On Air von -Zerschmetterling- ================================================================================ Kapitel 33: ------------ -Epilog-     Meine Hand zitterte leicht, als der Stift über das Papier kratzte. Es war ein wunderschöner Füller mit schmaler Spitze, der eine Spur aus glänzender blauer Tinte hinterließ und mir für diesen Anlass mehr als angemessen erschien.     „Wird das heute noch was, Idiot?“     Sasuke saß neben mir auf dem Stuhl und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während er abfällig auf das Dokument blickte, das ich schon mehrere Minuten lang ehrfürchtig anstarrte. Sein neuer Vertrag war bereits unterschrieben und Tsunade hatte ihn fachgerecht in einem ihrer Aktenschränke verstaut. Für ihn war das hier scheinbar keine große Sache, aber für mich bedeutete es die Welt.     „Dann ist es hiermit offiziell“, verkündete Tsunade förmlich. „Naruto Uzumaki, es ist mir eine Freude, dich im Team von Konoha Kiku begrüßen zu dürfen.“       *~*~*~*~*       „Wie machen wir das jetzt eigentlich mit der Vorstellung? Ich kann doch nicht jedes Mal sagen: Hallo, hier sind Sakura, Naruto und Sasuke von Akatsuki. Bis dahin hat die Hälfte aller Hörer schon wieder umgeschaltet.“     An solche Kleinigkeiten hatte ich bisher noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Viel zu berauscht war ich von der Idee, zukünftig überhaupt mit den beiden zusammen moderieren zu dürfen. Allerdings merkte man hieran mal wieder, dass Sakura eben durch und durch ein Profi war, der sich gewissenhaft auf alle Sendungen vorbereitete.     „Ich überleg mir was“, versprach Kakashi. „Shikamaru möchte auch nochmal wegen dem Sendungskonzept mit euch sprechen. Er hat vorgeschlagen, die Challenges beizubehalten, weil der Wettbewerb so gut bei den Hörern ankam.“     „Was?“, fragte Sakura gedehnt. „Jeden Tag eine Aufgabe?“     Ich musste zugeben, dass ich mindestens genauso geschockt war wie sie. Zwar hatte mir der Wettbewerb an sich ziemlich viel Spaß gemacht, gleichzeitig war es jedoch auch unglaublich anstrengend gewesen. Bisher war ich davon ausgegangen, dass die Aufgaben auf zwei Wochen beschränkt waren, auf Dauer würde ich das nicht durchhalten.     „Wöchentlich“, korrigierte Kakashi schnell. „Aber bisher ist das erstmal nur eine Idee.“     Erleichtert atmete ich aus. Auch Sasukes Gesicht entspannte sich ein wenig, soweit man das bei ihm überhaupt beurteilen konnte.       *~*~*~*~*       Mein Blick fiel auf die Schranktüre direkt über der Kaffeemaschine und ich schmunzelte. Jemand hatte einen Zettel mit einer Schritt-für-Schritt-Bedienungsanleitung aufgehängt. Jemand, dessen Handschrift mich verdächtig an Sasukes erinnerte. Die Überschrift beseitigte schließlich auch meine letzten Zweifel. Damit sich auch Idioten ihren Kaffee selbst machen können. Ich grinste ihn an.     „Schade. Ich dachte, ich könnte Sakura nochmal dazu überreden, es mir zu erklären.“     „Als ob in deinem Spatzenhirn irgendetwas davon hängen bleiben würde“, zog er mich auf.     Normalerweise hätte ich jetzt lautstark protestiert, doch ich war einfach viel zu erleichtert. Es hatte sich nichts geändert. Zu sehen, dass er mich immer noch genauso behandelte wie vorher, war auf eine seltsame Art und Weise beruhigend. Er provozierte mich, er machte sich über mich lustig und er war genauso ein arrogantes Arschloch wie zuvor. Zumindest fast. Immerhin hatte er mir diese Liste gemacht, sodass ich mir ab jetzt meinen Kaffee nicht mehr von Zuhause aus mitbringen musste. Auch wenn er es geschickt als Angriff getarnt hatte, hatte er mir damit im Prinzip einen Gefallen getan. Ich musste zugeben, dass Sasukes Anleitung wirklich idiotensicher war. Nicht, dass ich mich für einen hielt, aber selbst ein Grundschüler hätte keine Probleme damit Kaffee zu kochen.       *~*~*~*~*       „Wir haben uns übrigens eine Lösung für das Vorstellungsproblem überlegt“, verkündete Shikamaru. „Anstatt alle Namen einzeln aufzuzählen, bekommt ihr einen Gruppennamen.“     Sakura lehnte sich ein wenig nach vorne und stützte ihr Gesicht auf den Handflächen ab. Mir entging keinesfalls, wie nah sie mit ihrem Stuhl an Sasuke herangerutscht war.     „Und an was habt ihr da gedacht?“, fragte sie neugierig.     Shikamaru nahm einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Ich spürte wie mich Sasukes Bein unter dem Tisch leicht streifte. Zufall?     „Ihr seid das Morningshowteam. Die Sendung beginnt um sieben. Deswegen Team Sieben. Das ist schön kurz und knackig und leicht zu merken.“     Sakura nickte. Auch mir gefiel der Name. Team Sieben. Das hatte irgendwie was.       *~*~*~*~*       Es klingelte stürmisch, dann ertönte ein Surren, gefolgt von polternden Schritten. Kurz darauf konnte man von der Küche aus hören, wie Ino unseren Livegast begrüßte, der sich ihr ebenfalls überschwänglich vorstellte. Sein Name war Jiraiya. Ich wusste nicht, ob es sich dabei um seinen echten Namen oder um ein Pseudonym handelte. Autoren benutzten schließlich häufig Pseudonyme. Zum Glück würden wir das Interview zu dritt führen, denn ich musste zugeben, dass ich zuvor noch nie von ihm gehört hatte. Da ich so gut wie nie ein Buch in die Hand nahm, war das jedoch auch keine Überraschung.     Kakashi allerdings kannte diesen Jiraiya wohl ziemlich gut, wenn auch nicht persönlich. Er war ein großer Fan seiner Werke, hatte jedes einzelne Buch gelesen und sprach schon den ganzen Morgen über nichts anderes mehr. Für seine Verhältnisse verhielt er sich absolut untypisch. Es hatte damit angefangen, dass er überraschenderweise pünktlich im Sender aufgetaucht war und seitdem war er fast permanent am Rumwuseln. Zuerst hatte ich gedacht, dass es womöglich mit den Verträgen zusammenhing, doch laut Shikamaru lag es wohl eher an unserem heutigen Livegast.       *~*~*~*~*       „Ich denke das war genug Vorspiel und wir können jetzt zur Sache kommen?“, Jiraiya zwinkerte Sakura zu.     Schon die ganze Zeit über machte er solche Andeutungen und flirtete offensiv mit jedem weiblichen Wesen, das ihm über den Weg lief. Es war schon schwer genug gewesen, ihn irgendwie von Ino wieder loszueisen, nachdem die ihn bei seiner Ankunft in ein Gespräch verwickelt hatte. Ino würde ihre letzte Handtasche geben für Klatsch und Tratsch, aber noch viel mehr interessierte sie das Thema Promis. Trotzdem war er nun mal hier um ein Interview zu geben.     „Natürlich“, erwiderte Sakura schmunzelnd und ich bewunderte sie dafür, dass sie so ruhig blieb. „Fangen wir mit dem Interview an.“     Sie betätigte den Startknopf des Aufnahmegeräts, das sie zuvor in der Mitte des Tisches platziert hatte. Wir hatten uns zu viert in das Besprechungszimmer zurückgezogen, um das Interview dort in aller Ruhe aufzeichnen zu können. Auf dem Tisch standen neben dem Aufnahmegerät noch verschiedene Flaschen mit Erfrischungsgetränken. Es zischte leise, als ich den Deckel meiner Orangenlimonade aufschraubte und Sakura warf mir einen bösen Blick zu.     „Das Folgende könnte jetzt etwas schmutzig werden“, warnte Jiraiya. „Ich hoffe doch, dass wir keine Jungfrau mehr unter uns haben?“     Sofort spürte ich Sakuras Blick auf mir.     „Naruto ist…“, begann sie.     Gerade wollte ich sie mit einem tödlichen Blick zum Schweigen bringen, doch in diesem Moment wurde sie von Sasuke unterbrochen.     „Keine Jungfrau mehr“, beendete er ihren Satz. „Ich hab ihn am Wochenende entjungfert.“     In einem großen Schwall spuckte ich die Hälfte der Limonade quer über den Tisch und schaffte es, mich gleichzeitig daran zu verschlucken. Hustend und keuchend versuchte ich wieder zu Atem zu kommen, während meine Wangen von Sekunde zu Sekunde eine immer dunklere Rotfärbung annahmen.     „Eigentlich zählt das überhaupt nicht“, protestierte ich mit kratziger Stimme, ohne überhaupt zu wissen, was ich eigentlich sagen wollte. „Wir haben nur…ähm… also…“     In Sasukes Augen erschien ein belustigtes Funkeln und dann hatte er schließlich Erbarmen mit mir.     „Was ich damit sagen wollte ist, dass ich ihm einen Ihrer Erotikromane zum Lesen gegeben habe und er somit nicht mehr ganz jungfräulich ist, was das Thema betrifft.“     Jiraiya lachte laut.     „Wie es scheint, ist der junge Mann aber trotzdem noch ein wenig verklemmt. Ich fürchte, da musst du nochmal nachhelfen.“ „Ich werde mein Bestes geben“, versprach Sasuke.     Mir entging dabei keinesfalls sein zweideutiger Unterton und ich musste schlucken. Erotikromane. Warum zum Teufel hatte es keiner für nötig gehalten, mich darüber zu informieren, dass Jiraiya keinesfalls ein harmloser Seifenopern-Autor war? Das änderte alles. Es änderte die Art und Weise, wie ich über Kakashi dachte. Es änderte die Art und Weise, wie ich dieses Interview führen wollte – nämlich dahingehend, dass ich ab jetzt einfach gar nichts mehr sagen würde – und es änderte die gesamte Situation. Mindestens für die nächsten dreißig Minuten wäre ich mit Sasuke in einem Raum eingesperrt, in dem über nichts anderes als heißen Sex geredet wurde. Wie sollte ich das nur überstehen?       *~*~*~*~*       „Von wegen Sasuke, das wird sich nicht auf unsere Arbeitsbeziehung auswirken. Einen Scheiß! Ist ja toll, wie du dich an deine eigenen Bedingungen hältst“, schimpfte ich lautstark und riss die Tür zum Parkdeck mit viel zu viel Wucht auf.     Seinen Kommentar, den er Jiraiya gegenüber hatte fallen lassen, hatte ich ihm noch immer nicht verziehen. Mir war so dermaßen das Herz in die Hose gerutscht, dass ich mich fast selbst verplappert hätte, in dem Versuch mich zu rechtfertigen. Das, was in seinem Schlafzimmer passiert war, hatte im Sender absolut nichts zu suchen, doch er schien das offenbar anders zu sehen, denn bis jetzt hatte er sich noch nicht bei mir entschuldigt.     „Echt jetzt“, zeterte ich weiter. „Nächstes Mal können wir uns die Bedingungen auch einfach sparen.“     Sasuke, der die ganze Zeit über stumm neben mir hergelaufen war, blieb plötzlich stehen.     „Nächstes Mal?“, fragte er eindringlich.     Ganz langsam sickerte die Bedeutung meiner eigenen Worte in mein Gehirn und ich hätte mir am liebsten die Hand vor den Mund geschlagen. Allerdings war es auch unglaublich schwierig gewesen, bei dem ganzen Gerede über Sex nicht daran zu denken, wie es wäre, noch einmal mit Sasuke zu schlafen.     „Äh also… generell nächstes Mal hab ich gemeint, bei unserem nächsten Deal und so“, versuchte ich mich herauszureden. „Wir arbeiten ja jetzt zusammen. Da muss ich mich auch auf dein Wort verlassen können.“     „Seit wann verstehst du denn keinen Spaß mehr, Naruto?“, spottete er und fügte dann hinzu: „Für das nächste Mal gelten sowieso andere Bedingungen.“     Ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz plötzlich ein bisschen schneller schlug. Bedeutete das, dass Sasuke ebenfalls ein nächstes Mal in Betracht zog?     „Was für Bedingungen?“, fragte ich vorsichtig.     Sasuke war bereits weitergegangen und ich musste schneller laufen, um ihn wieder einholen zu können. Eigentlich war ich nur aufs Parkdeck gegangen, um vor Feierabend nochmal ein wenig frische Luft zu schnappen, doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mir folgen würde. Nun fühlte es sich so an, als würde ich ihm hinterherlaufen. Aber ich musste unbedingt wissen, wie er dazu stand. Seitdem wir miteinander geschlafen hatten, konnte ich beinahe an nichts anderes mehr denken.     „Keine anderen Männer“, nannte er seine Bedingung, ohne dabei stehen zu bleiben.     Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.     „Daran hab ich sowieso kein Interesse.“     Allein der Gedanke daran, mit anderen Männern zu schlafen, löste bei mir sofort einen Würgereiz aus. Sasuke war im Moment die einzige Person auf der Welt, mit der ich mir Sex vorstellen konnte. Selbst an Frauen hatte ich momentan kein Interesse. Irgendwie war das paradox.     „Auch keine Frauen“, fügte er hinzu.     „Heißt das, das wird so eine Art Exklusivbeziehung?“, hakte ich noch einmal nach.     Irgendwie gefiel mir der Gedanke. Es bedeutete, dass ich Sasuke dann auch nicht teilen musste. Er wäre dann mein Sasuke. Sofort verzog er das Gesicht.     „Keine Beziehung. Keine Verpflichtungen. Abgesehen von dieser einen.“     Die eine Bedingung, die beinhaltete, dass ich mit niemand anderem etwas anfangen durfte. In meiner Welt bedeutete das nichts anderes als Treue. Ich konnte mir einen weiteren Kommentar nicht verkneifen.     „Der gemeine Volksmund nennt sowas Monogamie.“     Sasuke zuckte nur mit den Schultern.     „Nenn es wie du willst, aber es ist keine Beziehung. Dazu müsstest du dir erst mal eingestehen, dass du auf Männer stehst.“     Sein süffisanter Tonfall machte mich sofort wieder aggressiv. Mittlerweile waren wir bei seinem Auto angekommen und er betätigte mit einem Klicken die Zentralverriegelung. Grob packte ich ihn am Arm und hielt ihn davon ab, die Fahrertür zu öffnen und in seinen Wagen zu steigen.     „Ich stehe nicht auf Männer“, fauchte ich wütend und betonte dabei das letzte Wort besonders abwertend.     Der einzige, auf den ich momentan stand, war Sasuke. In Sasukes Gegenwart schlug mein Herz schneller. In Sasukes Gegenwart bekam ich schwitzige Hände. Sasuke konnte mit einer einzigen Berührung tausend kleine Ameisen in meinem Körper in Bewegung setzen. Sasuke war derjenige, der ständig meine Gedanken beherrschte. Sasuke war derjenige, mit dem ich am liebsten meine ganze Freizeit verbringen wollte. Da war überhaupt kein Platz für irgendwelche Männer. Wann hatte ich mich nur so abhängig von ihm gemacht?     Sasuke öffnete die Tür zu seinem Wagen und stützte sich dann lässig mit dem Unterarm darauf ab, während er den Schlüssel durch seine Finger gleiten ließ. Seine Lippen umspielte ein überlegenes Grinsen.     „Falls es dir entgangen sein sollte, Naruto, ich bin ein Mann und du kannst mir nicht weismachen, dass du nicht auf mich stehst. Der gemeine Volksmund nennt sowas schwul“, er imitierte ziemlich treffend meinen eigenen Tonfall und ließ sich dann in das weiche Lederpolster gleiten. „Und jetzt steig‘ ein, ich fahr dich nach Hause.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)