I eleniël orco von abgemeldet (Die Sternentochter des Orks) ================================================================================ Kapitel 47: Hinter Gittern -------------------------- Earenis hasste es, den ganzen Tag lang nur die Gitterstäbe anstarren zu können. Sie hatte schon schlimmerer Kerker gesehen, keine Frage. Dieser war immerhin angenehm trocken und dazu auch noch warm und ihr Lager hatte sogar eine Matratze. Keine sonderlich weiche zwar, aber immerhin war dies noch immer ein Kerker und kein Gästezimmer. Irgendwo den Gang entlang hörte sie Mistaroa heulen. Man hatte ihn in einen Hundezwinger gesperrt und ihr nicht erlaubt, ihren treuen Gefährten bei sich zu behalten. Sie könnte es schlechter haben, keine Frage. Und dennoch war es eine Belastung, wenn die einzige Abwechslung in den Schichtwechseln der Wachen und ihrem Essen zweimal am Tag bestand. Immerhin war auch das Essen nicht das schlechteste, was sie bereits bekommen hatte. Nur das Brot vermisste sie. Es erstaunte sie, dass hier nicht einmal die Gefangenen altbackenes Brot bekamen wie andernorts, sondern tatsächlich so etwas Gutes wie getrocknete Waldfrüchte und Äpfel. Sie musste unbedingt herausfinden, warum ausgerechnet Thranduil seine Gefangenen – und dann auch noch solche wie sie! – so gut behandelte, als wären sie beinahe keine Gefangenen. Sie fragte sich, was Legolas wohl machte, dass er so lange brauchte, um sie hier heraus zu holen. Immerhin musste er ja nur seinen Vater umstimmen. Zugegebener Maßen war dieser immer noch Thranduil, aber Legolas war sein einziger Sohn und Erbe. Wären die Verhältnisse hier im Eryn Lasgalen nicht völlig verschieden von den Sitten und Gebräuchen in anderen Ländern, so dürfte Legolas‘ Wort fast ebenso viel Gewicht besitzen wie das seines Vaters. Da konnte es doch nicht allzu schwer sein, sie hier wieder heraus zu holen! Immerhin kam wenigstens Gimli täglich vorbei und unterhielt sich angeregt mit ihr. Gleichzeitig brachte er ihr auch stets Neuigkeiten aus dem Palast sowie den neuesten Klatsch und Tratsch. Es war erstaunlich, welch große Freude die Waldelben an dem Gerede der Waschweiber fanden. Bei einem dieser Gespräche erkundigte sich Earenis auch nach der eigenwilligen Versorgung der Gefangenen. „Es stimmt, dass man hier durchaus gut versorgt wird“, sagte Gimli. „Mein Vater kann immerhin ein Lied davon singen. Nur dass du bestimmt nicht darauf erpicht bist, mithilfe eines magischen Ringes und der Fässer befreit zu werden und dir den Zorn des Königs aufzuladen.“ „Mehr als ohnehin schon, meinst du wohl“, brummte sie missmutig. Gimli winkte ab. „Das wird schon, du wirst sehen. Der König ist manchmal ein wenig starr in seinen Ansichten. Nun, meistens … Jedenfalls gibt es hier im Grünwald kaum Backwaren, um auf deine ursprüngliche Frage zurück zu kommen.“ Das erstaunte Earenis. Es gab doch überall in jedem Land, in das sie bisher gekommen war, Brot und Kuchen! Warum hier nicht? „Die Waldelben bewirtschaften kaum Felder“, erklärte der Zwerg weiter. „Sie haben ja auch kaum Flächen, die sich dafür eignen. Zudem ist auch noch der Boden nicht allzu fruchtbar, trotz der Größe des Waldes. Das meiste an Backwaren, das du hier findest, sind Importe aus anderen Ländern, meist jedoch aus der Seestadt und Thal. Damit sind sie im Vergleich zu anderen Orten in diesem Teil der Welt durchaus sehr teuer und in der Regel ein Luxus, den es nur an besonderen Tagen zu genießen gibt. Der Speiseplan der Waldelben besteht überwiegend aus verschiedensten Waldfrüchten wie Beeren und Äpfeln und auch Pilzen. Nicht zu vergessen verschiedenste Tiere, die die Jäger erlegen, meist Hirsche und Rehe und auch Wildschweine. Was andernorts als Delikatesse gilt, ist hier Alltag.“ „Das leuchtet ein“, sagte Earenis sinnierend. Immerhin bestand Thranduils Reich fast ausschließlich aus Wald. Also war sicher auch die gesamte Wirtschaft an diese Naturlandschaft angepasst. „Das gleiche gilt dann sicher auch für Lórien, oder?“ „So ist es“, bestätigte ihr kleiner bärtiger Freund. „Du hast sicher schon vom Lembas gehört, dem Reisegebäck der Waldelben Lóriens. Dies ist eine so besondere Rarität, dass sie sogar nur von der Herrin Galadriel ausgegeben wird. Sie erwies uns auf unserer Reise die Güte und versorgte uns reichlich damit. Nicht nur einmal hatte es uns gute Dienste geleistet.“ Earenis hörte gespannt zu und hatte beinahe schon den Verdacht, dass ihre Augen leuchteten wie die eines kleinen Kindes. Wann hatte man schon einmal die Gelegenheit, einem der Ringgefährten zuzuhören, wie er aus dem Nähkästchen plauderte? So gut wie niemand würde jemals solch eine Gelegenheit wie sie besitzen. Legolas kam dieser Tage nur selten vorbei, was ihm Earenis‘ wachsenden Groll einbrachte. Nicht einmal Gimlis Erklärungen, Legolas habe viel mit den Staatsgeschäften des Reiches zu tun, besänftigten sie. Immerhin hatte sein Vater sie in diese missliche Lage gebracht, und nun hatte er dies gefälligst auszubaden! Nach gut einer Woche jedoch änderte sich die Lage plötzlich. Sie döste gerade ein wenig, als sie Unruhe vor ihrer Zelle bemerkte. Sie schreckte auf und sah zu der Gittertür. Legolas stand dort mit einigen der Gefängniswärter. Einer der Elben hatte einen großen Schlüsselbund in der Hand und sah seinen Prinzen skeptisch an. „Nun schließ schon auf!“, mahnte Legolas ihn. „Oder soll ich meinen Vater persönlich hierher zitieren, damit er dir den Befehl noch einmal bestätigt?“ „Nur, mein Prinz“, eierte der Elb mit den Schlüsseln. „Erst wurde uns eingebläut, dass wir sie unter keinen Umständen frei lassen sollen, immerhin ist sie zu einem Teil ein Ork! Und nun … Ich meine …“ Er schlingerte noch ein wenig um den heißen Brei herum und verstummte schließlich unter Legolas‘ strengem Blick. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass dies ein Missverständnis war!“, sagte er streng, und Earenis hörte seiner Stimme an, dass seine Geduld dem Ende entgegen ging. „Und wenn ihr ihr schon nicht traut, so vertraut wenigstens mir. Und jetzt schließ endlich die Tür auf!“ Der andere Elb tat Earenis fast schon leid. Er zog den Kopf ein und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. Die Schlüssel rasselten und schon schwang die Tür auf. Grob drängte sich Legolas an dem Wärter vorbei und betrat die Zelle. Sogleich wurde seine Miene sanfter, als er seine Aufmerksamkeit auf sie richtete, wie sie sich bereits einigermaßen verblüfft auf ihrem Lager aufgerichtet hatte. „Na endlich!“, begrüßte sie ihn schnippisch. „Lang genug hat’s gedauert.“ Legolas legte eine schuldbewusste Miene auf. „Es kamen einige unerwartete Ereignisse dazwischen, die es mir nicht ermöglichten, meinen Vater eher umzustimmen. Aber das besprechen wir lieber, wenn wir unter uns sind, denn dies betrifft noch nicht öffentliche Beschlüsse meines Vaters. Jedenfalls bist du zunächst einmal auf Bewährung frei und stehst unter meiner Verantwortung. Mein Vater hat deiner Freilassung nur unter dieser Bedingung zugestimmt. Du sollst dich beweisen, hat er gemeint, und zu diesem Zweck in den nächsten Tagen mit mir und einigen anderen Soldaten mit auf Patrouille durch den Wald kommen.“ Earenis verzog das Gesicht. „Ist das nicht ein wenig albern?“, beschwerte sie sich. „Als sei ich eine Schwerverbrecherin, der keine eindeutige Schuld zugewiesen werden kann!“ „In den Augen meines Vaters bist du es.“ Als er schon bemerkte, wie Earenis lauthals zum Protest ansetzen wollte, hob er beschwichtigend die Hände. „Aber wir wissen doch beide, dass dies nicht stimmt. Gib einfach keinen Grund zur Beschwerde und nicht einmal mehr Vater wird etwas gegen dich sagen können. Es war schon schwer genug, ihn überhaupt zu diesem Schritt zu bewegen.“ Earenis beschloss, dass dies tatsächlich zumindest ein Anfang war und sie ihn nutzen sollte. „Aber ich bekomme Mistaroa wieder“, sagte sie. „Natürlich!“, beteuerte Legolas sogleich. Zumindest war sie nun endlich wieder frei. Sie grollte ihm dennoch noch immer, bemerkte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)