I eleniël orco von abgemeldet (Die Sternentochter des Orks) ================================================================================ Kapitel 42: Königliche Wutausbrüche ----------------------------------- Legolas konnte in ausgezeichneter Qualität mitverfolgen, wie der alte Zorn in seinem Vater aufkochte. Er hatte es gewusst! Vielleicht hätte er Earenis vorher einbläuen sollen, auch ja nichts über ihre Herkunft zu erzählen. Aber womöglich hätte es sein Vater so oder so herausgefunden. Jedenfalls schien Thranduil tatsächlich zunächst seinen Ohren nicht zu trauen. Nebst der Wut konnte Legolas auch Irritation bei ihm ausmachen, und er konnte es seinem Vater nur allzu gut nachsehen. Wer glaubte auch schon im ersten Moment wirklich daran, dass es Wesen gab, halb Ork, halb Elb? Dann jedoch schien er eine Entscheidung getroffen zu haben und sie war wohl abzusehen gewesen. „Ergreift sie!“, befahl er den nahe stehenden Wachen. „Sperrt sie in den tiefsten Keller und lasst sie nicht aus den Augen. Sie ist eine Gefahr für uns alle!“ Legolas konnte den Schock, der in Earenis‘ Augen stand, nur allzu gut nachvollziehen. Dass sein Vater so radikal handeln würde, hatte sie vielleicht nicht erwartet. „Vater!“, versuchte er zu retten, was zu retten war. „Handle nicht so voreilig und verurteile sie nicht ohne sie angehört zu haben.“ „Das musst gerade du mir sagen!“, fuhr sein Vater ihn an. „Warum bringst du solch eine Kreatur in unsere Mauern, was hast du dir dabei gedacht? Du weißt, dass sie nichts weiter als Mord und Totschlag im Sinn haben.“ „Sie ist anders, ich schwöre es!“, versuchte es Legolas erneut. „Das hat sie mehr als nur einmal vor meinen eigenen Augen bewiesen!“ „Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie ein Ork ist. Und eine Noldo!“ Das letzte spie er förmlich aus. Dann wandte er sich an die Wachen, die bereits näher getreten waren, und wedelte ungeduldig mit der Hand. „Na los, habt ihr mich nicht gehört, oder worauf wartet ihr? Sperrt sie ein!“ Earenis hatte das ganze schockstarr verfolgt. Verzweifelt sah sie zu Legolas. Als ob er etwas auf die Schnelle dagegen unternehmen könnte! Er hoffte, dass er seinen Vater dennoch recht zeitnah umstimmen konnte. So musste er allerdings vorerst tatenlos zusehen, wie Earenis abgeführt wurde und sich dabei nach Leibeskräften wehrte. Es half ihr nichts, gegen die vier starken Elben kam sie nicht an. Ihre wütenden Schreie waren bald verhallt. Legolas sah seinen Vater finster an. „Wirklich nett war das nicht“, sagte er verstimmt. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Sohn!“, drohte Thranduil ihm an. „Und jetzt lass uns über wichtigere Dinge reden.“ Damit war das Thema anscheinend vorerst für ihn durch und Legolas wusste aus Erfahrung, dass nun nicht mehr mit ihm zu reden war. Thranduil holte etwas aus seinem Gewand und reichte es Legolas. Es war ein kleiner Zettel, auf dem eine Art große, goldene Katze auf karmesinrotem Hintergrund zu sehen war. Eine Nachricht in unbeholfener Schrift stand dort. „Höre mich brüllen!“, las Legolas verwundert. „Was bedeutet das, Vater?“ „Ich weiß es nicht“, sagte Thranduil. „Ich hatte gehofft, dass du es mir sagen kannst. Diese Botschaft erreichte mich vor wenigen Tagen, der Absender ist selbstredend unklar.“ Gimli griff nach dem Zettel und besah ihn sich genauer. „Sonderbare Botschaft, geheimnisvoller Absender“, sinnierte er laut. „Vielleicht ist es dieser Ghâshburz.“ Legolas sah ihn fragend an. „Meinst du wirklich?“ „Zumindest wäre es eine Option.“ „Wenn auch keine allzu beruhigende“, sagte Thranduil. „All dies sind ungute Vorboten. Die Raben, die ich von Herrn Elrond und König Elessar erhielt und das, was ihr mir nun berichtet, ergeben ein ernst zu nehmendes Bild. Ich werde das Heer zusammenziehen und die Grenzen stärker bewachen lassen. Gegebenenfalls werden wir auch den Erebor und Thal benachrichtigen. Was sagst du dazu, Legolas?“ „Wir werden dieses Mal auch weiter über unsere Grenzen hinaus denken müssen“, warf dieser ein. „Unser Feind ist uns noch nahezu vollkommen unbekannt. Wir wissen nicht, wo er zuschlagen wird oder wann. Wenn wir uns nur auf unsere Grenzen konzentrieren, werden wir zu leicht überrascht. Mindestens die Anduinebenen und die nördlichen Ebenen bis zum Grauen Gebirge werden wir ebenso patrouillieren müssen.“ Thranduil legte eine nachdenkliche Mine auf. Schließlich nickte er. „Ja, das sind gute Gedanken“, sagte er. „Es ist wohl wirklich besser so. Aber lassen wir das vorerst. Die ersten Neuigkeiten sind überbracht und eure Reise war lang. Ihr werdet müde sein und selbstredend sind eure Gemächer schon gerichtet.“ Legolas lächelte. Das waren doch angenehme Nachrichten! „Ich bekomme meine alten Zimmer?“, fragte er hoffnungsvoll. „Selbstredend!“, beteuerte Thranduil. Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich und machten sich auf den Weg, um sich von ihrer Reise zu erholen. Kaum, dass sie den Thronsaal verlassen hatten, wandte sich aber Gimli sogleich an seinen Freund. „Du wirst doch etwas wegen Earenis unternehmen, oder?“, fragte er besorgt. „Das war nicht sonderlich angebracht von deinem Vater, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“ „Natürlich werde ich tun, was ich kann!“, sagte Legolas energisch. „Nur kann  nicht einmal ich mich über den Befehl meines Vaters hinweg setzen. Aber immerhin wird er mir zuhören. Geh du schon einmal vor, ich werde nach Earenis sehen. Auch wenn sie mich bestimmt fressen wird…“ Lothmiw kicherte. „Dann muss ich mitkommen und dich beschützen!“, sagte sie. „Außerdem will ich sie kennen lernen. Du hast bestimmt deine Gründe, dass du so eine Kreatur zu uns bringst.“ „Rede nicht so von ihr!“, rügte er seine Tochter streng. „Du tust ihr Unrecht damit. Sie verdient es besser behandelt zu werden.“ Gimlis neckischen Blick kommentierte er mit einem Schnauben. Man durfte doch wohl noch einmal seine Meinung ändern! Er machte sich mit Lothmiw auf den Weg in die Kerker. Innerlich bereitete er sich bereits auf eine tobende Earenis vor, die ihn für ihre missliche Lage verantwortlich machen würde. Auch wenn er es ihr nicht allzu sehr verübeln konnte… Die Wachen in den Kerkern schienen überrascht zu sein ihn so schnell hier unten anzutreffen und ihre Verwirrung würde sicherlich um einiges wachsen, sobald sie herausfanden, was er vor hatte. Earenis jedenfalls war schnell ausfindig gemacht, er musste einfach nur den wütenden Schreien folgen. Man hatte die Ärmste tatsächlich in die dunkelste und ungemütlichste Zelle verbannt. Missmut kam in ihm auf. „Glotz nicht so dumm und hol mich hier raus!“, keifte Earenis ihn sogleich erwartungsgemäß an, als sie ihn an erblickte. Er machte eine beschwichtigende Geste. „Das ist nicht ganz so einfach“, versuchte er es auf dem diplomatischen Wege. „Doch! Hol die verdammten Schlüssel!“, keifte sie. Lothmiw trat bereits provisorisch einige Schritte zur Seite. „Ich kann nicht gegen die Befehle meines Vaters verstoßen!“, konterte er energisch. „Ich bin zwar sein Sohn, aber er ist der König! Also beruhige dich und hör mir zu.“ Earenis stierte ihn noch immer mit dem finstersten Blick an, zu welchem sie im Stande war, doch immerhin schien sie ihm nun tatsächlich zuzuhören. „Ich kann nicht einfach so in die Wachkammer spazieren, mir die Schüssel nehmen und dich hier heraus lassen“, sagte er noch einmal. „Was ich aber kann, ist dir zumindest eine bequemere Zelle zu verschaffen. Ebenso werde ich mit Vater reden, mir hört er in der Regel zu. Ich werde ihn schon davon überzeugen können, dass er übereilt und vor allem zu Unrecht gehandelt hat. Habe einfach nur ein wenig Geduld, du wirst nicht allzu lange hier bleiben müssen.“ Wirklich begeistert wirkte Earenis immer noch nicht, aber immerhin schien sie vorerst Frieden zu geben. Dann jedoch wurde ihr Blick weicher. „Meintet Ihr das vorhin mit dem Beweisen wirklich ernst?“, fragte sie zurückhaltend. „Bleib bitte beim du“, sagte Legolas zu seiner eigenen Überraschung. „Und ja, natürlich meine ich das ernst. Ich habe mich doch schon einmal für mein Fehlverhalten entschuldigt und meine noch immer alles genau so, wie ich es dir damals sagte.“ Earenis wirkte etwas verwirrt. „Nun gut, dann… dann probiert, ich meine, probier dein Glück mit deinem Vater.“ Allzu überzeugt wirkte sie nicht, aber immerhin schien sie es auf einen Versuch ankommen lassen zu wollen. „Verhalte dich am besten ruhig“, riet Legolas ihr. „Auch wenn ich mir denken kann, dass du diese Situation nicht allzu schön findest.“ „Ach…“ „Wir sprechen uns wieder so bald wie möglich. Ich beeile mich meinen Vater umzustimmen“, versprach Legolas. Nun schlich sich langsam doch ein kleines, dankbares Lächeln auf ihre Lippen. Es ging doch. „Bis dann also. Sei schön lieb.“ Das letzte quittierte sie mit einem missmutigen Brummen. Damit verabschiedeten sie sich und Legolas ging wieder nach oben. Auf dem Weg nahm er noch Earenis‘ Schwert an sich, jeden Protest des wachhabenden Elben beiseite wischend. Das Schwert war wertvoll, immerhin war es ein Geschenk Aragorns. Earenis würde sicher nicht wollen, dass es einfach so achtlos in einer Truhe mit den Besitztümern der Gefangenen verwahrt wurde. „Sie ist ja sehr liebenswürdig“, stellte Lothmiw nüchtern fest. „Sie kann auch anders, glaub mir“, versicherte er ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)