I eleniël orco von abgemeldet (Die Sternentochter des Orks) ================================================================================ Kapitel 44: Leichen im Keller ----------------------------- Als sie einige Tage später in Fornost waren, begaben sie sich zur Lagebesprechung zusammen. Valandil schmollte noch immer und benahm sich mehr denn je wie ein bockiges Kind. Niemand nahm ihn mehr für voll, selbst seine eigenen Bürger nicht. Eine allgemeine Aufbruchsstimmung herrschte in der Stadt, die Ankunft des Königs und der ausgetragene Sieg schienen die Bürger regelrecht zu beflügeln. Mittlerweile hatte Ceomon das von Elrond hastig kopierte Dokument vollständig entschlüsselt, womit sie es nun auswerten konnten – und Ceomon endlich und zu Elronds Missfallen weiter an dessen Biographie arbeiten konnte. „Ich komme mir ein bisschen wie bei einem geheimen Kriegsrat vor“, scherzte Elrohir. „Wir stibitzen geheime Dokumente, spionieren Valandil nach und sind Feuer und Flamme, ihm all seine Geheimnisse zu entlocken, die er vor uns verbergen will“, stimmte sein Bruder ihm zu. „Ein wenig mehr Ernst bei der Sache“, ermahnte Elrond sie und wandte sich dann an Ceomon. „Was steht also in diesem Dokument, das ich gefunden habe?“ „Es sind Valandils Finanzen“, eröffnete Ceomon. „Sogar vergleichsweise aktuelle von Beginn dieses Jahres. Sie listen wahrscheinlich alle Ausgaben und Einnahmen, die Valandil in diesem Zeitraum tätigte oder zumindest eine ganze Menge davon. Anscheinend sind dies Dokumente, die auf gar keinen Fall für die Öffentlichkeit gedacht sind, denn ständig ist von ‚vertraulichen Geschäften‘ die Rede.“ „Klingt fast nach einem Glückstreffer“, bemerkte Estel. „Aber warten wir ab.“ Er nahm das Dokument, das Ceomon angefertigt hatte, an sich und besah es sich eine Weile genau. Seine Lippen bewegten sich stumm, als er wohl im Kopf nachrechnete, wie viel Geld Valandil in dieser Zeit von ihm bekommen hatte. „Hm“, machte er schließlich. „Es ist erstaunlicherweise tatsächlich nur ein geringer Teil der Gelder, der in seinen eigenen Taschen landete. Ich hätte mehr erwartet. Dennoch sind die Angaben nicht ganz stimmig, manchmal fehlen scheinbar Angaben und manchmal sind die Empfänger des Geldes oder Gründe für die Ausgaben sehr nebulös. Wer zu Beispiel ist mit ‚unsere Freunde‘ gemeint?“ Elrond warf einen Blick auf das Papier. Es brauchte einen Moment, bevor er das System durchschaute und sich zu Recht gefunden hatte. Es war eine recht eigenwillige Art der Buchführung, wahrscheinlich noch eine Methode, um Schnüffler wie sie abzuhalten die Geheimnisse des Bürgermeisters aufzudecken. „Es sind in der Tat einige bemerkenswerte Lücken auszumachen“, stellte nun auch er fest. „Geld verschwindet auf geheimnisvolle Weise und neue Gelder und, wenn ich das richtig sehe, auch andere Waren wie Lebensmittel und sogar Waffen tauchen hierauf. Aber warum? Und wo kommen diese her?“ „Valandil hat in der Tat Leichen im Keller“, sagte Elladan. „Nun ist es an uns, diese zu identifizieren. Mitunter keine schöne Angelegenheit. Wir sollten dabei auch dem Verdacht auf die Geheimgänge nachgehen. Glorfindel sollten wir da aber besser nicht fragen, er kann nur mit dem Schwert umgehen und würde sonst noch mit dem Kopf durch die Wand rennen, darauf wette ich.“ Elrond widmete ihm einen mahnenden Blick. Seine Söhne konnten selten etwas dauerhaft mit dem nötigen Ernst betrachten. „Und wie machen wir das am besten?“, erkundigte er sich. „Wände abklopfen!“, rief Elrohir aus. „Valandil beschatten und beschatten lassen!“, ergänzte sein Bruder eifrig. „Wenn er sich weiter wie ein Kleinkind benimmt und so schmollt wie bisher, dann wird er sicher uns in einem unachtsamen Moment verraten, was wir wissen wollen. Wir müssen nur etwas Geduld haben.“ „Und wenn wir diese Zeit nicht haben?“, wollte Estel von ihm wissen. „Dann drängeln wir eben ein wenig und helfen ihm auf die Sprünge“, sagte Elladan, als sei es das Leichteste der Welt. Elrond runzelte die Stirn. So wirklich überzeugt war er nicht, zumal er wusste, was für Kindsköpfe seine Söhne sein konnten. Und momentan wirkten sie nicht, als seien sie mit wirklichem Ernst bei der Sache. „Ihr wisst aber, was ihr da tun wollt?“, fragte er vorsichtshalber nach. „Vielleicht sollte ich euch lieber dabei begleiten, sicher ist sicher.“ „Ach, Vater …“, sagte Elladan in einem mahnenden Ton. „Wir sind schon erwachsen, hast du das vergessen?“ „Aber ihr wirkt selten so“, wies Elrond sie darauf hin. „Und wir weichen gerade vom Thema ab“, mischte sich Estel ein. „Elladan und Elrohir haben mitunter gar nicht so sehr Unrecht, wir sollten das wirklich weiter verfolgen. Als letztes bleibt aber noch zu klären, was wir auf dem niedergebrannten Bauernhof gefunden haben. Dass die Zeichen auf Krieg stehen, sollte uns allen klar sein. Aber was können wir daraus für uns schließen? Was erwartet uns? Worauf müssen wir vorbereitet sein?“ Er holte aus einer Gewandfalte den Zettel hervor, den sie gefunden hatten, und legte ihn auf den Tisch. „Es ist zweifelsohne ein ungewöhnliches Zeichen und ein ungewöhnlicher Spruch. Ich habe Vergleichbares noch nie gesehen.“ Nun mischte sich auch Rethtulu ein. Er trat vor und an den Tisch und besah sich den Zettel nachdenklich. „Doch, es gibt etwas Vergleichbares“, sagte er. „Es ist ein Brauch, der mittlerweile kaum noch im Umlauf ist, aber Herr Elrond wird sich seiner noch erinnern können. In früheren Tagen hatte jedes der großen Häuser der Noldor und auch viele der kleineren eigene Banner und, und das ist das Entscheidende, eigene Sprüche, die dieses Haus kennzeichneten. Es war wichtig, die Heraldik zu kennen, um keine Peinlichkeiten auf großen Zusammenkünften zu begehen. Auch ich wusste einst alle Gebräuchlichen. Aber das hier ist mir noch nie unter gekommen.“ Elrond sog zischend die Luft ein. „Meinst du also, dass dies eine Anspielung auf dieses alte Brauchtum ist?“ „Denkbar wäre es jedenfalls“, sagte Rethtulu. „Aber warum?“, fragte sich Elrond. „Der Ork, den wir gefangen genommen hatten, hatte  behauptet, dass sein neuer Meister von derselben Abstammung wie Earenis sei. Ist es eine Anspielung darauf? Und was will er uns damit sagen?“ „Vielleicht ist es ja auch einfach nicht mehr als das: eine schlichte Anspielung auf seine Abstammung“, sagte Elladan. „Und der Spruch darunter … Hm … Vielleicht ist es ja auch einfach nur eine einfache Drohung, ein schlichtes Prahlen mit Kräften, die vielleicht vorhanden sind, vielleicht auch nicht. Was sagst du, Estel, zu dem Tier, das hier abgebildet ist? Du kennst sie ja anscheinend. Warum steht es hier?“ „Löwen sind sehr große Katzen“, erklärte Estel. „Größer noch als ein großer Mann, wenn sie aufrecht stehen. Sie leben in kleineren bis größeren Gruppen zusammen, meist ein Männchen und mehrere Weibchen, die für ihn jagen. Im Gegenzug beschütz er das Rudel vor allein umherziehenden Männchen. Im Süden werden diese Großkatzen sehr verehrt für ihre Kraft und Ausdauer und für ihren Mut, selbst Tiere zu erlegen, die um ein Vielfaches größer sind als sie selbst.“ „Also ist auch dieser Löwe ein Symbol für die Kraft und die Macht unseres Feindes“, schloss Elrond. „Oder soll es zumindest sein. Ob es auch an dem ist, sei einmal dahin gestellt.“ „Zumindest lässt er tatsächlich die Muskeln spielen“, sagte Estel. „Und ich glaube, dass er uns nicht so sehr provozieren würde, wenn er nicht zumindest gewisse Sicherheiten hätte, es auch mit uns aufnehmen zu können. Erst schickt er eine Armee für eine Belagerung aus, nun beginnt er, die Bauernhöfe zu plündern und uns auf diese Weise schwächen zu wollen. Er will uns aus der Reserve locken.“ „Und uns dann auf seinem Gebiet und nach seinen Regeln bekämpfen“, schloss Elrond den Gedankengang. „Wir sollten nicht darauf eingehen, aber dennoch auch für die Sicherheit der entlegensten Siedlungen sorgen. Notfalls müssen die Einwohner evakuiert und in sicherere Städte gebracht werden.“ „Sie werden nicht glücklich sein, Hab und Gut zurücklassen zu müssen“, gab Estel zur Erinnerung. „Besser sie leben und können sich eine neue Existenz aufbauen, als wenn sie tot sind“, hielt Elrond sofort dagegen. „Was denkst du, wie es uns erging, als wir damals aus Eregion fliehen mussten, nachdem Sauron auch mich besiegt hatte?“ Dazu sagte Estel nichts. Schließlich nickte er aber. „Dann lass uns die Details unseres weiteren Vorgehens besprechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)