I eleniël orco von abgemeldet (Die Sternentochter des Orks) ================================================================================ Kapitel 16: Die Tochter des Orks -------------------------------- König Elessar hatte zwei Soldaten für sie abgeordnet, die sich um sie kümmern sollten. Sie hatten aus zwei starken Ästen und einem Umhang eine Trage für sie gebastelt, mit der sie sie bequem und möglichst erschütterungslos transportieren konnten, da Earenis mit ihrem verletzten Bein nicht selbst laufen konnte. Da Herr Elrond anscheinend sehr wohl bemerkt hatte, dass sie nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war, pflegte nun König Elessar ihre Wunden. Er war einst ein Waldläufer gewesen, das wusste sie, und er hatte von Herrn Elrond gelernt, und das spürte man in der Tat. Die nächsten Tage waren eintönig. Earenis konnte nichts weiter tun als auf ihrer Trage zu liegen und den Himmel anzustarren. Mistaroa hielt sich stets nahe bei ihr, auch wenn er die beiden Soldaten Gondors nervös machte. Nachdem er sie ein paar Mal angeknurrt und ihnen so vermittelt hatte, dass Earenis ihm gehörte, gab er jedoch Ruhe, da auch die Männer ihre Grenzen verstanden hatten. Sie sah es jedem hier an: Sie alle fragten sich, wer sie wirklich war, denn eine Elbin wie sie hatte wohl noch niemand gesehen. Es gab viele hier, die ihre Mutter gekannt hatten, und Earenis befürchtete, dass früher oder später jemand sie doch erkennen konnte. Sie verfluchte ihr Pech, ausgerechnet in diese Orkhöhle gestolpert zu sein. Schließlich bogen sie in ein versteckt liegendes Tal ein, und obwohl sich Earenis bis jetzt ihr ganzes Leben lang erfolgreich von hier fern gehalten hatte, wusste sie doch, dass sie Imladris erreicht hatten. Sie wünschte sich ganz weit weg. Man brachte sie sogleich in ein kleines Zimmer, mit einem Fenster zu einem kleinen Garten hinaus. Der Geruch von Kräutern lag in der Luft. Kurz darauf kam eine Elbin zu ihr, die ihr aus ihrer Rüstung half und sie bequem auf das Bett legte. Dann ließ man sie zunächst eine Weile allein mit sich und ihren Gedanken. Earenis zog die Decke bis zu den Ohren hoch und hoffte, sich unsichtbar zu machen. Alles in ihr schrie nach Flucht. Ihr Leben war davon bestimmt gewesen, vor ihrer Herkunft davonzurennen, doch hier… Sie wollte lieber gar nicht daran denken. Eine Weile später kam einer der beiden Noldor zu ihr, die sie stets bei Herrn Elrond gesehen hatte. Es war der mit der freundlicheren Miene, Ceomon, wenn sie sich recht entsann. „Der Herr schickt mich“, begrüßte er sie. „Deine Ausrüstung sieht recht mitgenommen aus und er sagt, dass es sicher in deinem Sinn wäre, das reparieren zu lassen. Daher wollte ich fragen, ob du es mir gestattest, sie zu einem Schmied zu bringen.“ Earenis nickte nur. „Wie viel wird es kosten?“, fragte sie und hoffte, dass sie es bezahlen konnte. Ceomon runzelte die Stirn. „Nichts natürlich“, beteuerte er. Das war erstaunlich. Da sie keine weiteren Widerworte sprach, nahm sich Ceomon ihrer Rüstung und ihres Schwertes an. An der Tür hielt er jedoch noch einmal inne und wandte sich ihr zu. „Schlaf noch ein bisschen“, sagte er. „Das wirst du sicher nötig haben. Heute Abend wird der Herr noch einmal zu dir kommen. Es gibt da noch einige offene Fragen.“ Dann ging er. Earenis versank noch tiefer in den Kissen. Mistaroa legte brummend seinen Kopf auf die Bettkante und steckte seine feuchte Nase in ihre Hand. Das gab ihr immerhin etwas Sicherheit. Wie Ceomon gesagt hatte, versuchte sie ein wenig Ruhe zu finden, auch wenn es lange auf sich warten ließ. Und auch dann war ihr Schlaf unruhig und wenig erholsam. Stets hatte sie im Hinterkopf, wo sie hier war, und wo sie am liebsten sein würde: ganz weit weg. Wie Ceomon angedroht hatte, kam gegen Abend der Hausherr in Begleitung König Elessars zu ihr. Sie konnte die beiden verfluchten. Reichte es nicht schon, wenn Herr Elrond mit ihr reden wollte? Mussten sie sie auch noch unbedingt mit dem König unter Druck setzen? Sie knirschte mit den Zähnen und kniff die Lippen zusammen. „Ein wenig haben wir uns bereits ja unterhalten“, begann Herr Elrond, während er sich einen Stuhl an ihr Bett zog und sich setzte. Mistaroa schnüffelte an seiner Hand und hob kurz die Lefzen, ließ ihn aber ansonsten in Ruhe. König Elessar hatte sich indes lässig an die Fensterbank gelehnt. „Ich hoffe, es ist alles zu deiner Zufriedenheit geschehen“, setzte Elrond fort. „Du kannst natürlich jederzeit sagen, wenn du etwas wünscht.“ „Hmmhmm…“ Mehr nicht. Wenn er sich von dieser kargen Antwort beleidigt fühlte, dann ließ Elrond es sich nicht anmerken. „Warum warst du hinter diesen Orks her?“, fragte er und kam nun endlich zum Kern der ganzen Angelegenheit. „Neugierde“, antwortete sie knapp. „Ein wenig ungewöhnlich ist es doch schon, findest du nicht auch?“ Er ließ einfach nicht locker! Earenis fügte sich innerlich seufzend in ihr Schicksal, denn sie erkannte, dass sie dieser Situation wohl nicht entkommen würde. „Ich hab einigen Bauern in einem Dorf nur wenige Tagesmärsche von hier entfernt geholfen. Sie hatten ein Problem mit zwei Trollen, also hab ich sie für sie erledigt. In der Höhle fand ich jedoch sehr viele Orkrüstungen und Waffen. Es erschien mir seltsam, also ging ich dem mit Mistaroa nach. Ich war nur ein wenig unvorsichtig…“ „Wie kommst du überhaupt dazu, allein durch die Wildnis zu streifen?“, mischte sich nun der König ein. „Ich kenne keine Elbin, die das tut, nicht einmal die Frauen der Dúnedain.“ „Ich bin Söldnerin, na und?“, antwortete sie patziger, als sie sollte. „Mit irgendetwas muss ich mir ja mein Essen verdienen, oder?“ Kann ja nicht jeder König sein, fügte sie in Gedanken an, aber das wagte sie dann doch nicht auszusprechen. „Und was zwingt dich zu diesem… Beruf?“, fragte Elessar weiter. „Soll das ein Verhör sein?“ Sie konnte einfach nicht mehr an sich halten. „Ja.“ Die Unverblümtheit, mit der Herr Elrond das sagte, ließ sie erstaunt aufhorchen. „In letzter Zeit gehen einige seltsame Dinge vor sich“, erklärte der Halbelb nun. „Und du scheinst irgendetwas damit zu tun zu haben. Vielleicht bist du ja auch nur zufällig in die ganze Angelegenheit hineingestolpert, aber das können wir erst wissen, wenn du unsere Fragen beantwortest, wofür wir dir sehr dankbar wären.“ Earenis merkte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Vorsichtshalber ballte sie sie zu Fäusten. Sie würde nicht lügen können, das war ihr klar, die Wahrheit konnte sie aber ebenso wenig sagen. Dummer Weise blieb ihr keine Wahl. „Meine Mutter stammt von hier“, sagte sie leise und widerstrebend. Vielleicht erinnerte sich Herr Elrond nicht mehr an sie, vielleicht, vielleicht, vielleicht… „Aber sie war hier nicht mehr willkommen, nachdem sie mich zur Welt brachte. Wir lebten in einer kleinen Hütte in den Trollhöhen, und als ich alt genug war, legte sich meine Mutter eines Tages hin und wachte nicht wieder auf. Das einzige, was ich kann, ist kämpfen, also mache ich es.“ „Oh…“ Denn natürlich erinnerte sich Elrond an diese unbequeme Wahrheit von damals. „Und dein Vater?“, wollte Elessar nichts ahnend wissen, wurde aber sogleich von Elrond unterbrochen. „Estel, komm mit“, sagte er streng. Der König schien verwundert, folgte aber dem Hausherrn aus dem Raum. Eine Weile hörte Earenis Getuschel vor der Tür, das schließlich aufhörte. Daraufhin kam Elrond wieder zu ihr, dieses Mal allerdings allein. Er wirkte betreten, so sehr es Earenis auch verwunderte. „Hör mal…“, begann er und schien nicht recht zu wissen, wo er anfangen sollte. „Das, was damals geschah… Ich wollte es verhindern, ob du es glaubst oder nicht. Ich mag zwar der Fürst dieses Tals sein, aber auch ich habe Verpflichtungen meinen Leuten gegenüber. Ich kann nicht einfach so über ihre Köpfe hinweg entscheiden, besonders dann nicht, wenn so entschieden gefordert wurde, deine Mutter wegzuschicken. Mir waren die Hände gebunden und mir blieb keine andere Wahl, als mich dem Willen meines Volkes zu beugen. Ich hoffe, du verstehst das…“ Sie schwieg, zu verblüfft, um etwas zu sagen. Die Wahrheit war, dass sie auch gar nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Hatte sich Herr Elrond bei ihr entschuldigt?! Da sie keine Anstalten machte, darauf etwas zu sagen, hielt es Elrond für besser nun zu gehen. Earenis starrte die geschlossene Tür noch lange an, nachdem er gegangen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)