Im Schatten der Zukunft von Ankh_sun_Amun (Noel & Lightning) ================================================================================ Kapitel 7: Im Schatten der Zukunft VII -------------------------------------- Im Schatten der Zukunft VII Geradeeben war da noch was. Weitentfernt, wie ein klagendes Echo in seinem Kopf, hatte er ein tiefes, verächtliches Lachen gehört. Ein spottischer Ton, als wäre es der Ort Walhalla selbst, der ihn da auslachte und in seine ewige Finsternis riss. Überall nur Dunkelheit. Und Noel wusste nicht was los war, ob er tot oder lebendig war, ob er sich auf dem Weg Richtung Himmel oder zur Hölle befand. Er konnte nicht reden, konnte sich kein kleines bisschen bewegen. Doch eines wusste er… Sollte er gerade sterben, dann hatte er sich das so viel leichter, so viel friedlicher vorgestellt. Alles was er fühlte, waren Kälte und Feuer, zu unnatürlich, um normal zu sein. In jedem Teil seines Körpers steckte der Tod, fesselnd und kalt und doch, so brennend und heiß, floss Leben durch ihn, forderte den Tod zum Kampf heraus. Und es raubte ihm auf grausamste Weise den Verstand. Sein Herz pochte, schwach und doch stark genug, um nicht so einfach aufzugeben, ihn zu foltern mit einen Schmerz, der mit jeden Schlag an Intensivität gewann, mit jeden Atemzug immer mehr voran gelang. Entfachte einen Schmerz in seiner Brust, der einfach nicht mehr tragbar war und trotzdem nicht verschwand, sondern immer nur noch tiefer in sein Empfinden sank. Unerträgliche Flammen der Qual, die in seiner Brust tanzten und sein verlorenes Sein bestimmten. Ihn gnadenlos aus der Ruhe eines dunklen Schafes rissen. „Noel!“, ein Wort, für ihn ein Flüstern nur, das ihn trotzdem nicht erreichte. Warum tat man ihm sowas nur an? Denn trotzallem rührte der junge Mann sich nicht, konnte es nicht… und wollte auch nicht wissen, dass er irgendwo doch noch lebendig war. Denn er war müde, so unglaublich müde, es sollte einfach nur noch aufhören... Ein weitere, fiese Schmerzenswelle, die seinen Verstand mit sich in den Abgrund riss und er wollte einfach nur schreien, bei diesen Kampf keine Sekunde länger mehr mit anwesend sein, bei diesem Gefühl, diesem Ziehen und Reißen, zwischen dem ein lautloser Schrei versuchte seinen Lippen zu entkommen. Doch da war auch ein Teil in Noel, der nicht aufgeben konnte, seine Lehren, die ihm befahlen weiterzumachen, nur irgendwie durchzuhalten und ein standhafter Kämpfer zu sein. Und in genau dem Augenblick konnte er spüren, wie etwas um ihn herum passierte. Hände, die ihn berührten und ihn umschlossen, die taube Dunkelheit ein wenig vertrieben. Die unbeschreibliche Pein, welche bis eben noch sein Inneres verfraß, ebbte plötzlich ein wenig ab, als er über all das ein schönes Gefühl verspürte. Wärme… und Nähe, die auf einmal versuchten seinen Körper zur Ruhe zu verhelfen. In die Umarmung einer angenehmen Geborgenheit legten, den jungen Mann für einen kurzen Augenblick den Schmerz vergessen ließen, der in seinen Körper herrschte. Dort war jemand, der ihn beschütze, doch… wie konnte das sein? Es war seine Aufgabe andere zu schützen und nicht umgekehrt… Der junge Jäger spürte sanfte, warme Finger auf seiner Haut, Haarsträhnen, die ihn neckisch kitzelten, sich in den Händen, in welchen er sich befand, einfach nur irgendwie geborgen und zu sorgenfrei, als das, selbst wenn er es könnte, nicht die nötige Kraft aufbringen konnte, um nachzusehen, wer sich um ihn kümmerte. Was war geschehen, wer hielt ihn? Wieso war sein Inneres in diesem Moment… so voller Vertrauen? Wieso fühlte er sich selbst so schwach werden, so wehrlos durch dieses Gefühl der Sicherheit in den friedlichen Zustand der Müdigkeit geleiten? Doch eigentlich… war es ihm egal, er wollte einfach nur noch schlafen, den grausamen, pochenden Schmerz in seiner Brust nur noch vergessen. Wieso also konnte der Kampf in seinem Körper nicht endlich enden? Bitte, einfach nur noch aufhören und ihn erlösen… „Noel.“ Der junge Mann fühlte, wie seine Augenlider leicht zwinkerten, aber er konnte sie nicht öffnen, wollte es nicht. Spürte nur, wie zwei Hände sich über seinen Körper bewegten und sich um seine Schultern legten. Ihn unverhofft zu schütteln begannen. Schmerz pulsierte auf, mit einer solch unerträglichen Intensivität, dass er nicht einmal schreien, sondern einfach nur noch tonlos aufstöhnen konnte. Ein nur kurzes Sein an der äußeren Oberfläche seines Bewusstseins. Dieser Schmerz war anders, intensiver, irgendwie echter, nachvollziehbarer … und gnädiger… Der Weg in die vom jungen Jäger langersehnten, befreienden Ruhe… ganz ohne Gegenwehr, Noel kämpfte nicht mehr länger, fühlte sich in dem angenehmen Gefühl der Ohnmacht verblassen. Andächtig hatte Lightning ihren Kopf gesenkt, war in den verlorenen Gefilden ihrer eigenen Gedanken gefangen, brauchte diese kurze Zeit, um endlich vollständig zu verstehen, um zu verarbeiten, was in den letzten Momenten alles geschehen war. Was sie angestellt hatte, was sie zu verantworten hatte. Wie viel hätte gefehlt… wie viel, dass Noel jetzt wirklich tot wäre? Anderseits… konnte sie sich sicher sein, dass als sie sich dazu entscheid, den jungen Mann nicht sterben zu lassen, wirklich das Richtige getan zu haben? Ein resignierter Seufzer verließ unter einem kaum merklichen Kopfschütteln ihre Lippen. Woher sollte sie wissen, ob ihn am Leben zu lassen nicht der einzig wahre Fehler war, denn sie begehen konnte? Wer sagte, dass Noel sie nicht immer noch zu töten versuchen würde? Was war, wenn er der Erlöserin nicht traute? Wenn er ihr nicht zuhörte? Was, wenn er ihr nicht sein Seelenheil anvertraute? Wenn Noel wirklich schon verloren war? Abermals schüttelte die schöne, junge Frau ihren Kopf, ließ unter dieser Bewegung morganitfarbende Haare sacht in der Luft tanzen. Schloss für einen kurzen Moment ihre Augen, ehe sie sie wieder öffnete und ihre Aufmerksamkeit auf einmal auf den leicht vorgebeugten Rücken ihres Freundes lag. Mit ein paar ruhigen, entschlossenen Schritten bewegte sie sich durch diesen stillen, so unnatürlich hellen, in seiner Weitläufigkeit komplett weißen Raum. Die Arche. Ein weiterer Ort, an dem die Zeit stillstand und der einzige Platz, an dem Lightning, wenn sie Erholung suchte, diese auch fand. Ihr Blick wanderte über einen in safranfarbenden und sonnengelben Stoff gekleideten Oberarm, über helle Haut. „Wie geht es ihm?“, fragte die junge Frau ruhig, hatte ihre Unsicherheit angesichts dem, was sie getan hatte und dem, was vielleicht noch folgen konnte, wieder tief in sich vergraben. „Nicht so gut…“, antworte ihr Hope und sie konnte sehen, wie seine Hand sich auf die Stirn des bewusstlosen, jungen Jägers legte, dort kurz prüfend verweilte. „Der Heilungsprozess muss unglaublich schmerzhaft sein, aber den hat er hinter sich, er ist endlich ruhig. Gib ihm vielleicht eine bis zwei Stunden, und ich bin mir sicher, er wird wieder fit sein. Was hast du vor zu tun, bis es soweit ist, Light?“ Sie bemerkte, wie ihr Freund sich aus der Hocke vor der weißen Liegemöglichkeit, auf die sie Noel gebetet hatten, erhob und er sich zu ihr umdrehte, doch ihr Blick ruhte weiterhin auf der regungslosen Gestalt ihres eigentlichen Widersachers. „Es tut weh?“, fragte sie gedankenverloren, beobachtete dabei das manchmal holprige, doch an sich ruhige Senken und Heben der Brust des jungen Mannes, blickte in sein momentan auf sie so friedlich wirkendes Gesicht. „Ja, bei einer solch gefährlichen Verletzung und zu geringer Heilwirkung bei nicht so starker Erfahrung, denke ich, dass es gut möglich ist. Und du konntest ihn nicht vollständig heilen, Light.“ „Als hätte ich eine andere Wahl gehabt. Ich kann wohl von Glück reden, dass du in der Hinsicht durchaus bessere Gaben als ich besitzt. Wie es weitergehen wird, ist noch nicht sicher. Lass uns damit warten, bis er wieder zu sich kommt.“ Der Blick ihrer eisblauen Augen löste sich mit einen Zwinkern wieder von Noel und sie wollte sich gerade auch von Hope abwenden, als jener sie plötzlich aufhielt. „Hey Light?“, hörte sie ihn fragen und sah, wie ein silberweißer Haarschopf sich in die verschwommene Sicht ihres rechten Augenwinkels schob. „Fakt ist, Noel sollte jetzt eigentlich tot sein. Oder du an seiner Stelle. Was… was ist also vorgefallen?“ „Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es selbst nicht. Aber ich weiß, ich wollte ihn nicht töten. Ich konnte es nicht, Hope.“, meinte die junge Frau und sie konnte sehen, wie ihr technikbegabter und wissensschlaue Freund sie für eine kurze Weile argwöhnisch beäugte. „Warum…?“ Lightning schüttelte ihren Kopf, seufzte kurz in sich hinein. „Du stellst Fragen, die ich dir nicht beantworten kann…“ „Ach ja Light?“, hörte sie Hopes Stimme sie allerdings nur leicht scharf fragen, wusste, dass er sich ohne irgendeinen Antwort nicht so leicht abschütteln lassen würde, denn der Junge war schlau. Wenn es etwas gab, das er in Erfahrung bringen wollte, dann wusste er auch, wie er dorthin gelangte. „Kannst oder willst du nur nicht? Sonst bist du doch auch nicht so.“, sprach er daher weiter. „Ich… konnte es nicht. Irgendwas ist da unten geschehen…“ Wie so viele Male schon zuvor, legten sich die Finger ihrer rechten Hand auf den schwarzen Stoff über ihrer gewölbten Brust. „Irgendwas ist mit mir passiert. Ich kann nur noch nicht so genau sagen was.“ „Light…?“ Sie sah, wie Hopes Augen sich leicht zuckend ein wenig fragend weiteten und er sie besorgt anstarrte. Und obwohl ihr nicht unbedingt dazu zumute war, spürte sie, wie dieser Anblick ihr ein schwaches Lächeln auf die Lippen zauberte. „Es ist alles gut, Hope. Du machst dir zu viele Sorgen.“ „Ok…“, der Junge stoppte kurz. „Aber pass bitte auf dich auf. Noel… ist bis jetzt noch immer unser Feind.“ Er stöhnte leise auf und nur langsam, mühselige, so kam es ihm vor, fand er wieder mit allen Sinnen zu nebulösen Bewusstsein, erinnerte formlose Gedanken und Gestalt annehmende Bilder. Seine Augenlider blinzelten, versuchten die Schwärze, in die er gefallen war und nun wieder draus erwachen wollte, zu vertreiben. Doch es wollte ihm nicht sofort gelingen und es war, als flimmernden durch seine kaum geöffneten Lider kleine, tanzende Irrlichter. Mit einem innerlichen Fluch kniff er seine Augen wieder fest zusammen. Alles, was er nach und nach immer mehr bemerkte, war ein pochender Schmerz in seinem Kopf, dessen zunehmende Intensivität seine Wahrnehmung jedoch langsam zu klären begann. Ungewollt schickte er einen weiteren, leisen Laut über seine Lippen. Er hörte sich selbst einmal durchatmen und im ersten Moment, nachdem er erneut seine Augen zu öffnen versuchte, war sein Blickfeld wie unter dichten, dunklen Schatten gefangen. Und zusammen mit dem Ort, welcher sich ihm langsam, aber dafür mit schmerzhaften, hellen Leuchten offenbarte, versuchte er etwas mehr Licht in eine noch verblassten Erinnerungen zu bringen. Der junge Jäger fragte sich, was geschehen ist, versuchte sich in einem Wirrwarr aus für ihn noch nicht ganz verständlichen Gefühlen und verschwommenen Bildern zurückzuerinnern. Zu erinnern, was passiert war, nur irgendwas, doch das einzige, was er erreichte, war wie dieses unnachlässige, kräftige Hämmern hinter seiner Stirn nur noch weiter zunahm. Ein verzweifelter Seufzer verließ seinen Mund. Und doch begannen die schwarzen, rauchigen Schatten in seinem Verstand sich zurückzuziehen, ließen Farbe und Konturen zu, erschufen eine Gestalt. In der Luft wehendes, morganitfarbendes Haar, der ernste Blick zweier wunderschöner, eisblauer Augen. Flatternder, langer Stoff, alles verborgen hinter einer gefährlich aufblitzenden, scharfen Klinge, die sich blitzschnell auf ihn zubewegte. ‚Lightning!‘ Noel keuchte erschrocken auf. Es war, als durchfuhr ein heftiger, elektrisierender Schlag seinen Körper und er schnellte nach oben. Ein krächzendes, angestrengtes Luftholen, während die Finger seiner rechten Hand sich krampfhaft in den Stoff seines Oberteils und über seinem Herzen krallten. Schmerz, so echt, so real und trotzdem nichts als eine Einbildung, die für einige Sekunden seine Sinne flutete, als er unter der Haut seiner Hand fühlen konnte, dass da nichts war. Kein Schwert, das in seiner Brust steckte, kein Blut. Kein Leben, das dabei war seinem Körper zu entweichen. „Verdammt, wo bin ich?“, kam es mit einer deutlichen Spur Verwirrung und Unbehagen von ihm, als er nebenbei den Blick seiner Augen durch seine Umgebung schweifen ließ. Zuckte jedoch sofort zusammen, als sein Augenmerk direkt auf der hohen Gestalt einer Person stieß. Sein Blick verlor sich auf dem hübschen Gesicht Lightnings, welche sich in genau dem Moment neben ihn ein klein wenig aus dem Stand in die Hocke gleiten ließ. „Auf der Arche.“, kam es von der jungen Frau und Noel ertappte sich dabei, so überfordert und überrumpelt er von seiner momentanen Lage war, wie Lightnings Anblick ihn fesselte. Sein Blick ruhte auf der jungen Frau, über die er gerade zu sagen vermochte, ob sie dies auch wirklich war. Denn seine Gedanken überschlugen sich, holten Informationen und Bilder hervor, an die er sich jetzt erst wieder erinnerte, von Neuem durchlebte. Er erinnerte sich. Seine Hand kroch über dünnen Stoff, legte sich auf seine Brust, die Stelle, unter der er immer noch die unwirklichen Impulse eines verblassten Schmerzes spüren könnte. Er ertastete zerrissenen Stoff, fühlte Haut. „Warum bin ich hier? Warum bist du hier, Lightning? Hattest du mich nicht…“, er machte eine Pause, musste die Worte in seinen Kopf aufgrund der Absurdität, dass es ihm scheinbar ganz gut ging, noch einmal kurz überdenken. „Hattest du mich nicht getötet? Wieso bin ich jetzt doch noch am Leben? Was soll das Ganze?“, fragte er und sein Kopf hatte bei seinen letzten Worten sich zu schütteln angefangen. „Nein, du bist noch am Leben, Noel.“, antwortete die junge Frau ihm. „Ich möchte dir eine Chance auf ein glückliches Leben geben, eine Möglichkeit all das Leid dieser verendenden Welt hinter dir zu lassen. Ein letzter Versuch, die Zukunft zu retten… zumindest deine. Aber damit ich dir diese Chance ermöglichen kann, musst du sie erst einmal mir selbst geben. Nur so kann ich dir helfen.“ Noel konnte nicht anders, als kurz und leicht spottisch aufzulachen. „Soll das ein Witz sein?“ „Nein.“ „Das heißt, du möchtest mir helfen? Tut mir leid, Lightning, und magst du noch so viele gottesgleiche Gaben besitzen, aber das schaffst du nicht. Auch ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Alle Kraft aufgebraucht, jede Hoffnung verschlagen, mich hält nichts mehr am Leben. Ich bin nicht mehr der naive, irgendwo noch an das Gute glaubende Junge, den du damals zu dir holtest. Meine zweite Chance…“ Seine Augen schlossen sich. „Ich hatte sie bekommen und doch alles falsch gemacht. Eine weitere gibt es nicht…“ Und es war zu viel. Es war einfach zu viel, um es noch länger tragen zu können, zu viel, um selbst wenn die Zeit zu blieb, alles jeweils zu verarbeiten. Zu groß sein Versagen und zu schmerzhaft die unzähligen Erinnerungen, die dran geknüpft waren. Einfach zu viel, um noch länger damit klar zukommen, irgendwie damit nach vorne zu blicken und zu schauen, dass man überlebte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)