Chasing Demons von yezz ================================================================================ Kapitel 2: Senbonzakura's Song ------------------------------ Unter dem durchdringenden Blick des Hausverwalters fühlte sich Renji, als wäre er dabei ertappt worden, das Silberbesteck der Kuchikis zu stehlen. „Sie, was?“, schniefte Eishirō und zog die Nase missbilligend kraus. Renjis Wangen standen in Flammen. Er musste sich räuspern, bevor er sich wiederholen konnte. „Ich sage, ich verbringe hier die Nacht.“ Eine dünne Augenbraue schoss abschätzend in die Höhe. „Sie möchten ein Zimmer zugeteilt bekommen?“ „Uh, nein“, sagte Renji und empfand es immer noch schwierig, dem durchdringenden Blick des Hausverwalters standzuhalten. Er verlagerte das Gewicht von dem einen Fuß auf den anderen und fühlte sich wie ein Schuljunge. Was war denn jetzt los? War es nicht Eishirō gewesen, der Renji den Beerdigungskimono gezeigt hatte? Er hatte gedacht, dass sie zumindest eine wackelige Waffenruhe wegen seiner Beziehung zu Byakuya eingelegt hatten. Renjis kratzte sich hinter dem Ohr. „Ich habe mir gedacht, dass ich in den Räumlichkeiten des Hausherrn bleibe.“ „Sie haben es getan, nicht wahr? Mit der Dame im Haus?“ Oh. Nun machte Eishirō Auftreten mehr Sinn. Dem Hausverwalter ging es nicht um Byakuya, sondern vielmehr um Rukia. Zu allem Überfluss musste Renji Eishirō sogar ein wenig zustimmen. Alles war jetzt mindestens 10 Mal so unangenehm, da Rukia nun wieder im Anwesen war. Doch halluzinierend oder nicht, Byakuya hatte sich verletzt angehört, dass er sein vorheriges Versprechen zurückzukommen, nicht eingehalten hatte. Also verschränkte Renji die Arme vor seiner Brust. Er würde keinen Rückzieher machen. Immerhin hatte er schon wesentlich stärkeren Gegnern auf dem Schlachtfeld gegenübergestanden. Er konnte diesen einen Mann auch niederstarren. „Schau, der Kommandant hat mich darum gebeten, zu bleiben. Er ist der Meinung, dass du dich… darum kümmerst.“ „Tatsächlich?“, schniefte er führte dann aber weiter aus. „Sie haben aber schon realisiert, dass der Hausherr durchaus noch im Delirium ist, Vizekommandant?“ „Ja, das ist er“, stimmte Renji zu. Dann grinste er Eishirō breit an „Aber du kannst nicht leugnen, dass er mich auch schon vorher in seinem Bett wollte, oder?“ Eishirō sog lange durch die Nase die Luft ein. Schlussendlich kam nur noch ein Seufzen und ein knappes „In Ordnung. Ich werde alles arrangieren. Verstehen sie jedoch, mein Herr, dass sie mir eine schwierige Aufgabe stellen. Frau Rukia ist eine ruhelose Schläferin. Ich habe sie mehrfach dabei beobachtet, dass sie zu verschiedener Zeit über ihren Bruder wachte.“ Verflixt! Renji schüttelt den Kopf. Damit konnte er sich gerade nicht auseinandersetzen. „Das verstehe ich, doch du warst derjenige, der andeutete, dass es Byakuya besser geht, je mehr Zeit ich mit ihm verbringe. Lass es einfach nur klappen, in Ordnung? Er scheint zu denken, dass du dazu mehr als in der Lage bist.“ Eishirōs Verbeugung sah geschlagen aus. „Für meinen Herrn werde ich mein Bestes tun.“ Renji nieste. Der Geruch von Mörtelstaub schien die warme Sommerluft zu durchdringen. Während er durch das verschlungene Labyrinth der Seireitei auf dem Weg zur 4. Division war, realisierte Renji, wie weit sich das Chaos von Aizens Verrat erstreckte. Und wie viel Kollateralschaden alle eingesteckt hatten. Kaum eine Straße war noch vollkommen intakt. Das Klopfen der Hämmer und das Kratzen der Schaufeln echote in Renjis Ohren, wie ein unterschwelliges Summen, ein konstantes Geräusch im Hintergrund. Als er um die Ecke bog, pfiff Renji durch die Zähne. Der Bereich vor ihm sah schlimmer aus als Inuzuri. Überall war Geröll und Dreck und nicht viel mehr. Elendig und verloren aussehende Menschen wühlten durch Steinhaufen, die einmal ein florierendes Geschäft oder Häuser reicher Leute gewesen waren und suchten nach irgendetwas Verwertbarem. Er blickte sich um und fühlte sich verpflichtet zu helfen, doch er sah bereits eine Anzahl an Shinigami, die ihre Hilfe anboten. Ebenso wie ein riesiger Fuchsdämon. Warte, was? Renji blinzelte, seine Hand glitt automatisch zu Zabimaru. Warum tickte niemand aus, dass da ein übergroßer Yokai in der Mitte der Straße stand? Schau aufmerksam, wisperte Zabimaru. Du wirst eine verwandte Seele erkennen. Der Fuchsdämon musste Renjis Augen auf sich gespürt haben, denn er blickte plötzlich hinüber. Als sich ihre Augen trafen, fühlte sich Renji, als würde er sich in dem flüssigen Bernstein im Blick des Tieres verlieren. Er hielt den Atem an. Es war wie diese Momente, in dem er im furchteinflößenden, intelligenten Blick des Nues gefangen war. Ja, genau so, realisierte Renji, als er den Kommandanten-Haori erkannte. Er fand die Courage, um auf Komamura zuzugehen. Das Fuchsgesicht des Kommandanten schien finster dreinzublicken, als würde er eine Herausforderung erwarten. Tatsächlich zeigte er seine Zähne etwas, als wäre er auf jede Bedrohung vorbereitet. Doch Renji nahm die Hand von Zabimaru und hielt sie dem Kommandanten hin. „Sie sollten mir irgendwann einmal gestatten, ihnen ein Getränk zu spendieren, Kommandant“, sagte er, während Komamura seine Hand zögerlich schüttelte. „Wir haben ein paar Sachen gemeinsam.“ „Oh?“ Renji hatte vor ein paar Jahren Komamuras Bankai bei einer Vorführung gesehen. Es war ein gigantischer, orangegesichtiger Samurai, doch es war ganz klar menschlich. Vielleicht war es ein Oni, doch es sah fürchterlich menschlich für Renji aus. Dennoch waren sie beiden Dämonen mit einer menschlichen Seite. „Sicher, sie sind nur äußerlich das, was ich innerlich bin.“ Komamura schien darüber nachzudenken, während er den Kopf schieflegte. Ein Ohr drehte sich dabei langsam nach hinten. „Ich werde vermutlich einige Getränke brauchen, um das zu verstehen, Vizekommandant.“ Renji lachte. „Na gut, Kommandant. Dann bringe ich eben ein paar Flaschen mit.“ Komamura lächelte Renji vorsichtig mit geschlossenem Mund an und nickte leicht. „Ich freue mich schon.“ Renji hatte Recht. Unohana ließ niemanden in Momos Nähe. Doch der Gang zur 4. Division war keine Verschwendung, denn Renji nutzte die Gelegenheit, die Soldaten seiner Division zu besuchen, die sich immer noch dort erholten. Es war schwierig, einige Narben zu sehen, die so offensichtlich von Zabimarus gezackter Klinge stammten. Er saß gerade neben Rin Wakayama, die 8. Offizierin und versuchte nicht auf den besonders hässlichen, tiefen und ausgefransten Schnitt auf ihrer Schulter zu blicken. Dort schlug Zabimaru am Liebsten ein. Zumindest hatte die Heilerin ihm versichert, dass ihr Schwertarm wieder vollständig nutzbar sein würde. Renji räusperte sich nach einem langen, unangenehmen Moment. „Ich verstehe es, wenn du die Einheit wechseln möchtest.“ „Nein“, sagte sie schnell. „Kommandant Kuchiki ist der Beste. Ich werde ihn nicht verlassen.“ Renji nickte. Dieses Gefühl verstand er nur zu gut. „Ja, aber kannst du auch mit mir arbeiten?“ Ihre Augen verengten sich. „Sind sie sich sicher, dass sie immer noch mein Vizekommandant sind? Ich meine, wenn sie vor Gericht stehen, werde ich ein Kronzeuge sein, richtig?“ Rin war immer noch sauer und trotz ihrer Verletzung verschränkte sie die Arme vor der Brust. Sie wandte ihr Gesicht von ihm ab und blickte die Wand finster an. „Ich habe euch nie gemocht. Sie passen nicht in das Ideal der ‚noblen Gründe‘.“ Aua. Doch er konnte ihren Standpunkt verstehen. Dennoch war Renji nicht der Meinung, dass er die Haltung des 8. Offiziers einfach hinnehmen musste. Er stand auf. „Richtig. Dann vermute ich, dass wir uns vor Gericht sehen. Ich wollte mich eigentlich dafür entschuldigen“, dabei deutete er herablassend mit der Hand auf ihre Schulter. „Doch dann habe ich realisiert, dass du der Idiot warst, der sich nicht selbst verteidigen konnte. Beim nächsten Mal versuche dich zumindest an die Hälfte des Mists zu erinnern, den ich dir beigebracht habe und vielleicht wirst du dann mit deinem erbärmlichen Hintern nicht im Krankenhaus enden. Oh und noch was: Du kannst mir später danken, dass ich nur nach deinem Arm gezielt habe, sonst wärst du jetzt tot.“ Als Renji den 3. Offizier der 3. Division fand, stand dieser vor dem früheren Kommandantenquartier und sah zutiefst erschüttert aus. Als Renji zu ihm ging, um nach Kira zu fragen, schien der Typ ihn noch nicht einmal zu hören. „Der Onmitsukidō ist da drin“, sagte er mit bebender Stimme. Er umschloss seine Hände und drückte sie. „Sie haben alles mitgenommen. Sie sind sogar meine Sachen durchgegangen. Meine privaten Sachen! Wonach suchen sie? Ich hatte keine Ahnung davon… Keine!“ „Uh, ja“, sagte Renji, während sein Blick zu der geschlossenen Tür des Kommandantenquartier glitt. Die Stille war unheimlich, doch wenn sich Renji anstrengte, glaubte er, das Geräusch von Bewegungen auf der anderen Seite des Reispapiers zu hören. Dann spürte er jedoch ein heftiges, kaltes und bedrohliches Reiatsu, welches von drinnen ausgestrahlt wurde. Er schluckte. Renji musste sich eingestehen, dass der Bestrafungstrupp ihn genauso nervös machte. „All das tut mir wirklich leid, aber ist Vizekommandant Kira hier irgendwo?“ „Nein“, sagte der 3. Offizier und sein Gesicht war so weiß wie ein Bettlaken. „Sie haben ihn auch mitgenommen.“ Die Warteschlange vor dem Büro der 1. Division war lang, doch Renji schob sich einfach hindurch. „Hey“, rief er, als er die Tür mit der Schulter aufstieß und die Rufe von den Leuten aus der Schlange ignorierte. „Warum wurde Kira von der Spezialeinheit verschleppt?“ Sasakibe stand langsam auf, seine Augen gefährlich verengt. Renji konnte fühlen, wie das Reiatsu auf Kommandantenniveau unter der Oberfläche loderte. Ah. Er hat auch Bankai. Dann zeig mal, was du kannst. „Warum passiert das im Geheimen?“, fuhr Renji fort. „Kira ist bereits in einer schlechten Verfassung. Deren Verhörmethoden sind besser legal, sonst schwöre ich bei Gott…“ Doch eine schwere Hand auf seiner Schulter und ein noch stärkerer spiritueller Druck ließ ihn den Rest seiner Worte hinunterschlucken. Er wandte sich um, und blickte in das wettergegerbte Gesicht des Generalkommandanten. „Vielleicht solltest du die Weisheit einer solchen zur Schaustellung, von solchen Drohungen über Hochverrat und Ungehorsam in der Öffentlichkeit überdenken, Vizekommandant Abarai. Lass uns im Privaten darüber reden.“ „Oh, uh“, Renjis Feuer war plötzlich aufgrund der ruhigen, aber massiven Schärfe in den Augen des Generalkommandanten erloschen. Also nahm er sofort Haltung an. „Ja, Generalkommandant.“ Renji folgte Yamamoto den langen Gang zu seinem Büro hinunter und war sich plötzlich aller Augen bewusst, die auf ihm lagen. Jetzt fühlte er sich wirklich wie auf dünnem Eis. Es half nicht, dass dies bereits das längste Gespräch gewesen war, dass er jemals mit dem Generalkommandant geführt hatte. Und es hatte so gar nicht gut angefangen. Yamamoto streckte seine Hand aus, als würde er Renjis Hilfe benötigen. Als Renji seinen Arm anbot, legten sich dessen Finger in einem eisernen Griff um seinen Unterarm. „Muss ich auch deinen Stand überdenken, Vizekommandant?“, fragte er ihn mit leiser Stimme. Renjis Augenbrauen schossen in die Höhe. Eine Drohung? Direkt zu Anfang? Doch Renji zuckte mit denAchseln. „Das ist ihr Recht. Ich möchte nur wissen, was zum Teufel ihr euch dabei denkt. Sollten wir nicht gerade jetzt Transparent mit der Sache umgehen? Würde eine öffentliche Anhörung nicht mehr Sinn machen?“ Yamamotos Augenbrauen wippten wissend. „Nur, wenn wir uns sicher sein können, dass Vizekommandant Kira unschuldig ist.“ Oh, das machte irgendwie Sinn. Sie verhörten ihn gerade unter Verschluss, damit sie wussten, was sie vor dem Kriegsgericht erwartete. Ein öffentlicher Prozess könnte nach hinten losgehen, wenn sie damit bezwecken wollten, dass die Einheiten einen moralischen Schub bekommen, sich dann aber doch herausstellt, dass die vermeidlich unschuldige Person mit den Verschwörern unter eine Decke steckte. Dennoch lief es kalt Renjis Rücken hinunter, wenn er daran dachte, wie die schwarzmaskierten Typen der 2. Division Kira verschleppten. „In Ordnung. Aber was passiert, wenn nicht? Was ist, wenn er schuldig ist?“ Ja, ja. Das ist ein schwieriges Dilemma“, sagte Yamamoto und hörte sich dabei an, wie ein zaudernder, alter Mann. Renji konnte eigentlich nur den narbigen, kahlen Kopf sehen. „Öffentlich oder geheim? Es gab so viel Schmerz und Verrat. Es scheint vielleicht das Sicherste, den jungen Vizekommandanten verschwinden zu lassen. Wie auch immer“, fuhr der Generalkommandant beiläufig fort, als würden sie gerade nicht darüber reden, eine Hinrichtung vor einer Verurteilung zu verdecken. „Mit Sicherheit hast du bereits die Stimmung in der Seireitei studiert, Vizekommandant? Viele Leute sind verzweifelt und wollen ihre Hände an einen der Schurken bekommen, den sie für all ihren Schmerz und Frustration büßen lassen können. Ein öffentlicher Prozess und Hinrichtung könnte sie vielleicht zufriedenstellen. Dennoch möchte ich es mit allen Mitteln vermeiden, dass es jemanden Unschuldigen trifft. Wir sollten die 2. Division ihren Job erledigen lassen, oder etwa nicht?“ Scheiße. Nur noch Gott konnte Kira helfen, wenn er sich in irgendeiner Weise schuldig gemacht hatte. Es hörte sich an, als wäre Yamamoto bereit zuzulassen, dass der wütende Mob Kira in Stück riss. „Aber ihn derart zu verschleppen, Generalkomandant… Und dann noch von diesen… Typen? Sieht das nicht so aus, als wäre er schuldig?“ Sie kamen an der Tür des Büros an. Yamamoto ließ Renjis Arm endlich los. „Es schützt ihn aber auch vor denen, die ihre Behauptungen trotz allem machen.“ „Ja, ich vermute, das tut es“, stimmte Renji widerwillig zu. Aber armer Kira. Er hatte Ichimaru überstanden nur um jetzt von diesen gruseligen Ninjas der 2. Division ‚verhört‘ zu werden. „Verstehst du jetzt die Komplexität der Situation, Vizekommandant? Oder siehst du Bedarf, hereinzukommen?“ Renji schüttelte den Kopf. Es war schlimm genug, dass sie so weit gegangen waren, er musste jetzt nicht auch noch ins Büro gehen, wenn er es vermeiden konnte. Das fühlte sich zu sehr danach an, zum Rapport gerufen zu werden. „Alles bestens.“ Der Generalkommandant lachte. „Ist da sonst noch etwas, mein Sohn?“ „Wenn für sie auch zu diesem Thema gehört, Generalkommandant: Wenn ich an der Reihe bin, listen sie einfach meine Verbrechen auf und sprechen die Strafe aus. Ohne Wenn und Aber.“ Yamamoto nickte. „Ich werde mich daran erinnern.“ Renji hatte gehofft, diesen Morgen noch Hisagi zu treffen, doch jetzt musste er laufen, um noch pünktlich zu seiner Schicht im Anwesen zu erscheinen. Als Eishirō ihn zu den Räumlichkeiten brachte, blickte Rukia mit einem verzweifelten Glitzern in den Augen auf. Sie legte das Buch, das sie gerade las, ab und kam herüber gehuscht, um Renji zu umarmen. „Oh, Renji. Gott sei Dank!“ „Was ist los?“, er schlang die Arme lose um ihre Schultern und nahm den altbekannten erdigen Geruch ihrer Haare auf. Doch seine Augen waren auf Byakuya gerichtet. Der Kommandant sah nicht so aus, als wäre es schlimmer geworden. „Ist alles in Ordnung?“ Sie machte einen Schritt zurück und rieb sich ihr Gesicht. „Oh mein Gott, es war ein verrückter Tag. Ok, zuerst einmal habe ich das Buch genommen, das auf dem Nachtisch meines Bruders lag, doch ich konnte das nicht laut vorlesen. Es war… uh… nun ja, da waren Tentakel. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe schlussendlich etwas gefunden, was ich lesen konnte.“ Sie zeigte anklagend auf ein Buch auf dem Boden, als hätte es sie persönlich beleidigt. „Und es war diese furchtbar langweilige Geschichte über die Soul Society, die mich beinahe dazu gebracht hat, mir die Augen auszukratzen. Doch jedes Mal, wenn ich aufgehört habe, hat er angefangen… zu singen. Es ist seltsam, Renji. Es macht mich wahnsinnig.“ „Singen?“ „Nun ja, es ist mehr ein Summen, doch es kann nicht gut sein, oder? Glaubst du, ich sollte die 4. rufen? Ich habe darüber nachdacht, aber es scheint dumm. Ist Singen ein Symptom für irgendwas?“ Renji schüttelte den Kopf. „Wo ist Senbonzakura?“ „Wa…? Was hat das damit zu tun?“ Zu weit weg, stimmte Zabimaru mit einem Grummeln zu. Ja, hol es, zischte die andere Stimme. Er braucht dessen Stimmen. Renji rannte sofort zur Tür. „Halte einfach ein paar Sekunden noch durch, Rukia.“ Rukia rief ihm nach, doch er war bereits weg. Dem Duft der Kirschblüten entlang. Einige Minuten später hockte Renji auf einer Mauer auf der anderen Seite des Anwesens und runzelte über einen kleinen, privaten Innenhof die Stirn. Senbonzakura lag dort auf einer flachen Steinbank, fast schon wie ein Altar, unter einem einzelnen Kirschbaum. Der Rest des Gartens war im Zen Muster errichtet. Sorgfältig waren rosafarbige Steine und Sand in formgeharkt, zum Schutz des Schwertes. Um dorthin zu gelangen, ohne renjigroße Fußabdrücke in den weichen Sand zu machen, musste Renji einen präzisen Sprung auf die Bank wagen. Er hatte bereits die Äste des Kirschbaumes geprüft, die er erreichen konnte. Der Baum war noch sehr jung und die Äste somit zu schwach, um sein Gewicht zu tragen. Die, durch die Baumkrone gefilterte, Sonne malte Lichtflecken auf die blanke, gebrochene Klinge. Er konnte dessen leise, unregelmäßige Musik hören. Dasselbe Lied, was Byakuya versuchte zu summen. Scheiße. Keiner der beiden würde es besser gehen, wenn sie so weit von einander entfernt waren. Renji musste es einfach wagen. Er bereitete sich auf den Sprung vor. Kleine Äste schlugen gegen seine Haare und sein Gesicht, doch er hatte es auf die Bank geschafft. Doch er befürchtete, dass das Ganze von seinem Aufprall kippen würde, doch er schaffte es, den Baumstamm zu umfassen und somit seine Füße und damit auch die Bank zu stabilisieren. Nun stand Renji da, mit wackeligen Knien, umarmte den Kirschbaum und atmete für eine Minute durch. Dann kniete er sich vorsichtig hin. „Ich weiß nicht, warum du dich so weit von ihm entfernt wieder materialisiert hast“, Renji legte einen Arm auf sein Knie und blickte sich in dem eingemauerten Garten ohne Türen um. „Außer, dass dies ganz offensichtlich dein Platz ist. Doch wenn du mich lässt, bringe ich dich zu dem anderen Platz, zu dem du gehörst.“ Er kam mit seiner Hand näher. Als der Rothaarige keine Kriegshymne oder ähnliches hörte, was er als Warnung interpretieren konnte, sammelte er vorsichtig die Stücke von Senbonzakura auf. In der Sekunde, in dem der nackte Stahl in seiner Hand lang, verstand Renji. Die Musik. Sie sang von Schande. Es hatte noch keine Niederlage erlebt und wurde nun von der herzzerreißenden, furchtbaren Demütigung verzehrt. Nein, wisperte Zabimaru freundlich, es ist keine Schande, besiegt zu werden. Nicht, wenn du daraus lernen kannst, stimmte die zweite Stimme hinzu. Und dadurch stärker wirst. „Richtig“, stimmte nun auch Renji zu. „Die einzige Schande ist, wenn du zulässt, dass sie dich kaputt macht. Du musst aufstehen und es wieder versuchen.“ Renji legte noch einmal kurz die Stücke ab, und zog seine Kosode aus. Dann begann er vorsichtig, Senbonzakura darin einzuwickeln, während Zabimaru weiter aufmunternde Worte murmelte. Senbonzakuras Lied änderte sich leicht. Immer noch erschüttert von Schuld, doch mit einem Hauch Hoffnung. Als sie aus dem Garten heraus und kurz vor Byakuyas Räumlichkeiten waren, wurde die Musik zaghaft und besorgt. „Shhh“, machte Renji und tätschelte das Schwert unter seinem Arm. „So wird es nicht sein. Er möchte dich sehen. Vertrau mir. Ihr beide werdet euch besser fühlen.“ Rukia traf ihn an der Tür. „Wo bist du gewesen? Was zum Teufel ist mit deiner Uniform passiert?“ „Ich habe Senbonzakura gefunden“, Renji hielt ihr das Bündel aus dem schwarzen Oberteil hin, als wolle er es ihr zeigen. Sie trat ängstlich einen Schritt zurück. „Du hast Bruders Zanpakutō aus dessen heiligen Kirschbaumgarten gestohlen? Bist du verrückt?“ „Byakuya singt, Rukia. Was könnte es sonst sein?“ Rukia schüttelte den Kopf, klar erschüttert, dass sie die Verbindung nicht herstellen konnte. „Ich verstehe nicht.“ „Senbonzakura singt immer, auch wenn es gerade mehr nach einem melodischen Weinen anhört“, erklärte Renji, als er sich sanft an ihr vorbeidrückte, um zu Byakuyas Bett zu gelangen. Er kniete sich hin und legte behutsam das Bündel auf Byakuyas Brust. Die Hände des Kommandanten griffen sofort danach, um sein Zanpakutō zu begrüßen. Renji konnte Senbonzakuras Lied nun nicht mehr hören, doch Byakuya lächelte leicht. Er strich die Haare aus dessen Gesicht und setzte sich mit einem Seufzen zurück auf die Fersen. Dann drehte er sich zu Rukia. „Wir sollten sie vielleicht ein bisschen in Ruhe lassen, meinst du nicht. Möchtest du irgendwo Mittagessen?“ „Ist das… Bist du dir sicher? Mein Bruder meditiert normalerweise nicht so. Er ist sehr reizbar was den angemessen Umgang mit dem Schwert angeht.“ Renji lachte, stand auf und klopfte sich den Staub aus dem Hakama. „Oh, ich weiß. Wir hatten jede Menge Streit darüber, glaub mir.“ Er blickte auf Byakuya hinunter. „Ich kann was Traditionelleres für ihn organisieren, wenn wir zurückkommen. Ich würde sogar mit dir wetten, dass das sein Summen stoppt. Verdammt, es könnte sogar sein Murmeln beenden, was mir ein bisschen Leid tut. Ich hab gemocht, worüber wir geredet haben.“ Rukia schüttelte den Kopf. „Ugh, du vielleicht. Es ist verstörend, meinen Bruder… reden zu hören. Und so viel.“ Renji lächelte nur zustimmend. Der Teil war tatsächlich seltsam. „Also, möchtest du ein Bissen essen? Es sei denn, du möchtest ein Nickerchen machen oder so. Ich könnte zumindest absolut was zu essen brauchen.“ „Ja, in Ordnung. Gib mir nur eine Minute, um mich frisch zu machen.“ Sobald Rukia aus dem Raum gegangen waren, beugte sich Renji vor, um Byakuya einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Ich weiß, es ist nicht deine Art, Kommandant, doch es fühlt sich gut an, oder nicht? Du solltest versuchen, Senbonzakura den Stärkeren sein zu lassen. Vielleicht genießt du es, mal nicht derjenige zu sein, der die Kontrolle hat.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)