insofern, da wir eigentlich davon ausgingen, dass die Zahlen zurückgegangen seien und die Orks sich nun auch nicht mehr allzu weit aus dem Gebirge wagen.“ Nun wurde auch Legolas hellhörig. Angelegenheiten Bruchtals betreffend die Orks des Gebirges waren auch oft Angelegenheiten seines Vaters. „Gedenkst du etwas zu tun?“, wollte Aragorn wissen. „Das entscheide ich, wenn Gildor hier eingetroffen ist“, erklärte Elrond. „Er schreibt, dass dies in einigen Tagen der Fall sein wird. Bis dahin werde ich Glorfindel anhalten die Augen offen zu halten und die Grenzwachen zu verstärken.“ „Falls dies nötig werden sollte, könnte ich natürlich auch meinen Vater um Unterstützung bitten“, bot Legolas an. „Aber das ist natürlich selbstverständlich.“ Elrond lächelte höflich. „Ich werde auf das Angebot zurückkommen, sollte es tatsächlich von Nöten sein. Ich glaube es allerdings nicht. Was sollten sich Orks auch jetzt noch so weit vorwagen? Sie haben keine Führung mehr.“ Arwen nutzte die Gunst der Stunde und ging bei Aragorn Essen stibitzen. „Tochter!“ Dem scharfen Heilerauge Elronds entging eben doch nichts. „Aber, Vater! Ich bin kein kleines Kind mehr!“, protestierte Arwen. „Aber immer noch bedeutend jünger als ich. Und jetzt iss dein Essen und bediene dich nicht bei Estel!“, ermahnte Elrond sie streng. Der Trotz sprach aus Arwens Augen, aber sie fügte sich. Kapitel 11: Gildors Bericht --------------------------- Wie Elrond gesagt hatte, traf er die nötigen Vorsichtsmaßnahmen. Sicher war sicher. Er hieß Glorfindel, die Wachen im Tal und zur Wildnis hin zu verstärken und schickte einige Patrouillen auch jenseits des Tales, um die Lage auszukundschaften. Außerdem waren ihm momentan mal wieder seine Söhne abhanden gekommen, da konnte er ebenso nach ihnen Ausschau halten lassen. Diese Bengel, konnten nie auf ihren Vater hören… Einige Tage später traf Gildor mit seinem Gefolge wieder im Tal ein, ein seltener Anblick, da der Fürst des einstigen Nargothrond lieber in den Landen umherstreifte, statt ein Dach über dem Kopf zu wissen. Wie Elrond erfreut feststellte, fanden sich in seinem Gefolge auch Elladan und Elrohir. Ihm lag schon eine Schimpftirade auf der Zunge, als die Heimkommenden das Haus betraten, aber er schluckte sie herunter. Die Zwillinge konnten auf sich selbst aufpassen (auch wenn er sich dennoch immer Sorgen um sie machte). Gildor bestand darauf, dass er sogleich Bericht ablegte, also lud Elrond ihn in sein Empfangszimmer ein und ließ etwas zu Essen für Gildor bringen. „Nun?“, begann er. „Ihr schriebt etwas bezüglich Orks.“ „Dem ist so“, bestätigte Gildor. „Hat mein Bote Euch also rechtzeitig erreicht. Es sind nicht die beunruhigendsten Nachrichten, aber man sollte sie wohl dennoch beachten. Während wir durch die Lande zogen, häuften sich die Nachrichten von Orksichtungen. Die Vögel und andere Tiere verbreiteten diese Nachricht rasch. Es ist insofern recht ungewöhnlich, da anscheinend auch in einiger Entfernung zum Hochgebirge Orks gesichtet sein sollen. Sehr mutig für sie, nun, da sie ohne Führung sind.“ Elrond legte eine nachdenkliche Miene auf. „Könnt Ihr irgendeinen Grund für dieses Verhalten nennen? Hat sie eventuell irgendetwas aus dem Gebirge getrieben?“ Gildor schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht“, gestand er. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Vielleicht ist gerade das das Beunruhigende daran… Dass es so scheinbar grundlos geschieht.“ „Seit Ihr diesen Sichtungen in irgendeiner Weise nachgegangen?“, wollte Elrond weiterhin wissen. „Wir suchten durchaus im Land nach Spuren von Orks und fanden auch einige“, bestätigte Gildor. „Unter anderem bei den Trollhöhen fanden wir zwei tote Trolle. Als wir sie fanden, waren sie noch nicht lange tot. Einem wurde der Kopf beinahe abgetrennt, dem anderen die Kehle förmlich herausgerissen. Die Bisspuren sahen aus, als würde sie von einem wolfsähnlichen Tier stammen. In Anbetracht der Größe könnte es durchaus ein Warg gewesen sein. Weiterhin fanden wir in der Höhle zahlreiche von Orks getragene Waffen und Rüstungen, die Zahl war ungewöhnlich hoch. Entweder hatten diese Trolle Orks überfallen oder sie sind in den Konflikt zwischen mehreren rivalisierenden Orkstämmen geraten. So oder so ist es bedenklich, dass sich Orks wieder so weit aus dem Gebirge wagen.“ „Ihr denkt also, dass es ratsam wäre, dem nachzugehen“, schloss Elrond. Gildor nickte. „So ist es. Die Orks scheinen aus dem Norden zu kommen, dort sollte man wohl ans erstes beginnen.“ „Immer der Norden…“, murmelte Elrond. Ob es ein schlechtes Omen war? Ihm gab es durchaus zu bedenken, was er da hörte. So kurz nach Saurons Fall wieder von Orks zu hören, war keine Botschaft, auf die er gehofft hatte. Vor allem jetzt nicht, wo sein Aufbruch in den Westen bevor stand. „Was gedenkt Ihr zu tun, Herr?“, erkundigte sich Gildor. „Eine kleine Orkjagd hat noch nie jemandem geschadet“, sagte Elrond. Kapitel 12: Aufbruch in den Norden ---------------------------------- Nachdem Herr Elrond verkündet hatte, dass er ausziehen wolle, um Orks zu jagen, hatten Aragorn, Legolas und Gimli natürlich nicht nein sagen können. Arwen war zwar nicht allzu begeistert, dass sowohl ihr Gemahl, als auch ihre Brüder und ihr Vater zu dieser Jagd auszogen, aber sie versicherten ihr, dass sie nicht allzu lang fort bleiben würden. Einige Tage später war es nun so weit und alle Vorbereitungen waren getroffen. Auf Gildors Anraten hin hatte Herr Elrond gute fünfzig Soldaten aus seinem Hausvolk unter Glorfindels Führung hierfür ausgewählt. Aus Aragorns Gefolge begleiteten sie nebst seiner Königswache noch weitere zwanzig Soldaten, sodass man durchaus von einer kleinen Streitmacht sprechen konnte, die hier auszog. Aber seit jene Sache mit Celebrían geschehen war, ging Elrond lieber alle Vorsicht ein. Wie üblich saß Gimli hinter Legolas auf dem Pferd, auch wenn er schon jetzt wieder innerlich fluchte bei dem Gedanken, die Haare des Elben permanent im Gesicht zu haben. Noch warteten sie darauf, dass Arwen sich von ihrer Familie verabschiedet hatte, dann ging es los. Legolas trieb sein Pferd zu Aragorn und Herrn Elrond an die Spitze des Zuges. Dieser Tag war ausnahmsweise einmal nicht verregnet, auch wenn der Himmel dennoch trüb war. Die Luft war feucht und klamm von all dem Regen, was das Reiten nicht gerade angenehm machte. Bald schon fröstelte Gimli. Er zog sich eine Decke aus seinem Gepäck und wickelte sich in sie ein. Um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben, beobachtete er seine Mitreisenden, von denen er die meisten überwiegend nur aus Erzählungen kannte. Elronds Söhne waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten und tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Zwar kannte er sie schon ein wenig, als sie im vergangenen Jahr mit der Grauen Schar nach Süden gezogen waren, aber erst jetzt sah er die verblüffende Ähnlichkeit zu ihrem Vater. Charakterlich schienen sie sich aber deutlich von Herrn Elrond zu unterscheiden. Albernd und lachend ritten sie voran und schienen das Leben nur allzu locker zu nehmen. Gelegentlich bezogen sie auch Aragorn in ihre Späße mit ein, der anscheinend durchaus geneigt war darauf einzugehen. Herr Elrond schien wieder ganz der Fürst zu sein, als den man ihn kannte, auch wenn er recht missbilligend das Treiben seiner Söhne beobachtete. Gimli hatte es zugegebener Maßen sehr irritiert, was er am Tage seiner Ankunft in Imladris erlebt hatte. Er hatte Legolas gefragt, ob Herr Elrond immer so sei, da er wusste, dass Legolas hier schon einige Male zu Gast gewesen war. Zu seinem größten Erstaunen hatte sein Freund dies bejaht. Glorfindel, ein Elb, dem Gimli bis jetzt noch gar nicht begegnet war, saß auf seinem schneeweißen Hengst, als hätte er einen Stock verschluckt. Legolas hatte ihm gesagt, dass Glorfindel einst ein Fürst Gondolins gewesen war, Herr des Hauses der Goldenen Blume und Balrogtöter. Zugegebener Maßen: So sah er auch aus. So arrogant und hochnäsig, wie sich Gimli einen Elben üblicher Weise vorstellte. Zwar hatte er noch nicht viel mit ihm zu schaffen gehabt, aber dieses Urteil hatte sich doch recht bald bei ihm festgesetzt. Und dann gab es noch Ceomon und Rethtulu, Elronds unvermeidliche Schatten. Sie waren, wie Gimli gehört hatte, eigentlich seit vielen hundert Jahren die Kammerdiener des Herrn, aber wohl auch mehr oder weniger seine Freunde. Auch wenn Gimli nicht nachvollziehen konnte, wie irgendjemand Rethtulu etwas abgewinnen konnte. Der Elb war ihm unheimlich. Er trug ausnahmslos stets eine beeindruckende Rüstung und bewegte sich dennoch so lautlos wie ein Schatten und besaß die Fähigkeit, wie aus dem Nichts vor einem aufzutauchen. Ceomon schien da schon umgänglicher und vor allem nicht so förmlich wie Rethtulu zu sein. An diesem Abend schlugen sie ihr Lager schon früh auf. Zum einen wurde es recht schnell dunkel und zum anderen hatte niemand großartig Lust bei diesen Witterungsbedingungen zu reisen. Also waren schnell die Zelte aufgeschlagen und die Feuer angezündet. Gimli stocherte lustlos mit einem Holzscheit im Feuer herum. Legolas las angestrengt in seinem neuen Schatz, dem er Erestor hatte abluchsen können. Aragorn scherzte mit den Zwillingen. Elrond beobachtete argwöhnisch Ceomon beim Schreiben; Rethtulu war nirgends zu sehen, wahrscheinlich schnitt er irgendwo Elrond das Essen in mundgerechte Portionen. Glorfindel ging im Lager Patrouille und sorgte herrisch für Ordnung. Um sich ein wenig die Langeweile zu vertreiben, linste Gimli in Legolas‘ Buch. „Elloth war das einzige Kind dieser Verbindung und somit Erbin des Titels einer Baronin“, stand da. „Dass sie später Königinmutter werden sollte, ahnte natürlich niemand. Fingon jedenfalls stach sie in ihrem ausladenden Ballkleid sofort ins Auge. Onkel Maedhros wurde nie müde, erheitert zu erzählen, wie Fingon mitten im Gespräch mit ihm plötzlich wie gebannt jene etwas kleine aber doch auf ihre Art herausragende Elbin ins Auge fasste. Ihm soll sogar der Weinpokal aus der Hand gefallen sein…“ „Wer ist diese Elloth?“, wollte Gimli wissen. „Gil-galads Mutter“, antwortete Legolas. „Hier wird gerade beschrieben, wie Fingon sie kennen lernte, eine interessante Stelle, wie ich finde, da sie auf einiges ein völlig anderes Licht wirf. Aber hier, lies einmal weiter.“ Gimli leistete dem Folge. „Noch erheiternder war es aber für meinen Onkel, als Fingon näher zu ihm rückte und ihm zuflüsterte, ob er denn wisse, wer diese Elbin sei, die ihm demonstrativ den Rücken zudrehte. Fingon musste von Anfang an sehr angetan gewesen sein von Elloth, da er allzu offensichtlich verlegen wurde, obgleich er ja ein doch so tapferer Elb gewesen war. Maedhros, schon immer mit einem untrüglichen Instinkt für seine Mitelben gesegnet, hatte ihn daraufhin kurzerhand genommen und ihn Elloth vorgestellt. Diese hatte sich tatsächlich vorher von Fingon abgewandt, da sie sein allzu offensichtliches Starren auf ihre Weise kontern wollte, sah sich nun aber in ein Gespräch mit ihrem Herren Maedhros gezwungen, wodurch es für sie unumgänglich wurde, auch das eine oder andere Wort mit Fingon zu wechseln. So wurden sie beide einander vorgestellt.“ „Und wer ist dieser Maedhros?“, wollte Gimli nun wissen. Legolas seufzte. „Der älteste von Feanors sieben Söhnen“, erklärte er. „Von Celebrimbor hast du schon gehört – jener, der die Schrift in die Türen von Moria schrieb. Er ist der Sohn Curufins gewesen, einer der Brüder Maedhros‘. Sie sind Sippenmörder und nun alle berechtigter Weise tot, aber dennoch ist dies hier kein uninteressantes Werk, wie ich finde.“ Wie Gimli Antworten hasste, die nur noch mehr Fragen hervorriefen! Also ließ er es lieber. Er hatte ohnehin bemerkt, wie Elrond ihnen missbilligende Blicke zuwarf, auch wenn er nicht wusste, was er verbrochen haben sollte. Die Frage wurde nie beantwortet, denn in dem Moment zog etwas Anderes Elronds Aufmerksamkeit auf sich. „Ceomon, das sollst du nicht so schreiben!“, brauste er auf. „Muss es denn ständig immer wieder betont werden?!“ „Ja, natürlich“, widersprach Ceomon. „Wenn Ihr schon von Melian abstammt, dann sollte das auch erwähnt werden.“ „Es interessiert doch niemanden, ob unter meinen Vorfahren eine Maia war oder nicht“, hielt Elrond dagegen. „Lass diesen ganzen Teil mit Earendil und Elwing doch gleich aus, das ist ohnehin der uninteressanteste. Ich kann mich doch selbst nicht einmal mehr daran erinnern.“ Ceomon sah ihn tadelnd an. „Was wäre das für eine Biographie, wenn ich Eure Eltern nicht wenigstens erwähnen würde?“ „Das waren Onkel Maedhros und Onkel Maglor, das weißt du genau!“, protestierte Elrond. „Ceomon, mach doch einfach mal, was man dir sagt“, mischte sich nun Aragorn ein, musste sich aber ein Lachen verkneifen. „Das kann ich nicht, dass wisst Ihr, Estel!“, beschwerte sich Ceomon. „Wenn ich schon eine Biographie über Herrn Elrond schreibe, dann muss so etwas da auch drin erscheinen. Da war es schon ein Kompromiss, dass Herr Elrond das Manuskript noch einmal korrekturliest.“ „Das ist ja auch meine Biographie, die du da schreibst!“, erinnerte Elrond ihn. „Und ich kenne Euch quasi Euer ganzes Leben lang“, hielt Ceomon dagegen. Elrond schnaubte missbilligend und lies Ceomon gewähren. Gimli warf Legolas einen skeptischen Seitenblick zu. Dieser zuckte jedoch nur grinsend die Schultern. So war es nun einmal manchmal. Kapitel 13: Eine Überraschung kommt selten allein ------------------------------------------------- In den nächsten Tagen besserte sich das Wetter tatsächlich. Zumindest regnete es nun nicht mehr fast ununterbrochen und hin und wieder brach die Sonne durch die Wolkendecke. Es wurde zwar nicht gerade angenehm warm, doch immerhin war es auch nicht mehr so nasskalt wie in den vergangenen Tagen. Wie Gildor berichtet hatte, zogen sie nach Norden und suchten dort nach Spuren. Herr Elrond hatte Späher ausgesandt, die das Land auskundschafteten und in regelmäßigen Abständen Bericht erstatteten. Erstaunlicher Weise fanden sie recht bald Hinweise auf Orks, Geflüster und Gerüchte und tatsächlich auch so manche Spur. Allmählich begannen sie, die Lage doch als ernster einzustufen, als bisher gedacht, zumal sich niemand erklären konnte, warum auf einmal wieder Orks auftauchten. Ihr Weg führte sie in karge nördliche Regionen, in denen der Winter spürbar nahte. Das Land wirkte leer, als habe es sich schon für den kommenden Winter vorbereitet. Weit und breit war kein Leben zu sehen, obgleich Legolas dennoch behauptete, dass hier viele Tiere hausten, die Gimli einfach nur nicht ausmachte. Nach einigen Tagen Wegstrecke wurden sie fündig. Elronds Fellgebirge mit dem Namen Garahû schlug plötzlich an und stürmte los. Der Herr musste seinen Hund zurückpfeifen, da er sonst auf und davon gestürmt wäre. Unruhig kehrte Garahû um, trabte aber erneut los, als Elrond ihn hieß, ihnen zu zeigen, was er gefunden hatte. Immer wieder drehte sich der Hund um und sah, ob sie ihm noch folgten oder sich schon in Luft aufgelöst hatten. Garahû führte sie zu einer steilen und zerklüfteten Felswand. Aufgeregt am Boden schnüffelnd lief er an der immer wieder selben Stelle auf und ab und scharrte im Dreck. Kläffend lief er zu Elrond und sprang freudig um sein Pferd, um sich seine Belohnung für den Fund abzuholen. Elrond musste von seinem nervösen Pferd steigen und seinen Hund beruhigen, bevor sie fortfahren konnten. Was Garahû gefunden hatte, war eine Höhle, aus der ein nur allzu charakteristischer Geruch strömte: Orks. „Wenn ich mir die Spuren hier so ansehe, scheinen wir die Wurzel des Übels gefunden zu haben“, sagte Aragorn. „Viele der Spuren sind frisch, man scheint hier regelmäßig ein und aus zu gehen.“ „Ha!“, rief einer der Zwillinge aus. Elladan oder Elrohir? Gimli konnte sie einfach nicht unterscheiden! „Das wird ein Spaß! Mit uns haben sie mit Sicherheit nicht gerechnet!“ Gimli war es egal, ob sie erwartet wurden oder nicht. Hauptsache sie waren am Ziel und er konnte endlich vom Pferd steigen. Etwas umständlich schwang er sich vom Rücken des viel zu großen Tieres und war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Was er ebenso war, war ein Zwerg, dem die Axt in der Hand unruhig wurde und der froh war, endlich wieder Messerarbeit vor sich zu haben. Ja, das wurde mit Sicherheit ein Spaß! Vielleicht etwas gefährlicher, da sie nicht genau wussten, was sie erwartete, aber darin lag durchaus ein gewisser Reiz. Herr Elrond besah sich die Gegend, dann gab er seine Befehle. Aragorn übernahm sie stillschweigend für seine Soldaten, auch wenn sie pro forma nicht der Befehlsgewalt des Fürsten unterstanden. Jeder war in Alarmbereitschaft und stets auf Gefahren achtend betraten sie die Höhle. Dunkelheit umfing sie, doch schnell waren Fackeln entzündet. Es wurde bald ersichtlich, dass dies kein wirklich geeigneter Ort für einen Kampf war, denn der Gang war nicht allzu breit und uneben. Abzweigungen konnten sie nicht ausmachen, dafür jedoch bald Spuren von Orks. Weiter voraus hörten sie Stimmen und charakteristisches Geschrei. Elrond, sein antikes Schwert Nahtanár fest im Griff, ging mit Glorfindel, Ceomon und Rethtulu voran, gefolgt von seinen Söhnen und den drei Freunden. Bald schon sahen sie vor sich Feuerschein und eine Höhle tat sich auf. Einige Orks saßen um mehrere Feuer, doch in Anbetracht der Vorräte und Rüstteile, die an den Wänden gestapelt waren, waren dies nichts die einzigen Orks. Herr Elrond gab einen stummen Befehl, dann ging er zum Angriff über. Die Truppe folge ihm. Erschrocken sprangen die Orks auf, doch waren sie diesem unerwarteten Ansturm nicht gewachsen. Schnell waren sie erschlagen, doch blieb der Lärm des Kampfes nicht unbemerkt. Die Höhle besaß einen weiteren Ausgang, der tiefer in den Berg hinein führte. Aus diesem schienen weitere Orks zu kommen, um zu erkunden, was dieser Lärm zu bedeuten hatte. Sie formierten sich neu, um dem Angriff zu begegnen. Es war wohl ein gutes Dutzend Orks, das da herbeigeeilt kam, um sie zu begrüßen. Sie wurden von scharfen Elbenklingen und dem einen oder anderen Pfeil begrüßt. Einige von ihnen rannten wieder zurück, um Alarm zu schlagen, der Rest war schnell getötet. Dann stellten sie den Flüchtenden nach. Nach einigen Windungen des Tunnels erreichten sie eine weitere, größere Höhle. Und eine böse Überraschung. Hier waren nicht nur ein dutzend Orks, hier lauerte eine große Horde der Unholde, die ihnen zahlenmäßig durchaus ebenbürtig war. Herr Elrond zögerte keinen Moment. Schnell hatte er die Situation erfasst und seine Befehle gegeben. Gimli war zugegebener Maßen beeindruckt. Aber was hatte er anderes erwartet? Er kämpfte hier Seite an Seite mit dem Herold des Letzten Bundes. Also tat er, was er tun sollte, und schwang fleißig seine Axt. Ein hitziger Kampf entbrannte. Die Orks waren überrascht doch keineswegs wehrlos. Ihre einzige Schwäche war jedoch, dass sie sich in ungeordneten Reihen der Disziplin der Noldor stellten. Gegen die großen Breitschilde und tödlichen Schwerter der Elben kamen sie nicht an und auch Aragorns Soldaten bildeten ein allzu schwieriges Hindernis. Gimli teilte nach allen Seiten aus. Mit einem Zwerg hatten die Orks wohl nicht gerechnet, denn die wenigsten sahen auch einmal nach unten. Also stutze er sie auf seine Größe zurecht. Nur am Rande bekam er mit, wie sich ein besonders großer Ork, wohl der Anführer dieser Horde, durch die Reihen seiner Untergebenen drängte und auf Aragorn zuhielt. Da den Orks um den Zwerg herum jedoch recht bald der Mut verließ, nahm er an, dass Aragorn seinen Gegner hatte besiegen können. Bald darauf trugen sie auch den Sieg davon und die Orks waren erschlagen. Jubelrufe wurden laut und man klopfte sich lachend auf die Schultern. Sie hatten gute Arbeit hier geleistet. Gimli grinste in seinen Bart, als er Legolas auf sich zu kommen sah. „Ich hab elf“, verkündete er. „Da bist du mir wohl voraus“, gestand Legolas ein. „Gut gekämpft!“ „Canu Elerrondo!“, rief in dem Moment einer der Elben aus. „Wir haben eine Gefangene gefunden!“ Sofort eilten sie zu der Stelle, auf die der Elb deutete. Was sie vorfanden, war wohl wahrlich eine weitere Überraschung: eine dunkelhäutige Elbin, die ihnen finster entgegen sah. Kapitel 14: Unliebsame Begegnungen ---------------------------------- Earenis wollte lieber nicht auf ihr Bein sehen. Wenn sie dieses seltsam verdrehte Ding sah, schmerzte es gleich noch mehr. Verfluchte Orks! Zum Glück hatten sie sich noch nicht an ihr vergangen, die Schläge und Schnitte waren schlimm genug. Man hatte sie zusammen mit Mistaroa in einen kleinen Käfig gesperrt, aus dem man sie gelegentlich zerrte, um sich seinen Spaß mit ihr zu erlauben. Eine Fluchtmöglichkeit hatte sich bis jetzt noch nicht ergeben. Umso erstaunter war sie, als ganz unverhofft Rettung nahte. Weniger erfreulich war, wie diese Rettung aussah. Es waren Noldor, das erkannte sie gleich, und als sie das Banner sah, wusste sie auch, wer der hochgewachsene Anführer der Soldaten war: Elrond von Bruchtal. Unbeteiligt verfolgte sie den Kampf aus ihrer dunklen Ecke heraus. Auch wenn die Orks zahlreich waren, so war der Kampf doch bald entschieden. Ebenso bald hatte man sie gefunden und das Schloss des Käfigs aufgeschlossen. Finster sah die dem Fürsten entgegen, als er kam und sich ansah, was seine Männer da gefunden hatten. Er hatte ihre Mutter damals aus Bruchtal vertrieben, er war Schuld an allem! „Ceomon, Rethtulu, schnell, meine Tasche! Sie ist verletzt“, wandte er sich an zwei hochgewachsene Noldor an seiner Seite. Diese eilten sogleich los, während zwei der Menschen, die die Noldor begleitet hatten, sie vorsichtig aus dem Käfig hoben. Schon längst hatte sie König Elessar ausgemacht, immerhin besaß er eine zu markante Gestalt, um ihn nicht sofort als den König Gondors und Arnors zu erkennen. Im Moment hatte sie jedoch andere Sorgen, als sich den Kopf über den König zu zerbrechen, denn ihr Bein schmerzte wieder höllisch. Zischend sog sie die Luft zwischen den Zähnen ein. „Vorsicht!“, mahnte Elrond die Männer. Sie legten sie auf einen eilig ausgebreiteten Umhang und sogleich nahm Herr Elrond ihre Wunden genauer unter die Lupe. In dem Moment kamen auch Ceomon und Rethtulu mit der Tasche wieder, die verdächtig nach Kräutern roch. „Haltet sie fest“, befahl der Fürst ihnen nun. An Earenis gewandt fügte er an: „Dein Knie ist ausgerenkt. Bevor wir irgendetwas anderes mit dir anstellen, muss es wieder gerichtet werden. Das wird wehtun, also sei tapfer.“ Missmutig brummte sie ihre Zustimmung. Es passte ihr gar nicht, dass ausgerechnet dieser Halbelb ihr über den Weg lief. Bis jetzt hatte sie das Verborgene Tal erfolgreich meiden können. Die beiden Noldor, anscheinend Diener des Fürsten, packten sie bei den Schultern und Armen und drückten sie fest zu Boden. Elrond kniete sich neben ihre Beine und griff fest nach dem verletzten. Dann gab es einen kurzen Ruck, gefolgt von einem fürchterlichen Schmerz und Earenis schrie peinvoll auf, auch wenn sie sich vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Sie lehnte sich gegen die Hände auf, die sie fest hielten, doch schon bald war alles vorbei. Elrond holte aus seiner Tasche Verbandszeug, welches er noch vorläufig provisorisch fest um das verletzte Knie band. König Elessar hatte mittlerweile die Höhle durchsuchen lassen, doch keine weiteren Orks waren auffindbar. Sie hatten alle getötet. Da es damit hier nichts mehr zu tun gab, hieß Elrond Rethtulu sie vorsichtig nach draußen zu tragen und sie verließen diesen stinkenden Ort. Endlich wieder frische Luft atmen! Zunächst war Earenis von der Helligkeit des Tages geblendet, doch sie genoss den Wind auf ihrer Haut. Sie wusste nicht, wie lange sie gefangen gewesen war, wahrscheinlich mehrere Tage. So tat es gut, endlich wieder in Freiheit zu sein. Herr Elrond sah zusammen mit König Elessar nach den Verletzten, deren Zahl nicht allzu hoch war. Indes gab man Earenis zu essen und zu trinken. Beides schlang sie gierig hinunter. Dann kamen die beiden hohen Herrschaften wieder zu ihr, dieses Mal gefolgt von einem blonden Noldo, von dem Earenis annahm, er sei Glorfindel, und, zu ihrem Erstaunen, auch Legolas und Gimli. Nicht, dass sie die beiden jemals zuvor gesehen hatte, aber einen laegel in Begleitung eines Zwergs sah man wohl nur einmal im Leben. Herr Elrond versorgte nun auch ihre übrigen Wunden und verband ihr Bein ordentlich. Erst, als er ihr noch etwas zu essen hatte bringen lassen, erlaubte er es, ihr die obligatorischen Fragen zu stellen. „Wie ist dein Name?“, wollte König Elessar von ihr wissen. „Earenis“, antwortete sie widerstrebend. Ihr gefiel die ganze Situation nicht. „Was treibt dich in diese Gegend?“, fragte der König weiter ungeachtet des Knurrens Mistaroas, der das Unwohlsein seiner Herrin spürte und so alle warnte ihr etwas anzutun. „Dasselbe wie Euch, nehme ich an“, antwortete sie schnippisch. „Nur dass ich dummer Weise nur meinen Hund dabei habe.“ „Weißt du etwas über diese Orks?“, mischte sich nun Herr Elrond ein. „Weißt du, warum sie auf einmal wieder in so großer Zahl so weit abseits des Gebirges auftauchen?“ Sie sah ihn hasserfüllt an, doch auch wenn ihm dieser Blick freilich nicht entgangen sein konnte, zuckte er nicht mit der Wimper. „Nein, ich weiß nichts davon“, sagte sie bemüht beherrscht. Elrond sehen zu müssen, ließ alles in ihr wieder aufkochen, was sie über Jahre tief begraben geglaubt hatte. „Das heißt, vielleicht doch. Während meiner Gefangenschaft habe ich die Orks reden hören. Sie erzählten von einem neuen Herrn weiter im Norden, aber ich weiß nicht, wer das ist. Sie nannten ihn lediglich Ghâshburz.“ Kapitel 15: Nach Imladris ------------------------- Für diesen Tag schlug man das Lager in der Nähe der Höhle auf. Earenis wurde nach dieser Befragung vorläufig in Ruhe gelassen. Da Elrond durchaus mitbekommen hatte, dass sie nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen war, auch wenn er den Grund vielleicht nicht kannte, hatte sich König Elessar weiterhin um ihre Wunden gekümmert. Es war ihr unangenehm, dass sich der König höchstselbst um sie scherte, doch sie stellte schnell fest, dass man nicht umsonst sagte, die Hände eines Königs seien die Hände eines Heilers. Bald schon ließen die Schmerzen in ihrem Körper nach. Nach und nach hatte sich auch Mistaroa beruhigt, nachdem er festgestellt hatte, dass so schnell niemand seiner Herrin etwas tun konnte. Nun lag er dösend neben ihrem Lager und hielt Wache. In dem Moment kam dieser Fellberg zu ihnen, der anscheinend zu Herrn Elrond gehörte. Erst blieb er in einiger Entfernung stehen und schnupperte respektvoll. Mistaroa schlug ein Auge auf und beobachtete den fremden Hund. Langsam kam dieser näher. Er war nur neugierig, das erkannte Earenis, dennoch schien seine Anwesenheit Mistaroa nicht zu gefallen. Er hob die Lefzen und knurrte bedrohlich. Der andere Hund hielt erst kurz inne, wagte sich dann aber doch weiter vor. Das war zu viel für Mistaroa. Zähnefletschend und mit einem fürchterlichen Gebell sprang er auf und war drauf und dran, sich auf den anderen Hund zu stürzen. In dem Moment schritt Elrond ein, als er bemerkte, was sein Hund da angerichtet hatte. „Garahû!“, rief er laut durch das halbe Lager. „Hierher!“ Garahû spitze die Ohren und drehte unbeeindruckt von Mistaroas Drohgebärden ab. Nur langsam beruhigte der Wolfshund sich wieder. Earenis übermittelte ihm, dass sie sich vorläufig mit diesen Leuten würden arrangieren müssen. Mistaroa schien dies nicht sonderlich zu gefallen. Sowohl aufgrund ihrer Verletzungen als auch ihrer Nachricht, gerüchteweise hätten die Orks einen neuen Meister, hatte Elrond beschlossen, dass es wohl klüger war, sie nach Imladris zu bringen. Es sei sicherer für sie, hatte er gesagt. Sie hatte nur innerlich abfällig geschnaubt. Wenn er wüsste, wer sie war! Aber nein, sie musste sich zurückhalten. Trotz aller Abneigungen war er noch immer ein mächtiger Fürst der Elben und sie nur eine einfache Söldnerin. Nahebei hörte sie Gimli und Legolas miteinander reden. Sie glaubten wohl, sie würde sie nicht hören. „Sie ist ungewöhnlich, ist dir das auch aufgefallen?“, sagte der Elb in diesem Moment. „Vor allem ist mir aufgefallen, dass sie nicht sonderlich begeistert war, als sie uns sah“, erwiderte sein Freund. „Ja, das habe ich auch bemerkt“, stimmte Legolas dem zu. „Ich frage mich, wer sie ist. Schon ihr Name ist nicht normal. Es ist Quenya, äußerst ungewöhnlich für diese Tage.“ „Elben und ihre Sprachen…“, brummte der Zwerg. „Sprachen sind äußerst wichtig für uns!“, beteuerte Legolas. „Die ersten Elben, die am See Cuiviénen erwachten, nannten sich selbst Quendi, die, die mit Stimmen reden, denn in diesen Zeiten kannten sie keine anderen Wesen, die wie sie sprachen. So etwas ist natürlich sehr prägend.“ „Ja, ja, ist ja schon gut“, wiegelte Gimli ab. „Aber ganz ehrlich: Nicht nur ihr Name ist nicht ganz normal an ihr. Hast du schon mal jemanden mit so einer Hautfarbe gesehen?“ „Nein. Das heißt…“ Und Legolas senkte verschwörerisch die Stimme, dass Earenis ihn kaum noch verstand. „Orks haben eine ähnliche Hautfarbe.“ „Meinst du wirklich…?“ Earenis konnte das Stirnrunzeln förmlich hören. „Dass sie etwas mit den Orks zu schaffen hat?“ Stille. Dann: „Nein. Das heißt, ich bin mir nicht sicher. Sie sagt selbst, dass sie auch Orks gejagt hat. Aber dennoch ist einiges an ihr nicht ganz stimmig. Wer ist sie wirklich? Wo kommt sie her? Was führt sie in diese Gegend? Warum ist sie überhaupt allein in der Wildnis?“ „So viele Fragen und keine Antworten“, stimmte Gimli zu. „Frag sie doch einfach.“ Legolas schnaubte. „Das kann ich doch nicht, das ist doch unhöflich! Sie wird schon ihre Gründe haben so schweigsam zu sein.“ Gimli lachte leise. „Du magst sie und jetzt bist zu schüchtern, um auf sie zu zu gehen!“ „Ach sei still!“ Earenis hörte nicht weiter zu, der Rest war nur noch freundschaftliches Geplänkel. Sie mochte Legolas nicht, beschloss sie. Er war ein Reinblüter und er stellte zu viele Fragen. Das sagte ihr freilich gar nicht zu. Sie musste aufpassen, das sah sie jetzt, denn sie wollte nicht, dass man ihr Geheimnis erfuhr. In den nächsten Wochen würde sie achtsam sein müssen. Kapitel 16: Die Tochter des Orks -------------------------------- König Elessar hatte zwei Soldaten für sie abgeordnet, die sich um sie kümmern sollten. Sie hatten aus zwei starken Ästen und einem Umhang eine Trage für sie gebastelt, mit der sie sie bequem und möglichst erschütterungslos transportieren konnten, da Earenis mit ihrem verletzten Bein nicht selbst laufen konnte. Da Herr Elrond anscheinend sehr wohl bemerkt hatte, dass sie nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war, pflegte nun König Elessar ihre Wunden. Er war einst ein Waldläufer gewesen, das wusste sie, und er hatte von Herrn Elrond gelernt, und das spürte man in der Tat. Die nächsten Tage waren eintönig. Earenis konnte nichts weiter tun als auf ihrer Trage zu liegen und den Himmel anzustarren. Mistaroa hielt sich stets nahe bei ihr, auch wenn er die beiden Soldaten Gondors nervös machte. Nachdem er sie ein paar Mal angeknurrt und ihnen so vermittelt hatte, dass Earenis ihm gehörte, gab er jedoch Ruhe, da auch die Männer ihre Grenzen verstanden hatten. Sie sah es jedem hier an: Sie alle fragten sich, wer sie wirklich war, denn eine Elbin wie sie hatte wohl noch niemand gesehen. Es gab viele hier, die ihre Mutter gekannt hatten, und Earenis befürchtete, dass früher oder später jemand sie doch erkennen konnte. Sie verfluchte ihr Pech, ausgerechnet in diese Orkhöhle gestolpert zu sein. Schließlich bogen sie in ein versteckt liegendes Tal ein, und obwohl sich Earenis bis jetzt ihr ganzes Leben lang erfolgreich von hier fern gehalten hatte, wusste sie doch, dass sie Imladris erreicht hatten. Sie wünschte sich ganz weit weg. Man brachte sie sogleich in ein kleines Zimmer, mit einem Fenster zu einem kleinen Garten hinaus. Der Geruch von Kräutern lag in der Luft. Kurz darauf kam eine Elbin zu ihr, die ihr aus ihrer Rüstung half und sie bequem auf das Bett legte. Dann ließ man sie zunächst eine Weile allein mit sich und ihren Gedanken. Earenis zog die Decke bis zu den Ohren hoch und hoffte, sich unsichtbar zu machen. Alles in ihr schrie nach Flucht. Ihr Leben war davon bestimmt gewesen, vor ihrer Herkunft davonzurennen, doch hier… Sie wollte lieber gar nicht daran denken. Eine Weile später kam einer der beiden Noldor zu ihr, die sie stets bei Herrn Elrond gesehen hatte. Es war der mit der freundlicheren Miene, Ceomon, wenn sie sich recht entsann. „Der Herr schickt mich“, begrüßte er sie. „Deine Ausrüstung sieht recht mitgenommen aus und er sagt, dass es sicher in deinem Sinn wäre, das reparieren zu lassen. Daher wollte ich fragen, ob du es mir gestattest, sie zu einem Schmied zu bringen.“ Earenis nickte nur. „Wie viel wird es kosten?“, fragte sie und hoffte, dass sie es bezahlen konnte. Ceomon runzelte die Stirn. „Nichts natürlich“, beteuerte er. Das war erstaunlich. Da sie keine weiteren Widerworte sprach, nahm sich Ceomon ihrer Rüstung und ihres Schwertes an. An der Tür hielt er jedoch noch einmal inne und wandte sich ihr zu. „Schlaf noch ein bisschen“, sagte er. „Das wirst du sicher nötig haben. Heute Abend wird der Herr noch einmal zu dir kommen. Es gibt da noch einige offene Fragen.“ Dann ging er. Earenis versank noch tiefer in den Kissen. Mistaroa legte brummend seinen Kopf auf die Bettkante und steckte seine feuchte Nase in ihre Hand. Das gab ihr immerhin etwas Sicherheit. Wie Ceomon gesagt hatte, versuchte sie ein wenig Ruhe zu finden, auch wenn es lange auf sich warten ließ. Und auch dann war ihr Schlaf unruhig und wenig erholsam. Stets hatte sie im Hinterkopf, wo sie hier war, und wo sie am liebsten sein würde: ganz weit weg. Wie Ceomon angedroht hatte, kam gegen Abend der Hausherr in Begleitung König Elessars zu ihr. Sie konnte die beiden verfluchten. Reichte es nicht schon, wenn Herr Elrond mit ihr reden wollte? Mussten sie sie auch noch unbedingt mit dem König unter Druck setzen? Sie knirschte mit den Zähnen und kniff die Lippen zusammen. „Ein wenig haben wir uns bereits ja unterhalten“, begann Herr Elrond, während er sich einen Stuhl an ihr Bett zog und sich setzte. Mistaroa schnüffelte an seiner Hand und hob kurz die Lefzen, ließ ihn aber ansonsten in Ruhe. König Elessar hatte sich indes lässig an die Fensterbank gelehnt. „Ich hoffe, es ist alles zu deiner Zufriedenheit geschehen“, setzte Elrond fort. „Du kannst natürlich jederzeit sagen, wenn du etwas wünscht.“ „Hmmhmm…“ Mehr nicht. Wenn er sich von dieser kargen Antwort beleidigt fühlte, dann ließ Elrond es sich nicht anmerken. „Warum warst du hinter diesen Orks her?“, fragte er und kam nun endlich zum Kern der ganzen Angelegenheit. „Neugierde“, antwortete sie knapp. „Ein wenig ungewöhnlich ist es doch schon, findest du nicht auch?“ Er ließ einfach nicht locker! Earenis fügte sich innerlich seufzend in ihr Schicksal, denn sie erkannte, dass sie dieser Situation wohl nicht entkommen würde. „Ich hab einigen Bauern in einem Dorf nur wenige Tagesmärsche von hier entfernt geholfen. Sie hatten ein Problem mit zwei Trollen, also hab ich sie für sie erledigt. In der Höhle fand ich jedoch sehr viele Orkrüstungen und Waffen. Es erschien mir seltsam, also ging ich dem mit Mistaroa nach. Ich war nur ein wenig unvorsichtig…“ „Wie kommst du überhaupt dazu, allein durch die Wildnis zu streifen?“, mischte sich nun der König ein. „Ich kenne keine Elbin, die das tut, nicht einmal die Frauen der Dúnedain.“ „Ich bin Söldnerin, na und?“, antwortete sie patziger, als sie sollte. „Mit irgendetwas muss ich mir ja mein Essen verdienen, oder?“ Kann ja nicht jeder König sein, fügte sie in Gedanken an, aber das wagte sie dann doch nicht auszusprechen. „Und was zwingt dich zu diesem… Beruf?“, fragte Elessar weiter. „Soll das ein Verhör sein?“ Sie konnte einfach nicht mehr an sich halten. „Ja.“ Die Unverblümtheit, mit der Herr Elrond das sagte, ließ sie erstaunt aufhorchen. „In letzter Zeit gehen einige seltsame Dinge vor sich“, erklärte der Halbelb nun. „Und du scheinst irgendetwas damit zu tun zu haben. Vielleicht bist du ja auch nur zufällig in die ganze Angelegenheit hineingestolpert, aber das können wir erst wissen, wenn du unsere Fragen beantwortest, wofür wir dir sehr dankbar wären.“ Earenis merkte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Vorsichtshalber ballte sie sie zu Fäusten. Sie würde nicht lügen können, das war ihr klar, die Wahrheit konnte sie aber ebenso wenig sagen. Dummer Weise blieb ihr keine Wahl. „Meine Mutter stammt von hier“, sagte sie leise und widerstrebend. Vielleicht erinnerte sich Herr Elrond nicht mehr an sie, vielleicht, vielleicht, vielleicht… „Aber sie war hier nicht mehr willkommen, nachdem sie mich zur Welt brachte. Wir lebten in einer kleinen Hütte in den Trollhöhen, und als ich alt genug war, legte sich meine Mutter eines Tages hin und wachte nicht wieder auf. Das einzige, was ich kann, ist kämpfen, also mache ich es.“ „Oh…“ Denn natürlich erinnerte sich Elrond an diese unbequeme Wahrheit von damals. „Und dein Vater?“, wollte Elessar nichts ahnend wissen, wurde aber sogleich von Elrond unterbrochen. „Estel, komm mit“, sagte er streng. Der König schien verwundert, folgte aber dem Hausherrn aus dem Raum. Eine Weile hörte Earenis Getuschel vor der Tür, das schließlich aufhörte. Daraufhin kam Elrond wieder zu ihr, dieses Mal allerdings allein. Er wirkte betreten, so sehr es Earenis auch verwunderte. „Hör mal…“, begann er und schien nicht recht zu wissen, wo er anfangen sollte. „Das, was damals geschah… Ich wollte es verhindern, ob du es glaubst oder nicht. Ich mag zwar der Fürst dieses Tals sein, aber auch ich habe Verpflichtungen meinen Leuten gegenüber. Ich kann nicht einfach so über ihre Köpfe hinweg entscheiden, besonders dann nicht, wenn so entschieden gefordert wurde, deine Mutter wegzuschicken. Mir waren die Hände gebunden und mir blieb keine andere Wahl, als mich dem Willen meines Volkes zu beugen. Ich hoffe, du verstehst das…“ Sie schwieg, zu verblüfft, um etwas zu sagen. Die Wahrheit war, dass sie auch gar nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Hatte sich Herr Elrond bei ihr entschuldigt?! Da sie keine Anstalten machte, darauf etwas zu sagen, hielt es Elrond für besser nun zu gehen. Earenis starrte die geschlossene Tür noch lange an, nachdem er gegangen war. Kapitel 17: Die Geister, die ich rief ------------------------------------- Der Abend war mittlerweile weit voran geschritten, doch Elrond fand immer noch keine Ruhe. Er saß in seinen Gemächern mit einem Glas Wein und starrte in sein Kaminfeuer. Warme Flammen knisterten und vertrieben die Kälte des Spätherbstes. Earenis ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Natürlich hatte er von Anfang an gespürt, dass sie ihn nicht wirklich leiden konnte, aber erst jetzt kannte er den Grund dafür: Das Mädchen machte ihn für alles Üble verantwortlich, was ihm widerfahren war. Er konnte es ihr nicht verübeln. Elrond wusste nicht, ob Earenis ihm wirklich glaubte, doch er hatte jedes Wort ernst gemeint. Die unschöne Angelegenheit vor sechshundert Jahren kam wieder in ihm hoch. Er hatte für Lothwen gesprochen, er hatte nicht gewollt, dass sie fortgeschickt wurde. Sie hätte seine Hilfe benötigt. Jetzt zu hören, dass sie einsam in der Wildnis gestorben war, versetzte ihm einen Stich. Hätte man ihm gestattet, sie hier zu behalten, ohne das ganze Tal gegen sich aufzubringen, hätte sie überlebt. Vielleicht wäre sie wie seine Celebrían in den Westen gegangen, aber sie würde leben und ihre Tochter hätte kein solch schweres Schicksal zu tragen. Er merkte, dass sein Kelch schon wieder leer war und griff nach der Karaffe, die nehme ihm auf einem kleinen Beistelltisch stand. Als er nachgießen wollte, merkte, dass er schon allen Wein getrunken hatte. Oh… In dem Moment hörte er hinter sich Schritte und als er sich umwandte, sah er Ceomon und Rethtulu in der Tür stehen. „Herr, ist sie wirklich das Mädchen von Lothwen?“, fragte Rethtulu für seine Verhältnisse ungewöhnlich direkt. Tiefe Verwunderung klang in seiner Stimme mit. „Sie lebt wirklich noch?“ „Scheint so“, kommentierte Elrond und hoffte, dass man ihm nicht anhörte, dass er ein wenig zu viel Wein getrunken hatte, als gut für ihn war. Seine beiden Freunde kannten ihn dafür allerdings zu gut. Ceomon bemerkte die leere Weinkaraffe. „Ist die leer?“, fragte er. Elrond nickte nur und wurde mit einem tadelnden Blick bestraft. „Herr, Ihr wisst doch, dass Ihr nicht so viel vertragt!“, rügte Ceomon ihn. Manchmal fragte sich der Fürst, wer hier über wem stand. Verübeln konnte er es den beiden allerdings nicht, sie kannten sich immerhin tatsächlich schon fast sein gesamtes Leben. Die wenigen Jahre in Arvernien konnte man ja kaum zählen. Rethtulu rettete ihn allerdings vor einer Standpaukte. „Was wollt Ihr jetzt mit ihr machen?“, fragte er. „Sie gesund pflegen, ja, aber danach? Und bezüglich dem, was sie von den Orks berichtet hat… Dieser Name, Ghâshburz, ist mir völlig fremd.“ „Mit ergeht es da kaum anders.“ Elrond deutete auf seinen Kelch. „Das hat entgegen meiner Planung auch nicht zu einer Lösungsfindung beigetragen.“ Ironischer Weise wünschte er sich, dass er noch Vilya benutzten könnte. Aber der Ring hatte mit der Vernichtung des Einen auch all seine eigene Macht verloren. Jetzt fühlte er sich so blind und taub ohne hin. Erstaunlich, wie schnell er sich doch auch an solch ein außergewöhnliches Artefakt hatte gewöhnen können. So nun war er ganz auf sich allein gestellt. „Was ich mit Earenis mache, wenn sie wieder gesund ist, weiß ich nicht“, fuhr er fort. „Wahrscheinlich ist es das Beste, sie gehen zu lassen, wenn es ihr Wunsch ist. Aber ich weiß einfach nicht, ob und inwiefern eine Widergutmachung angebracht ist – wenn man so etwas überhaupt ausgleichen kann.“ Er seufzte. „Ich habe das Gefühl, dass das alles meine Schuld ist.“ Ceomon winkte ab. „Ach, Blödsinn!“, sagte er. „Was könnt Ihr schon dafür? Das war einfach Unglück. Auch Ihr habt Verpflichtungen Eurem Volk gegenüber, das habt Ihr dem Mädchen sicher auch gesagt.“ „Wäre Celebrían an ihrer Stelle gewesen, niemand hätte sich so etwas heraus genommen!“, begehrte er auf. Schon allein bei dem Gedanken daran wurde ihm übel. „Und wenn schon!“, fuhr Ceomon ihm über den Mund. „Was geschehen ist, ist geschehen. Ihr könnt jetzt so oder so nichts mehr daran ändern. Wenn Ihr wollt, dann richte ich dem Mädchen aus, dass Ihr Widergutmachung leisten wollt. Sie wird dann sicher schon auf Euch zukommen.“ „Wenn du meinst…“ Elrond war sich da nicht so sicher. Wieder seufzte er, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte die Beine. „Und was das angeht, was Earenis uns berichtete… Wir werden wohl abwarten müssen, wie es sich in den nächsten Wochen entwickeln wird. Glorfindel schickt bereits seine Späher aus.“ Kapitel 18: Questlog: Ein Dieb in der Nacht ------------------------------------------- In den nächsten Wochen konnte Earenis nicht viel mehr tun, als in ihrem Bett zu liegen und zur Decke zu starren. Mehrmals am Tag kam eine Elbin herein, brachte ihr Essen und erkundigte sich, ob sie etwas wünschte. Wenn es nötig war, brachte sie frische Wäsche, machte ihr Bett und lüftete das Zimmer. Herr Elrond ließ sich nur selten blicken, meist sah König Elessar nach ihr. Sie hatte vernommen, dass es Herrn Elrond anscheinend wirklich leid tat, was geschehen war, und dass er alles wieder gut machen wollte, aber so wirklich wollte sie es immer noch nicht glauben. Ihr ganzes Leben lang hatte sie diesen Ort gemieden, die Emotionen, die damit verbunden waren, ließen sich nicht so leicht wegwischen. Ebenso hatte sie natürlich vernommen, dass man mittlerweile über sie redete. Irgendwer schien mitbekommen zu haben, wer sie war, und innerhalb kürzester Zeit wusste nahezu das ganze Tal Bescheid. Auf allzu große Gegenliebe stieß sie nicht. Niemand sprach offen gegen sie, aber sie spürte, dass viele es wollten und nur das Wort ihres Fürsten sie zurückhielt. Selbst die Elbin, die sich um sie kümmerte, sah sie immer mit diesem Blick an, der Earenis gar nicht gefallen wollte. Als ihr Bein weit genug abgeheilt war, dass sie mit Hilfe wieder laufen konnte, bekam sie Krücken, so dass sie auch allein das Bett verlassen konnte. Sie war äußerst froh darüber, denn die ewige Bettlägerigkeit hatte sie innerlich unruhig werden lassen. Wie befreit drehte sie nun tagtäglich ausladende Runden durch Imladris, denn sie hatte schnell den Umgang mit ihren Krücken gelernt. Ihre Genesung ging rasch voran, wenn auch bedingt durch das orkische Erbe nicht so schnell wie bei Elben. Aber sie befand sich hier doch zugegebener Maßen in guten Händen und so konnte sie sich nicht beklagen. Nur wenige Wochen später konnte sie sogar die Krücken ablegen. Herr Elrond riet ihr dennoch, noch einige Tage hier zu bleiben, damit sie absolut sicher gehen konnten, dass alles abgeheilt war. Als sie nach einer ihrer abendlichen Runden wieder auf ihr Zimmer zurückkehrte, fand sie dort eine Überraschung vor. Das Fenster war geöffnet, die Elbin hatte bereits das Abendessen gebracht. Das, was Earenis‘ Aufmerksamkeit auf sich zog, war jedoch ein kleiner Zettel, der auf ihrem Bett lag. Verwundert hob sie ihn auf und las, was darauf stand. „Komm nach Einbruch der Nacht zur alten, gespaltenen Eiche“, stand da. Mehr nicht. Earenis sah sich um, ob sie einen Hinweis auf den Absender dieser Nachricht fand, doch dem war nicht so. Sie ließ Mistaroa daran schnüffeln, doch auch das brachte kein Ergebnis. Seltsam. „Meinst du, wir sollen da heute hingehen?“, fragte sie ihren Hund, während sie nach ihrem Essen griff. Mistaroa legte den Kopf schief und schien nur Augen und eine Nase für die Wurst zu haben, die man für ihn immer ihrem Abendessen beilegte. „Verfressener Köter“, brummte sie und gab ihrem Hund seinen Anteil. Gierig stürzte er sich darauf. Eine Antwort blieb er seiner Herrin schuldig. Earenis beschloss, dass es wohl nicht schaden konnte, dem nachzugehen. Wie es auf dem Zettel stand, wartete sie, bis es dunkel geworden war im Tal. Dann schlich sie sich aus dem Haus, immer darauf achtend, dass niemand sie beobachtete. Unbemerkt konnte sie das Haus verlassen und suchte dann nach der Eiche, die beschrieben war. Schnell wurde sie fündig, denn der Baum war selbst bei Sternenschein kaum zu übersehen. Niemand war zu sehen, dennoch beschloss Earenis, wenigstens ein wenig zu warten. Der geheimnisvolle Autor der Nachricht ließ nicht lange auf sich warten. Plötzlich und völlig unbemerkt trat eine verhüllte Gestalt aus den Schatten zu ihr. Earenis fuhr erschrocken zurück, hatte sich aber sofort wieder gefangen. Der Unbekannte trug einen weiten, dunklen Umhang, der ihn um Dunklen nahezu völlig unsichtbar machte. Eine Kapuze verhüllte sein Gesicht. „Hast du mir die Nachricht zukommen lassen?“, fragte Earenis. „Ja.“ Die Stimme klang männlich. Sie war tief und dunkel, doch selbst aus ihr konnte Earenis nicht viel über ihren Besitzer schließen. „Wer bist du und was willst du von mir?“, verlangte sie zu wissen. Besser das schnell hinter sich bringen. „Wer ich bin, tut nichts zur Sache“, erwiderte der Fremde. „Und was ich von dir verlange, ist nur eine Kleinigkeit. Du musst mir einen Ring beschaffen, der sich in Herrn Elronds Besitz befindet, mehr nicht.“ Mehr nicht?! „Das ist keine Kleinigkeit, Vilya ist einer der Drei!“, erinnerte sie den Fremden. „Nein! Nicht diesen Ring!“, beeilte sich der Fremde zu sagen. „Ich habe kein Interesse an diesem Artefakt – wenn auch durchaus einem ähnlichen. Es handelt sich um einen kleinen, goldenen Ring mit smaragdenen Einlegearbeiten. Du findest ihn in der Schatzkammer Bruchtals, Fürst Glorfindel hat den Schlüssel.“ Da er Earenis‘ Zögern spürte, griff er unter seinen Umhang und holte einen prall gefüllten Geldbeutel daraus hervor. „Du bist doch eine Söldnerin“, versuchte er es. „Eine ganz gute, wie ich hörte. Und du magst sicherlich auch Gold. Das hier wird alles dir gehören, wenn du mir bringst, was ich möchte.“ Zugegebener Maßen war dies tatsächlich verlockend. Dennoch grübelte Earenis darüber nach. Sie kannte diesen Fremden nicht und wusste nicht, was er mit diesem Diebstahl bezwecken wollte. Andererseits wusste sie solche Dinge selten; sie hinterfragte ihre Kunden nicht. Und diese Goldmenge war tatsächlich verlockend… „Na gut, ich mach’s“, stimmte sie schließlich doch zu. Für Gold tat sie immerhin fast alles. Sie hörte ein leises Lachen unter der Kapuze. „Sehr schön. Du erweist mir damit einen großen Nutzen“, sagte der Fremde. „Und jetzt geh und beeile dich. Der Winter naht.“ Kapitel 19: Der Smaragdring --------------------------- Der Winter naht… Die Worte gingen Earenis nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn sie nicht wusste, was sie bedeuten sollten. Noch eine ganze Weile, nachdem sie gegangen war, grübelte sie darüber nach, kam jedoch zu keinem Ergebnis, das mehr als nur mit der kommenden Jahreszeit zu tun hatte. Und die war wohl kaum gemeint. Mistaroa ließ sie in ihrem Zimmer, da er hier nur stören würde. Dann machte sie sich auf den Weg ihre Mission zu erfüllen. Der Fremde hatte gesagt, dass Fürst Glorfindel den Schlüssel für die Schatzkammern besaß, also würde sie wohl zuerst ihn bestehlen müssen, bevor sie sich an Herrn Elronds Besitztümern vergreifen konnte. Da sie nicht sonderlich gut darin war, Schlösser mit etwas anderen als dem Schwert aufzubrechen, würde sie wohl diesen Weg gehen müssen. Glorfindels Gemächer waren schnell gefunden und niemand schien in der Nähe zu sein. Sehr gut. Blieb nur zu hoffen, dass der Fürst schon zu Bett gegangen war. Vorsichtig prüfte sie die Tür und fand sie zu ihrem Erstaunen unverschlossen. Hier schien man einiges Vertrauen in die Mitbewohner zu hegen. Möglichst leise trat sie ein. Innen war alles still und dunkel, Glorfindel schlief wohl wirklich schon. Auf leisen Sohlen schlich sie durch die nur von Mondenlicht erhellten Räumlichkeiten, während sie überlegte, wo sie wohl fündig werden könnte. Ausgerechnet im Schlafgemach des Fürsten fand sie ihr erstes Ziel. Sie fluchte stumm und schlich besonders vorsichtig in das Zimmer, ein Auge immer auf den schlafenden Glorfindel gerichtet. An der Wand neben der Tür hing ein Schlüsselbund an einem Nagel. Darunter würde sicher der für die Schatzkammer sein, hoffte sie. Den Atem anhaltend streckte sie die Hand nach den Schlüsseln aus. Langsam, Stück für Stück… Irgendwie gelang ihr das Kunststück, die Schlüssel ohne ein Geräusch an sich zu nehmen. Glorfindel schlief immer noch in aller Seelenruhe. Sie sah zu, dass sie von hier verschwand. Ihr Herz pochte vor Aufregung wie wild. Dies war nun also geschafft, jetzt galt es die Schatzkammer zu finden, welche sie in den Kellern vermutete. Auch hier wurde sie schnell fündig, sah sich jedoch nun einem weiteren Problem gegenüber: Elronds Wachhunden, die vor einer großen Tür lagen, dem Ziel ihrer Mission. Und diese schienen im Gegensatz zu Garahû tatsächlich auf die Wache abgerichtet zu sein. Sobald sie auch nur den kleinsten Verdacht witterten, spitzten sie die Ohren. Earenis fluchte stumm. Dies würde nicht so leicht werden. Aber wer wäre sie, wenn sie sich davon aufhalten ließe? Noch besaß sie ihre ganz spezielle Fähigkeit, von der niemand etwas wusste. Zwar würde es mehr Mühen erfordern, da sie diese Tiere nicht so gut kannte wie Mistaroa und sie zudem mehrere waren, aber es sollte möglich sein. Möglichst sanft versuchte sie eine Verbindung zu den Tieren aufzubauen. Erst schienen diese das gar nicht zu mögen, doch mit einigem Fingerspitzengefühl gelang Earenis auch dies. Dann machte sie den Tieren klar, dass sie gute Absichten hatte und unterdrückte dabei jeden Gedanken an den Diebstahl. Nach einigem guten Zureden waren die Wachhunde schließlich besänftigt und ließen sie anstandslos vorbei. Zufrieden grinsend begann sie sich am Schloss zu schaffen zu machen. Es dauerte einen Moment, bis sie den richtigen Schlüssel gefunden hatte, doch schließlich hatte sie die Tür zu ihrem neuen Reichtum öffnen können. Denn wer sagte, dass sie nur den Ring stehlen würde? Wenn sie schon einmal hier war, konnte sie sich ihre Taschen ebenso noch ein wenig mehr füllen. Und das tat sie. Die Schatzkammer, ein großer Raum mit mehreren Ebenen, stand voll mit Kisten und Podesten voller wertvoller Schätze und Reichtümer. Sogar einige antike Rüstungen und Waffen fand sie hier. Wem sie wohl gehört hatten? Denn normalerweise schien Herr Elrond solche Dinge im Haus auszustellen; Earenis hatte dort schon Gil-galads Speer und Rüstung gefunden und war zugegebener Maßen sehr beeindruckt gewesen. Nun sah sie sich jedoch der Frage gegenüber, welcher der vielen Ringe, die hier auslagen, derjenige war, den sie suchte. Ein goldener Ring mit grünen Smaragdeinlagen wurde ihr gesagt. Während sie die Regale und Kisten nach diesem Ring absuchte, steckte sie das eine oder andere ein, das sie unauffällig mitgehen lassen konnte, fand jedoch erstaunlicherweise keinen Ring, auf den diese Beschreibung passen könnte. In einer dunklen Ecke schien sie jedoch ihr Ziel gefunden zu haben. Hier stand eine besonders schwere und gut gesicherte Truhe. Sie stutzte. War sich der Fremde wirklich sicher, dass er hieraus etwas haben wollte? Dann jedoch zuckte sie mit den Schultern. Das war nicht ihre Angelegenheit. Sie suchte aus Glorfindels Schlüsselbund den richtigen Schlüssel heraus und öffnete die Truhe. Sie war nicht besonders groß und ihr Inneres bestand überwiegend aus einem Samtkissen. Auf diesem lagen mehrere Ringe. Earenis spürte sofort, dass etwas an diesen Schmuckstücken besonders war, auch wenn sie nicht benennen konnte, was es war. Jeder der Ringe war ein Unikat, alle von ihnen meisterlich gearbeitet. Sie zögerte einen Moment und nahm schließlich nur den Ring, der ihr aufgetragen worden war zu stehlen. Hieran wollte sie sich nicht die Finger verbrennen. Die Tat war getan und nun hieß es, schnellstmöglich alle Spuren zu beseitigen und zu verschwinden. Rasch waren wieder alle Schlösser verschlossen und die Schlüssel an ihren ursprünglichen Platz zurückgebracht. Glorfindel weilte noch immer tief im Reich der Träume und hatte nichts mitbekommen. Earenis verschwand so schnell wie möglich und kehrte zu ihrem mysteriösen Auftraggeber zurück. Dieser wartete noch immer dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Als er sie sah, glaubte sie ein freudiges Aufblitzen unter der Kapuze zu sehen, aber vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet. „Ah, da bist du ja wieder“, begrüßte er sie. „Hattest du Erfolg.“ Als Antwort hielt sie ihm die offene Hand mit dem Ring darin hin. Er wollte schon danach greifen, doch sie zog die Hand rasch wieder weg. „Erst das Geld“, sagte sie. „Und vielleicht überlege ich es mir ja noch anders. Das Stück hier scheint sehr wertvoll zu sein.“ Unter der Kapuze war keine Regung zu erkennen. „Das wirst du nicht wollen“, sagte er ruhig. „Er ist zu heiße Ware für dich, als dass du ihn gefahrlos hier bei dir behalten könntest. Und wenn du jetzt spurlos damit verschwindest, wird Herr Elrond sofort wissen, dass du die Diebin bist. Gib ihn mir. Ich schwöre dir, das Gold ist ein angemessener Gegenwert.“ Earenis ließ es sich nicht anmerken, aber im Grunde gab sie ihm Recht. Dennoch zögerte sie nach außen hin, gab den Ring aber schließlich im Austausch mit dem Gold doch her. „Gutes Mädchen“, sagte der Fremde. „Du wirst es nicht bereuen.“ Und dann war er so spurlos verschwunden, wie er gekommen war. Nichts erinnerte mehr an ihn außer der unerwartete Reichtum in Earenis‘ Händen. Kapitel 20: Gewisse Differenzen ------------------------------- Der Diebstahl war bald in aller Munde und das Gesprächsthema Nummer eins. Herr Elrond war natürlich außer sich und wahrscheinlich durfte halb Bruchtal mit anhören, wie Fürst Glorfindel verbal zerfetzt wurde. Dann begann das große Suchen, doch keine Spur vom Täter war zu finden. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Einige Tage später nutzten Legolas und Gimli den ersten wirklich schönen Tag seit Wochen und spazierten ein wenig durch Bruchtals Gärten. Sie waren entgegen ihrer Planung länger in Imladris geblieben, denn das Wetter hatte sie gebunden, denn bei solchen Witterungsbedingungen war es kein Zuckerschlecken die Berge zu überqueren. Sie hatten bereits Kunde zu ihren Vätern geschickt, dass diese sich keine Sorgen machten, warum sich ihre Ankunft verzögerte. „Und, hast du eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?“, fragte Gimli nun. Legolas zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich es wissen?“, entgegnete er. „Ich habe in der Nacht genauso tief geschlafen wie du. Und du weißt ja, was man sich sagt: Nicht einmal Herr Elronds Wachhunde haben Alarm geschlagen.“ „Wenn ich an Garahû denke, ist das ja auch kein Wunder“, frotzelte Gimli. Der laegel knuffte ihn in die Seite. „Sei nicht so gemein“, sagte er zwinkernd. „Garahû ist das einzige Tier des Rudels, das so schlimm ist.“ „Bist du sicher, dass sich das nicht doch auf die anderen Hunde überträgt? Sind immerhin dieselbe Züchtung.“ „Gimli…“ „Ja, ja, ich hör ja schon auf.“ Nach einer Weile des Schweigens kam Gimli dennoch wieder auf sein ursprüngliches Thema zurück: „Hast du denn nicht einmal eine Vermutung, wer der Dieb gewesen sein könnte?“ „Keiner von hier, das steht wohl schon einmal fest“, meinte sein Freund. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Elb hier Herrn Elrond bestehlen würde.“ „Meinst du…“, und hier senkte der naug seine Stimme beschwörend, „meinst du, einer von Aragorns Leuten könnte es gewesen sein?!“ „Nein, auf keinen Fall!“, sagte Legolas vehement. „Das wollte ich damit nun nicht sagen! Irgendjemand komplett Außenstehendes muss es gewesen sein, jemand, der nicht hier verweilt.“ „Das macht wohl Sinn“, stimmte Gimli dem zu. „Zumal ich hörte, dass der gestohlene Ring sehr wertvoll sein soll.“ „Ja, ein Ring der Macht, ich hörte ebenso“, sagte Legolas. „Zwar keiner der großen, sondern nur einer jener Ringe, die die Mírdain von Eregion im Zweiten Zeitalter zu Übungszwecken anfertigten, aber immerhin! Mit solch einem Diebesgut in der Tasche würde es niemand wagen sich noch länger als nötig hier aufzuhalten.“ „Ein Ring der Macht?“, staunte Gimli. „Ich dächte, die gäbe es alle nicht mehr. Wie kommt dann Herr Elrond noch an so ein Artefakt? Zumal ich dachte, dass Eregion schon vor langer Zeit von Sauron zerstört wurde.“ „Es wird ihn vielleicht gelungen sein, diesen Ring noch zu retten, bevor er Eregion endgültig an Sauron verlor – er hatte zu jener Zeit in Gil-galads Namen dessen Heere in Eregion im Krieg gegen den Schwarzen Feind geführt. Oder jemand brachte sie ihm nachträglich. Celebrimbor soll sehr kreativ gewesen sein, was die Verstecke seiner Kostbarkeiten anging“, erklärte Legolas. „Viel genützt hatte es ihm ja nicht.“ Bevor Legolas aber etwas erwidern konnte, hatte Gimli schon etwas Neues ausgemacht: „Sieh mal da, da ist Earenis. Komm, lass uns zu ihr gehen!“ Sogleich verdüsterte sich Legolas‘ Mine. „Ich weiß nicht, Gimli…“, versuchte er sich herauszureden. Seit er wusste, wer ihr Vater gewesen war, konnte er einfach nicht anders als genauso negativ wie die meisten anderen hier über sie zu denken. Ja, sie konnte nichts dafür, aber dennoch fand er es abscheulich, dass sie eine halbe Ork war. Gimli schien sein Zögern nicht allzu ernst zu nehmen und hielt schon auf das Mädchen zu, das noch nichtsahnend auf einer Bank saß und die spätherbstlichen Sonnenstrahlen genoss. Seufzend folgte Legolas. Es konnte ja nur in einem Desaster enden. „Hallo!“, begrüßte Gimli Earenis enthusiastisch und ließ sich noch nicht einmal von dieser Wolfsbestie namens Mistaroa aus der Ruhe bringen, die ihn schon wieder misstrauisch beobachtete. „Hallo“, brummte Earenis wenig erfreut. Ihre Miene wurde noch verschlossener, als sie Legolas ausmachte. Die Abneigungen waren also immerhin beidseitig. „Ein schöner Tag, nicht wahr?“, plapperte Gimli munter darauf los. „Hm…“ Legolas hatte sich neben der Bank positioniert, die Arme vor der Brust verschränkt und sah auf den Bastard hinab. Earenis erwiderte den Blick ebenso feindselig. Erst jetzt schien Gimli die eisige Stimmung zwischen den beiden zu bemerken. „Du hättest ruhig auch guten Tag sagen können“, sagte er zu seinem Freund. „Nein“, kam es sofort und bestimmt von diesem. Earenis funkelte ihn noch finsterer an und nun knurrte auch Mistaroa. Dieses Vieh schien selbst für einen Hund viel zu gut auf seine Herrin zu hören, es war Legolas unheimlich. „Du bist doch sonst nicht so unfreundlich, sie hat dir doch nie etwas getan“, nahm Gimli das Weibsbild in Schutz. „Aber sie könnte“, konterte Legolas bestimmt. „Rassist!“, zischte Earenis nun wütend. „Als könnte ich etwas für meine Eltern!“ „Das nicht, aber du  lebst, das reicht“, knurrte Legolas. „Legolas!“, fuhr Gimli ihn an. „Halt dich da heraus!“, hielt der laegel dagegen. „Das edle Prinzchen ist sich also zu fein, um sich mit Abschaum wie mir zu umgeben oder was? Hättest mich ja auch in der Höhle verrecken lassen können!“, keifte Earenis. Legolas war drauf und dran, ihr an die Gurgel zu gehen. „Wage es ja nicht, so mit mir zu reden!“ „Hört auf, beide! Das ist ja schlimmer als mit zwei Kleinkindern!“, versuchte Gimli zu retten, was zu retten war, wurde allerdings gänzlich ignoriert. „Wie schade, das Papa so weit weg ist!“, konterte Earenis bissig. „Kannst du dich gar nicht bei ihm ausweinen, kleiner Junge!“ „Das wird ein Nachspiel haben, du Bastard!“ Nicht mehr viel und er vergaß sich… „Ha!“, machte sie arrogant. „Versuch’s doch.“ Und mit diesen Worten stiefelte sie davon. „Mistaroa, komm!“ Der Hund sprang auf und eilte ihr nach. Legolas starrte beiden wütend nach und wünschte sich seinen Bogen herbei. Orks sollten getötet und nicht von Herrn Elrond gesund gepflegt werden! Gimli sah ihn entgeistert an und schien zu überlegen, ob er Earenis nacheilen sollte, entschied sich dann aber dagegen. „Was sollte das denn soeben?!“, fuhr er seinen Freund an. Legolas hingegen ging nicht darauf ein und stapfte in der entgegengesetzten Richtung davon. Kapitel 21: Ernste Neuigkeiten ------------------------------ Die Stimmung zwischen den beiden Freunden war in den nächsten Tagen merklich abgekühlt. Gimli nahm es Legolas immer noch übel, dass er so gemein zu Earenis war, auch wenn er den Grund dafür nicht wirklich verstehen konnte. Er selbst hatte nichts gegen das Mädchen. Sie schien etwas bärbeißig und verschlossen, aber im Grunde schien sie ganz in Ordnung zu sein. Und für das, was ihrer Mutter passiert war, konnte sie ja nun wirklich nichts! Legolas konnte sie kaum dafür verantwortlich machen. Da auch Aragorn bemerkt hatte, dass die Stimmung zwischen seinen Freunden nicht die beste war, hatte er einige Tage später Gimli abgepasst. Nun saßen sie Pfeife rauchend (von Bilbo hatten sie Langgrundblatt bekommen) in einer ruhigen Ecke Bruchtals und genossen die schlichte Existenz. Man musste ja nicht ständig König Elessar sein, vor allem hier in der Heimat nicht. „So, du hattest also eine Meinungsverschiedenheit mit Legolas?“, wollte Aragorn irgendwann in die Stille hinein wissen. „Kann man so sagen“, stimmte Gimli dem zu und paffte einen Rauchring in die Luft. „Er hat sich Earenis gegenüber nicht gerade nett verhalten.“ Aragorn hob fragend eine Augenbraue. „Was ist denn passiert?“ „Zugegebener Maßen war sie auch nicht allzu liebreizend“, gab der Zwerg zu. „Sie haben sich recht böse in die Haare bekommen, wahrscheinlich wegen dieser Sache, die ihrer Mutter passiert ist. Wobei ich das einfach nicht verstehen kann! Sie trifft diesbezüglich ja keine Schuld.“ Aragorn seufzte. „Natürlich hast du Recht. Aber du kannst es Legolas ja auch nicht verübeln – nicht wirklich jedenfalls. Er ist eben ein Waldelb, und du weißt ja, wie dieses Volk ist. Da ist Legolas schon in gewisser Maßen eine Ausnahme.“ „Nett ist es dennoch nicht, was er gemacht hat“, hielt Gimli dagegen. „Nein, auf keinen Fall“, stimmte der König zu. „Aber trag es ihm vielleicht nur nicht zu lange nach.“ Der Zwerg schwieg eine Weile und paffte überlegend an seiner Pfeife. Schließlich nickte er. „Wirst schon Recht haben“, brummte er in seinen Bart. Aragorn legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass ihm nur ein bisschen Zeit, ihr seid ja schließlich auch Freunde geworden.“ Gimli musste grinsen, als er an die Anfangszeit dachte. „Ich glaube, er hatte schon rein aus Prinzip, weil ich für den Weg durch Moria war, dagegen gesprochen!“ Der König lachte. „Siehst du! Gib Legolas nur ein wenig Zeit, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, dann wird das schon. Immerhin finde selbst ich es ein wenig befremdlich – zumal, wenn ich bedenke, wie ad… ich meine, Herr Elrond darin involviert war.“ Er lehnte sich zurück. „Nun ja. Aber wahrscheinlich ist das wohl momentan wohl unsere geringste Sorge.“ „Du meinst wegen des Diebstahles?“, fragte Gimli. „Auch“, stimmte Aragorn zu. „Viel mehr jedoch erhielt ich heute die Nachricht, dass ein großer Orkverband im nördlichen Königreich gesichtet wurde. Offensichtlich hält er auf Fornost zu.“ „Oh…“, machte Gimli. „Was gedenkst du zu tun?“ „Ich werde weiterziehen nach Fornost, auch wenn das ursprünglich nicht geplant war“, sagte Aragorn. „Arwen wird hier bleiben, dafür hat Herr Elrond seine Hilfe angeboten und wird mich mit seinen Soldaten unterstützen. Und vielleicht wollen du und Legolas ja auch mitkommen.“ „Ich hätte gewiss nichts dagegen, Legolas wohl auch nicht“, war sich der Zwerg sicher. „Aber meinst du, dass das etwas mit diesem neuen Herrn der Orks zu tun? Wie nannte Earenis ihn?“ „Ghâshburz“, erwiderte Aragorn. „Es ist die Schwarze Sprache und bedeutet Dunkles Feuer. Und nein, ich weiß nicht, ob es da einen Zusammenhang gibt, hoffe es aber nicht. Wenn doch, wären es wahrlich böse Neuigkeiten.“ „Hast du schon einmal vorher diesen Namen gehört?“, wollte Gimli wissen. „Immerhin bist du recht weit herum gekommen.“ Auch das musste Aragorn verneinen. „Das einzige, was wir wissen, ist das, was Earenis uns sagen konnte. Und das ist quasi nichts. Die Orks haben einen neuen Herren, ja, aber welche Ausmaße nimmt das an? Sind es nur einzelne Stämme oder… mehr?“ An letzteres wollten sie lieber gar nicht erst denken. „Wann willst du denn aufbrechen?“, fragte Gimli weiter. „So schnell wie möglich, sobald alles vorbereitet ist.“ Kapitel 22: Der Gasthof ----------------------- So kam es auch. Als Earenis erfahren hatte, wohin König Elessar aufbrechen wollte und warum, hatte sie darum gebeten, ihn begleiten zu dürfen. Sie hatte ohnehin etwas bei Herrn Elrond gut, also hatte sie den Gefallen auf diese Weise eingelöst. Sie wusste nicht genau, weshalb sie unbedingt mit nach Fornost gehen wollte, aber sie hatte das Gefühl, dass sie all das hier losgetreten und vielleicht auch irgendetwas damit persönlich zu schaffen hatte. Außerdem brannte sie darauf, all den offenen Fragen nachzugehen. Sie hatte immerhin schon vorsichtig nachgefragt, aber niemand schien jemals zuvor diesen Namen gehört zu haben. Ghâshburz … Ein Mysterium, denn sie besaßen kaum mehr als diesen Namen. Das Einzige, das Earenis nicht sonderlich schmeckte, war, dass sowohl Herr Elrond selbst als auch vor allem Legolas König Elessar begleiteten. Gegen Gimli hatte sie insgeheim nichts einzuwenden, der Zwerg schien ihr recht freundlich zu begegnen, eine angenehme Abwechslung. Aber Legolas hatte sie schon einige Male dabei erwischt, wie er ihr bitterböse Blicke zuwarf. Sie hatte ja auch nichts Anderes von einem Elb wie ihm erwartet. Natürlich nahm man es nicht gut auf, was sie war. So war es schon immer gewesen. Sie mied ihn, so gut es ging, und gesellte sich lieber zu König Elessars Männern, sobald sie die Gesellschaft der anderen, die in diesem kleinen Heer marschierten, nicht mehr gänzlich meiden konnte. Doch größtenteils stapfte sie schweigend daher und beachtete die Menschen und Elben um sie herum kaum. Mittlerweile hatte das kleine Heer von gut zweihundert Mann, Elben wie Menschen, unter der Führung Herrn Elronds und König Elessars einen Großteil der Strecke nach Fornost zurückgelegt. Der Winter rückte immer näher und die Temperaturen waren empfindlich gesunken. In den Nächten gab es nun immer häufiger Frost. So waren wohl alle froh, als sie nach mehr als zwei Wochen Fußmarsch ein größeres Dorf erreichten. Es besaß einen Gasthof, welcher, sobald die Bewohner erfahren hatten, wer hier anreiste, für die Heerführer hergerichtet worden war. Earenis hatte sich von ihrem eigenen Geld, welches sie für die zwei toten Trolle erhalten hatte, ebenfalls ein kleines Zimmerchen gemietet. Der Abend war hereingebrochen und so manch einer der Soldaten gönnte sich im Gasthaus einen Humpen Bier. Earenis hatte sich in eine dunkle Ecke des Schankraumes zurückgezogen und gönnte sich das süffige Bier des Wirtes sowie etwas Brot, Wurst und Käse. Während sie schweigend aß und Mistaroa hin und wieder kleine Leckerbissen zusteckte, beobachtete sie die anderen Leute. König Elessar und Herr Elrond waren nirgends zu sehen, wahrscheinlich war ihnen das Treiben hier unten zu turbulent. Dafür sah sie Legolas und Gimli an der Theke stehen. Anscheinend versuchte der Zwerg seinen Freund zu einem Schluck Bier zu überreden, der ganz offensichtlich nicht allzu viel vom Gerstenbräu hielt. Richtig, die königliche Familie des Eryn Lasgalen waren ja Weinliebhaber, ganz feine Leute … Sie schnaubte. Eitler Gockel. Unter dem Tisch brummte Mistaroa und stieß mit seiner feuchten Nase gegen ihr Bein, um noch einen Bissen zu erbetteln. Seufzend gab sie ihm auch den Rest der Wurst. Vielleicht hätte sie ihre Rüstung doch anbehalten sollen, überlegte sie. Wie es Ceomon gesagt hatte, war sie repariert worden, ebenso ihr Schwert, und sie hatte nichts dafür zahlen müssen. Nun hatte sie ihre Ausrüstung in der kleinen Dachkammer gelassen, die sie sich für die Dauer ihres Aufenthaltes hier gemietet hatte. Immerhin würde sie hier weder Rüstung noch Waffen benötigen. Aber mit so vielen Leuten um sie herum fühlte sie sich ohne ihre Ausrüstung schutzlos. Sie beschloss ihr Essen schnell zu verzehren, und kehrte rasch zurück auf ihre kleine Kammer. Es war nicht die beste Unterbringung (die hatten freilich Herr Elrond und König Elessar bekommen), aber zum Schlafen reichte es. Die Matratze war mit Stroh gefüllt und sogar eine eigene Decke und ein Kissen hatte sie, auch wenn beides etwas dünn war. Aber sie wollte sich nicht beschweren, sie hatte schon schlimmeres erlebt. Das Einzige, was sie störte, war der pfeifende kalte Wind. Das Dach war nicht an allen Stellen absolut dicht gedeckt und an manchen Stellen zog die kalte Winterluft herein. Es könnte eine frische Nacht werden. Earenis bemerkte, wie Mistaroa plötzlich unruhig wurde. Leise winselnd lief er in dem kleinen Zimmer auf und ab, legte sich immer wieder hin, fand aber keine Ruhe. Sie runzelte die Stirn. „Na, da ist doch nichts“, redete sie auf ihn ein. „Leg dich hin und schlaf. Oder ist es dir zu kalt?“ Mistaroa stellte die Ohren auf und sah sie fast schon entrüstet an. Als wolle er sagen, was seine Herrin nur wieder von ihm denke. Sie grinste schief, kraulte ihn kurz zwischen den Ohren und begab sich dann selbst in ihr Bett. Kapitel 23: Nächtliche Übergriffe --------------------------------- Earenis fand lange keinen Schlaf. Zum Einen zogen immer wieder kalte Schauer von draußen unter ihre Decke, doch das war nicht das Hauptproblem. Mistaroas Unruhe hatte sie angesteckt und nun wälzte sie sich ebenfalls hin und her. Ihr Wolfshund schien mittlerweile Schlaf gefunden zu haben, doch er war anscheinend nicht allzu tief. Ein unbestimmt ungutes Gefühl hatte von Earenis Besitz ergriffen. Sie konnte es nicht genau bestimmen, aber insgeheim fühlte sie, dass etwas nicht ganz stimmte. Ihre Instinkte trügten sie normalerweise nie, doch dieses Mal konnte sie sich einfach nicht erklären, warum sie so alarmiert war. Nach einigen Stunden des unruhigen Liegens beschloss sie, dass es wohl so schnell keinen Sinn machte Schlaf zu suchen. Sie setzte sich an den Bettrand und fuhr sich seufzend über das Gesicht. Vielleicht sollte sie ein paar Dehnübungen machen, um auf andere Gedanken zu kommen. Mistaroa war von ihrer Bewegung munter geworden, doch das war nicht der Grund, warum er plötzlich tief in der Kehle zu knurren anfing. Earenis hielt inne. Und dann hörte sie das Knarren. Es war leise und kam definitiv vom Dach. Da sie direkt unter dem Dachstuhl schlief, konnte sie nicht davon ausgehen, dass sich hier ein Tier herumtrieb. Jemand lief auf dem Dach und schien bedacht zu sein kein Geräusch zu machen. Sie bedeutete Mistaroa leise zu sein und griff nach ihrem Schwert und der gefütterten Unterkleidung, die sie normalerweise unter der Rüstung trug. Sie würde ihr wenigstens etwas Schutz bieten. Dann schlich sie mit gezückter Klinge aus ihrem kleinen Zimmer, um im Gasthaus nach dem Störenfried zu suchen. Etwas ging hier eindeutig nicht mit rechten Dingen zu. Sie kam gerade an der Tür zu den Räumlichkeiten des Königs vorbei, als sie spürte, wie jemand sie fest an der Schulter packte und herumwirbelte. Sie wollte schon mit dem Schwert ausholen, als sie gerade noch rechtzeitig Legolas erkannte und inne hielt. „So ist das also“, zischte der Elb erbost. „Du bist eben doch ein Ork. Was hast du hier zu schaffen?!“ Sie schnaubte und machte sich mit einem Ruck los. „Nachsehen, was diese Geräusche verursacht.“ „Und dafür brauchst du ein Schwert?“ Sie würde ihn am liebsten für seine Arroganz schlagen, doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Laut kläffend sprang Mistaroa an ihnen vorbei und kratzte an der Tür zu König Elessars Räumen. Nur Momente später hörten sie aus diesen ein lautes Rumpeln, gefolgt von Kampfgeräuschen. Earenis schien für den Moment vergessen. Legolas stürmte an ihr vorbei, riss die Tür auf und stürmte in den Raum. Earenis konnte auf die Schnelle nicht viel erkennen, was dort vor sich ging, doch eine gebückte, dunkelhäutige Gestalt zu sehen, reichte ihr vollkommen. Das Schwert erhoben stürmte sie mit einem Kampfschrei dem laegel hinterher. Sie sah sich einen fürchterlichen Durcheinander gegenüber, das eine Handvoll Orks angerichtet hatte. In der kurzen Zeit war es dem König nicht gelungen an sein Schwert Andúril zu gelangen und half sich so lange mit den Trümmerteilen eines Stuhles aus. Auch Legolas hatte vorerst keine andere Waffe finden können als einen noch schwelenden Holzscheit aus dem Kamin. Mit einem furchterregenden Gebell stürzte sich Mistaroa auf die Orks und Earenis tat es ihm nach. Immerhin war sie offensichtlich die einzige, die im Moment eine brauchbare Waffe führte. Einer der Orks, die König Elessar bedrängten, war innerhalb eines Herzschlages tot, die anderen wandten sich überrascht dem neuen und weitaus bedrohlicheren Feind zu. Dies gab dem Menschen die Gelegenheit nach seinem legendären Schwert zu greifen und nun auch ernsthaft anzugreifen. Mittlerweile war der Tumult natürlich auch von anderen bemerkt worden. Gerade als Earenis dem letzten der Orks ihr Schwert in den Schädel rammte, kamen nun auch Elrond und seine Söhne sowie Gimli dazu. Rasch erfassten sie die Situation, doch sie kamen nicht dazu etwas zu sagen, denn schon vernahmen sie, wie sich womöglich weitere Orks am Haupteingang des Gasthauses zu schaffen machten. „Schnell, wir müssen Alarm schlagen!“, rief Herr Elrond aus und stürmte voran. Die anderen folgten. Kaum hatten sie die Treppe erreicht, die zum Schankraum hinabführte, wurde die Tür auch schon aufgebrochen und weitere Orks strömten in das Gebäude. Ein Tumult brach im ganzen Wirtshaus aus. Von all dem Lärm waren mittlerweile auch die anderen Soldaten Elronds und Elessars geweckt worden, die hier untergebracht worden waren. Auf die Befehle des Königs hin bewaffneten sie sich und schlossen sich der Verteidigung an. Es waren weitere zwanzig Orks, die das Gasthaus stürmen wollten. Ein wildes Handgemenge entbrannte, alle schrien sie wild durcheinander. In all dem Chaos gelang es erst nach einer Weile, die Orks zurückzudrängen, so dass sie den Gasthof verlassen konnten. Anscheinend hatte sich eine größere Orkhorde in das Dorf geschlichen, um das Gasthaus zu belagern. Die Feinde waren jedoch mittlerweile auch von den außerhalb lagernden Soldaten bemerkt worden, die bereits unter den Befehlen der Lagerkommandanten Jagd auf die Eindringlinge machten. Anscheinend war die Gefahr so schnell gebannt, wie sie gekommen war. Earenis spürte, wie ihr anerkennend eine Hand auf die Schulter gelegt wurde. Als sie sich nach demjenigen umsah, sah sie König Elessar neben sich stehen. „Du hast mir das Leben gerettet und Schlimmes verhindert“, sagte er. „Du beweist wirklich deinen Wert.“ Kapitel 24: Questlog: Der Störenfried ------------------------------------- Anscheinend hatten sie es hier mit einem Stoßtrupp von gut dreißig Orks zu tun bekommen. Vielleicht hatten sie spähen sollen, vielleicht waren sie gezielt zu diesem Gasthof geschickt worden. Letzteres wäre allerdings ein durchaus beunruhigender Gedanke für alle Beteiligten. Dennoch war es noch einmal glimpflich ausgegangen. Keiner der Soldaten war gefallen, es gab nur einige Verletzte, die allerdings schnell versorgt waren. Auch von den hier ansässigen Zivilisten war niemand zu Schaden gekommen. Lediglich der Wirt hatte einiges an Inventar einbüßen müssen, wurde dafür aber von König Elessar entschädigt. Auch Earenis versprach er eine Belohnung, ein neues Schwert, sobald sie in Fornost seien, auch wenn sie diese auszuschlagen versuchte. Es war ihr unangenehm, dass nun alle von ihr sprachen, wie sie gerade im rechen Moment auf ihre Instinkte vertraut und den König gerettet hatte. Nun, am nächsten Morgen, ging sie gemütlich mit Mistaroa an ihrer Seite durch die Siedlung. Überall waren die Soldaten des Königs und Meister Elronds zu sehen, wie sie durch die Straßen gingen und die Leichen der Orks wegschafften. Die meisten von ihnen lagen um das Gasthaus herum, dort, wo ihr Ziel gewesen war. Earenis dachte darüber nach, was all das zu bedeuten hatte und ob und wenn ja wie sie in die ganze Sache verstrickt war. Sie hatte nur dieses Gefühl, nichts Bestimmtest aber. Seltsame Dinge waren hier am Werk und sie alle tappten im Dunkeln, selbst die hohen Herren, die sich momentan zur Beratung in das Feldlager außerhalb der Siedlung zurückgezogen hatten. Was ging hier vor sich? Diese Frage stellte sich wohl jeder und keiner konnte diese Frage zu diesem Zeitpunkt beantworten. Blieb die Frage, ob es vielleicht zu spät war, wenn sie es konnten. König Elessar jedenfalls hatte nun auch seinerseits Späher in das Umland geschickt, um die Lage auszukundschaften, denn er war sich sicher, dass dies nicht alle Orks gewesen waren, die zurzeit Fornost bedrohten. Ganz in diese Gedanken versunken, hatte Earenis nicht bemerkt, wie eine Frau aus der Siedlung an sie herangetreten war. Sie räusperte sich verlegen und sah schüchtern zu ihr auf. „Darf ich… darf ich Euch um einen Gefallen bitten?“, fragte die Frau leise. Mistaroa legte die Ohren an, Earenis bedeutete ihm jedoch, dass alles in Ordnung war. „Nur zu“, munterte sie die Frau zum Sprechen auf. „Worum geht es denn?“ „Ich lebe mit meiner Familie in dem Haus dort drüben.“ Die kräftig gebaute Frau deutete auf besagtes Haus. „Seit einiger Zeit werden wir des Nachts von unheimlichen Geräuschen wachgehalten, die direkt aus dem Boden zu kommen scheinen. Außerdem verschwindet, seit diese Geräusche auftreten, immer mehr von meinem Schmuck. Könntet Ihr der Sache auf den Grund gehen? Ich würde Euch auch entlohnen, wenn das der Weg ist, wie Ihr solche Sachen handhabt; hab ja gehört, dass Ihr Söldnerin seid.“ Earenis zuckte mit den Schultern. „Wenn es weiter nichts ist.“ Die Frau lächelte dankbar. „Das ist zu freundlich! Kommt mit, dann zeige ich Euch, von wo die Geräusche kommen.“ Sie folgte der Frau zu dem Haus aus Holz und Lehm. Ein kleiner umzäunter Kräutergarten schloss sich dem Haus an, den sie nun betraten. Die Frau trat an die Außenwand unter ein gardinenverhangenes Fenster. Ein Busch wuchs hier, den sie ein wenig zur Seite schob und dann gegen die Wand klopfte. „Dahinter ist unser Schlafzimmer und ungefähr auf dieser Höhe sind auch stets die Geräusche“, sagte sie. „Vielleicht findet Ihr ja etwas.“ Mistaroa schnüffelte bereits im Garten herum, offenbar ganz begeistert vom intensiven Geruch der hier angebauten Kräuter. Auch Earenis blickte sich um und suchte am Boden nach Hinweisen auf den Störenfried. Lange musste sie nicht suchen. „Ha!“, rief sie aus. „Mistaroa, bei Fuß!“ Sofort schoss der große Wolfshund zu ihr. Earenis deutete auf Spuren am Boden und lies ihren Hund daran schnüffeln. „Such!“, befahl sie. Begeistert drückte Mistaroa seine feuchte Nase an den Boden, lief um den Busch herum und kroch schließlich in das Gehölz. „Das sind Dachsspuren“, erklärte Earenis. Wie auf Kommando begann Mistaroa infernalisch zu bellen und scharrte wie wild am Boden, dass die Erdklumpen hinter ihm hoch in die Luft flogen. Die beiden Frauen mussten Abstand nehmen, um nicht beschmutzt zu werden. Ganz offensichtlich hatte Mistaroa den hinter dem Busch verborgenen Dachsbau gefunden und grub ihn nun aus. Nur kurze Zeit später begann ein fürchterliches Geschrei und Keifen. Mistaroa knurrte und bellte und brachte mit seinem Toben den ganzen Busch zum Erbeben. Der Dachs schien gefunden zu sein und kämpfte nun um sein Leben. Die schaurigen Geräusche dauerten nur Momente an, dann war Ruhe. Mistaroa schnaubte und kam kurz darauf mit blutigem Maul und dem toten Dachs im Schlepptau wieder hervor. Er trabte zu Earenis, präsentierte ihr seine Beute und sah sie mit bettelndem Blick an. Lobend tätschelte sie ihm den Kopf. „Damit dürfte wohl das geklärt sein“, sagte sie. Dennoch kroch sie nun selbst in den Busch und spähte in den Bau, den ihr Hund ausgegraben hatte. Er war nicht allzu tief und dank Mistaroas Erweiterung des Baues konnte sie ebenso mit einiger Mühe in ihn hinein kriechen, auch wenn sie kaum noch etwas sah. Nahezu blind und nur tastend erkundete sie den Bau und stieß dabei auf mehrere metallene Gegenstände. Die nahm sie an sich und kroch wieder aus dem Bau hervor. Das Tageslicht enthüllte mehrere Gabeln und einige Ringe. Das Leuchten in den Augen der Frau verriet ihr, dass sie das Richtige gefunden hatte. „Das ist mein Schmuck!“, rief die Frau aus. „Und das Besteckt, das ich verlegt glaubte. Ich danke Euch vielmals.“ Diesen Tag konnte Earenis mit einem zufriedenen Lächeln und einem volleren Geldbeutel beschließen. Kapitel 25: Fornost ------------------- Nachdem alle Angelegenheiten in diesem Dorf geklärt waren, ließen König Elessar und Herr Elrond am nächsten Morgen aufbrechen. Noch immer waren die Kundschafter unterwegs, wurden aber für diesen Tag zurück erwartet. Diese Zeit wollte der König nutzen und bereits ein weiteres Stück des Weges nach Fornost zurückzulegen. Es wurde erwartet, dass sie, sollten keine weiteren Zwischenfälle dazu kommen, ihr Ziel in wenigen Tagesmärschen erreichen würden. Auch nach Fornost hatte König Elessar einen Boten entsandt, um den Bürgermeister von seiner baldigen Ankunft in Kenntnis zu setzen, so dass er die nötigen Vorbereitungen treffen konnte. Earenis hielt sich nun nicht mehr stets in der Nähe des Heeres auf, sondern erkundete nun immer öfters die nähere Umgebung auf eigene Faust aus. Die Vorfälle im Gasthaus hatten sie misstrauisch werden lassen und sie vertraute nicht mehr nur den Soldaten des Königs und Herrn Elronds. Selbst wenn sie auf die Natur um sich herum lauschte, konnte sie vernehmen, dass etwas im Wind lag, das keine gute Kunde mit sich brachte. Gegen Abend, als das Lager aufgeschlagen wurde, kehrten die Kundschafter wieder, die der König einen Tag zuvor entsandt hatte. Auch wenn sie zu den Heerführern sprachen, wusste dennoch nur wenige Zeit später das gesamte Lager von der Kunde. König Elessar hatte von einem größeren Orkverband gesprochen, der auf Fornost zuhielt. In Wahrheit war es ein Heer von mehreren hundert durchaus gut gerüsteten Orks, das eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Stadt darstellte. Unruhe kam im Lager auf und auch Earenis fühlte Besorgnis in sich aufsteigen. Als Söldnerin hatte sie sich schon öfters umherziehenden Soldatentrupps angeschlossen, meist hatten sie jedoch versprengte Orkgruppen oder Banditen gejagt. Schlachten konnte man das nicht nennen, was sie da ausgetragen hatte. Es war zwar schnell durchgesickert, dass sie Fornost vor ihrem Feind erreichen würden, da dieser damit beschäftigt war das Land zu brandschatzen, aber damit wurde ebenso deutlich, dass sie an einer Belagerung teil nehmen würde. Allerdings stellte sich Earenis die Frage, warum dann noch niemand etwas gegen den heranrückenden Feind unternommen hatte. Das Nördliche Königreich, auch wenn es sich noch im Aufbau befand, nachdem es unter König Elessar mit Gondor vereint worden war, besaß durchaus genügend Soldaten, die schnell genug hätten herangezogen werden können, um den Orks zu begegnen. Wenn sie den König an diesem Abend beobachtete, fiel Earenis auch seine Besorgnis auf, anscheinend dachte er dasselbe. Irgendetwas ging hier vor sich. Sie hasste diese Ungewissheit! Die Nacht war kurz, die Heerführer ließen am nächsten Morgen früh aufbrechen und lange marschieren. Sie wollten keinen Moment verschwenden, um genügend Vorbereitungszeit zu gewinnen. Langsam fragte sich Earenis, was sie sich nur dabei gedacht hatte, von Herrn Elrond zu verlangen das kleine Heer begleiten zu dürfen. Zum einen wusste niemand so wirklich, wie er mit ihr umzugehen hatte, besaß sie doch keine genau definierte Rolle im durchstrukturierten noldorischen Heereswesen, geschwiege denn in jenem des königlichen Heeres Elessars, und zum anderen hatte sie nicht einmal einen handfesten Grund für diese Reise. Nur wieder einmal ihr Gefühl… Tatsächlich erreichten sie einen Tag eher als geplant Fornost. Die alte Stadt hatte nach dem Zerfall des nördlichen Königreiches lange als Ruine in der wilden Weite des Nordes gestanden, bewohnt nur von den Geistern der Vergangenheit und Banditen. Unter der Regentschaft König Elessars war nur kurz nach seiner Krönung auf seinen Geheiß hin begonnen worden, sie wieder zu errichten, neu zu besiedeln und sie zu ihrem alten Glanz zurückzuführen. Noch immer wurde überall gebaut, doch man erkannte schnell, dass die Urbanisierung des Nordens gute Fortschritte machte. Schon jetzt besaß die Stadt wieder zahlreiche Einwohner, die die einst toten Steine der Stadt mit neuem Leben erfüllten. Aufgrund dessen, dass Elessar seine baldige Ankunft angekündigt hatte, hatte man die Vorkehrungen dafür zur Genüge treffen können. Offenbar hatte die Kunde vom unerwarteten Orkheer aus den Nebelbergen auch die Stadt und ihre Einwohner erreicht und Earenis konnte schnell erkennen, dass man glücklich und erleichtert war sie hier zu sehen. Besonders die Elben, die mit ihnen gekommen waren, wurden von den Menschen hier mit großen Augen bestaunt. Earenis selbst sah zu, dass sie sich zwischen den Soldaten verborgen hielt, um die Blicke nicht allzu sehr auf sich zu lenken. Herr Elrond und Fürst Glorfindel zogen aber wohl ohnehin die allergrößte Aufmerksamkeit auf sich, wie sie mit dem König an der Spitze des Heeres auf ihren edlen Rössern in die Stadt einritten. Dies war also Fornost, eine alte Stadt des nördlichen Königreiches. Jetzt blieb abzuwarten, wie sich die weiteren Geschehnisse entwickelten. Kapitel 26: Verdachtsfälle -------------------------- Elrond ritt Seite an Seite mit Estel in die Stadt ein. Natürlich starrten die Bewohner, aber er war solches schon seit jeher gewöhnt. Ein Heer von Elben zog in die Stadt ein, angeführt von einem Halbelb, einer noch größeren Kuriosität. Und dann war er auch noch nun einmal er. Manchmal war Berühmtheit ein Klotz am Bein, befand er. Gil-galad hatte immer gelacht, wenn er sagte, dass er genauso zufrieden mit seinem Leben wäre, wäre er Bauer geworden oder einfacher Landheiler. Wobei… wahrscheinlich eher letzteres. Schlussendlich lag diese Einstellung wohl einfach nur an seiner Kindheit: Er war recht bescheiden aufgezogen worden; am Ende hatten Onkel Maglor und Onkel Maedhros kaum noch etwas von ihrem einstigen Reichtum besessen. Immerhin starrte man nicht nur ihn an sondern auch Estel. Es stand dem Jungen wohl auch ganz gut zu Gesicht, von ihm begleitet zu werden, so sahen gleich alle, dass er zu seinem Ziehsohn stand und welche Verbündeten dieser hatte. Und immerhin konnten sich Elladan und Elrohir wenigstens für diesen Moment beherrschen. Aus alter Gewohnheit heraus nahm er sogleich die Wehranlagen der Stadt in Augenschein. Er sah schnell, dass hier noch viel zu tun war, aber verständlicherweise hatte man beim Wiederaufbau zunächst Wert auf die Stadt an sich gelegt und nicht auf ihre Verteidigung. Wer rechnete auch jetzt noch, nach Saurons Fall, mit einer größeren Bedrohung durch Orks? Vielleicht hätten sie es ja tun sollen. Aber wenn weder er noch Galadriel etwas geahnt hatten… Und von Círdan hatte er ebenso keine Nachricht erhalten. Wie also hätten sie es wissen können? Er sollte sich keine Vorwürfe machen, schalt er sich selbst. „Das wird keine leichte Aufgabe“, hörte er hinter sich Rethtulu leise auf Quenya raunen. „Cenanye“, erwiderte er ebenso. „Aber wir werden das schon regeln können. Wir hatten schon weitaus aussichtslosere Kämpfe gefochten. So schlimm wird es schon nicht.“ „Würde ich deinen Optimismus teilen können“, warf Estel leise genug ein, dass die Passanten ihn nicht hören konnten. „Mir wurde eigentlich zugetragen, dass die Bauarbeiten schon viel weiter fortgeschritten seien, als sie es tatsächlich sind.“ Elrond sah ihn fragend an. „Willst du damit sagen, dass man dich belogen hat?“ „Nun…“ Estel druckste ein wenig herum. „Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und zu schnell urteilen. Aber es sieht doch fast danach aus… Wir werden es zumindest vielleicht bald in Erfahrung bringen, dort vorne ist der Bürgermeister.“ Elrond prüfte noch einmal, ob sein Äußeres stimmte, immerhin hatte er recht schnell, nachdem er damals zu Gil-galad gekommen war, gelernt, dass viel von Äußerlichkeiten abhing. Leider, wie er befand, aber es war nicht zu ändern. Daher bemühte er sich um eine möglichst hoheitsvolle Miene und saß gerade auf seinem Pferd – während er sich insgeheim fragte, warum nicht jeder sah, wie aufgesetzt das doch wirken musste. Der Bürgermeister war, wie klischeehaft, ein kleiner und dazu auch noch dicklicher Mann in viel zu übertriebenen, überteuerten Roben, der die Neuankömmlinge auf den Stufen des Rathauses in Empfang nahm. Estel und Elrond ritten vor, während ihre Leute auf dem Platz vor dem Rathaus Aufstellung nahmen, so gut es eben ging. In angemessenem Abstand stiegen sie von ihren Pferden und gingen zum Bürgermeister. Dieser verneigte sich tief aber händereibend vor ihnen, während seine ihn flankierende Garde auf die Knie sank. „Willkommen“, sagte der kleine Mann und Elrond bemerkte still bei sich, dass er ihn nicht ernst nehmen konnte, so ausstaffiert, wie er war. „Mein Name ist Valandil, Euer Gnaden haben sicherlich schon von mir gehört.“ „Ich bin erfreut Euch nun persönlich kennen lernen zu dürfen, Valandil“, tauschte Estel die üblichen Höflichkeitsfloskeln aus. Valandil verbeugte sich erneut äußerst tief; für Elronds Geschmack schon fast zu tief. Dann riss er sich zusammen. Warum nur war er diesem Mann gegenüber so voreingenommen? Es konnte doch nicht wirklich nur am Äußeren liegen! Aber am Verhalten, wisperte eine leise Stimme in sein Ohr. Und das stimmte wohl, stellte er fest. Valandil war zu unterwürfig. Hatte Estel nicht außerdem soeben angedeutet, dass nicht alles ganz so aussah, wie man ihm berichtet hatte? Vielleicht sollte er einige kleine Nachforschungen anstellen, überlegte er. Valandil wandte sich nun ihm zu. „Auch Euch soll die Ehre gegeben werden, Meister Elrond“, sagte er. „Ich bin höchst erfreut Euch in meiner Stadt willkommen zu heißen. Man hört so viel von Euch, da hoffe ich, dass ich Euch einen angenehmen Aufenthalt bereiten kann!“ Elrond lächelte kühl. „Ich bin erfreut Eure Gastfreundschaft genießen zu dürfen. Ich bin mir sicher, sie ist vorzüglich.“ Ein breites Lächeln huschte über Valandils Gesicht und er klatschte in die Hände. „Dann soll alles gerichtet werden!“ Kapitel 27: Besprechungen ------------------------- Valandil hielt, was er versprach, und man hatte alsbald den hohen Besuch angemessen untergebracht und auch für das Heer eine Unterbringung organisiert. Elrond hatte dennoch Glorfindel losgeschickt, um nach dem Rechten zu sehen, auch wenn es diesem nicht passte, dass er ständig das Kindermädchen spielen musste. So sagte er jedenfalls. Nun, nachdem sie ein wenig zur Ruhe gekommen waren, hatten sich Elladan, Elrohir, Estel sowie Legolas und Gimli in den Elrond zugeteilten Gemächern eingefunden. Auch Ceomon und Rethtulu waren nicht weit und sorgten für Wein (was insbesondere Legolas zuzusagen schien) sowie ein wenig Obst. Für den Abend hatte Valandil sie alle zum Essen eingeladen, daher wollten sie jetzt noch nicht allzu viel zu sich nehmen. „Anscheinend geht hier nicht alles so wirklich mit rechten Dingen zu“, eröffnete Estel die Runde. „Die Berichte, die mir in Minas Tirith vorliegen, sprechen von einem weitaus größeren Baufortschritt, als er tatsächlich existiert.“ „Und jetzt haben wir das Problem, dass eine Horde Orks bestrebt ist genau diese bröckelnden Mauern zu überrennen“, kommentierte Elladan. „Abgesehen davon, dass diese Mauern selbst dann, wenn sie nicht so baufällig wären, nur dann ein wirkliches Hindernis darstellen würden, wären sie besser gefugt.“ „Ich sag’s dir, Aragorn“, brummte Gimli. „Einhundert Zwerge und das ist alles kein Problem mehr. Das Angebot steht.“ „Das ist nett von dir, Freund Gimli“, sagte Estel. „Nur leider werden sie es dennoch nicht mehr rechtzeitig ankommen können. Ich werde dennoch später auf das Angebot zurückkommen, das kann so nicht weiter gehen.“ „Wie hoch waren die Baukosten bisher?“, hakte der Zwerg noch einmal nach. Estel nannte ihm die Summe. Gimli schnaube abfällig. „Danach sieht das aber nicht aus! Ich verwette meinen Bart, dass dieser Valandil dich über den Tisch zieht. Für das Geld hätten die Bauarbeiten nicht nur weiter sein müssen, sondern auch von weitaus besserer Qualität.“ „Ich schließe mich dem Verdacht Gimlis an“, ergriff nun auch Elrond das Wort. „Der Bürgermeister gefällt mir nicht, sein ganzes Auftreten wirkt falsch und aufgesetzt. Traue ihm nicht, Estel. Nimm die Sache hier zumindest für den Moment selbst in die Hände und setze danach einen würdigeren Repräsentanten als diesen Mann ein.“ Ein wenig erstaunt sah Estel zu ihm. „Du urteilst selten so schnell“, sagte er. „Aber du verstehst vieles besser als normale Sterbliche, sogar besser als so manche der Eldar. Wenn du dir so sicher bist, dass du schon jetzt dein Urteil getroffen hast, dann wird dem so sein. Ich werde es so handhaben. Dennoch wäre es besser, hätten wir wirklich handfeste Beweise.“ Ein schelmisches Glitzern trat in Elrohirs Augen und Elrond ahnte schon, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. „Du wirst doch wohl nicht die Wirkung von adaro Blick anzweifeln!“, rief er aus. „Mit seinem bösen Blick hätte er selbst Sauron niederstarren können.“ Elrond sah ihn finster an, doch sein Sohn grinste nur. „Da, genau den meine ich!“, sagte er. Die Anwesenden lachten, auch wenn das Elronds Blick nur noch finsterer werden ließ. „Stimmt, so gesehen hast du wohl Recht“, ging Estel auf den Scherz ein. „Es ist genug“, brummte Elrond miesepetrig. Estel bemühte sich zum Ernst der Lage zurückzufinden. „Das dringendste Problem ist und bleibt jedoch das feindliche Heer“, sagte er. „Dem müssen wir mit den vorhandenen Mitteln irgendwie Herr werden, egal wie. Ich werde das Thema nachher vor Valandil ansprechen und ihm deutlich machen, dass er sich damit, egal, was er bezwecken wollte, ins eigene Fleisch geschnitten hat.“ „Wenn ich darf, kann ich vielleicht noch einiges richten“, bot Gimli an. „In Helms Klamm, brachte es doch durchaus ein bisschen was, das wenige, das ich da tun konnte.“ Estel lächelte schief. „Das wird Valandil gar nicht gefallen“, sagte er mit einem ironischen Unterton. „Wir kommen und bringen alles durcheinander.“ „Aber es ist seine Schuld“, warf Elladan trocken ein. „Dann inspiziert Meister Gimli die Wehranlagen, während wir uns die Soldaten der Stadt genauer ansehen sollten.“ „Insbesondere Bogenschützen werden bald gebraucht, ich kann diese übernehmen, wenn es gewünscht ist“, mischte sich nun auch Legolas ein und fügte schmunzelnd an: „Dann kann auch ich etwas dazu beitragen und stehe nicht nur nutzlos daneben und schaue zu!“ „Dann ist es beschlossene Sache“, sagte Estel zum Abschluss. „Valandil wird wahrlich nicht erfreut sein, aber damit muss er nun leben.“ „Und ich werde in der Zwischenzeit einige Nachforschungen anstellen“, schloss Elrond die Runde. „Es kann nicht mit rechten Dingen hier zugehen, sollte dieser Mann dich wirklich betrügen, Estel.“ Kapitel 28: Questlog: Aus Feind Mach Freund ------------------------------------------- Wie Gimli es versprochen hatte, hatte er sich (zumindest nachdem Valandil offiziell vorgewarnt und jeder Protest im Keim erstickt worden war) die Wehranlagen aus nächster Nähe genauer angesehen. Legolas hatte ihn dabei begleitet und gleichzeitig ein Auge auf die Wachen auf den Mauerkronen geworfen. Aragorn war nicht allzu begeistert gewesen von dem, was sie berichteten, lebte aber wie sie in der Hoffnung, dass sie die missliche Lage noch irgendwie rechtzeitig zurecht biegen konnten. Nach dem, was ihre Späher berichteten, hatten sie nur noch wenige Tage, bis der Feind vor den Stadttoren stand. Nun, einen Tag später, schlenderten die beiden Freunde über den Markt und besahen sich die Auslage, überwiegend Trockenobst oder Haushaltswaren wie Bastkörbe oder Tontöpfe. Es war nicht allzu voll, denn das Wetter wurde von Tag zu Tag unangenehmer und kälter. Immerhin regnete es nicht, was wohl eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Wetter der letzten Wochen war. Gelegentlich kam sogar die Sonne durch die Wolken. „Viel Arbeit, die wir da vor uns haben“, bemerkte Gimli. „Ja, das haben wir wohl“, sagte Legolas lakonisch. Dem Elb schmeckte es wohl nicht ganz so sehr, dass es mehr Arbeit war als gedacht. Gimli überlegte, ob er seinem Freund eine Peitsche kaufen sollte, damit dieser die Schützen besser antreiben konnte, so dass er es schneller hinter sich bringen konnte. In dem Moment bemerkte er jedoch etwas anderes. „Sieh mal dort, Earenis“, sagte er und deutete auf die Elbin. Jene befand sich am Stand eines Schmiedes und besah sich die Auslage. Zumeist waren es einfache Küchengeräte oder Werkzeuge für die Feldarbeit, es befanden sich allerdings auch einige Messer darunter, die Earenis‘ Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. „Na toll …“ Murrend wollte Legolas schon abdrehen, doch dieses Mal war Gimli schneller. Er hielt seinen Freund am Ärmel fest. „Schön hiergeblieben“, sagte er. „Wir gehen jetzt beide zu ihr hin und führen ein vernünftiges Gespräch wie unter zivilisierten Leuten. Wir giften uns nicht gegenseitig an und wollen uns nicht die Köpfe einschlagen. Ja?“ Legolas kniff die Augen zusammen. „Hast du dir vorgenommen, dass wir Freunde werden, Earenis und ich?“ Gimli legte eine Unschuldsmine auf. „Mehr oder weniger“, gestand er. „Müsst ja nicht gleich beste Freunde werden, aber ich bin sicher, dass du erkennen wirst, dass man mit ihr auch bestimmt gut reden kann. Du weißt ja, wie das mit dem Starrsinn der Zwerge ist …“ Legolas seufzte schicksalsergeben. „Ja, das weiß ich. Leider.“ „So!“ Gimli stapfte daraufhin zielgenau auf Earenis zu, allerdings darauf achtend, dass Legolas ihm auch wirklich folgte und nicht heimlich floh. „Hallo!“, begrüßte er die Elbin enthusiastisch. Er war sich sicher, dass sein Plan aufgehen würde. Earenis wandte sich den Neuankömmlingen zu. Zuerst bemerkte sie Gimli und ein Lächeln huschte über ihr sonst durchwegs finsteres Gesicht, doch als sie Legolas‘ gewahr wurde, verfiel sie gleich in altbekannte Mimiken zurück. „Hallo“, grummelte sie zurück. Legolas hielt sich dezent im Hintergrund und versuchte möglichst wie Luft zu wirken. „Wir sahen dich hier so allein stehen und dachten uns, dass du dich vielleicht über ein wenig Gesellschaft freust“, versuchte Gimli ein Gespräch in Gang zu bringen. „Hmmhmm. Nett.“ So wirklich schien sie nicht begeistert zu sein. „Was besiehst du dir denn da?“, versuchte er es erneut. „Messer.“ Sie ließ sich ja auch wirklich alles aus der Nase ziehen! Aber das würde sicher noch werden. „Gute Qualität, oder?“, urteilte Gimli nach einem raschen Blick über die Auslage. Die Schmiedearbeiten machten in der Tat einen guten Eindruck. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht wirklich“, bemerkte Earenis. „Gute Messer, ja. Aber nichtsdestotrotz überteuert.“ Allmählich schien auch Legolas‘ Interesse geweckt worden zu sein. Gimli klopfte sich gedanklich auf die Schultern, als der Elb neben ihn trat und eines der Langmesser genauer in Augenschein nahm. Prüfend balancierte er es auf dem Finger. „Ein Fleischermesser“, stellte er abwertend fest. „Gut zum Hacken aber für einen Kampf, wofür dieses wahrscheinlich angedacht war, nicht geeignet.“ „Ich habe ja auch nie gesagt, dass alle Messer gut sind“, grummelte Earenis, offensichtlich schon wieder noch ein ganzes Stück verstimmter. „Das stimmt wohl.“ Legolas‘ Blick fiel auf das Schwert, das an Earenis Hüfte hing. Es war neu, jenes, das Aragorn ihr versprochen hatte. „Darf ich einmal?“, fragte er, und dass er in einem vernünftigen Ton fragte, sah Gimli als noch viel größeren Erfolg des Tages an. Earenis jedenfalls schien dem Frieden nicht ganz zu trauen. Dennoch lockerte sie das Schwert in der Scheide, zog es und reichte es ihm mit dem Heft voran. Legolas trat ein wenig zurück, um mehr Platz zu haben, dann schwang er es probeweise und prüfte die Schneiden. „Das ist gute Arbeit“, stellte er anerkennend fest. „Der König gab es mir“, sagte sie leise. „Er ist gerecht und weise, es wäre sicher niemals sein Ansinnen gewesen mich zu verspotten, indem er mir ein schlechtes Schwert gibt.“ „Es ist eine angemessene Waffe, denke ich“, warf Gimli ein. „Du hast sie dir verdient.“ „Eigentlich Mistaroa“, korrigierte Earenis. „Er hat mich auf die Gefahr aufmerksam gemacht.“ Der Hund hatte bis jetzt in einer Ecke des Marktes gedöst und hin und wieder träge an einem Knochen zwischen seinen riesigen Pfoten geknabbert. Als er nun seinen Namen hörte, sprang er sofort auf und trabte zu seiner Herrin. Bei ihr angekommen, setzte er sich vor sie hin, sah sie aus großen Hundeaugen an und erwartete wohl wieder einmal Streicheleinheiten. Sie beachtete ihn nicht weiter. Legolas reichte das Schwert zurück. „Vielleicht … vielleicht sollte ich mich bei dir entschuldigen.“ Verlegen wie ein Schuljunge, der Unfug angestellt hatte, starrte er auf seine Stiefelspitzen. „Mein Misstrauen an jenem Abend war wohl nicht ganz gerechtfertigt.“ Das war eine interessante Entwicklung der Dinge! Gimli nickte anerkennend und auch Earenis schien verblüfft. Sie hatte wohl noch am allerwenigsten damit gerechnet. „Schon gut“, sagte sie nur. Anscheinend war ihr dieses Thema unangenehm, denn sie wechselte es rasch. „Ich habe gehört, dass Ihr die Verteidigung dieser Stadt neu aufbauen wollt.“ „Zwangsweise, ja“, bestätigte Gimli. „Bruchbude trifft es ganz gut als Bezeichnung, finde ich. Aber irgendwie wird es schon.“ Da er Earenis besorgte Mine bemerkte, fügte er an: „Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um irgendetwas bezüglich der paar Orks, die bald vor den Toren stehen?“ „Na ja …“ Sie druckste ein wenig herum. „Ich habe noch nie an einer Belagerung teilgenommen. Bei diversen Söldnertruppen angeheuert und vielleicht auch die eine oder andere Bande von Banditen, aber das … ist doch etwas größer, als gelegentlich einen Troll jagen oder dergleichen.“ „Mach dir da keinen Kopf, Mädchen“, versuchte Gimli sie zu trösten. „Aragorn wird schon alles ordentlich hinbekommen, das hat er immer, du wirst schon sehen.“ Earenis lächelte dankbar. Legolas legte eine nachdenkliche Mine auf. „Mir kommt gerade ein Gedanke … Hast du vielleicht die Trolle in den Trollhöhen getötet?“, fragte er. „Als wir in den Norden zogen, zu der Höhle, wo wir dich fanden, fanden wir auf dem Weg zwei tote Trolle. Einer von beiden sah so aus, als habe ein großer Wolf oder Hund ihn gerissen; was es genau war, konnte man nicht mehr erkennen.“ „Ja, das waren Mistaroa und ich“, bestätigte sie. „Einige Dörfler hatten mich angeheuert, dass ich mich des Problems annehme.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Also hab ich’s gemacht.“ Legolas schien mit sich zu ringen, aber dann nickte er doch anerkennend. „Nicht jeder wird mit zwei Trollen zugleich fertig.“ Sie brummte nur zur Bestätigung. Anscheinend schien sie dem Frieden nicht mehr ganz zu trauen. Aber immerhin war Gimli mit dem Ergebnis zufrieden, Legolas war über seinen Schatten gesprungen. Er wusste doch, er konnte den Jungen dazu bewegen! Auch wenn es vielleicht für’s Erste genug war. „Wir haben noch ein paar Gänge zu erledigen“, sagte er daher. „Es war ein nettes Gespräch und wir sehen uns bestimmt bald wieder.“ Sie verabschiedeten sich und ihre Wege trennten sich wieder. Im Weggehen sagte Gimli leise zu seinem Freund: „Siehst du, das ging doch.“ „Ach, sei still!“ Legolas hasste es, wenn der Zwerg Recht hatte. Gimli grinste in seinen Bart hinein. Der Tag war ein voller Erfolg!  Kapitel 29: Gedankenwirrarr --------------------------- Earenis konnte nicht bestreiten, dass sie froh war, als Legolas und Gimli wieder gegangen waren. Das Gespräch hatte sie sehr verwirrt und sie wurde einfach nicht schlau daraus. Bei Gimli war sie sich recht sicher, dass er es ehrlich meinte, wenn er nett zu ihr war (auch wenn sie auch das irritierte), aber Legolas… Hatte er es gespielt, um von seinem Freund Ruhe zu haben? Immerhin hatte sie sehr wohl auf der Reise hierher mitbekommen, dass es Gimli anscheinend wirklich störte, dass sein Freund sie so sehr hasste. Und da war auch noch diese plötzliche Entschuldigung. Earenis hätte niemals damit gerechnet, dass der Elb seine Meinung so schnell ändern würde. Sie misstraute ihm, irgendetwas war da im Gange, das ihr nicht gefallen wollte. Zu all dem Chaos kam nun auch noch die Erkenntnis hinzu, dass diese Stadt in keinster Weise auf eine Belagerung durch einen größeren Truppenverband vorbereitet war. Sie hoffte so sehr, dass König Elessar etwas unternehmen konnte, irgendetwas. Denn auch wenn sie es niemals zugeben würde, hatte sie Angst. Sie hatte noch nie an einer ausgewachsenen Schlacht teilgenommen, immer nur kleine Scharmützel. Sie konnte ja nicht einmal besonders gut kämpfen. Ja, sie war wendig und schnell, aber wenn es darum ging, im Gefecht das Schwert zu führen, hackte sie meist doch einfach wild los ohne darauf zu achten, wie sie ihre Waffe führte. Bisher war sie damit ganz gut durch’s Leben gekommen, aber das hier würde immerhin ihr wohl bisher größter Kampf werden. Recht bald, nachdem Legolas und Gimli gegangen waren, hatte auch sie sich in ihrem kleinen Kämmerchen in einer der Kasernen der Stadt zurückgezogen, welche man ihr gegeben hatte. Anscheinend hatte das hier ansässige Militär stillschweigend angenommen, sie würde zu Herrn Elronds Leuten gehören, und auch Glorfindel hatte nichts gesagt, als er am vorigen Abend seine Runden gedreht hatte. Also wohnte sie jetzt vorübergehend hier, hatte ein halbwegs annehmbares Bett, geregelte Mahlzeiten und musste nichts dafür bezahlen. Nun, am Abend nach der unangenehmen Begegnung mit Legolas und Gimli, saß sie auf ihrem Bett und grübelte immer noch darüber nach. Zu ihrem eigenen Befremden stellte sie fest, dass sie Gimli anscheinend durchaus zugetan war. Lag es daran, weil er so freundlich zu ihr war? Es war ja sonst niemand jemals wirklich freundlich zu ihr gewesen. Er war so ziemlich der erste, der einfach so über ihre Herkunft hinweg sehen konnte und der auch wirklich darum bemüht schien, freundlich und zuvorkommend zu ihr zu sein. Aber warum nur? War es Mitleid? Dann war er genauso wie jeder andere auch. Mitleid half ihr in keiner Weise – abgesehen davon, dass sie nicht einmal Hilfe benötigte, sie kam ganz gut allein zurecht in ihrem Leben, tat sie ja schon immer. Oder war es doch etwas anderes als Mitleid? Tat er es vielleicht wirklich nur aus reiner Freundlichkeit? Es fiel ihr schwer, sich das vorzustellen. So viele Fragen und keine Antworten! Die Unwissenheit nagte an ihr, denn sie hasste Unwissenheit. Und das waren nur ihre persönlichen Probleme, da war noch immer diese Ahnung, dass etwas momentan im Norden von Mittelerde vor sich ging, das nicht gut sein konnte – und das irgendetwas mit ihr zu tun haben musste. Aber was? Etwas sagte ihr, dass sie darin noch eine Rolle spielen würde. Allerdings blieb die Frage bestehen, welche dies sein würde und ob sie ihre Rolle erfüllen konnte und auch wollte. Die Stunden verrannen und es taten sich nur immer mehr und mehr Fragen auf. Mittlerweile war es schon seit geraumer Zeit dunkel und Ruhe kehrte in den Kasernen und auch in der gesamten Stadt ein. Aufgrund all der offenen Fragen bemerkte Earenis eine innere Unruhe bei sich, die ihr nicht gefiel. Sie beschloss sich mit einigen Dehnübungen auf andere Gedanken zu bringen. Für heute sollte sie es dabei belassen. Besser wäre es, die kommenden Ereignisse einfach auf sich zukommen zu lassen. Kapitel 30: Die Belagerung Fornosts ----------------------------------- Nur wenige Tage später verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der gesamten Stadt, dass der Feind bald vor den Toren stünde. Earenis bemerkte, wie sie bei dieser Neuigkeit kurzzeitig in Panik verfiel, bis es Mistaroa wohl zu bunt wurde, er sie laut ankläffte und sie damit wieder in das Hier und Jetzt zurückholte. Sie war dennoch froh, dass man sie mehr oder weniger in Elronds Leute eingliederte und sie jemanden hatte, der klare Anweisungen verteilte, nach denen sie sich richten konnte. Auch wenn dieser Jemand Elrond war. Dennoch, sie schätzte einen Anführer, der strikte und präzise Befehle erteilte, weitaus mehr als einen planlosen Angriff. Der Plan war, dass zunächst die Bogenschützen unter Legolas‘ Befehl auf den Mauern den Angriffen begegnen sollten. Zusätzlich hatte Gimli in den letzten Tagen so gut es ging die Mauern ausbessern und mit Fallen versehen lassen, die weitestgehend verhindern sollten, dass die Mauern erklommen wurden. Sollten wider Erwarten doch Orks die Mauern oder Tore überwinden könne, so würden dahinter die restliche Stadtwache sowie König Elessars und Herrn Elronds Leute auf sie warten. Für Earenis bedeutete dies, dass sie inmitten der anderen Noldor in den Straßen wartete und nur zusehen und zuhören konnte, was auf den Mauern vor sich ging. Wie es ihr zugetragen worden war, erwarteten sie mehrere Hundertschaften Orks. Möglich, aber keine allzu leichte Aufgabe in Hinblick auf den Zustand der Wehranlagen. Die erwarteten Verluste würden wohl durchaus höher ausfallen. Earenis bemerkte, dass Angst in ihr aufstieg, kein unbekanntes Gefühl für sie. Vielleicht war es auch gut, dass sie Angst hatte, überlegte sie. So konzentrierte sie sich voll und ganz auf den Kampf und ließ nichts anderes mehr zu. Irgendwann einmal ertönte ein Hornsignal, das Zeichen, dass der Feind nun da war. Earenis konnte ihn freilich nicht sehen, aber sie hörte ihn schreien und höhnen. Schon lange war kein Bürger mehr auf den Straßen zu sehen, sie alle hatten sich in ihren Häusern verbarrikadiert und Wassereimer bereitgestellt für den Fall, dass der Feind mit Feuer angriff. Irgendwo vor ihr hielt König Elessar eine kurze Ansprache, die mit einem ebenso kurzen aber dafür umso kräftigeren Jubel aufgenommen wurde. Dann gab er Legolas und Gimli hinter ihm auf dem Wehrgang der Stadtmauer ein Zeichen, woraufhin der Elb den Befehl zum Angriff gab und sein kleiner Freund los eilte, wahrscheinlich um irgendwelche in Windeseile errichteten Mechaniken in Gang zu setzen. Was danach geschah, war für Earenis nur mehr eine verschwommene, traumartige Erinnerung. Pfeile flogen hin und her, nicht wenige fanden ihr Ziel weit über die Mauer hinaus. Die meiste Zeit dieser Angriffsphase verbrachte sie unter dem Schildwall der Noldor. Auf den Mauern schrien immer wieder Soldaten auf, vor Schmerzen oder im Triumph. Sie selbst hatte das Trommeln der Pfeile auf den Schilden in den Ohren, hier unten schrie kaum jemand getroffen auf; der Schildwall hielt dicht. Eine ganze Weile veränderte sich nichts an dieser Situation, nur die Geräuschkulisse schwankte immer wieder, so dass sie nur erahnen konnte, was vor sich ging. Anscheinend konnten aber die Schützen auf den Mauern den Feind doch nicht komplett aufhalten, denn gelegentlich hörte sie doch Schwerter klirren und schließlich auch das dumpfe Pochen gegen das Haupttor der Stadt. Bald würden die Orks durchbrechen, das hörte Earenis am Knacken und Krachen des Holzes des Tores. Dann würde es Messerarbeit geben. Immerhin besser als das ewige Warten und Bangen unter dem Schild. Sie hoffte nur, dass es nicht zu viele Orks wurden. Herr Elrond erteilte seine Befehle wie auch König Elessar und Bewegung kam in ihr Heer. Earenis fügte sich in die große Masse ein und versuchte sich zu fügen, auch wenn sie mit der ausgesprochenen Disziplin der Elben um sie herum nicht wirklich mithalten konnte. Man stellte sich zur Verteidigungsformation auf, um dem bald kommenden Angriff zu begegnen. Earenis sah zu, dass sie irgendwo in der Mitte des elbischen Heeres blieb. Hier hoffte sie die sicherste Position, denn immerhin besaß sie keinen der großen Schilde der anderen Soldaten, der sie vor dem Ansturm der Orks schützen konnte. Nur Augenblicke später flogen die Torflügel mit einem splitternden Geräusch auf. Kaum dass die Orks ihren Rammbock fallen gelassen hatten und voranstürmten, rief auch schon Herr Elrond weitere Befehle. Ein Wall aus Schilden und Speeren erwartete die Orks, an dem viele von ihnen aufliefen und ihr Ende fanden. „Haltet stand!“, hörte sie immer wieder Leute rufen. „Lasst sie nicht durch! Haltet sie auf!“ „Khazâd! Khazâd!“, rief Gimli von der Mauer herab. „Barûk Khazâd! Khazâd ai-menû!“ Ein heftiges aber kurzes Gefecht entbrannte. Schreie hallten durch die Stadt, Pfeile flogen wild durch die Gegend. Irgendwann einmal gelang es den Orks doch die Verteidigung weitestgehend zu überwinden und die meisten strukturierten Linien lösten sich auf. Es kam zu harten Einzelgefechten, in denen jeder für sich allein stand. Hierin war Earenis stark, immerhin war sie eine ausgesprochene Einzelkämpferin. Bis jetzt hatte sie Mistaroa bedeutet, sich im Hintergrund zu halten, da er einem geschlossen Soldatentrupp nur im Wege gewesen wäre, doch nun rief sie ihn an ihre Seite. Freudig sprang ihr treuer Hund herbei und ging jedem Ork an die Kehle, der den Fehler beging, ihm zu nahe zu kommen. Der Kampf war brutal, aber schnell entschieden. Die Verteidiger waren zu entschlossen, als dass die Orks ihre Linien vollends überwinden konnten ohne selbst völlig aufgerieben zu werden. Ihnen wurde dies anscheinend irgendwann einmal bewusst, denn mit einem Male bemerkte Earenis, dass immer mehr Orks die Flucht ergriffen und sich ihr immer weniger Feinde in den Weg stellten. Schließlich rief irgendwer das entscheidende Wort aus: „Sieg!“ Kapitel 31: Ein neuer Feind --------------------------- Die Verluste waren zu beklagen, doch verschmerzbar und nicht zu hoch ausgefallen. Ihre Verteidigung hatte am Ende doch viele Leben gerettet. Überall waren Hochrufe auf den König und seine Verbündeten zu vernehmen. König Elessar ließ sich von seinen Untertanen hochleben, auch wenn Earenis beobachten konnte, dass sich Herr Elrond nicht allzu viel aus solcher Koketterie zu machen schien, denn schon hatten seine beiden Schatten ihm seine Medizinertasche gebracht und er versorgte mit seinen Söhnen die ersten Verwundeten noch auf dem Schlachtfeld notdürftig. Seltsame Leute, befand sie und machte sich mit diesem Gedanken selbst auf die Suche nach einem Heiler. Auch sie war freilich nicht ungeschoren aus dem Kampf gekommen und hatte so manche Wunde erlitten. Mistaroa schien ebenfalls auf einer Pfote leicht zu humpeln. Dennoch war er bei ihr geblieben, sie war stolz auf ihn. Leicht lächelnd tätschelte sie ihm den Kopf. Ein Heiler war schnell gefunden, und aufgrund dessen, dass sie sich nicht davon hatte aufhalten lassen sich feiern zu lassen, musste sie auch nicht allzu lang warten, bis sie an der Reihe war. Schnell hatte der Mann ihre Wunden in Augenschein genommen. Er schüttelte den Kopf. „Da hast du schon eine Rüstung getragen und dennoch hast du einiges abbekommen“, sagte er mit einer unangenehm hohen Stimme. Earenis verzog das Gesicht und zuckte nur wortlos mit den Schultern. „Mach deine Arbeit, dafür habe ich dich bezahlt“, sagte sie trocken. „Jaja“, nörgelte der Heiler. Schnell waren die Wunden mit Alkohol ausgewaschen, auch wenn es höllisch brannte. Es gab schlimmere Schmerzen, befand sie und biss die Zähne zusammen. Manche der Wunden waren nicht allzu tief, manche jedoch mussten, nachdem sie auf diese Weise ausgewaschen worden waren, noch einmal genäht werden. Dies nahm einige Zeit in Anspruch, bevor Earenis gehen konnte. Der Heiler hatte ihr noch angeboten, auch nach Mistaroa zu sehen, aber das wollte sie lieber selbst in die Hand nehmen. Sie wusste, wie schnell Mistaroa bei anderen bissig wurde, vor allem wenn diese ihm in vermeintlich böser Absicht Schmerzen bereiteten. Sie begab sich mit ihrem Hund wieder auf ihre kleine Kammer in den Kasernen. „Dann wollen wir einmal“, sagte sie mehr zu sich als zu Mistaroa. Diesen hieß sie sich hinzulegen und ihr die Pfote zu zeigen, die ihm Probleme bereitete. Schnell war das Bein abgetastet und zu ihrer Erleichterung konnte sie keine Brüche feststellen. Lediglich an den Fußballen machte sie einen tiefen Schnitt aus, wo sich Mistaroa vielleicht an einer fallen gelassenen Waffe oder einem Rüstungsteil geschnitten hatte. Sie wusch die Wunde aus und verband sie. Damit sollte es wohl getan sein. In dem Moment klopfte es an ihre Tür. „Herein!“, rief sie und einer der beiden Noldor in Elronds Schatten trat ein. Es war wohl Ceomon, wenn sie sich recht entsann. Sie runzelte die Stirn. Was wollte er hier von ihr? „Der Herr schickt mich“, begann er sogleich. „Wir haben ein Problem und es scheint auch dich zu betreffen.“ Sofort wurde sie stocksteif. Es war doch wohl nicht wegen des gestohlenen Ringes?! „Was… ist es?“, fragte sie vorsichtig. „Wir haben einen Gefangenen gemacht“, erklärte Ceomon, „und wollen ihn nun zum Reden bringen, wer uns die Orks geschickt hat. Allerdings verlangt er nach Euch oder würde eher sterben, bevor er auch nur ein Wort sagt.“ Da er Earenis‘ verwirrte Miene bemerkte, fügte er an: „Wir verstehen es genauso wenig, aber… Auf einen Versuch kommt es jedenfalls an.“ Earenis meinte, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel. Wenn es weiter nichts war! Mistaroa befahl sie in der Kammer zu bleiben, damit er seine verletzte Pfote ausruhen konnte, auch wenn es ihm nicht gefiel. Dann folgte sie Ceomon. Der Noldo führte sie zum Stadthaus, allerdings in den Teil, wo die Gefängnisse untergebracht waren. Dort öffnete er ihr eine Tür und ließ sie hinein. Nebst dem Bürgermeister Valandil, traf sie hier auch auf Herrn Elrond und seine Söhne, König Elessar, Legolas und Gimli. Sie hatten sich um einen am Boden gefesselten Ork versammelt, der sie alle giftig anstarrte und gelegentlich halbherzig versuchte seinen Fesseln zu entkommen. Als er Earenis sah, stahl sich jedoch ein boshaftes Lächeln auf seine Züge. „Redest du nun, du Scheusal?“, zischte einer der Zwillinge, während er sein Schwert auf die Kehle des Gefangenen richtete. „Da ist sie, warum auch immer du sie sehen willst.“ „Die Gerüchte stimmen“, knurrte der Ork, als er sie sah. „Du bist wie ER.“ Earenis verstand nicht, was hier vor sich ging. „Wie… wer?“, fragte sie zögernd. „Wie Ghâshburz, wie  mein Herr“, lautete die hämische Antwort. „Er will dich haben und er wird dich bekommen.“ In dem Moment entglitten ihr wohl die Gesichtszüge. Auch die anderen Anwesenden waren nicht minder überrascht. „Ist er es, der euch schickte?“, fragte der König, der als erstes zu seiner Stimme zurückfand. „Ja.“ „Was will er?“ „Eure Köpfe.“ „Die er nicht bekommen wird. Einige wenige Hundertschaften hätten niemals dafür gereicht“, stellte König Elessar klar. „Nein. Die waren nur eine Warnung und um euch zu testen.“ „Dann hat er noch mehr Armeen? Größere?“, mischte sich nun auch Herr Elrond ein. „Ja.“ „Wie groß?“ Doch darauf gab der Ork keine Antwort mehr. Elronds zweiter Sohn trat auf ihn zu und schlug ihn hart mit dem gepanzerten Handschuh ins Gesicht, doch selbst darauf gab der Ork nicht die gewünschte Antwort. „Und er hat viele Verbündete“, sagte er stattdessen. „Viele Spione, manche freiwillig und manche wissen nicht einmal, dass sie für ihn arbeiten.“ Dabei warf er einen Blick in die Runde, der absolut nicht gefallen wollte. Earenis bemerkte die beunruhigten Blicke, die Herr Elrond und König Elessar miteinander tauschten. Anscheinend fand nicht nur sie die Situation so bedrohlich. „Und was noch viel schöner ist“, und hierbei wandte sich der Ork Legolas zu, „ist, dass mein Herr sich nicht nur mit Eriador begnügen wird.“ Der laegel sah alarmiert auf. „Was soll das heißen? Sprich!“ „Dass König Thranduil ebenso bald Besuch bekommen wird wie diese Stadt hier.“ „Plant er also größere Eroberungen zu machen?“ „Mehr als das.“ „Was mehr?“ Doch wieder schwieg der Ork und alle Schläge halfen nichts, um ihn wieder zum Reden zu bringen. Es wurde schnell ersichtlich, dass er auch nicht mehr reden würde. Elrond wandte sich seinem Sohn zu, der den Ork immer noch mit seinem Schwert bedrohte. „Elladan, wir haben genug gehört.“ Elladan nickte und versenkte die Klinge in der Kehle des Orks. Röchelnd ging die Kreatur zu Boden. Elrond wandte sich ab. „Ich ziehe mich zurück, ich muss nachdenken“, sagte er. „Ceomon, Rethtulu, kommt mit.“ Damit ging er. „Das werden wir wohl alle müssen“, murmelte König Elessar und folgte ihm. Als einziger von den Anwesenden blieb Gimli noch für einen Moment bei Earenis stehen. „Alles in Ordnung?“, fragte er, denn er hatte wohl gesehen, dass sie blass geworden war. „Ist schon in Ordnung“, sagte sie abweisend. Das war auch für sie zu viel gewesen. Hatte der Ork wirklich angedeutet, dass es ein anderes Halbblut wie sie gab? Dass ihr unbekannter Feind eines war? Das konnte nicht sein! Der Zwerg klopfte ihr auf den Arm. „Komm vielleicht nach diesem turbulenten Tag ein wenig zur Ruhe“, sagte er. „Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“ „Womöglich…“ Sie war sich da allerdings nicht allzu sicher. Kapitel 32: Nur immer neue Fragen --------------------------------- Legolas befand sich auf dem Weg zu seinen Räumlichkeiten, die er für die Dauer ihres Aufenthaltes in der Stadt bekommen hatte, als er bemerkte, dass Gimli ihm folgte. Er hielt inne und wandte sich seinem Freund zu. „Was gibt es?“, erkundigte er sich. „Nun, ich dachte, wir könnten ein wenig miteinander reden“, sagte Gimli. „Ist immerhin soeben einiges geschehen.“ Da dem nichts widersprach, setzten sie sich auf eine Bank, die in einer nahen Fensternische stand. „Ich bin in diesem Moment sehr hin und her gerissen“, begann Legolas sich seine Sorgen von der Seele zu reden. „Einerseits muss Vater vor der drohenden Gefahr gewarnt werden und am liebsten wäre ich es, der zu ihm reitet. Doch andererseits möchte ich hier bei Aragorn bleiben und ihm helfen.“ „Ich verstehe das“, sagte Gimli. „Doch du würdest ihm doch auch helfen, wenn du deinen Vater warnst. Wenn das stimmt, was der Ork uns sagte, dann wird Ghâshburz einen Krieg an zwei Fronten führen. Ist dein Vater gewarnt, wird er es unserem Feind bestimmt nicht leicht machen und damit einen Teil seiner Aufmerksamkeit von Aragorn abziehen.“ „Krieg …“ Legolas atmete tief durch. Dieses Wort lag ihm schwer im Magen. „Ich hatte gehofft, dass wir das nach Saurons Fall nie wieder werden erleben müssen. Zu lange hatte dieser Kampf schon gewährt.“ „Das hatte ich auch.“ Gimli seufzte. „Mir war klar gewesen, dass wir noch in so manchen Jahren Probleme mit Orks bekommen würden, aber dass sie so groß werden …“ „Mich erstaunt vor allem die Schnelligkeit, mit der es von statten gegangen war“, bemerkte der laegel. „Vor nicht einmal zwei Jahren trugen wir unseren Sieg davon, und nun schon das!“ Eine Weile schwiegen sie nachdenklich. „Wenn ich mir das so durch den Kopf gehen lasse …“, begann Gimli langsam. „Solch ein Volk wie die Orks hätte sich wohl nur so schnell so geschlossen hinter einen neuen Anführer gestellt, wenn es diesen schon lange vorher gekannt hätte.“ Legolas gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht, der von Gimlis Überlegung aufgetan wurde. „Entweder hatte er also seinen Aufstieg schon lange im Voraus geplant und Vorkehrungen getroffen oder er ist ein Diener Saurons, der entkommen konnte.“ „Oder beides.“ „Und keines schöner als das andere.“ Er verzog das Gesicht. „Ich sollte wohl wirklich gehen. Aragorn wird sicher nichts dagegen haben.“ „Ich werde mitkommen, wenn du willst“, bot Gimli an. „Und ich. Wenn ich darf“, vernahmen sie die unerwartete Stimme Earenis‘. Erschrocken wandte sich Legolas ihr zu. „Hast du uns belauscht?“, wollte er wissen und sofort kam das altbekannte Misstrauen in ihm hoch. Aber er riss sich zusammen. Er wollte ihr zumindest eine Möglichkeit geben sich zu beweisen, davon hatte Gimli ihn überzeugen können. „Zugegebener Maßen, ja“, erwiderte sie kühl. „Aber Ihr habt gehört, was der Ork gesagt hat: Irgendwie hänge auch ich mit in der ganzen Sache. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich hier für eine ganze Weile nur untätig sitzen werde und das mag ich nicht.“ „Nun …“ Legolas zögerte und rang mit sich. „Eigentlich spricht ja nichts dagegen, oder?“, nahm ihm Gimli munter die Entscheidung ab. Ein dankbares Lächeln legte sich auf Earenis‘ sonst so grimmiges, vernarbtes Gesicht. „Dann danke ich“, sagte sie mit einer leichten Verbeugung, womit es beschlossene Sache war. Aragorn in Kenntnis zu setzten, war nur mehr eine Formsache. Kapitel 33: Erste Erkundungsgänge --------------------------------- Indes war auch Elrond zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt wie Legolas und Gimli und auch er war nicht minder beunruhigt. Zusätzlich dazu beschäftigten ihn jedoch noch einige andere Gedanken, die er seinen Söhnen mitzuteilen gedachte. Er hatte einige Pläne für die nahe Zukunft und dafür würde er ihre Hilfe benötigen. „Was denkt ihr von Valandil?“, eröffnete er das Gespräch, sobald Elladan und Elrohir sich bei ihm eingefunden hatten. „Er verbirgt etwas“, begann Elladan. „Nur was?“, fügte sein Bruder an. „Ja, was… Das gilt es herauszufinden“, sagte Elrond. „Auch Estel hat ihn auf dem Prüfstand, immerhin betrifft es ihn. Aber da er momentan andere Dinge im Kopf hat, werden wir das übernehmen.“ „Und wer würde schon etwas vor dir verbergen können, wenn du nur lange genug bohrst?“, sagte Elrohir. Ja, wer würde das schon können? Immerhin war er ein mächtiger Fürst der Eldar und dazu derjenige, der bis zur Vernichtung des Einen über die Macht Vilyas, des mächtigsten aller Ringe der Macht, geboten hatte. Wenn Valandil etwas vor ihm verbarg, was er tat, dessen war er sich schon jetzt sicher, dann würde er dies nicht lange können. „Wo sollen wir also anfangen?“, frage Elladan. „In den Archiven“, erklärte Elrond. „Wenn die Buchhaltung nicht auch in diesen Betrug verwickelt ist, werden wir dort am schnellsten fündig.“ „Das fällt doch auf“, gab Elladan zu bedenken. „Valandil missfällt doch schon jetzt, was wir ihm so sehr ins Handwerk pfuschen und Estel das Ruder in der Stadt übernommen hat.“ „Dann sorgen wir eben für ein wenig Ablenkung“, war Elronds schlichte Antwort. Einen wirklichen Plan hatte er diesbezüglich noch nicht, aber hin und wieder spontan zu entscheiden, war nicht das allergrößte Problem. Damit war es also beschlossene Sache und sie begannen ihr Werk. Die Bibliothek der Stadt befand sich ebenfalls im Stadthaus, und da ohnehin bekannt war, dass Elrond viel belesen war, würde es wohl nicht auffallen, wenn er die Bibliothek zusammen mit seinen Söhnen besuchen wollte. Wie es in einer guten Bibliothek üblich war, saß gleich am Eingang ein Bibliothekar. Elrond konnte ihn durch die offene Tür schon aus einiger Entfernung ausmachen und hieß seinen Söhnen anzuhalten. „Ich werde ihm sagen, dass wir uns ein wenig umsehen wollen“, sagte er leise. „Danach verwickelt ihr ihn in ein Gespräch und das möglichst lange, das könnt ihr doch so gut. Ich werde mich in der Zwischenzeit umsehen.“ Elladan und Elrohir nickten als Zeichen, dass sie verstanden hatten. Dann machten sie sich an die Arbeit. Ganz in ihrem Element stürzten sich die Zwillinge sogleich auf den armen Bibliothekar und belagerten ihn. Nachdem sich Elrond sicher war, dass der Mann genügend abgelenkt war, entfernte er sich unauffällig und suchte in den Regalreihen nach einigen ganz bestimmten Büchern. Wie er vermutet hatte, fand er diese in einem gesonderten Teil, der zwar als verboten für normale Besucher ausgeschrieben aber ansonsten nicht besonders abgesichert war. Elrond ließ sich davon freilich nicht abhalten. Da er zu seinem Leidwesen so einige Erfahrung mit dem Rechnungswesen besaß und auch diese Bibliothek gut sortiert war, hatte er schnell gefunden, was er suchte. Er warf einen raschen, prüfenden Blick zu seinen Söhnen, die jedoch noch immer den Bibliothekar in Beschlag genommen hatten. Gut. Rasch hatte er einige der Akten aus dem Regal gezogen und zog sich mit diesen in eine geschützte Ecke zurück, wo man ihn nicht so schnell sehen konnte. Dann blätterte er eilig durch. Er wusste, dass es nicht gut war, wenn er all die Zahlenkolonnen in Eile durchsuchte, da er vielleicht etwas übersehen konnte, aber es ging wohl nicht anders. Schnell jedoch sah er sich einem anderen Problem gegenüber: Die Angaben waren verschlüsselt. Er fluchte stumm. Die Angaben zu entschlüsseln, würde zu lange dauern und diese Zeit hatte er nicht. So lange konnten seine Söhne nicht auf den Bibliothekar einreden, ohne dass er Verdacht schöpfte. Kurz entschlossen nahm sich Elrond also etwas Pergament und Tinte (beides war auf dem Tisch bereitgestellt worden, an den er sich gesetzt hatte) und schrieb eilig eine der Seiten ab. Gerade als er zu den letzten Zeichen kam, hörte er Schritt. Hastig faltete er das Pergament und steckte es in eine Falte seines Gewandes. Dann räumte er hastig auf und stellte die Folianten an ihre Plätze zurück. Ihm gelange es gerade noch rechtzeitig möglichst unschuldig auszusehen, als auch schon ein weiterer Mitarbeiter der Bibliothek zu ihm trat. „Herr Elrond“, begrüßte er ihn mit einer Verneigung. „Es erfreut mich, dass Ihr Interesse an unserer Sammlung hegt. Leider muss ich euch mitteilen, dass dieser Teil Besuchern nicht zugänglich ist.“ „Oh, das wusste ich nicht“, sagte er mit einer Unschuldsmine. „Aber Ihr werdet für mich doch sicher eine Ausnahme machen können, oder?“ „Leider nicht, nein.“ Bedauernd schüttelte der Mann den Kopf. Ah, schade. Es hätte klappen können. „Da kann man wohl nichts machen“, sagte er daher und entfernte sich brav. Damit wurde es wohl nun auch Zeit, diesen ersten Versuch abzubrechen. Er hielt auf seine Söhne zu. „Elladan, Elrohir, es wird Zeit zu gehen“, sagte er zu ihnen. „Adar!“, moserten sie unisono. „Wir hatten solch ein anregendes Gespräch. Und die Bibliothek wollten wir auch ansehen.“ Ihre Rolle spielten sie wirklich gut. „Ihr hattet eure Zeit“, gab er den unnachgiebigen Vater und zog unbeeindruckt weiter. Leise maulend folgten seine Söhne. Als sie außer Hörweite waren, fragte Elrohir sogleich leise: „Und?“ „Verschlüsselt“, erwiderte er ebenso leise. „Aber ich habe einen Auszug kopieren können, bis man mich unterbrach. Das ist zumindest ein Anfang.“ Es sollte hoffentlich reichen, als dass er damit arbeiten konnte. Auch wenn es dauern konnte. Er hoffte, dass sie diese Zeit hatten. Kapitel 34: Weggespräche ------------------------ Natürlich hatte Aragorn dem zugestimmt, dass es Legolas war, der zu seinem Vater reisen würde, um ihn zu warnen. Aragorn schien sogar recht froh gewesen zu sein, dass Legolas noch am selben Tag von sich aus zu ihm gekommen war, da er selbst schon überlegt hatte, seinen Freund zu schicken, ebenso aber auch geahnt hatte, dass dieser eventuell auch lieber bei ihm bleiben würde, ansonsten vielleicht aber niemanden auf die Schnelle hätte finden können. Dass Earenis mitkommen wollte, fand er zwar ebenso verwunderlich wie Legolas und Gimli, fand aber auch wie sie keinen Grund, der dagegen sprechen würde. Also hatte Earenis ein Pferd bekommen und brach nun, am nächsten Morgen, zusammen mit den zwei Freunden auf. Legolas, nachdem er Gimli hinter sich auf sein Pferd geholfen hatte, trieb sein Tier an, warf aber dabei einen abschätzenden Blick auf die Halbelbin. Seit den Geschehnissen im Gasthaus wurde er einfach nicht schlau aus ihr. Noch in dem Moment, in welchem er sie mit der Waffe in der Hand erwischt hatte, war die Welt so einfach für ihn gewesen. Ihr Vater war ein Ork, also besaß auch sie böses Blut, das sie zu bösen Taten verleitete. Immerhin verlangte sie Geld dafür, um anderen Leuten zu helfen! Aber dann… Statt zu den angreifenden Orks überzulaufen, hatte sie für Aragorns Rettung gekämpft (und Legolas musste sich eingestehen, dass sie in diesem Moment die einzige gewesen war, die nennenswert etwas hatte ausrichten können). Das hatte sein gesamtes Bild von ihr auf den Kopf gestellt. Noch immer war sie raubeinig und hüllte sich in eine harte Schale. Aber er hatte das dumpfe Gefühl, dass sich darunter ein weicher, verletzlicher Kern verbarg, der geschützt werden wollte. Und das verwirrte ihn mehr als alles andere: dass er, seit er so sehr über sie nachdachte, immer mehr das Bedürfnis verspürte sie schützen zu wollen. Sie musste in ihrem Leben viel Unrecht erfahren haben. Das hatte sie mit Sicherheit zu dem gemacht, was sie war. Allmählich glaubte er sie zu verstehen. Diesen Gedanken nachgehend, ritt er gen Osten. Earenis hielt sich ein wenig hinter ihm, so dass er sie, wenn er sich nicht gerade auffällig umdrehen wollte, nicht beobachten konnte. Was ging in ihrem Kopf vor sich? Was bewegte sie zu dem, was sie tat? War es ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit? Oder doch nur ein Erfüllen niederer Triebe? Gelegentlich sprang Mistaroa kläffend davon und erschreckte die Pferde. Manchmal jagte er einfach nur Luft, manchmal hatte er tatsächlich Beute ausgemacht. Ansonsten passierte nichts Spannendes. Die Natur war friedlich, wintergrau doch ereignislos. Stille hatte sich über das Land gelegt, der Winter war nah. Bald würde mit Sicherheit der erste Schnee fallen. „Erzähl uns doch ein bisschen von dir“, bat Gimli mitten in die Stille hinein. „Ich bin Söldnerin, was soll man da groß erzählen?“, lautete die knappe Antwort. „Nun, es ist doch sehr ungewöhnlich, dass eine Frau das Schwert schwingt“, versuchte es Gimli erneut. „Sehe ich gewöhnlich aus?“, antwortete Earenis pampig. Kurz darauf fuhr sie dennoch fort: „Die Welt ist gefährlich und ich stehe für mich allein; ich habe sonst niemanden, der mich beschützt. Also mache ich das selbst.“ „Und wer hat dich dann das Kämpfen gelehrt?“, fragte nun auch Legolas erhielt allerdings nur ein Schnauben als Antwort. Missmut kam in ihm auf. Gimli brachte sie zum Reden und bei ihm wurde sie gleich böse? Er hatte sich doch entschuldigt, das sollte doch reichen! „Du hast jedenfalls einen… eigenwilligen Stil“, fuhr Gimli fort. „Hab‘s mir selbst mehr oder weniger beigebracht“, sagte sie leise. „Manchmal gab es jemandem in dem einen oder anderen Söldnertrupp, der mir ein bisschen was gezeigt hat, aber das meiste hab ich mir angeeignet. Ist nicht perfekt, ich weiß, aber Orks macht es einen Kopf kürzer.“ Gimli lachte tief auf. „Was ja die Hauptsache ist, will ich meinen! Und natürlich, dass man selbst aus der Sache wieder heraus kommt!“ Earenis kicherte. „Das stimmt wohl. Und es klappt ja, wie man sieht!“ Legolas bemerkte, wie der Missmut sich verstärkte. Oder war es vielleicht doch etwas anderes? Warum missfiel es ihm, dass sein Freund so gut mit Earenis reden konnte und er nicht? Schon allein dieser Umstand, dass er sich das tatsächlich fragte, verstärkte seinen Missmut noch mehr. Gimli und Earenis jedenfalls verfielen in ein angeregtes Gespräch über die kuriosesten Begebenheiten während diverser Kämpfe, die ihnen passiert waren. Legolas hielt sich vornehm zurück und richtete den Blick stur geradeaus. Wenn die beiden sich so prächtig verstanden, wollte er ja nicht mehr stören… Kapitel 35: Ansichtsfragen -------------------------- Die drei Reisenden kamen gut voran, auch, weil Legolas stets zur Eile trieb. Er befürchtete, dass Ghâshburz sein Werk schon fortgesetzt haben könnte und sie zu spät kamen, um seinen Vater zu warnen. Earenis stellte während dieser Tage fest, dass sie dem Ende der Reise mit gemischten Gefühlen entgegen sah. Man hörte doch, wenn man viel in der Welt herum reiste, so manches über den König des Waldlandreiches, selbst dann, wenn man selbst nie dort gewesen war. Und das, was sie gehört hatte, wollte ihr nicht wirklich gefallen. Thranduil sei recht jähzornig und schnell voreingenommen, hieß es. Nicht zuletzt das, was sie manchmal aus Gimlis Worten zu hören meinte, sobald die Sprache auf Legolas‘ Vater kam, bestätigte ihr das. Wenn Thranduil erkannte, was sie war… Ungemütlich wäre sicher kein Ausdruck. Sie wagte es dennoch, nicht zuletzt, weil irgendetwas sie zu diesem Weg trieb, was auch immer es war. Außerdem sagte eine leise Stimme in ihr, die sie beharrlich zu ignorieren versuchte, dass sie Gimlis Gesellschaft genoss. Blendete man Legolas aus, war der Zwerg ein äußerst erheiternder Gesprächspartner, mit dem sich gut reden ließ. Abends am Lagerfeuer sprach sie gern mit ihm und konnte mit ihm lachen, wie schon seit so vielen Jahren nicht mehr. Es tat überhaupt gut wieder lachen zu können, schon zu lange hatte sich für sie kein Anlass mehr dafür gegeben. Mistaroa bemerkte natürlich ihre ungewohnt fröhliche Stimmung und schien einigermaßen irritiert darüber zu sein; er kannte sie so schon gar nicht mehr. Was Earenis hingegen bemerkte, war, dass Legolas erstaunlich still wurde in dieser Zeit. Je besser sie sich mit Gimli verstand, desto mehr zog sich sein elbischer Freund zurück. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm! Erst hasste er sie und jetzt… Ja, was jetzt? Was ging in seinem Kopf vor? Beinahe war es ihr lieber, wenn er sie offen anfeinden würde, dann wüsste sie wenigstens, woran sie war. Aber diese Stille war ihr unheimlich… Grübeleien über Grübeleien und sie kam nicht voran! Und mit diesen Grübeleien zogen auch die Meilen in das Land. Nicht lange, nachdem sie Fornost verlassen hatten, sanken die Temperaturen innerhalb weniger Tage merklich und die ersten Schneeflocken des neuen Winters fielen. Von da an wurde es stets kälter, der Schnee fiel häufiger und dichter, bis wenige Tage später eine dichte, weiße Decke über dem Land lag, in welcher die Pferde tiefe Hufspuren hinterließen. Sie ritten fast gerade nach Osten mit nur einer leichten Südrichtung, da ihr Ziel der Hohe Pass nördlich von Bruchtal war. Gelegentlich plapperte Gimli aus dem Nähkästchen, was sein Vater während der Überquerung eben jenes Passes erlebt hatte, damals, im Jahr, als der Ring gefunden und der Drache besiegt worden war. Earenis war allerdings nicht sonderlich erpicht auf ein Nachempfinden dieser Abenteuer, besonders nicht zu dieser Jahreszeit, wo eine Überquerung des Gebirges so schon nicht angenehm werden würde. In all der Zeit schwebte die Frage der Ungewissheit über ihnen. Noch immer wirkte das Land friedlich. Legolas sagte, dass selbst die Tiere nichts von einer neu aufkommenden Gefahr wussten. So blieb auch ihnen keinerlei Möglichkeit zu erfahren, was zurzeit vor sich ging. Was plante ihr noch gesichtsloser Feind Ghâshburz? Was war sein nächster Schritt? Und war er wirklich halb Elb halb Ork, wie der gefangene Ork nach der Schlacht behauptet hatte? Diese Frage machte Earenis wohl am meisten zu schaffen, auch wenn sie es nicht einmal Gimli, zu dem sie mittlerweile einiges Vertrauen gefasst hatte, gegenüber andeutete. Gab es noch andere wie sie? Hatten sie auch so leiden müssen wie sie? Oder hatten sie einen anderen Weg finden können als sie? Einen, der mit weniger Leid verbunden gewesen war? Wer war Ghâshburz? Das war noch immer die alles entscheidende Frage. Kapitel 36: Bürgermeister Valandil ---------------------------------- Mit einem Kopfschütteln aber Schmunzeln besah sich Estel das Blatt, das vor ihm auf dem Tisch lag. Elrond war schon kurz, nachdem er die Bibliothek verlassen hatte, zu seinem Ziehsohn gegangen, um ihm die Ergebnisse seiner ersten Nachforschungen vorzulegen. Elladan und Elrohir waren bei ihm und tuschelten miteinander. Elrond wollte lieber nicht wissen, was sie nun schon wieder ausheckten. Sie konnten einfach nicht erwachsen werden. „Adar, dass ausgerechnet du solche Dinge anstellst, hätte ich nicht gedacht.“ Estel konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Elrond zuckte nur mit den Schultern. „Gewisse Namen können auch vorteilhaft sein“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass Valandil ausgerechnet mich so schnell verdächtigen würde in seinen Unterlagen herumzuschnüffeln.“ „Das stimmt wohl“, bestätigte Estel. „Allerdings wird er nicht gerade erfreut sein, sollte er es doch herausfinden.“ „Du bist der König und er scheint dich zu hintergehen“, stellte Elrond klar. „Also soll er sich nicht wundern, wenn ich es nicht lassen kann, auch meine Finger im Spiel zu haben.“ „Das wissen wir ja alle“, mischte sich nun Elrohir ein. „Vater, der uns alle ständig bemuttert. Valandil hat sich den falschen Gegenspieler ausgesucht!“ Es brachte ihm lediglich einen mahnenden Blick seines Vaters ein, der jedoch gekonnt ignoriert wurde. Elrond befürchtete langsam, dass seine Söhne diesen Blick zu oft gesehen hatten, als dass sie ihn noch ernst nehmen konnten. Er sollte sich etwas Neues einfallen lassen. „Das hierzu entschlüsseln“, fand Estel zum eigentlichen Thema zurück und wedelte mit der Pergamentseite, „könnte allerdings eine Weile dauern. So lange müssen wir Valandil bei Laune halten, sodass er keinen Verdacht schöpft. Zumindest nicht mehr als ohnehin schon.“ „Heute Abend soll es doch ohnehin eine Feier zu unserem Sieg geben, nicht wahr?“, sagte Elladan. „Ganz Recht, unser Sieg!“, rief sein Bruder aus. „Was Valandils Leute dazu beigetragen haben…“ „Elrohir, genug“, fuhr Elrond ihm über den Mund. „Du tust ihnen Unrecht. Sie können nichts für die Unfähigkeit ihres Herrn. Estel muss heute Abend ohnehin zu dieser Feier, also können auch wir gute Miene zum bösen Spiel machen und uns dort ebenfalls hinbegeben.“ „Aber bitte nimm Ceomon und Rethtulu, mit, ja?“, bat Elrohir. „Sie können besser Wein ausschenken als die Stümper hier.“ „Ja, ich habe mitbekommen, dass es euch hier nicht gefällt“, stöhnte Elrond genervt. Manchmal waren seine Söhne auch wirklich zu anstrengend!   Wenige Stunden später befanden sie sich wie abgesprochen auf der Feier. Valandil hatte sich erfreut gezeigt, dass auch seine elbischen Gäste seiner Einladung gefolgt waren. Estel war ohnehin der Ehrengast. Sich auch noch mit Elben und dann auch noch solch namhaften zu schmücken, stand dem Bürgermeister gut zu Gesicht. Die große Festhalle am Rathausplatz war eigens für diesen Anlass hergerichtet worden und auch auf dem Platz selbst hatte man Raum für das gemeine Volk zum Feiern geschaffen, und auch wenn das Wetter nicht gerade einladend war, so waren doch viele gekommen. Vielleicht auch einfach nur, um die Elben zu sehen. Elrond musste sich eingestehen, dass er es immer wieder aufs Neue äußerst amüsant fand, wie Menschen in Elben eine regelrechte Attraktion sahen. Zu Beginn hatte Valandil eine flammende Rede über den Sieg gehalten und dann als Zeichen des Bündnisses und der gegenseitigen Freundschaft mit Estel und Elrond angestoßen. Auch wenn sich Elrond insgeheim sagte, dass dies kaum mehr als ein Scharmützel denn eine wirkliche, ausgewachsene Schlacht war. Zumindest gab sie den Menschen für die nächsten Jahre einigen Gesprächsstoff. Nun waren die Gespräche schon seit einiger Zeit rege im Gange und Estel schien beschlossen zu haben, dass es nun Zeit wurde, mit Valandil über ernstere Themen zu sprechen. „Ich muss sagen, ich bin erstaunt, Bürgermeister Valandil“, begann er. „Die Berichte, die mir zum Zustand des Wiederaufbaus der Stadt in Minas Tirith vorliegen, zeigten mir das Bild einer Stadt auf, die in weit fortgeschrittenerem Zustand sei, als es tatsächlich der Fall ist.“ Valandils Verblüffung wirkte täuschend echt. „Dann muss Euch ein bedauerlicher Irrtum vorliegen, mein König“, sagte er. „Oder meine Schreiber konnten sich nicht vernünftig ausdrücken, was mir natürlich äußerst Leid tut, sollte dies der Fall sein. Ich kann Euch jedoch versichern, dass wir Eure von Euch zur Verfügung gestellten Gelder nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt haben. Nur könnt Ihr Euch sicher vorstellen, dass, nachdem eine Stadt so lange in Ruinen gelegen hat, ein Wiederaufbau mit so einigen Komplikationen verbunden ist.“ „Die Wohnhäuser sind in der Tat in einem recht guten, wenn auch noch immer verbesserungswürdigen Zustand“, stimmte Estel zu. „Dennoch war ich schon bei meiner Ankunft über den Zustand der Wehranala hättet es tun müssen“, setzte Estel gen verblüfft. Zwar konnten wir mit der Hilfe des Zwergs Gimli in Eile einige notdürftige Verbesserungen vornehmen, die, wie Ihr selbst gesehen habt, doch einiges ausrichten konnten, doch eine Lösung von Dauer kann dies nicht sein. Ihr hättet wissen müssen, dass den Wehranlagen eine wesentlich höhere Priorität hätte zukommen müssen.“ Valandil rieb sich aufgrund des Tadels die Hände und zog den Kopf ein. „Natürlich, natürlich“, sagte er kleinlaut. „Das war wohl mein Fehler. Aber wer hätte schon nach Saurons Fall noch einmal solch eine feindliche Bedrohung erwartet?“ „Ihr hättet es tun müssen“, setzte Estel seinen Tadel fort. „Das Nördliche Reich ist schon seit vielen Jahren nicht mehr so sicher, wie es einmal war. Solche Zustände legen sich nicht von einem Jahr auf das andere.“ „Natürlich, mein König…“ Valandil legte eine totunglückliche Miene auf. „Dieses Mal ist noch einmal alles gut gegangen. Doch das nächste Mal kann schon gänzlich anders aussehen. Für die Dauer meines Aufenthaltes, wie lange dies auch sein mag, werde ich die Angelegenheiten dieser Stadt übernehmen“, sprach Estel offiziell aus, was er ohnehin schon die ganze Zeit getan hatte. „Danach werden wir weiter sehen.“ Elrond bemerkte sehr wohl den gehetzten und durchaus leicht panischen Blick Valandils, auch wenn er es mit einem raschen, zustimmenden Neigen des Kopfes zu vertuschen versuchte. „Natürlich, mein König“, sagte der Mann. „Wie Ihr befehlt.“ Er verbarg etwas, irgendetwas, und er wollte nicht, dass dies ans Tageslicht kam. Elrond ahnte, dass dies nicht nur mit Geldwäsche zu tun hatte, dass Valandil nicht einfach nur Estels Gelder teils in seine eigenen Taschen gesteckt hatte. Aber was war es dann? Er hoffte, dass die Entschlüsselung der Kopie der Schlüssel zur Lösung dieses Problems war. Und dann war da auch noch das plötzliche Auftauchen eines neuen Feindes. Und alles zur selben Zeit. Bestand da vielleicht irgendein Zusammenhang? Er hoffte es nicht. Denn wenn doch, wäre dies ein böses Omen. Kapitel 37: Die Überquerung des Nebelgebirges --------------------------------------------- Die drei Reisenden bereiteten sich auf einige ungemütliche Tage im hohen Gebirge vor. Es hatte nicht lange gedauert, bis der Winter sich hier im Norden etabliert hatte und es nun deutlich geworden war, dass sie so schnell keine Temperaturen über dem Gefrierpunkt mehr erwarten konnten. Dies hieß ebenso, dass, je höher sie ins Gebirge stiegen, es noch einmal empfindlich kälter werden würde. Schon längst hatten sie ihre Winterkleidung angezogen, die nun wirklich nötig wurde, und hatten nun auch auf ihrem Weg begonnen Feuerholz zu sammeln, jeder so viel, wie er tragen konnte, und auch Mistaroa und die beiden Pferde mussten Holzbündel tragen. Erst hatte Mistaroa nach Gimlis Händen geschnappt, als er versucht hatte ihm das provisorische Geschirr anzulegen, womit der Hund das Holz tragen konnte, doch dann hatte Earenis ihm die Arbeit abgenommen. Mistaroa wirkte dennoch nicht gerade glücklich. Das Land stieg mittlerweile merklich an und war deutlich hügeliger geworden. Das Vorgebirge war erreicht und stieg rasant zu der hohen Gebirgskette an, die sich auf so viele Meilen von Nord nach Süd durch Mittelerde zog. „Damals, als die Welt jung war und auch die Eldar soeben erst erwacht waren, zog der Vala Orome mit ihnen vom See Cuiviénen auch durch dieses Land“, erzählte Legolas eines Tages. „Manche von ihnen, meine Vorfahren, fürchteten sich jedoch vor diesen gewaltigen Bergen, hatten sie doch bis dahin nichts Vergleichbares gesehen. Also wandten sie sich unter der Führung Lenwes ab und gingen zunächst nach Süden und waren für viele Jahre aus den Erzählungen verschwunden. Erst lange Zeit später führte Lenwes Sohn Denethor sie nach Beleriand, in das Reich König Thingols. Diese Elben nennt man Nandor, Waldelben.“ Es gab noch einiges dazu zu erzählen, das wusste Earenis, und auch Gimli hatte schon ein wenig davon gehört. Doch Legolas brach an dieser Stelle ab, denn er wusste, dass alles Weitere die Noldor und damit das Volk von Earenis‘ Mutter in ein schlechtes Licht stellen würde. Das Nebelgebirge war ein wahrlich imposantes Gebirge; auch wenn sich Gimli beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie man sich davor fürchten konnte. Vielleicht war er aber einfach nur vorbelastet, eben weil er ein Zwerg war. Er jedenfalls freute sich, wieder einmal ein paar Berge um sich herum zu haben, egal, wie ungemütlich es werden konnte. Vielleicht eine Woche später erreichten sie den Fuß des Gebirgspasses. Schmal und steil wand er sich in das Hochgebirge. Hier mussten sie absteigen und zu Fuß weiter gehen. Sie banden die Pferde aneinander und führten sie vorsichtig auf den Pfad. Nur langsam konnten sie hier voran gehen, immer darauf bedacht, keinen Stein loszutreten. Schnell wurde der Abgrund zu ihrer rechten immer tiefer und auch der Weg wurde mal schmaler, mal breiter. Hin und wieder scheute sogar eines der Pferde. Dann wand sich Legolas, der die beiden Tiere führte, zu ihnen um und wisperte ihnen leise Worte in seiner Sprache ins Ohr. Gimli bestaunte noch immer, wie Legolas mit Tieren umgehen und sie dazu bewegen konnte, alles zu tun, was er von ihnen wollte. Nun, bis auf Mistaroa, der Hund hatte selbst nach ihm geschnappt, als er ihm einmal zu nahe gekommen war… Earenis ging voran und stocherte mit einem der Stöcke, die sie gesammelt hatten, im Schnee herum, der den Pfad bedeckte. Auf diese Weise prüfte sie, ob der Weg noch sicher war – zumindest so sicher, wie es eben sein konnte. Dennoch bemerkte Gimli das Eis unter dem Schnee. Nur gut, dass seine Stiefel eisenbeschlagen waren, auf diese Weise hatten sie mehr Halt. Er beneidete Legolas um seine Fähigkeit, einfach so auf dem Schnee laufen zu können. Earenis jedenfalls konnte dies auch nicht. Ob es daran lag, dass sie nur zur Hälfte eine Elbin war? Mit einem Male jedoch strauchelte sie, schrie vor Schreck auf und ruderte wild mit den Armen. Die Pferde schnaubten erschrocken. Legolas sprang vor und packte sie am Arm, bevor sie noch in den Abgrund stürzen konnte. Rasch zog er sie zu sich heran und hielt sie fest. Gimli bemerkte, wie auch sein Herz vor Schreck wild pochte. Das hätte auch wesentlich schlimmer enden können als mit einem Schreckmoment! Aber zum Glück war es nicht so weit gekommen. Und sogar mit einem Schmunzeln bemerkte er die Sorge in Legolas‘ Blick. Er hatte es ja geahnt! So langsam fing der Elb doch an, das Mädchen zu mögen! „Alles in Ordnung?“, fragte Legolas. „Ja. Ja, alles in Ordnung.“ Ein wenig verlegen löste sie sich von ihm und wischte sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Muss wohl eine Eisplatte übersehen haben und bin ausgerutscht.“ Mit einem Zögern fügte sie kleinlaut an: „Danke…“ Gimli schmunzelte. Aha… „Dann ist ja gut“, sagte er. „Nichts passiert und alles noch heil. Dann sollten wir zusehen, dass wir weiter kommen und einen Unterschlupf für die Nacht finden. Es wird bald dunkel, sagt diese Zwergennase.“ So hielten sie es. Nun weitaus vorsichtiger setzten sie ihren Weg fort. Wenige Meilen später fanden sie auch tatsächlich eine Art kleine Höhle, mehr eine Mulde in der Felswand, die jedoch immerhin tief genug war, dass sie dort ihr etwas beengtes Lager aufschlagen und sogar leidlich vor den Witterungsbedingungen geschützt waren. In den nächsten Tagen stiegen sie immer höher in das Gebirge, das Wetter wurde immer ungemütlicher. Irgendwann begann auch Legolas zu bemerken, dass ihm unangenehm kalt war, von Earenis oder gar Gimli gar nicht zu sprechen. Selbst Mistaroa klemmte den Schwanz ein und auch die Pferde wurden immer störrischer, egal wie sehr Legolas auf sie ein redete. Doch alles hatte ein Ende und irgendwann einmal wurde das Wetter besser und der Pfad führte wieder mehr und mehr gen Tal. Ohne weitere große Zwischenfälle hatten sie schließlich das Gebirge überqueren können und befanden sich nun auf der Ostseite. Ein weites, wildes Land erstreckte sich hier und am Horizont ein grünes Band. Der Eryn Lasgalen. Bald waren sie am Ziel. Kapitel 38: Dinge, die Kopfzerbrechen bereiten ---------------------------------------------- Das Kratzen der Feder auf Pergament war schon seit einer geraumen Zeit nahezu das einzige, was zu hören war. Garahû lag in seiner Ecke und schnarchte leise vor sich hin. Gelegentlich raschelte das Pergament und hin und wieder hörte man vor der Tür jemanden geschäftig entlang laufen. „Nein, nein, nein!“, stöhnte auf einmal Ceomon auf. Elrond zuckte erschrocken zusammen und konnte gerade noch verhindern, dass er einen hässlichen Tintenstrich quer über den Brief an seine Tochter zog. „Erschreck mich doch nicht so!“, zeterte er. „Entschuldigt bitte“, sagte Ceomon. „Aber was Ihr mir vorgelegt habt, bereitet mir einiges an Kopfzerbrechen. Könnt Ihr Euch nicht eine andere Aufgabe für mich ausdenken als die herauszufinden, wie Valandils Schreiber ihre Aufzeichnungen verschlüsseln?“ „Irgendjemand muss es ja machen“, war Elronds trockene Antwort. „Außerdem habe ich schon damit zu tun Estel zu helfen hier alles ins rechte Lot zu bringen und solch eine Aufgabe wie deine würde meine ganze Aufmerksamkeit erfordern. Immerhin musst du dafür nichts anderes machen.“ „Was dann Rethtulu für mich übernimmt“, grummelte Ceomon. „Ob das gutgehen kann…“ Elrond sah ihn mahnend an. Ceomon zog den Kopf ein. „Ja, ich arbeite ja schon.“ „Versuch doch einmal, diese Zeichen durch Buchstauben oder Zahlen zu ersetzen“, schlug Elrond vor. „Oder sie rückwärts lesen oder auf den Kopf stellen. Oder –“ „Dann macht Ihr es doch, wenn Ihr es besser könnt“, unterbrach Ceomon ihn missgelaunt. „Ja, ja, schon gut.“ Kurz darauf fügte er noch an: „Dann lasse ich dich eben jetzt allein und geh zu Estel, es gibt noch einige Dinge zu klären. Lass keinen hinein.“ „Geht in Ordnung.“ Ceomon klang sehr verstimmt und Elrond sah zu, dass er den Raum verließ. Estel hatte seine Gemächer nur unweit von seinen bekommen, so dass der Weg nicht allzu weit war. Er klopfte an und trat dann, als Estels Ruf ertönte, ein. Er fand seinen Ziehsohn an einem Tisch über eine Karte des Nördlichen Königreiches gebeugt. „Was überlegst du?“, erkundigte sich Elrond. Estel blickte auf und lud ihn ein sich zu setzen. Dann griff er nach einer Weinkaraffe und schenkte ihm ein. Dankend nahm Elrond den Weinkelch entgegen. „Ich versuche zu verstehen, was unser noch nahezu unbekannter Feind planen könnte“, sagte er. „Was selbstredend eigentlich nahezu unmöglich ist mit dem Wissensstand, den wir aktuell besitzen.“ „Wir werden Spähtrupps in das Land entsenden müssen, weitaus mehr als bisher“, sagte Elrond. „Was gleichzeitig die Verteidigung schwächen würde“, gab Estel zu bedenken. „Haben wir eine andere Wahl?“ Estel schwieg. „Da hast du wohl Recht…“, gab er dann zu. „Sollte tatsächlich diesem Heer ein noch größeres folgen, werden wir es bemerken müssen, es kann sich nicht ewig verbergen. Ich habe ohnehin bereits Boten zu den anderen Städten Arnors geschickt. Mehr kann ich im Moment wohl wirklich nicht machen außer den weiteren Wiederaufbau dieser Stadt zu regeln. Man mag es kaum glauben, aber sobald ich da bin, läuft alles wie geschmiert, auffallend… Wie läuft es bei dir?“ „Ceomon ist nicht begeistert von dem, was ich ihm aufgetragen habe, aber ich glaube er schafft das schon“, sagte Elrond. Estel musste schmunzeln. „Du und Ceomon und Rethtulu, ihr seid schon ein seltsames Gespann.“ „Sie kannten mich schon, da konnte ich noch nicht einmal laufen“, war Elronds einzige Erwiderung. „Und laut ihnen war das einzige, was ich zu der Zeit, als Onkel Maglor mich fand, sagen konnte, ‚Hunger!‘. Sagen sie jedenfalls…“ Was ja auch stimmte. In gewisser Weise hatten Ceomon und Rethtulu ihn genauso großgezogen, wie es Onkel Maglor und Onkel Maedhros getan hatten. In dem Moment unterbrach ein heftiges Klopfen an der Tür sie. „Herein!“, rief Estel erneut und beinahe sofort stürmte Ceomon den Raum, gefolgt von Garahû. „Der Hund hat nahezu all meine Notizen gefressen, die ich mir in mühevoller Kleinarbeit angefertigt habe!“, zeterte er. Estel musste lachen. „Das ist nicht lustig!“, keifte Ceomon. „Wenn er solch einen Hunger hat, dann gib ihm doch etwas zu fressen“, lautete Elronds Universallösung. Auf Ceomons ungemein finsteren Blick hin zog er jedoch schleunigst den Kopf ein. „Ich bin ja schon ruhig…“ Estels Lachen verfolgte ihn noch geraume Zeit später. Kapitel 39: Stadtrundgang ------------------------- Um in der nächsten Zeit Vorfälle wie den vergangenen zu verhindern, hatten Estel und Elrond mit Bürgermeister Valandil für den Folgetag eine Visite in der Stadt vereinbart. Nun warteten sie beide jedoch schon seit geraumer Zeit auf den Bürgermeister, er war spät dran. „Wo sind eigentlich Elladan und Elrohir?“, wollte Estel wissen, um die Zeit ein wenig tot zu schlagen. Elrond sah ihm an, dass er nicht gerade froh darüber war, dass man sie warten ließ, und er konnte es ihm nicht verübeln. Es war nicht gerade die feine Art, die Valandil an den Tag legte. „Sie erledigen gewisse Dinge“, sagte er und meinte, dass seine Söhne erneut versuchen wollten an Informationen zu gelangen. „Danach wollten sie Glorfindel einen Besuch abstatten.“ „Der bestimmt sehr froh darüber sein wird, von ihnen bei der Folter deiner Truppen unterbrochen zu werden“, lachte sein Ziehsohn. Er kannte Glorfindel immerhin gut genug, um  dessen enorm große Vorliebe zur Disziplin zu kennen. Plötzlich hörten sie Schritte hinter sich. Einigermaßen überrascht wandte sich Elrond um und erblickte Valandil. Wo kam dieser so plötzlich her? Der kleine Mann schien außer Atem, als sei er in Eile gewesen. Immerhin schien er sich des Umstandes bewusst zu sein, dass er spät dran war. Elronds Miene verfinsterte sich. Dass dies nicht mehr bei seinen Söhnen funktionierte, hieß ja noch lange nicht, dass es auch auf andere zutraf. Valandil zog intuitiv den Kopf ein. „Ich bitte mein verspätetes Kommen zu entschuldigen“, sagte er. „Eine überraschende Verpflichtung hatte mich ereilt.“ Elrond brummte nur missmutig, Estel nickte immerhin noch. „Als würden wir das nicht alle kennen“, sagte er gönnerhaft, wenn auch weniger freundlich, als es vielleicht möglich wäre. Valandil nickte eifrig. „Aber jetzt soll uns nichts mehr stören“, sagte er. „Wichtige Dinge erwarten uns!“ Estel wartete ein weiteres Wort nicht ab und wandte sich um. Zu dritt verließen sie das Atrium des Stadthauses und betraten die Stadt. Es war einer jener Tage, an welchen Elrond am liebsten im Bett bleiben und sich die Decke über die Ohren ziehen wollte. Es war kalt und nass und zusätzlich wehte ein klammer Wind. Er schlug den Kragen seines Gewandes höher. Wie er solches Wetter hasste! Es erinnerte ihn immer wieder daran, dass er eben auch Menschen unter seinen Vorfahren hatte, und auch wenn die Zeiten, in denen er dafür schikaniert wurde, schon seit vielen tausend Jahren vorüber waren, so war es ihm hin und wieder doch immer noch unangenehm. Estel hatte sich für diesen Tag vorgenommen sich ein genaues und detailliertes Bild der Situation der Stadt zu machen; ihre Vorräte und Versorgungslagen, die Wohnsituation und vor allem auch der Zustand der Stadtwache und der Wehranlagen standen auf seiner Liste. Gemeinsam mit Elrond und Valandil besichtigte er alles und lies sich vom Bürgermeister genauestens instruieren. Elrond schwieg die meiste Zeit über und konzentrierte sich auf Valandil. Er musste herausfinden, was hinter der Stirn dieses Mannes vor sich ging. Eines war offensichtlich: Er war nervös, und es schien Elrond, als sei er dies in der Regel nur, sobald Estel oder er in der Nähe waren. Er hatte Valandil schon das eine oder andere Mal angetroffen, als dieser sich unbeobachtet meinte, stets hatte er einen entspannteren Eindruck gemacht. Was verbarg er also? Etwas, das ihn wahrscheinlich in einige Schwierigkeiten bringen konnte, sollte Estel davon erfahren. Welche Strafe stand auf Geldhinterziehung, vor allem von Hinterziehung königlicher Gelder? Seines Amtes würde er mindestens enthoben werden, doch das würde er ohnehin, überlegte Elrond. Valandil hatte schlampige Arbeit verrichtet, Estel würde dies sicher nicht weiter dulden. Die Versorgung der Bevölkerung war weitestgehend gesichert, wenn auch nicht optimal, doch die Stadtwache war ein chaotischer Haufen von zumeist schlecht ausgebildeten Männern verschiedensten Alters. Es gab nur wenige, die wirklich das nötige Können besaßen, zu wenige, als dass eine effektive Ausbildung der restlichen Wachen in naher Zeit gewährleistet werden könnte oder gar die Sicherheit der Region. „Ich werde einige meiner Leute zur Verfügung stellen“, warf Elrond schließlich ein, während sie gerade das Übungsgelände der Wache besichtigten. Es tat ihm in der Seele weh, diese jungen Burschen dabei zu beobachten, wie sie sich damit abmühten auch nur das Schwert richtig zu halten. Glorfindel wäre mit Sicherheit nicht begeistert über seine Idee… „Die Jahrtausende alte Erfahrung der Elben an unserer Seite zu wissen, wird uns sicher sehr von Nutzen sein“, sagte Valandil. „Ich danke Euch für das Angebot.“ Einer der Jungen, Neulinge, die in der Nähe übten, hatte ihn anscheinend gehört und warf ihm einen leicht panischen Blick zu. Ob er ahnte, was damit auf ihn zu kam? Elrond konnte es ihm nicht verübeln und überlegte gleichzeitig, was man potenziellen Rekruten der Wache hier sagte, bevor sie sich einschrieben. Dass es ein Kinderspielplatz war? In einem Anflug von Sarkasmus war Elrond gewillt dies zu glauben. Zumindest sah es danach aus. Wenn Glorfindel das herausfand, würde er ihn einen Kopf kürzer machen wollen, dessen war sich Elrond sicher. Die Wehranlagen kannten sie bereits gut, dennoch wollte sich Estel auch diese noch einmal in Ruhe ansehen. Die ganze Zeit über befragte er den Bürgermeister zu diesen und jenen Dingen, vor allem die Verteidigung betreffend. Valandil schien gewisse Dinge zwar verschleiern zu wollen, aber Elrond entging die Wahrheit dennoch nicht. Wenn sie wieder unter sich waren, sollte er Estel darauf ansprechen, ob er dies auch bemerkt hatte. Die Wache war nicht nur schlecht ausgebildet sondern auch noch völlig desorientiert. Es wäre Valandils Pflicht gewesen, die zu Fornost gehörenden Ländereien genügend abzusichern, doch dies war nicht geschehen. Was über die Grenzen der Stadtmauern hinweg geschah, schien Valandil kaum interessiert zu haben, zu wenige Patrouillen waren ausgesandt worden. Auch Estel schien sich irgendwann einmal nicht mehr täuschen zu lassen. „Ihr habt viele Fehler begangen und mit dem angreifenden Heer hatte sich dies nun gerächt“, platze ihm schließlich der Kragen. „Eure missliche Erfüllung Eurer Aufgaben hätte viele hunderte Bürger sinnlos das Leben kosten können. Es war allein Euer Glück, dass wir rechtzeitig von Bruchtal aus aufgebrochen waren und selbst den Feind früh genug entdeckt hatten. Denn das hattet Ihr nicht getan. Ihr versucht es zu vertuschen, aber erst mein Bote hat Euch von der drohenden Gefahr unterrichtet, auch wenn dies nicht seine Aufgabe gewesen war.“ „Euer Majestät…“, versuchte es Valandil kläglich und kleinlaut. „Ich versichere Euch, ich tat mein bestes. Doch Ihr müsst Euch des Umstandes bewusst sein, dass hier im Norden anders als im warmen Gondor nichts von allein kommt. Ich hatte doch kaum mehr als Ruinen, als Ihr mir dieses Amt übertrugt.“ „Es reicht!“, donnerte Estel. Elrond steuerte einen finsteren Blick bei. Bei Sterblichen wirkte dies meist mehr als jedes Machtwort und so war es auch hier. Valandil schrumpfte vor ihren Augen merklich zusammen. „Es reicht endgültig“, fuhr Estel etwas ruhiger aber immer noch merklich zornig fort. „Ihr seid Eures Amtes enthoben, sobald ich einen Nachfolger gefunden habe. Da wir im Moment andere Sorgen haben, könnt Ihr Euch des Titels noch für ein paar weitere Tage erfreuen, auch wenn er für Euch keinerlei Macht mehr beinhaltet. Bis auf weiteres habe ich die Befehlsgewalt in dieser Stadt inne.“ „Mein Kö…“, wollte Valandil protestierend ansetzen, kuschte aber, als er Estels finsteren Blick bemerkte. „Wie Ihr befiehlt…“, sagte er kleinlaut und geknickt. „Ihr hattet Eure Möglichkeit und Ihr habt sie nicht genutzt.“ Mit einem Schnauben wandte sich Estel ab. Elrond klopfte sich gedanklich auf die Schultern. Er hatte Estel gut erzogen. Nun zu sehen, wie er seines Amtes gerecht wurde, erfüllte ihn mit Stolz. Ja, Estel war tatsächlich würdig die Flügelkrone Gondors zu tragen und seine Tochter zur Frau zu haben. Auch wenn er natürlich auch seinen Teil dazu beigesteuert hatte… Er trat an Estels Seite, während sie zum Stadthaus zurückkehrten, Valandil, der ihnen wie ein getretener Hund folgte, nicht beachtend. „Hast du schon Kunde aus den anderen Städten Anors erhalten?“, fragte er. „Ja, so ist es, mehrere Raben erreichten mich heute“, bestätigte Estel. „Sie sind über die aktuelle Lage informiert und werden Unterstützung liefern, so gut sie können und wie wir ihrer bedürfen. Ebenso habe ich Kunde in den Süden zu Stadthalter Faramir gesandt, dass er einen Teil des Heeres hierher entsenden soll, auch wenn ich nicht weiß, ob es überhaupt jemals rechtzeitig hier ankommen wird.“ „Gut. Auch ich habe Kunde in die Heimat entsandt, dass uns noch mehr meiner Leute nachfolgen sollen“, ergänzte Elrond. „Auch aus den anderen Städten des Nördlichen Königreiches sollten uns, so denke ich, zumindest jeweils ein Teil der Soldaten geschickt werden. Im Moment ist dies hier die schwächste Garnison, bis diese genügend aufgebaut ist, wird es seine Zeit benötigen. Erst dann können wir ohne Gefahren Kundschafter in das Land aussenden und es im weiteren Umkreis erforschen. Wir müssen wissen, was dort vor sich geht, was uns droht!“ „Du hast es doch gehört, ein neuer Feind ist es, den wir durchaus ernst nehmen sollten“, sagte Estel. „Auch wenn wir die Details nicht kennen. Und das ist es, was mir Sorgen bereitet. Bei Sauron wussten wir, woran wir waren, doch nun?“ „Wir werden es früher oder später in Erfahrung bringen“, sagte Elrond. Wenn es da nicht schon zu spät war. Kapitel 40: Grünwald der Große ------------------------------ Legolas blühte regelrecht auf, als er seine Heimat in der Ferne erblickte. Er war eben sehr heimatverbunden. Gimli warf zwar sehnsüchtige Blicke dem Einsamen Berg weit in der Ferne jenseits des Waldes zu, schien aber ansonsten doch auch erstaunlich gelassen dem Besuch bei den Waldelben entgegen zu blicken. Lediglich Earenis‘ Laune verfinsterte sich zusehends. Sie wollte gar nicht erst an die zwangsläufige Begegnung mit dem König denken. Ob sie Legolas bitten sollte, sie von seinem Vater fern zu halten? Aber wahrscheinlich würde er sie nur wieder auslachen, weil er ihre Bedenken nicht verstehen konnte oder wollte. Und womöglich würde dies ohnehin nicht gehen. Wenn Thranduil hörte, dass auch sie in die ganze Angelegenheit irgendwie verstrickt war, würde er gewiss mit ihr reden wollen. Und dann würde er erkennen, was sie war… Ihm würde gewiss nichts an ihr passen! Nicht nur, dass ihr Vater ein Ork gewesen war, nein, beinahe genauso schlimm war es bestimmt für ihn, dass ihre Mutter den Noldor angehört hatte! Und jeder wusste, dass Thranduil nicht nur Zwerge sondern auch Noldor hasste. Auch wenn Earenis bis heute nicht verstanden hatte, warum es hieß, dass der König der Ansicht war, der Tod seines Vaters sei dem Hohen König Gil-galad zuzuschreiben. Wie sie die Sache verstanden hatte, war es Orophers eigene Schuld gewesen, aber das sagte sie wohl lieber nicht laut. Nördlich des Carrock fanden sie eine Überquerung des teils zugefrorenen Anduin, der hier im Norden noch nicht jener reißende Strom war wie in Gondor. Das Land östlich der Berge war wilder, rauer, denn schon lange hatten sie die Grenze zur Wildnis hinter sich gebracht. Nun galt es noch größere Vorsicht walten zu lassen. Der Winter hatte das Land hier schon länger im Griff als westlich der Berge, auch wenn bedingt durch den Fakt, dass allgemein weniger Niederschlag fiel, der Schnee noch nicht allzu hoch lag. Das Wetter war klirrend kalt und hatte das Land erstarren lassen. Nichts regte sich mehr, kein Leben war zu sehen. Earenis betrat in diesen Tagen das erste Mal den Großen Grünwald, Eryn Lasgalen, wie er nun, da der dunkle Einfluss Dol Guldurs von ihm genommen worden war, genannt wurde. Sie hatte ihn sich finsterer vorgestellt, natürlich, wenn man so viele Jahre lang nichts anderes als Geschichten über einen verfluchten Wald hörte. Mittlerweile wirkte er wie ein ganz normaler großer Wald, vielleicht etwas wilder als seine kleineren Vettern, doch ansonsten war an ihm kaum etwas Ungewöhnliches. Legolas strahlte über das ganze Gesicht. „Wir haben sogar kaum noch Spinnen zu beklagen“, berichtete er stolz. „Selbst die Tiere sind freundlicher geworden, jetzt, wo der böse Hauch aus dem Wald verschwunden ist.“ Wahrscheinlich erwartete er jetzt Begeisterungsstürme von ihr, da er das offensichtlich an sie gewandt hatte, doch sie brummte nur. Gimli klopfte ihm auf die Schulter. „Komm, ist gut“, sagte der Zwerg. „Wir wissen, dass du sehr heimatverbunden bist. Und jetzt reit weiter, es ist kalt und ich will endlich ins Warme.“ Legolas grummelte missmutig, kam dem aber nach. Ihr Weg führte sie noch mehrere Tage lang durch das dichte Blätterdach ohne auch nur einmal eine größere Lücke im Geäst über ihnen ausmachen zu können. Da Legolas anscheinend tatsächlich jeden Stein hier zu kennen schien, kamen sie allerdings trotz des unwegsamen Geländes rasch voran. Die ganze Zeit plapperte der Elb fröhlich aus dem Nähkästchen über seine Heimat und hoffte anscheinend Earenis damit zu beeindrucken. Es interessierte sie nur mäßig, sie nickte lediglich hin und wieder aus Höflichkeit. Er gab dennoch nicht auf. Hier im Wald war die Kälte nicht ganz so schneidend wie noch auf der offenen Ebene zwischen Gebirge und dem Eryn Lasgalen. So gestaltete sich dieser Weg bedeutend angenehmer als noch zuvor. Auch die Aussicht auf die warmen Hallen Thranduils ermutigte sie noch einmal. Anscheinend hatte Legolas den Pferden zugeflüstert, das warme Ställe und frisches Heu auf sie warten würden, denn auch die beiden Tiere schienen wesentlich motivierter als noch bei der Überquerung des Gebirges zu sein. Es erstaunte Earenis zugegebener Maßen wirklich, aber bis auf den beinahe Absturz von ihr (an den sie sich nicht gern erinnerte, vor allem an den Fakt, am Ende in Legolas‘ Armen gelegen zu haben) waren sie tatsächlich ohne Zwischenfälle an ihr Ziel gelangt. Ein wenig ließ dies sie misstrauisch werden, denn für die Androhung eines neuen, noch weitestgehend unbekannten Feindes war es doch erstaunlich ruhig im Lande. Die nächste Zeit würde zeigen, wie sich die Lage entwickelte. Doch vorerst hieß es, die Kunde der Ereignisse auch an König Thranduil heranzubringen – und sich aufzuwärmen, der einzig positive Aspekt an ihrer momentanen Lage, befand Earenis.  Kapitel 41: Der König des Waldlandreichs ---------------------------------------- Ihre Ankunft schien bereits erwartet worden zu sein, so schien es Earenis, denn sonderlich überrascht wirkten die Wachen nicht, als sie über die Brücke auf das große Tor zuritten, welches in den Berg hinein und in Thranduils Hallen führte. Sie wurden freundlich empfangen, besonders natürlich Legolas. Auch Gimli schien man bereits zu kennen. Nur Earenis wurde, wie nicht anders zu erwarten, schief angesehen, schon allein, weil sie ein für eine Elbin ungewöhnliches Äußeres besaß. Noch, als man ihnen ihre Pferde abnahm, wurden die Palasttore aufgestoßen und eine kleine Elbin mit nussbraunem Haar stürmte heraus. Freudig rufend sprang sie Legolas in die Arme, der sie lachend an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. „Ada, da bist du ja wieder!“, rief sie aus. „Lothmiw, welch Überraschung!“, lachte Legolas. „Ich dachte, du seiest in Ithiliën.“ „Das gleiche könnte ich aber von dir auch sagen“, hielt sie ihm vor. „Du hast gesagt, dass du Aragorn in Bruchtal besuchen willst und nicht Großvater hier.“  „Es kamen einige unerwartete Dinge dazwischen, vielleicht hast du davon etwas schon mitbekommen“, sagte Legolas, nun ernster. „Komm doch mit uns, wir werden Vater ohnehin davon berichten.“ Earenis war verwirrt. War diese Elbin dort Legolas‘ Tochter? Aber wer war die Mutter? Sie hatte nicht gewusst, dass er verheiratet war! Aber vielleicht klärte sich dies nun, als Legolas sie Lothmiw vorstellte. „Sie ist meine Adoptivtochter“, fügte er erklärend an, als er ihren verwirrten Blick bemerkte. „Ich fand sie in einem zerstörten Dorf im Süden, und da weder ihre Mutter noch ihr Vater überlebt hatten, habe ich sie aufgenommen.“ „Ada hat ein viel zu weiches Herz.“ Lothmiw stupste ihn an. „Gib es doch einfach zu, du kannst großen Kinderaugen einfach nicht wiederstehen.“ Er winkte ab. „Lass gut sein. Adar wartet sicher schon“, lenkte er vom Thema ab. Die unerwartete Verwandtschaft Legolas‘ war eine willkommene Ablenkung gewesen. Jetzt wieder daran erinnert zu werden, was ihr bevorstand, schmeckte Earenis ganz und gar nicht. Es war ein wenig wie der Sprung ins eisige Wasser. Sie folgten dem Prinzen in die Hallen hinein. Die Söldnerin sah sich mit großen Augen um. Noch nie hatte sie so viel Pracht gesehen. Selbst Bruchtal, das erste Herrenhaus, das sie von innen gesehen hatte, hatte eine bescheidenere Ausstattung besessen. Es war bekannt, dass Thranduil eine Schwäche für Reichtümer besaß und er zeigte dies auch. Die Wände waren nicht selten mit edlen Steinmetzarbeiten und Mosaiken geschmückt und um die Gänge zu erhellen, begnügte der König sich nicht mit einfachen Fackeln sondern mit wahrscheinlich sündhaft teuren, fein gearbeiteten Silberlaternen, die ein angenehmes, gleichmäßiges Licht verströmten. Earenis fühlte sich an die berühmten Lampen der Noldor erinnert, auch wenn diese doch verschieden waren. Wo sie hinkamen, wurde Legolas freundlich begrüßt, Gimli erhielt das eine oder andere höfliche Nicken und Earenis all die verwunderten Blicke. Sie wünschte sich, sich in Luft auflösen zu können, nur damit sie nicht mehr so angestarrt wurde wie der Sonderling, der sie nun einmal war. Gimli, der anscheinend ihr Unbehagen bemerkte, hielt sich bei ihr, während Legolas fröhlich mit seiner Tochter schnatternd vorauslief. „Einfach nicht beachten“, riet der Zwerg ihr und meinte die scheelen Blicke der Elben hier. „Das ging mir am Anfang auch so. Wenn du erst einmal gemeinsam mit ihnen betrunken warst, akzeptieren sie dich schon.“ „Na toll…“, grummelte Earenis. „Das geht schneller, als man denkt, glaub mir“, sagte Gimli. „Auch wenn die meisten hier sehr trinkfest sind. Da muss man schon selbst einiges vertragen können, um mit ihnen mitzuhalten. Aber Thranduils Wein ist gut.“ „So gut, wie man sagt?“ „Besser! Das muss man ihm wirklich lassen“, und hier senkte Gimli die Stimme: „Er hat einen schrecklichen Charakter, aber von Wein versteht er etwas.“ Sie kicherte. Ja, mittlerweile mochte sie Gimli wirklich sehr. So sehr, wie sie mit ihm hatte lachen können, hatte sie sich schon viel zu lange nicht mehr amüsiert. Außerdem schien er sie zu verstehen. „Aber eines muss ich jetzt wissen“, sagte sie leise. „Hat Legolas nun eine Frau oder nicht? Die Angelegenheit mit seiner Adoptivtochter verwirrt mich noch immer.“ „Nein, er ist immer noch zu haben. Also wenn du interessiert bist…“ Gimli zwinkerte ihr schelmisch zu und sie zog eine Grimasse. Nein, das war sie sicher nicht! „Ich glaube auch, dass einer der Gründe, warum Legolas Lothmiw adoptierte, sein Vater ist“, fuhr er fort. „Er redet schon sehr lange auf ihn ein, dass er für einen Erben sorgen soll. Du siehst ja, was daraus wurde. Unser Elblein hat es da lieber mit den schönen Künsten, statt mit den Damen.“ Gimli grinste durch seinen Bart. Anscheinend fand er selbst Gefallen daran Legolas damit aufzuziehen. Inzwischen schienen sie ihr Ziel erreicht zu haben. Legolas hielt vor einem großen, zweiflügligen Portal. Prunkvolle Schnitzereien waren in das dunkle Eichenholz eingebracht und zeigten verschiedenste Waldszenen. Die Wachen, die vor dem Portal standen, standen stramm, als ihr Prinz vor sie trat. Die Tür wurde geöffnet und die vier traten ein. Dies war also der Thronsaal, eine weite Halle, die gestützt wurde von hohen Säulen. Im ersten Moment hatte Earenis den Stein tatsächlich für lebende Bäume gehalten, so detailgetreu waren die Säulen ihren Vorbildern nachempfunden. Zahlreiche Banner hingen von der Decke, wahrscheinlich versehen mit den Bannern der einflussreicheren Adelsfamilien des Eryn Lasgalen. Immer wieder dazwischen hing das königliche Banner, ein gekrönter Hirsch auf waldgrünem Hintergrund. Am Ende des Saals stand erhöht auf einem Podest der hölzerne Thron, nachempfunden einer eigenwilligen Symbiose aus Elchgeweih und Baumgeäst. Und darauf saß Thranduil. Earenis erkannte ihn sofort, die Ähnlichkeit zu Legolas war bemerkenswert. Am liebsten wäre sie umgekehrt und davon gerannt. Sie bemühte sich möglichst unauffällig und nichtig zu wirken. Vorerst schien der König aber tatsächlich keine Notiz von ihr zu nehmen, denn als er sich erhob und ihnen entgegen kam, hatte er nur Augen für Legolas. Über das ganze Gesicht strahlend schloss er seinen Sohn in die Arme. „Ion nîn, es ist schön, dich wieder zu sehen!“, begrüßte er ihn. „Zwar brachte mir ein Rabe die Kunde deines Kommens schon vor vielen Tagen, aber dennoch freue ich mich natürlich dich nun wieder nach so langer Zeit zu sehen.“ Er winkte einem Diener, welcher ihnen daraufhin ein Tablett mit mehreren Weinkelchen brachte. König, Prinz und Prinzessin nahmen sich jeweils einen Kelch und stießen miteinander an. Legolas schien den heimatlichen Wein sichtlich zu genießen. Auch Earenis und Gimli erhielten einen Kelch. Während der Zwerg den Wein sofort stürzte, roch sie zunächst vorsichtig daran. Wenn der Wein wirklich so gut war, wie Gimli ihn proklamierte, dann wollte sie ihn auch gebührend genießen! Wann kam man immerhin schon an solch ein kostbares Getränk? Zumindest sollte sie die Gelegenheit nutzen, bevor Thranduil herausfand, was sie war. Behutsam nahm sie einen Schluck und schon allein diese wenigen Tropfen auf ihrer Zunge zeigten ihr, dass Gimli fürwahr nicht übertrieben hatte. Wie gut der Wein nach dieser Reise tat! Für einen kurzen Moment vergaß sie, wo sie war. Thranduil wies auf eine nahe Sitzgruppe, in der es sich gewiss besser reden ließ. „Die Nachricht des Raben war mit König Elessars Siegel versehen“, sagte der König, als sie sich niedergelassen hatten. „Weitere Raben erreichten mich nur kurz darauf. Was sie berichteten, gibt mir zu denken. Ist es das, weshalb ihr zu mir gekommen seid?“ „So ist es, Vater“, bestätigte Legolas. „Anscheinend hat sich verborgen vor unseren Augen und im Schatten von Saurons Niedergang ein neuer Feind bereit gemacht, um zu vollenden, was Sauron begonnen hatte. Eigentlich hatten Gimli und ich nur Aragorn besuchen wollen, der, wie wir wussten, selbst seine Familie in Bruchtal besucht hatte. Dort erhielten wir die Nachricht, dass anscheinend ein bedenklich großer Zusammenschluss von Orks den Weg in Richtung Fornost eingeschlagen hatte. Wir hatten uns gemeinsam mit Herrn Elrond unverzüglich auf den Weg dorthin begeben. Wir kamen rechtzeitig an und gewannen auch die Schlacht. Ebenso machten wir einen Gefangenen, von welchem wir die Kunde erhielten, dass die Orks anscheinend einem neuen Herren folgen, Ghâshburz mit Namen. Der Gefangene erzählte uns ebenso, dass dieser Ghâshburz gewillt ist, den gesamten Norden Mittelerdes einzunehmen. Und vielleicht sogar mehr…“ Thranduil schwieg eine Weile nachdenklich. „Orks lügen“, sagte er schließlich nur. „Aber mit einer Klinge am Hals und mit dem Wissen, dass sie ohnehin sterben werden?“, hielt Legolas dagegen. „Das stimmt wohl.“ Nun richtete Thranduil seine Aufmerksamkeit doch auf Earenis, die immer mehr und mehr in den Stuhl einsank. „Und wer ist sie, die du hier mitbringst? Du hast sie noch nicht vorgestellt.“ Earenis bemerkte, dass auch Legolas nicht recht wusste, wie er die Kunde seinem Vater übermitteln sollte. „Ihr Name ist Earenis“, sagte er und schon da bemerkte sie das Blitzen in Thranduils Augen, war ihr Name doch immerhin offenkundig Quenya. „Sie verdient sich ihr Geld mit Söldnerarbeiten, aber anscheinend ist sie aus welchen Gründen auch immer ebenso in diese ganze Angelegenheit eingebunden, auch wenn wir die Zusammenhänge noch nicht kennen.“ „Du erscheinst mir sehr ungewöhnlich“, wandte sich Thranduil nun direkt an sie. Schüchtern sah sie zu ihm auf. Seine äußerst beeindruckende, königliche Präsenz schüchterte sie enorm ein, in dieser Hinsicht war er gänzlich anders als sein Sohn. „Schon allein dein Name ist… gewöhnungsbedürftig.“ Thranduils Begeisterung hielt sich merklich in Grenzen. „Ganz zu schweigen von deinem Äußeren. Woher kommst du?“ Earenis bemerkte den Blick, den Legolas ihr unauffällig zuwarf, doch sie beschloss es zu wagen. Ihr Herz sank ihr in die Hose und sie wusste, dass es gleich sehr böse für sie ausgehen konnte. Doch gab es einen anderen Weg? „Meine Mutter war eine Noldo aus Herrn Elronds Hausvolk, doch sie starb schon vor vielen Jahren“, sagte sie leise. „Sie begleitete oft Gildor Inglorion auf seinen Wanderungen, doch auf einer davon wurden sie überfallen und…“ Sie beschloss es kurz und schmerzlos zu machen: „Mein Vater ist ein Ork.“ Kapitel 42: Königliche Wutausbrüche ----------------------------------- Legolas konnte in ausgezeichneter Qualität mitverfolgen, wie der alte Zorn in seinem Vater aufkochte. Er hatte es gewusst! Vielleicht hätte er Earenis vorher einbläuen sollen, auch ja nichts über ihre Herkunft zu erzählen. Aber womöglich hätte es sein Vater so oder so herausgefunden. Jedenfalls schien Thranduil tatsächlich zunächst seinen Ohren nicht zu trauen. Nebst der Wut konnte Legolas auch Irritation bei ihm ausmachen, und er konnte es seinem Vater nur allzu gut nachsehen. Wer glaubte auch schon im ersten Moment wirklich daran, dass es Wesen gab, halb Ork, halb Elb? Dann jedoch schien er eine Entscheidung getroffen zu haben und sie war wohl abzusehen gewesen. „Ergreift sie!“, befahl er den nahe stehenden Wachen. „Sperrt sie in den tiefsten Keller und lasst sie nicht aus den Augen. Sie ist eine Gefahr für uns alle!“ Legolas konnte den Schock, der in Earenis‘ Augen stand, nur allzu gut nachvollziehen. Dass sein Vater so radikal handeln würde, hatte sie vielleicht nicht erwartet. „Vater!“, versuchte er zu retten, was zu retten war. „Handle nicht so voreilig und verurteile sie nicht ohne sie angehört zu haben.“ „Das musst gerade du mir sagen!“, fuhr sein Vater ihn an. „Warum bringst du solch eine Kreatur in unsere Mauern, was hast du dir dabei gedacht? Du weißt, dass sie nichts weiter als Mord und Totschlag im Sinn haben.“ „Sie ist anders, ich schwöre es!“, versuchte es Legolas erneut. „Das hat sie mehr als nur einmal vor meinen eigenen Augen bewiesen!“ „Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie ein Ork ist. Und eine Noldo!“ Das letzte spie er förmlich aus. Dann wandte er sich an die Wachen, die bereits näher getreten waren, und wedelte ungeduldig mit der Hand. „Na los, habt ihr mich nicht gehört, oder worauf wartet ihr? Sperrt sie ein!“ Earenis hatte das ganze schockstarr verfolgt. Verzweifelt sah sie zu Legolas. Als ob er etwas auf die Schnelle dagegen unternehmen könnte! Er hoffte, dass er seinen Vater dennoch recht zeitnah umstimmen konnte. So musste er allerdings vorerst tatenlos zusehen, wie Earenis abgeführt wurde und sich dabei nach Leibeskräften wehrte. Es half ihr nichts, gegen die vier starken Elben kam sie nicht an. Ihre wütenden Schreie waren bald verhallt. Legolas sah seinen Vater finster an. „Wirklich nett war das nicht“, sagte er verstimmt. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Sohn!“, drohte Thranduil ihm an. „Und jetzt lass uns über wichtigere Dinge reden.“ Damit war das Thema anscheinend vorerst für ihn durch und Legolas wusste aus Erfahrung, dass nun nicht mehr mit ihm zu reden war. Thranduil holte etwas aus seinem Gewand und reichte es Legolas. Es war ein kleiner Zettel, auf dem eine Art große, goldene Katze auf karmesinrotem Hintergrund zu sehen war. Eine Nachricht in unbeholfener Schrift stand dort. „Höre mich brüllen!“, las Legolas verwundert. „Was bedeutet das, Vater?“ „Ich weiß es nicht“, sagte Thranduil. „Ich hatte gehofft, dass du es mir sagen kannst. Diese Botschaft erreichte mich vor wenigen Tagen, der Absender ist selbstredend unklar.“ Gimli griff nach dem Zettel und besah ihn sich genauer. „Sonderbare Botschaft, geheimnisvoller Absender“, sinnierte er laut. „Vielleicht ist es dieser Ghâshburz.“ Legolas sah ihn fragend an. „Meinst du wirklich?“ „Zumindest wäre es eine Option.“ „Wenn auch keine allzu beruhigende“, sagte Thranduil. „All dies sind ungute Vorboten. Die Raben, die ich von Herrn Elrond und König Elessar erhielt und das, was ihr mir nun berichtet, ergeben ein ernst zu nehmendes Bild. Ich werde das Heer zusammenziehen und die Grenzen stärker bewachen lassen. Gegebenenfalls werden wir auch den Erebor und Thal benachrichtigen. Was sagst du dazu, Legolas?“ „Wir werden dieses Mal auch weiter über unsere Grenzen hinaus denken müssen“, warf dieser ein. „Unser Feind ist uns noch nahezu vollkommen unbekannt. Wir wissen nicht, wo er zuschlagen wird oder wann. Wenn wir uns nur auf unsere Grenzen konzentrieren, werden wir zu leicht überrascht. Mindestens die Anduinebenen und die nördlichen Ebenen bis zum Grauen Gebirge werden wir ebenso patrouillieren müssen.“ Thranduil legte eine nachdenkliche Mine auf. Schließlich nickte er. „Ja, das sind gute Gedanken“, sagte er. „Es ist wohl wirklich besser so. Aber lassen wir das vorerst. Die ersten Neuigkeiten sind überbracht und eure Reise war lang. Ihr werdet müde sein und selbstredend sind eure Gemächer schon gerichtet.“ Legolas lächelte. Das waren doch angenehme Nachrichten! „Ich bekomme meine alten Zimmer?“, fragte er hoffnungsvoll. „Selbstredend!“, beteuerte Thranduil. Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich und machten sich auf den Weg, um sich von ihrer Reise zu erholen. Kaum, dass sie den Thronsaal verlassen hatten, wandte sich aber Gimli sogleich an seinen Freund. „Du wirst doch etwas wegen Earenis unternehmen, oder?“, fragte er besorgt. „Das war nicht sonderlich angebracht von deinem Vater, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“ „Natürlich werde ich tun, was ich kann!“, sagte Legolas energisch. „Nur kann  nicht einmal ich mich über den Befehl meines Vaters hinweg setzen. Aber immerhin wird er mir zuhören. Geh du schon einmal vor, ich werde nach Earenis sehen. Auch wenn sie mich bestimmt fressen wird…“ Lothmiw kicherte. „Dann muss ich mitkommen und dich beschützen!“, sagte sie. „Außerdem will ich sie kennen lernen. Du hast bestimmt deine Gründe, dass du so eine Kreatur zu uns bringst.“ „Rede nicht so von ihr!“, rügte er seine Tochter streng. „Du tust ihr Unrecht damit. Sie verdient es besser behandelt zu werden.“ Gimlis neckischen Blick kommentierte er mit einem Schnauben. Man durfte doch wohl noch einmal seine Meinung ändern! Er machte sich mit Lothmiw auf den Weg in die Kerker. Innerlich bereitete er sich bereits auf eine tobende Earenis vor, die ihn für ihre missliche Lage verantwortlich machen würde. Auch wenn er es ihr nicht allzu sehr verübeln konnte… Die Wachen in den Kerkern schienen überrascht zu sein ihn so schnell hier unten anzutreffen und ihre Verwirrung würde sicherlich um einiges wachsen, sobald sie herausfanden, was er vor hatte. Earenis jedenfalls war schnell ausfindig gemacht, er musste einfach nur den wütenden Schreien folgen. Man hatte die Ärmste tatsächlich in die dunkelste und ungemütlichste Zelle verbannt. Missmut kam in ihm auf. „Glotz nicht so dumm und hol mich hier raus!“, keifte Earenis ihn sogleich erwartungsgemäß an, als sie ihn an erblickte. Er machte eine beschwichtigende Geste. „Das ist nicht ganz so einfach“, versuchte er es auf dem diplomatischen Wege. „Doch! Hol die verdammten Schlüssel!“, keifte sie. Lothmiw trat bereits provisorisch einige Schritte zur Seite. „Ich kann nicht gegen die Befehle meines Vaters verstoßen!“, konterte er energisch. „Ich bin zwar sein Sohn, aber er ist der König! Also beruhige dich und hör mir zu.“ Earenis stierte ihn noch immer mit dem finstersten Blick an, zu welchem sie im Stande war, doch immerhin schien sie ihm nun tatsächlich zuzuhören. „Ich kann nicht einfach so in die Wachkammer spazieren, mir die Schüssel nehmen und dich hier heraus lassen“, sagte er noch einmal. „Was ich aber kann, ist dir zumindest eine bequemere Zelle zu verschaffen. Ebenso werde ich mit Vater reden, mir hört er in der Regel zu. Ich werde ihn schon davon überzeugen können, dass er übereilt und vor allem zu Unrecht gehandelt hat. Habe einfach nur ein wenig Geduld, du wirst nicht allzu lange hier bleiben müssen.“ Wirklich begeistert wirkte Earenis immer noch nicht, aber immerhin schien sie vorerst Frieden zu geben. Dann jedoch wurde ihr Blick weicher. „Meintet Ihr das vorhin mit dem Beweisen wirklich ernst?“, fragte sie zurückhaltend. „Bleib bitte beim du“, sagte Legolas zu seiner eigenen Überraschung. „Und ja, natürlich meine ich das ernst. Ich habe mich doch schon einmal für mein Fehlverhalten entschuldigt und meine noch immer alles genau so, wie ich es dir damals sagte.“ Earenis wirkte etwas verwirrt. „Nun gut, dann… dann probiert, ich meine, probier dein Glück mit deinem Vater.“ Allzu überzeugt wirkte sie nicht, aber immerhin schien sie es auf einen Versuch ankommen lassen zu wollen. „Verhalte dich am besten ruhig“, riet Legolas ihr. „Auch wenn ich mir denken kann, dass du diese Situation nicht allzu schön findest.“ „Ach…“ „Wir sprechen uns wieder so bald wie möglich. Ich beeile mich meinen Vater umzustimmen“, versprach Legolas. Nun schlich sich langsam doch ein kleines, dankbares Lächeln auf ihre Lippen. Es ging doch. „Bis dann also. Sei schön lieb.“ Das letzte quittierte sie mit einem missmutigen Brummen. Damit verabschiedeten sie sich und Legolas ging wieder nach oben. Auf dem Weg nahm er noch Earenis‘ Schwert an sich, jeden Protest des wachhabenden Elben beiseite wischend. Das Schwert war wertvoll, immerhin war es ein Geschenk Aragorns. Earenis würde sicher nicht wollen, dass es einfach so achtlos in einer Truhe mit den Besitztümern der Gefangenen verwahrt wurde. „Sie ist ja sehr liebenswürdig“, stellte Lothmiw nüchtern fest. „Sie kann auch anders, glaub mir“, versicherte er ihr. Kapitel 43: Kriegswolken ------------------------ Die Wolken des Krieges zogen auf. Sie wussten es in dem Moment, in dem die ersten Nachrichten von überfallenen und gebrandschatzten Bauernhöfen sie erreichten. Die ersten Opfer schienen jene Bauern im Osten nahe des Nebelgebirges zu sein, doch es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Feind sich weiter vor wagte. Estel und Elrond hatten noch am Abend des Tages, an dem der Bote in Fornost eingetroffen war, beschlossen, dass sie sich vor Ort den Schaden mit eigenen Augen ansehen wollten. Sie hofften, weitere Hinweise auf jenen noch nebulösen Ghâshburz zu finden. Am nächsten Tag waren sie aufgebrochen. Estel hatte einen seiner Generäle in der Stadt belassen, um in der Zeit seiner Abwesenheit die Verwaltung zu übernehmen und den Bürgermeister im Auge zu behalten. Valandil selbst zog dieser Tage durch die Stadt, als habe man ihm Land, Einkommen und Familie entzogen statt lediglich sein Amt als Bürgermeister. Nun, einige Tage später, hatte die kleine Reisegesellschaft um Estel und Elrond den niedergebrannten Bauernhof erreicht. Mit ihnen waren Elronds Söhne, Ceomon, Rethtulu, Glorfindel und die Leibwache des Königs gekommen. Mit kritischem Blick stiefelte Glorfindel über das zerstörte Gut und begutachtete jeden noch so  unbedeutend scheinenden Stein, als ob er versuchen wollte, ihm allein durch sein Anstarren seine Geheimnisse zu entlocken. Estel beobachtete das ganze amüsiert. Er hatte mittlerweile auch seine Leute auf der Suche nach Hinweisen auf die Geschehnisse hier ausgesandt und überwachte nun gemeinsam mit Elrond das Treiben. Elrond bemerkte, wie sich einer seiner Söhne, die bis jetzt Estels Leuten geholfen hatten, ihm näherte. Es war Elladan. „Was gibt es denn?“, erkundigte er sich. „Meinem Bruder und mir fielen einige Ungereimtheiten in Fornost auf“, begann Elladan. Elrond hob eine Augenbraue. „Die fielen uns allen auf“, hielt er dagegen. „Mehr als das.“ Elladan senkte die Stimme und schlug einen ernsten Ton an. „Dir ist doch bestimmt schon aufgefallen, dass unser Freund Valandil das eigenwillige Talent hat, wie aus dem Nichts an unerwarteten Orten aufzutauchen. Oder wie schnell sich Gerüchte verbreiten.“ Elrond runzelte die Stirn. „In der Tat. Worauf willst du hinaus?“ „Valandil hat Leichen im Keller“, flüsterte Elladan nun schon beinahe. „Mehr als einfach Geldhinterziehung, so große Folgen sie auch haben mochte.“ „Was für Leichen im Keller?“, erkundigte sich nun Estel. „Wir glauben, dass mindestens das Stadthaus von Geheimgängen durchzogen ist“, erklärte Elladan. „Manchmal hören wir sogar seltsame Geräusche aus den Mauern. Wir kamen noch nicht dazu, dem nachzugehen, aber wir alle sollten das im Auge behalten. Wer weiß, zu was das noch führen kann.“ „Mein König!“, rief da einer der Soldaten aus und unterbrach damit ihr Gespräch. Er winkte sie zu sich und deutete auf etwas an einer verkohlten Wand, die als eine der wenigen auf dem Gehöft noch stand. Als sie näher kamen, sahen sie einen Dolch im Holz stecken. Ein Zettel war daran befestigt, der eine große, goldene Katze auf rotem Grund zeigte. „Das ist ein Löwe“, erklärte Estel. „Ich kenne diese Tiere aus meinen Wanderungen durch den Süden.“ „Das sieht aus wie ein Wappen“, bemerkte Elrond und nahm den Zettel an sich, um ihn sich genauer zu besehen. „Höre mich brüllen!“, stand in goldenen Buchstaben unter dem Löwen. „Eine Botschaft unseres Feindes?“, fragte sich der Elbenfürst laut. Estel nickte. „Es sieht ganz danach aus.“ Kapitel 44: Leichen im Keller ----------------------------- Als sie einige Tage später in Fornost waren, begaben sie sich zur Lagebesprechung zusammen. Valandil schmollte noch immer und benahm sich mehr denn je wie ein bockiges Kind. Niemand nahm ihn mehr für voll, selbst seine eigenen Bürger nicht. Eine allgemeine Aufbruchsstimmung herrschte in der Stadt, die Ankunft des Königs und der ausgetragene Sieg schienen die Bürger regelrecht zu beflügeln. Mittlerweile hatte Ceomon das von Elrond hastig kopierte Dokument vollständig entschlüsselt, womit sie es nun auswerten konnten – und Ceomon endlich und zu Elronds Missfallen weiter an dessen Biographie arbeiten konnte. „Ich komme mir ein bisschen wie bei einem geheimen Kriegsrat vor“, scherzte Elrohir. „Wir stibitzen geheime Dokumente, spionieren Valandil nach und sind Feuer und Flamme, ihm all seine Geheimnisse zu entlocken, die er vor uns verbergen will“, stimmte sein Bruder ihm zu. „Ein wenig mehr Ernst bei der Sache“, ermahnte Elrond sie und wandte sich dann an Ceomon. „Was steht also in diesem Dokument, das ich gefunden habe?“ „Es sind Valandils Finanzen“, eröffnete Ceomon. „Sogar vergleichsweise aktuelle von Beginn dieses Jahres. Sie listen wahrscheinlich alle Ausgaben und Einnahmen, die Valandil in diesem Zeitraum tätigte oder zumindest eine ganze Menge davon. Anscheinend sind dies Dokumente, die auf gar keinen Fall für die Öffentlichkeit gedacht sind, denn ständig ist von ‚vertraulichen Geschäften‘ die Rede.“ „Klingt fast nach einem Glückstreffer“, bemerkte Estel. „Aber warten wir ab.“ Er nahm das Dokument, das Ceomon angefertigt hatte, an sich und besah es sich eine Weile genau. Seine Lippen bewegten sich stumm, als er wohl im Kopf nachrechnete, wie viel Geld Valandil in dieser Zeit von ihm bekommen hatte. „Hm“, machte er schließlich. „Es ist erstaunlicherweise tatsächlich nur ein geringer Teil der Gelder, der in seinen eigenen Taschen landete. Ich hätte mehr erwartet. Dennoch sind die Angaben nicht ganz stimmig, manchmal fehlen scheinbar Angaben und manchmal sind die Empfänger des Geldes oder Gründe für die Ausgaben sehr nebulös. Wer zu Beispiel ist mit ‚unsere Freunde‘ gemeint?“ Elrond warf einen Blick auf das Papier. Es brauchte einen Moment, bevor er das System durchschaute und sich zu Recht gefunden hatte. Es war eine recht eigenwillige Art der Buchführung, wahrscheinlich noch eine Methode, um Schnüffler wie sie abzuhalten die Geheimnisse des Bürgermeisters aufzudecken. „Es sind in der Tat einige bemerkenswerte Lücken auszumachen“, stellte nun auch er fest. „Geld verschwindet auf geheimnisvolle Weise und neue Gelder und, wenn ich das richtig sehe, auch andere Waren wie Lebensmittel und sogar Waffen tauchen hierauf. Aber warum? Und wo kommen diese her?“ „Valandil hat in der Tat Leichen im Keller“, sagte Elladan. „Nun ist es an uns, diese zu identifizieren. Mitunter keine schöne Angelegenheit. Wir sollten dabei auch dem Verdacht auf die Geheimgänge nachgehen. Glorfindel sollten wir da aber besser nicht fragen, er kann nur mit dem Schwert umgehen und würde sonst noch mit dem Kopf durch die Wand rennen, darauf wette ich.“ Elrond widmete ihm einen mahnenden Blick. Seine Söhne konnten selten etwas dauerhaft mit dem nötigen Ernst betrachten. „Und wie machen wir das am besten?“, erkundigte er sich. „Wände abklopfen!“, rief Elrohir aus. „Valandil beschatten und beschatten lassen!“, ergänzte sein Bruder eifrig. „Wenn er sich weiter wie ein Kleinkind benimmt und so schmollt wie bisher, dann wird er sicher uns in einem unachtsamen Moment verraten, was wir wissen wollen. Wir müssen nur etwas Geduld haben.“ „Und wenn wir diese Zeit nicht haben?“, wollte Estel von ihm wissen. „Dann drängeln wir eben ein wenig und helfen ihm auf die Sprünge“, sagte Elladan, als sei es das Leichteste der Welt. Elrond runzelte die Stirn. So wirklich überzeugt war er nicht, zumal er wusste, was für Kindsköpfe seine Söhne sein konnten. Und momentan wirkten sie nicht, als seien sie mit wirklichem Ernst bei der Sache. „Ihr wisst aber, was ihr da tun wollt?“, fragte er vorsichtshalber nach. „Vielleicht sollte ich euch lieber dabei begleiten, sicher ist sicher.“ „Ach, Vater …“, sagte Elladan in einem mahnenden Ton. „Wir sind schon erwachsen, hast du das vergessen?“ „Aber ihr wirkt selten so“, wies Elrond sie darauf hin. „Und wir weichen gerade vom Thema ab“, mischte sich Estel ein. „Elladan und Elrohir haben mitunter gar nicht so sehr Unrecht, wir sollten das wirklich weiter verfolgen. Als letztes bleibt aber noch zu klären, was wir auf dem niedergebrannten Bauernhof gefunden haben. Dass die Zeichen auf Krieg stehen, sollte uns allen klar sein. Aber was können wir daraus für uns schließen? Was erwartet uns? Worauf müssen wir vorbereitet sein?“ Er holte aus einer Gewandfalte den Zettel hervor, den sie gefunden hatten, und legte ihn auf den Tisch. „Es ist zweifelsohne ein ungewöhnliches Zeichen und ein ungewöhnlicher Spruch. Ich habe Vergleichbares noch nie gesehen.“ Nun mischte sich auch Rethtulu ein. Er trat vor und an den Tisch und besah sich den Zettel nachdenklich. „Doch, es gibt etwas Vergleichbares“, sagte er. „Es ist ein Brauch, der mittlerweile kaum noch im Umlauf ist, aber Herr Elrond wird sich seiner noch erinnern können. In früheren Tagen hatte jedes der großen Häuser der Noldor und auch viele der kleineren eigene Banner und, und das ist das Entscheidende, eigene Sprüche, die dieses Haus kennzeichneten. Es war wichtig, die Heraldik zu kennen, um keine Peinlichkeiten auf großen Zusammenkünften zu begehen. Auch ich wusste einst alle Gebräuchlichen. Aber das hier ist mir noch nie unter gekommen.“ Elrond sog zischend die Luft ein. „Meinst du also, dass dies eine Anspielung auf dieses alte Brauchtum ist?“ „Denkbar wäre es jedenfalls“, sagte Rethtulu. „Aber warum?“, fragte sich Elrond. „Der Ork, den wir gefangen genommen hatten, hatte  behauptet, dass sein neuer Meister von derselben Abstammung wie Earenis sei. Ist es eine Anspielung darauf? Und was will er uns damit sagen?“ „Vielleicht ist es ja auch einfach nicht mehr als das: eine schlichte Anspielung auf seine Abstammung“, sagte Elladan. „Und der Spruch darunter … Hm … Vielleicht ist es ja auch einfach nur eine einfache Drohung, ein schlichtes Prahlen mit Kräften, die vielleicht vorhanden sind, vielleicht auch nicht. Was sagst du, Estel, zu dem Tier, das hier abgebildet ist? Du kennst sie ja anscheinend. Warum steht es hier?“ „Löwen sind sehr große Katzen“, erklärte Estel. „Größer noch als ein großer Mann, wenn sie aufrecht stehen. Sie leben in kleineren bis größeren Gruppen zusammen, meist ein Männchen und mehrere Weibchen, die für ihn jagen. Im Gegenzug beschütz er das Rudel vor allein umherziehenden Männchen. Im Süden werden diese Großkatzen sehr verehrt für ihre Kraft und Ausdauer und für ihren Mut, selbst Tiere zu erlegen, die um ein Vielfaches größer sind als sie selbst.“ „Also ist auch dieser Löwe ein Symbol für die Kraft und die Macht unseres Feindes“, schloss Elrond. „Oder soll es zumindest sein. Ob es auch an dem ist, sei einmal dahin gestellt.“ „Zumindest lässt er tatsächlich die Muskeln spielen“, sagte Estel. „Und ich glaube, dass er uns nicht so sehr provozieren würde, wenn er nicht zumindest gewisse Sicherheiten hätte, es auch mit uns aufnehmen zu können. Erst schickt er eine Armee für eine Belagerung aus, nun beginnt er, die Bauernhöfe zu plündern und uns auf diese Weise schwächen zu wollen. Er will uns aus der Reserve locken.“ „Und uns dann auf seinem Gebiet und nach seinen Regeln bekämpfen“, schloss Elrond den Gedankengang. „Wir sollten nicht darauf eingehen, aber dennoch auch für die Sicherheit der entlegensten Siedlungen sorgen. Notfalls müssen die Einwohner evakuiert und in sicherere Städte gebracht werden.“ „Sie werden nicht glücklich sein, Hab und Gut zurücklassen zu müssen“, gab Estel zur Erinnerung. „Besser sie leben und können sich eine neue Existenz aufbauen, als wenn sie tot sind“, hielt Elrond sofort dagegen. „Was denkst du, wie es uns erging, als wir damals aus Eregion fliehen mussten, nachdem Sauron auch mich besiegt hatte?“ Dazu sagte Estel nichts. Schließlich nickte er aber. „Dann lass uns die Details unseres weiteren Vorgehens besprechen.“ Kapitel 45: Familiengespräche ----------------------------- Es war Legolas, als sei er nie von hier weggezogen und hatte auch nicht sein eigenes kleines Heim im Süden in Ithiliën errichtet und die Gärten Gondors erneuert. Schon bald nach ihrer Ankunft in seiner alten Heimat hatte sein Vater ihn wieder in all seine alten Pflichten eingespannt. Wie in alten Tagen griff Legolas nun seinem Vater nun bei dessen alltäglichen Staatsangelegenheiten unter die Arme und unterstützte ihn mit dessen Arbeit. Meist hieß dies, dass er irgendwelche Schreiben mit dem königlichen Siegel versehen und sich mit den Beratern seines Vaters absprechen durfte. Er fragte sich, wie sein Vater es ohne ihn und seine Zuarbeit ausgehalten hatte. Gimli ließ die meiste Zeit die Seele baumeln und genoss das Nichtstun und den elbischen Wein. So oft er konnte, besuchte er auch Earenis in ihrer Zelle. Auch Legolas versuchte immer wieder Momente am Tag für diese Besuche zu finden, denn es war ihm äußerst unangenehm, dass es ausgerechnet sein Vater gewesen war, der Earenis in diese missliche Lage gebracht hatte. Jedes Mal brachte er ihr Wein und frisches Essen mit, um ihr den unfreiwilligen Kerkeraufenthalt wenigstens ein bisschen zu erleichtern. Sein Vater war nicht allzu begeistert darüber, doch dieses Mal ließ sich Legolas nicht beirren. Er überlegte krampfhaft, wie er seinen Vater davon überzeugen konnte, Earenis wieder frei zu lassen, dass sie nicht jene Bedrohung war, die er in ihr sah. Oder auch einfach nur, dass seine übereilten Vorurteile weder Hand noch Fuß besaßen. Als ihn sein Vater gut eine Woche später am Abend zu sich rief, schien ihm die Gelegenheit gekommen zu sein, seinen Vater darauf anzusprechen. Thranduil empfing ihn in seinen eigenen Privatgemächern bei einem Kelch Wein. Legolas gesellte sich zu seinem Vater und goss sich ebenfalls Wein ein. Nichts ging über den Tropfen aus Dorwinion! Nicht einmal in Ithiliën wollte er ihn missen, weshalb er keine Kosten und Mühen scheute, um ihn dorthin importierten zu lassen. „Also, mein Sohn“, begann Thranduil, nachdem Legolas sich bequem hingesetzt hatte. „Du hast freilich mitbekommen, dass ich in den letzten Tagen meine Späher aussandte und unsere Grenzen erkunden ließ. Ihre Berichte sind nun bei mir eingegangen und tatsächlich stehen die Zeichen auf Krieg. Etwas braut sich da im Nebelgebirge und im Norden zusammen, das mir nicht gefallen will. Ich will, dass du in den nächsten Tagen selbst mit einigen Männern aufbrichst und die Grenzwachen verstärkst und überwachst. Wir müssen wissen, wann und wo diese neue Bedrohung als erstes zuschlagen wird.“ „Mit deiner Erlaubnis werde ich auch einige Patrouillen in das Umland schicken“, schlug Legolas vor. Der König nickte. „Du hast meine Erlaubnis.“ Dann jedoch seufzte er und wirkte mit einem Male schrecklich alt und niedergeschlagen. „Aber es gibt noch etwas anderes“, eröffnete er. Nun wurde Legolas besonders hellhörig. Diesen Ton hatte sein Vater noch nie angeschlagen. Wie als habe er Schwierigkeiten ihm etwas zu sagen. Was war es wohl? Es musste etwas sehr Bedeutendes sein. Thranduil ergriff seine Krone und legte sie vor sich auf den Tisch. Eine geraume Zeit besah er sie sich nachdenklich und schweigend. Er seufzte. Schließlich setzte er fort: „Ich erhielt dies von meinem Vater, nachdem er in der Belagerung Barad-dûrs gefallen war. Über ein Zeitalter ist dies nun schon her, über dreitausend Jahre, in denen ich unzählige Schlachten hatte schlagen und unser Volk gegen den Schwarzen Feind verteidigen müssen. Zu viele Jahre …“ „Vater …“, begann Legolas zögernd. „Worauf willst du hinaus?“ „Der Westen ruft“, sagte Thranduil traurig. „Deine Mutter wartet dort auf mich, nachdem sie uns vor so vielen Jahren hatte verlassen müssen, als sie hinterrücks ermordet worden war.“ Der Erinnerungen, wie seine Mutter nach dem Orküberfall in seinen Armen verstorben war, schmerzten noch heute. „Mich hält hier nichts mehr“, sagte Thranduil schließlich nach einer kleinen Pause des Sammelns. „Es wird allmählich Zeit, dass du nun diese Krone erhältst und unser Volk in den letzten Jahren führst, in denen es hier noch verweilt.“ Legolas entglitten die Gesichtszüge. Natürlich war er der Erbe seines Vaters und bereits sein gesamtes Leben dafür ausgebildet worden, eines Tages selbst König zu sein. Aber dennoch war dieser Gedanke stets fern und unreal gewesen. Dass dieser Tag nun plötzlich vor seiner Tür stand, überrannte ihn förmlich. „Vater, du kannst nicht gerade jetzt dein Amt an mich weitergeben“, versuchte er es. „Ein neuerlicher Krieg steht an. Dies kann nicht gut gehen.“ „Gerade deswegen, mein Sohn“, hielt sein Vater dagegen. „Ich habe zu viel Krieg gesehen in meinem Leben, irgendwann einmal ist das Maß voll. Du hast noch nicht so lang gelebt wie ich, hast nicht das Erste Zeitalter erlebt, doch auch du wirst sicher nachvollziehen können, was ich empfinde. Immerhin hast du an Saurons endgültigem Fall mitgewirkt und nun scheint doch alles für die Katz‘ gewesen zu sein.“ „Ich kann jetzt nicht gekrönt werden“, versuchte es Legolas weiterhin schwach. „Doch, du kannst. Mehr denn je“, sprach Thranduil ihm Mut zu. „Nicht heute und nicht morgen, das versteht sich von selbst. Ich gebe dir noch ein paar Tage, damit du dich mit diesem Gedanken anfreunden kannst, bevor ich es offiziell bekannt gebe. Aber du schaffst das schon, habe nur Vertrauen in dich.“ Er schob ihm die Krone über den Tisch zu. Legolas starrte das kunstvolle Gebilde aus Zweigen und Laub wie ein feindliches Objekt an. All die Jahre war er vertraut mit der Krone gewesen, immer hatte er sie an seinem Vater gesehen, so dass sie für ihn nun schon beinahe wie ein Teil Thranduils geworden war. Ohne sie würde einfach etwas an seinem Vater fehlen! Und wie sollte er sie da jemals tragen können? Abgesehen davon, dass er dieser Verantwortung niemals gerecht werden konnte! Sein Vater war ein großer König, von allen geliebt. Er würde niemals das erreichen können, was sein Vater erreicht hatte. „Ich kann nicht“, sagte er leise und schob die Krone zurück. Thranduil hielt ihn auf. „Du kannst“, sagte er ein letztes Mal. Kapitel 46: Im Dienste des Staates ---------------------------------- Freilich bemerkte Gimli noch am selben Abend die sonderbare Stimmung seines Freundes und sprach ihn auch prompt darauf an. Es hatte ihn schon verwundert, als Legolas an seiner Tür klopfte und mit der Begründung, er hätte Redebedarf, um Einlass bat. Dann musste ihm in der Tat etwas auf der Seele lasten. Zumal er auch seine Adoptivtochter mitgebracht hatte, deren Namen Gimli immer noch nicht aussprechen konnte und die er kurzentschlossen bei ihrem von ihrem Vater verliehenen Spitznamen Blümchen rief. „Also, was gibt es?“, brummte der Zwerg, während er den Wein (nichts lief hier ohne Wein, das hatte er schnell bemerkt) in drei Kelche eingoss und diese auf dem Tisch verteilte. Als er sich auf den mit Kissen erhöhten Stuhl setzte, baumelten seine Füße in der Luft. Es war eindeutig nichts, als Zwerg unter Elben zu weilen, egal wie gut der Wein war. „Lässt dein Vater Earenis immer noch nicht frei, ist es das?“ „Ja. Das heißt: nein.“ Legolas wirkte sehr durch den Wind und auch Blümchen runzelte die Stirn ob des sonderbaren Verhaltens ihres Ziehvaters. „Ich kam nicht einmal dazu, ihn darauf anzusprechen, weil er mich gleich wieder überfallen musste mit seinen neuesten Ideen.“ Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. „Nun, wo anfangen?“ Er schien tatsächlich mit sich zu ringen und nach Worten zu suchen. „Vater will in den Westen gehen, die Sehnsucht nach meiner Mutter treibt ihn.“ Legolas hatte nie wirklich darüber gesprochen, was mit seiner Mutter geschehen war, Gimli konnte es sich aber denken. Immerhin hatte er sein Lebtag noch nichts von einer Königin der Waldelben gehört. „Das bedeutet also …?“, begann Blümchen und machte eine zutiefst erstaunte Miene. Bei Gimli dauerte die Erkenntnis ein wenig länger. „Dann habe ich ja wirklich Aufholbedarf!“, rief er aus. „Erst Aragorn, jetzt du!“ Er wusste selbst, dass das kein allzu qualifizierter Beitrag war, aber die Neuigkeit, dass nun auch Legolas das Erbe seines Vaters antreten sollte, überraschte ihn zu sehr. Er konnte sich den Elbling ja nicht einmal als König vorstellen! Legolas warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich bin in dieser Angelegenheit nicht zu Scherzen aufgelegt“, mahnte er seinen Freund. „An die viertausend Jahre, in denen ich mich wunderbar an das Leben als Prinz gewöhnt habe, sind selbst für einen Elben keine kurze Zeit. Und nun kommt mein Vater ohne die geringste Vorwarnung auf die Idee, sein Amt an mich abzutreten. Ausgerechnet jetzt, wo sich eine neuerliche Kriese anbahnt!“ „Du warst doch ohnehin schon immer, seit du alt genug dafür warst, der zweite Mann im Staat“, warf Blümchen in der Hoffnung ein, Legolas wenigstens ein wenig Trost zu geben. „So viel anders wird das sicher nicht. So lange ich denken kann, hast du immer an der Seite deines Vaters gestanden und dein Wort hat kaum weniger gegolten als das von Großvater. Im Prinzip habt ihr euch ja schon lange das Amt geteilt.“ Legolas schwieg und starrte nachdenklich in seinen Kelch, als könne der Wein die Antworten auf all seine Probleme verraten. „Im Prinzip hast du ja Recht, Lothmiw“, räumte er ein. „Und doch … Es ist eben diese Gewöhnungssache, zumal es nun auch bedeutet, dass Vater mit allen, die mit ihm gehen und nicht mehr bleiben wollen, in den Westen segelt und ich alleine hier bleibe. Ohne seine Unterstützung. Dieser Gedanke macht mir Angst.“ Und das wiederum verunsicherte Gimli auf eine sonderbare, abstrakte Weise. Er hatte Legolas als unerschrockenen Kämpfer kennen gelernt und erlebt, der vor so gut wie gar nichts den Kopf einzog. Der einzige Moment, in dem er tatsächlich die Furcht in Legolas‘ Augen gesehen hatte, war im Angesicht des Balrog von Moria gewesen. Nicht einmal die Pfade der Toten hatten ihn verschreckt! Und nun hatte er Angst vor einem einfachen Reif aus Ästen und Laub. Es war paradox, würde nicht hinter diesem Reif so viel stehen. Er versuchte sich Legolas anstelle seines Vaters vorzustellen und je mehr er es versuchte, umso deutlicher wurde ihm, warum Legolas all diese Bedenken hatte. Es ging einfach nicht! „Warum aber kommt dein Vater so plötzlich auf diese Idee?“, fragte er schließlich. Der Elb zuckte mit den Schultern. „Wer weiß“, sagte er. „Wahrscheinlich hatte er diesen Gedanken schon länger still und leise für sich gehegt und nun den Zeitpunkt für geeignet empfunden, mir seine Gedanken mitzuteilen. Irgendwo kann ich ja auch verstehen, warum er seines Amtes müde wurde, für uns alle und besonders für ihn waren es oftmals schwere Zeiten. Und dennoch …“ Er seufzte. Blümchen ergriff seine Hand. „Das wird schon!“, versuchte sie ihn aufzumuntern. „Ich bin ja auch noch da, oder? Und Gimli! Und vielleicht kann auch König Elessar dir ein wenig unter die Arme greifen, er wurde ja ähnlich wie du ins kalte Wasser geworfen.“ Legolas lächelte ihr dankbar zu und strich ihr durch das nussbraune Haar. „Ach, mein kleines Mauerblümchen, was würde ich nur ohne dich tun?“ Er zog sie in seine Arme und Blümchen kuschelte sich an ihn. Die beiden waren schon ein sonderbares Gespann, befand Gimli. Er kannte Legolas‘ Ziehtochter auch erst kaum ein Jahr und erinnerte sich noch zu gut, wie verblüfft er gewesen war, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Irgendwie hatte er ja doch erwartet, dass sie Legolas irgendwie ähnlich sah, so, wie sich Legolas und Thranduil beinahe wie aus dem Gesicht geschnitten waren, doch das genaue Gegenteil war der Fall. Wo Legolas glattes, sandblondes Haar besaß, war ihres nussbraun und leicht gelockt. Wo seine Gesichtszüge markant und eckig waren, waren ihre sanft und fließend. Während seine Augen ein eisiges blau besaßen, waren ihre groß und dunkel und sanft wie die eines Rehkitzes. Sie waren ein Unterschied wie Tag und Nacht und doch sah man ihnen auf eine ganz subtile Art und Weise an, dass sie zusammen gehörten. „Über all dem sollten wir Earenis aber nicht vergessen“, kam Gimli schließlich doch auf ihr Hauptproblem der letzten Tage zu sprechen. „Sie wird es herzlich wenig interessieren, ob du König wirst oder nicht, so lange zwischen ihr und uns die Gitterstäbe deines Vaters sind.“ Legolas musste schmunzeln bei der Erinnerung daran, wie sie getobt hatte, als er zu ihr gekommen war, kurz nachdem sein Vater sie hatte einkerkern lassen. „Gleich morgen früh beim Frühstück werde ich mit Vater darüber reden.“ Kapitel 47: Hinter Gittern -------------------------- Earenis hasste es, den ganzen Tag lang nur die Gitterstäbe anstarren zu können. Sie hatte schon schlimmerer Kerker gesehen, keine Frage. Dieser war immerhin angenehm trocken und dazu auch noch warm und ihr Lager hatte sogar eine Matratze. Keine sonderlich weiche zwar, aber immerhin war dies noch immer ein Kerker und kein Gästezimmer. Irgendwo den Gang entlang hörte sie Mistaroa heulen. Man hatte ihn in einen Hundezwinger gesperrt und ihr nicht erlaubt, ihren treuen Gefährten bei sich zu behalten. Sie könnte es schlechter haben, keine Frage. Und dennoch war es eine Belastung, wenn die einzige Abwechslung in den Schichtwechseln der Wachen und ihrem Essen zweimal am Tag bestand. Immerhin war auch das Essen nicht das schlechteste, was sie bereits bekommen hatte. Nur das Brot vermisste sie. Es erstaunte sie, dass hier nicht einmal die Gefangenen altbackenes Brot bekamen wie andernorts, sondern tatsächlich so etwas Gutes wie getrocknete Waldfrüchte und Äpfel. Sie musste unbedingt herausfinden, warum ausgerechnet Thranduil seine Gefangenen – und dann auch noch solche wie sie! – so gut behandelte, als wären sie beinahe keine Gefangenen. Sie fragte sich, was Legolas wohl machte, dass er so lange brauchte, um sie hier heraus zu holen. Immerhin musste er ja nur seinen Vater umstimmen. Zugegebener Maßen war dieser immer noch Thranduil, aber Legolas war sein einziger Sohn und Erbe. Wären die Verhältnisse hier im Eryn Lasgalen nicht völlig verschieden von den Sitten und Gebräuchen in anderen Ländern, so dürfte Legolas‘ Wort fast ebenso viel Gewicht besitzen wie das seines Vaters. Da konnte es doch nicht allzu schwer sein, sie hier wieder heraus zu holen! Immerhin kam wenigstens Gimli täglich vorbei und unterhielt sich angeregt mit ihr. Gleichzeitig brachte er ihr auch stets Neuigkeiten aus dem Palast sowie den neuesten Klatsch und Tratsch. Es war erstaunlich, welch große Freude die Waldelben an dem Gerede der Waschweiber fanden. Bei einem dieser Gespräche erkundigte sich Earenis auch nach der eigenwilligen Versorgung der Gefangenen. „Es stimmt, dass man hier durchaus gut versorgt wird“, sagte Gimli. „Mein Vater kann immerhin ein Lied davon singen. Nur dass du bestimmt nicht darauf erpicht bist, mithilfe eines magischen Ringes und der Fässer befreit zu werden und dir den Zorn des Königs aufzuladen.“ „Mehr als ohnehin schon, meinst du wohl“, brummte sie missmutig. Gimli winkte ab. „Das wird schon, du wirst sehen. Der König ist manchmal ein wenig starr in seinen Ansichten. Nun, meistens … Jedenfalls gibt es hier im Grünwald kaum Backwaren, um auf deine ursprüngliche Frage zurück zu kommen.“ Das erstaunte Earenis. Es gab doch überall in jedem Land, in das sie bisher gekommen war, Brot und Kuchen! Warum hier nicht? „Die Waldelben bewirtschaften kaum Felder“, erklärte der Zwerg weiter. „Sie haben ja auch kaum Flächen, die sich dafür eignen. Zudem ist auch noch der Boden nicht allzu fruchtbar, trotz der Größe des Waldes. Das meiste an Backwaren, das du hier findest, sind Importe aus anderen Ländern, meist jedoch aus der Seestadt und Thal. Damit sind sie im Vergleich zu anderen Orten in diesem Teil der Welt durchaus sehr teuer und in der Regel ein Luxus, den es nur an besonderen Tagen zu genießen gibt. Der Speiseplan der Waldelben besteht überwiegend aus verschiedensten Waldfrüchten wie Beeren und Äpfeln und auch Pilzen. Nicht zu vergessen verschiedenste Tiere, die die Jäger erlegen, meist Hirsche und Rehe und auch Wildschweine. Was andernorts als Delikatesse gilt, ist hier Alltag.“ „Das leuchtet ein“, sagte Earenis sinnierend. Immerhin bestand Thranduils Reich fast ausschließlich aus Wald. Also war sicher auch die gesamte Wirtschaft an diese Naturlandschaft angepasst. „Das gleiche gilt dann sicher auch für Lórien, oder?“ „So ist es“, bestätigte ihr kleiner bärtiger Freund. „Du hast sicher schon vom Lembas gehört, dem Reisegebäck der Waldelben Lóriens. Dies ist eine so besondere Rarität, dass sie sogar nur von der Herrin Galadriel ausgegeben wird. Sie erwies uns auf unserer Reise die Güte und versorgte uns reichlich damit. Nicht nur einmal hatte es uns gute Dienste geleistet.“ Earenis hörte gespannt zu und hatte beinahe schon den Verdacht, dass ihre Augen leuchteten wie die eines kleinen Kindes. Wann hatte man schon einmal die Gelegenheit, einem der Ringgefährten zuzuhören, wie er aus dem Nähkästchen plauderte? So gut wie niemand würde jemals solch eine Gelegenheit wie sie besitzen. Legolas kam dieser Tage nur selten vorbei, was ihm Earenis‘ wachsenden Groll einbrachte. Nicht einmal Gimlis Erklärungen, Legolas habe viel mit den Staatsgeschäften des Reiches zu tun, besänftigten sie. Immerhin hatte sein Vater sie in diese missliche Lage gebracht, und nun hatte er dies gefälligst auszubaden! Nach gut einer Woche jedoch änderte sich die Lage plötzlich. Sie döste gerade ein wenig, als sie Unruhe vor ihrer Zelle bemerkte. Sie schreckte auf und sah zu der Gittertür. Legolas stand dort mit einigen der Gefängniswärter. Einer der Elben hatte einen großen Schlüsselbund in der Hand und sah seinen Prinzen skeptisch an. „Nun schließ schon auf!“, mahnte Legolas ihn. „Oder soll ich meinen Vater persönlich hierher zitieren, damit er dir den Befehl noch einmal bestätigt?“ „Nur, mein Prinz“, eierte der Elb mit den Schlüsseln. „Erst wurde uns eingebläut, dass wir sie unter keinen Umständen frei lassen sollen, immerhin ist sie zu einem Teil ein Ork! Und nun … Ich meine …“ Er schlingerte noch ein wenig um den heißen Brei herum und verstummte schließlich unter Legolas‘ strengem Blick. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass dies ein Missverständnis war!“, sagte er streng, und Earenis hörte seiner Stimme an, dass seine Geduld dem Ende entgegen ging. „Und wenn ihr ihr schon nicht traut, so vertraut wenigstens mir. Und jetzt schließ endlich die Tür auf!“ Der andere Elb tat Earenis fast schon leid. Er zog den Kopf ein und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. Die Schlüssel rasselten und schon schwang die Tür auf. Grob drängte sich Legolas an dem Wärter vorbei und betrat die Zelle. Sogleich wurde seine Miene sanfter, als er seine Aufmerksamkeit auf sie richtete, wie sie sich bereits einigermaßen verblüfft auf ihrem Lager aufgerichtet hatte. „Na endlich!“, begrüßte sie ihn schnippisch. „Lang genug hat’s gedauert.“ Legolas legte eine schuldbewusste Miene auf. „Es kamen einige unerwartete Ereignisse dazwischen, die es mir nicht ermöglichten, meinen Vater eher umzustimmen. Aber das besprechen wir lieber, wenn wir unter uns sind, denn dies betrifft noch nicht öffentliche Beschlüsse meines Vaters. Jedenfalls bist du zunächst einmal auf Bewährung frei und stehst unter meiner Verantwortung. Mein Vater hat deiner Freilassung nur unter dieser Bedingung zugestimmt. Du sollst dich beweisen, hat er gemeint, und zu diesem Zweck in den nächsten Tagen mit mir und einigen anderen Soldaten mit auf Patrouille durch den Wald kommen.“ Earenis verzog das Gesicht. „Ist das nicht ein wenig albern?“, beschwerte sie sich. „Als sei ich eine Schwerverbrecherin, der keine eindeutige Schuld zugewiesen werden kann!“ „In den Augen meines Vaters bist du es.“ Als er schon bemerkte, wie Earenis lauthals zum Protest ansetzen wollte, hob er beschwichtigend die Hände. „Aber wir wissen doch beide, dass dies nicht stimmt. Gib einfach keinen Grund zur Beschwerde und nicht einmal mehr Vater wird etwas gegen dich sagen können. Es war schon schwer genug, ihn überhaupt zu diesem Schritt zu bewegen.“ Earenis beschloss, dass dies tatsächlich zumindest ein Anfang war und sie ihn nutzen sollte. „Aber ich bekomme Mistaroa wieder“, sagte sie. „Natürlich!“, beteuerte Legolas sogleich. Zumindest war sie nun endlich wieder frei. Sie grollte ihm dennoch noch immer, bemerkte sie. Kapitel 48: Erkundungsgänge --------------------------- Nun galt es also für Elrond und seine Familie, Valandils Leichen in seinem Keller zu identifizieren. Es stellte sich als die Suche nach der Nadel im Heuhaufen heraus, denn sie hatten keinerlei Anhaltspunkte als die bloße Vermutung der Existenz der geheimen Gänge in den Wänden. Elrond beauftragte Ceomon und Rethtulu damit entweder in den Archiven Pläne vom Grundriss des Stadthauses aufzutreiben oder selbst Pläne anzufertigen, so gut es ihnen möglich war. Er selbst machte sich mit seinen Söhnen, leiblichen wie adoptiert, auf die Suche nach Eingängen. Ihnen war bewusst, dass diese sicher gut versteckt waren, sehr unauffällig und mit Sicherheit auch für Elbenaugen nur schwer zu erkennen. Sie vermuteten, dass sich mindestens ein Eingang in Valandils privaten Gemächern befand oder zumindest würden sie dort solche Gänge anlegen, wenn sie ihrer bedurften. Ihnen war allerdings auch klar, dass sie zumindest diesen Eingang mit Sicherheit nicht von außen erreichen würden ohne Verdacht auf sich zu lenken. Das hieß also, dass sie an anderer Stelle suchen mussten. Estel machte den Vorschlag, dass sie zuerst an jenen Stellen suchten, an denen ihnen Valandils plötzliches Erscheinen aufgefallen war. Dort konnten sie durchaus Erfolg mit ihrer Suche haben, statt ohne jegliche Anhaltspunkte im Dunklen zu tappen. Also teilen sie das Stadthaus in verschiedene Abschnitte auf, welche immer einer von ihnen untersuchen sollte. Elrond bezog auch Glorfindel in die Suche mit ein, auch wenn dieser nicht begeistert war, sich mit Estel in die Arbeit hineinzuteilen. Aber immerhin hatte Estel im Gegensatz zum Rest von ihnen noch andere Geschäfte in der Stadt zu erledigen. Glorfindel protestierte zwar, dass er die Truppen in Übung halten musste, aber Elrond ließ dieses Argument nicht gelten, denn dafür hatten sowohl er als auch Estel genügend weitere Offiziere. Glorfindel schmollte, fügte sich aber. Elladan und Elrohir wurden als erste fündig, auch wenn sie noch nicht den eigentlichen Schatz, einen Eingang, ausmachten. Zumindest konnten sie einen ersten Gang ausmachen. In einem wenig benutzten Flur hatten sie ein auffällig platziertes Bild ausgemacht, das recht fehl am Platz wirkte. Als sie es genauer untersuchten, hatten sie dahinter ein Loch in der Wand ausgemacht und als sie das kaum daumengroße Loch genauer untersuchten, konnten sie dahinter einen schmalen, dunklen Gang ausmachen, der dort in einer normalen Wand sicher nichts zu suchen hatte. Immerhin wussten sie damit, dass es tatsächlich geheime Wege gab. Elrond war es jedoch, der einige Abende später durch puren Zufall auch den ersten Zugang ausmachte. Eigentlich hatte er gar nicht suchen sondern sich lediglich ein wenig in der Bibliothek – wohlgemerkt dem öffentlich zugängigen Teil – aufgehalten, denn es war ein langer Tag gewesen, in welchem er Estel bei vielen seiner täglichen Aufgaben geholfen hatte. Da hörte er plötzlich sonderbare Geräusche in den Wänden. Alarmiert sah er auf und horchte, ob er ausmachen konnte, aus welcher Richtung die Geräusche kamen. Dann ging er ihnen unauffällig nach. Der Bibliothekar am Eingang der Bibliothek schien nichts gehört zu haben, anscheinend waren die Geräusche für ihn zu leise gewesen. Und auch Elrond hätte sie womöglich überhört, wenn er nicht in den letzten Tagen verstärkt auf solche Ungereimtheiten geachtet hätte. Noch einmal sah er sich um, ob auch niemand ihn beobachtete, dann folgte er den Geräuschen zu einer der Wände. Er horchte. Es war ihm, als höre er Stimmen, die leise aber erregt miteinander sprachen. Was genau sie besprachen, konnte er allerdings nicht ausmachen. Dann verstummten die Stimmen für einen Moment. Kaum hörbar meinte er sich entfernende Schritte auszumachen. Kurzzeitig war Stille und er befürchtete schon, diese einmalige Gelegenheit verpasst zu haben. Dann jedoch vernahm er das leise Geräusch aneinander reibenden Steines. Er blickte sich in der Bibliothek um, denn das Geräusch schien aus diesem Raum zu kommen. Unauffällig ging er durch die Regalreihen und sah sich um. Und da sah er doch tatsächlich Valandil, wie er durch ein Loch im Boden im für die Öffentlichkeit unzugänglichen Teil der Bibliothek nach oben stieg. Ha! Ein Volltreffer! Hastig verbarg sich Elrond hinter einem Bücherregal und spähte um die Ecke. Valandil schien ihn nicht bemerkt zu haben, denn noch immer blickte er sich wachsam um und schob dann leise die Steinplatte über das Loch im Boden. Elrond merkte sich die Stelle gut, um sie, wenn die Luft rein war, genauer zu untersuchen. Zunächst jedoch wartete er geduldig ab, bis wieder Ruhe in der Bibliothek eingekehrt war. Valandil lief nichts ahnend und ihn immer noch nicht bemerkend an dem Regal vorbei, hinter dem er sich verbarg. Er nickte kurz dem in keinster Weise verwundert wirkenden Bibliothekar zu und verließ dann den großen Raum. Dann war wieder Stille. Bedachtsam schlich sich Elrond nun zu der Stelle, an der er Valandil aus dem Boden hatte kommen sehen. Die Steinplatte unterschied sich kaum von den anderen um sie herum. Nur wenn man genau hinsah, bemerke man unter dem Regal, an welchem sich die Platte befand, leichte Schleifspuren des Steines, als er dorthin verschoben wurde. Elrond merkte sich das Regal gut, um seinen Söhnen seinen Fund mitzuteilen. Er konnte jetzt noch nicht mit der Untersuchung beginnen, denn so leise, dass der Bibliothekar bei dieser Stille nichts hörte, konnte man die Bodenplatte nicht verschieben. Zumindest waren sie nun einen großen Schritt vorangekommen. Zufrieden lächelnd kehrte Elrond zu seinem Buch zurück. Sie würden Valandil schon seine Geheimnisse entreißen, da war er sich sicher. Blieb nur die Frage, was für Geheimnisse es waren. Kapitel 49: Eifersüchteleien unter Freunden ------------------------------------------- Seit Earenis wieder frei war, war es Gimli, als sei eine Last von seinen Schultern genommen worden, wenngleich die Stimmung unter den Waldelben eisige Temperaturen angenommen hatte. Meist bemerkte er dies, wenn er mit dem Mädchen durch den Palast spazierte. Earenis hatte nun ein eigenes kleines Zimmer bekommen, und Gimli hatte sich ihrer angenommen, um ihr alles zu zeigen, soweit es ihm möglich war. Mittlerweile hatte er absolut kein Verständnis mehr für jene, die in Earenis nur eine boshafte Missgeburt sahen, mit der niemand auskam und die es zu meiden galt. Er hatte mittlerweile gänzlich andere Erfahrungen gemacht. Sie beide konnten scherzen und albern und mittlerweile ging Gimli durchaus so weit, Earenis als eine gute Freundin zu bezeichnen. Und auch ihr schien dieses Verhältnis zuzusagen, sie schien regelrecht aufzublühen, wenn sie bei ihm war. Nur Legolas legte dieser Tage ein sonderbares Verhalten an den Tag, das Gimli einfach nicht mit der kommenden Krönung seines Freundes in Verbindung bringen konnte. Der laegel war recht einsilbig, wenn er mit ihm sprach, und ging ansonsten ganz bewusst auf Abstand. Natürlich schob er seine Pflichten vor, doch Gimli kannte ihn mittlerweile gut genug, um es besser zu wissen. Mittlerweile war der gesamte Eryn Lasgalen in einen weißen Wintermantel gehüllt. Da Wälder im Winter auch für einen Zwerg sehr ansprechend waren, hatte er kurzerhand Earenis gefragt, ob sie gern die königlichen Gärten sehen wollte. Sie hatte zugesagt und nun spazierten sie durch die winterlichen Gartenanlagen. Irgendwann einmal bemerkte Gimli, wie Legolas ihnen folgte, sich aber nicht näherte. Er winkte seinem spitzohrigen Freund zu und bedeutete ihm, zu ihnen zu kommen. Doch Legolas schüttelte den Kopf und blieb, wo er war. Gimli runzelte die Stirn. „Ich glaube, er mag mich noch immer nicht allzu sehr“, befürchtete Earenis. „Ich war ja auch nicht gerade nett zu ihm …“ „Ach, Blödsinn“, winkte Gimli ab. „Jeder andere an deiner Stelle wäre auch sehr ungehalten gewesen. Aber ich gehe einmal zu ihm, ob es etwas Wichtiges gibt. Momentan weiß man hier ja nie. Schau du dich derweil ruhig ohne mich um.“ Earenis nickte und Gimli begab sich zu seinem Freund. Jener wirkte erstaunlich ernst und sah nachdenklich Earenis nach. „Na, will dein Vater dich morgen schon auf seinen Thron setzen?“, versuchte der Zwerg zu scherzen. Da Legolas ihn jedoch nur finster ansah, räusperte er sich hastig. „Nun, dummer Scherz. Vergiss ihn.“ „Du magst sie, oder?“, fragte Legolas stattdessen. „Wen? Freja?“ „Nein, sie.“ Er nickte in Richtung Earenis. „Ach so. Nun, sie ist eine gute Freundin, wenn man ihr die Möglichkeit gibt, ihre guten Seiten zu zeigen.“ „Und sie mag dich.“ Etwas in Legolas‘ Ton gefiel Gimli nicht. „Jedenfalls fällt mir der Umgang mit ihr leichter als den meisten anderen.“ „Und sie hat nur Augen für dich.“ Legolas verkniff missbilligend den Mund. Konnte sein Freund damit wirklich zum Ausdruck bringen, was Gimli gerade dachte?! Er sah Legolas groß an. „Mein Freund, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass du eifersüchtig auf mich bist.“ „Und wenn es so wäre?“ Das verblüffte und entsetzte Gimli zugleich. „Ich bin verlobt, das weißt du!“, rief er aus. „Außerdem würde das doch sicher nicht gut gehen. Ich meine, Elb und Zwerg, wo hat man das schon einmal gehört?“ Legolas schnaubte abfällig. „Das verstehst du nicht.“ Er wollte sich schon abwenden. Gimli hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache. Das hier konnte einfach nicht in einen Streit um eine Frau ausarten, nicht ausgerechnet zwischen ihm und Legolas! „Nun warte doch!“, rief er seinem Freund nach und versuchte beim Folgenden so viel Feingefühl wie möglich in seine Stimme zu legen. „Ich verstehe das sehr wohl, ich würde doch genauso denken, wenn mir jemand Freja abspenstig machen wollen würde. Aber an Earenis habe ich keinerlei Interesse außer einem rein freundschaftlichen. Ich schwöre es! Und ich weiß doch noch, was mir damals Herr Elrond über solche Schwüre sagte.“ Legolas schwieg und warf ihm einen skeptischen Blick zu. Dann sah er zu Earenis, die einige verschneite Hecken betrachtete. Gimli folgte seinem Blick. „Ich freue mich sehr für dich, wenn du endlich jemanden gefunden hast, für den du mehr empfinden kannst“, versuchte Gimli weiter seine Schlichtung. „Aber das ist doch kein Grund, gleich auf mich wegen irgendetwas eifersüchtig zu sein.“ Langsam wandte sich Legolas zu ihm um. „Verstehst du es noch nicht?“, sagte er. „Was ich für sie zu empfinden beginne, scheint sie für dich zu empfinden.“ Dem Zwerg fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Das war ihm nie so aufgefallen! „Darauf habe ich es niemals angelegt“, beteuerte er. „Ich wollte lediglich freundlich zu ihr sein, da das Mädchen ja sonst niemanden hat. Aber das weißt du doch! Legolas, noch einmal: Ich bin verlobt!“ Das konnte einfach nicht wahr sein! Seine Gedanken rasten. Was konnte er nur tun, um die Situation zu entschärfen? „Hör mal“, begann er von neuem. „Ich kann mich, wenn du das willst, bemühen, nicht mehr all meine Zeit hier mit ihr zu verbringen. Aber von nichts kommt nichts, du musst dich, so schwer es dir bei deinem vollen Tagesablauf auch fällt, auch mit ihr beschäftigen, ihr mehr Aufmerksamkeit schenken.“ Gimli konnte seinem Freund ansehen, wie sehr es hinter seiner Stirn arbeitete. „Sie ist dir immer noch ein wenig böse für das, was dein Vater mit ihr angestellt hat“, setzte Gimli fort. „Vielleicht … versuche es mit kleinen Aufmerksamkeiten, netten Worten. Irgendwann in nächster Zeit gibt es hier doch bestimmt wieder ein Fest, lade sie vielleicht zum Tanzen ein. Oder irgendetwas in der Art.“ Eine ganze Weile schwieg Legolas, doch er wirkte zumindest für den Moment etwas besänftigter. „Vater will, dass sie sich beweist“, sagte er schließlich leise. „Vorher traut er ihr nicht über den Weg. Dafür soll ich sie auf meinen nächsten Grenzgang mitnehmen und im Auge behalten.“ „Nun, nicht gerade der beste Anfang, aber immerhin ein Anfang“, überlegte Gimli. Sein Freund rang einen Moment mit sich. Er schluckte. Dann sagte er: „Ich war wohl ein wenig voreilig. Das tut mir leid.“ Gimli klopfte ihm lächelnd auf den Arm. „Jeder war ein erstes Mal verliebt“, sagte er. „Auch wenn es sonderbar ist, dass du tausende Jahre älter bist als ich, und ich dir da dennoch ein wenig voraushabe.“ Aber dafür, dass Legolas und Earenis sich am Anfang gar nicht hatten riechen können, entwickelte sich nun alles doch allmählich ganz gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)