Dancing in the Rain of Life von DesWahnKof ================================================================================ Kapitel 5: An der Oberfläche, an der es auch nicht besser läuft --------------------------------------------------------------- „Schwesterchen, Aufstehen! Wir sind aufgetaucht!“ Mein Bruder war ganz aus dem Häuschen. Er hievte mich aus dem Bett und schmiss mir meine Sachen ins Gesicht. Müde zog ich sie an. Seit dem letzten Treffen mit meinem Käpt’n waren schon ein paar Tage vergangen. Lediglich beim Essen hatten wir uns gesehen. Anscheinend hatte er es genau wie ich nicht für nötig gehalten mit mir Kontakt aufzunehmen. Am Arm zog mich mein Bruder aus der Kabine, während er irgendetwas vor sich hin brabbelte. Ich war morgens einfach nicht aufnahmefähig. Das nächste, das ich bewusst wahrnahm, war, dass mich helle Sonnenstrahlen blendeten. Kalte Luft strömte in meine Lungen. Wir waren draußen. Als sich meine Augen an das Tageslicht gewöhnt hatten erkannte ich das Deck, dass ich lediglich einmal in der Nacht betreten hatte, in der ich hier angekommen war. „Na, super!“, schimpfte Shachi. Er rutschte das letzte Stück vom Mast runter. „Jetzt stecken wir fest.“ Ich blickte mich um. Das Schiff war von vielen hohen Pfeilern aus Stein umgeben. Meterweit ragten sie in den Himmel. „Morgen ihr zwei“, begrüßte er uns kurz, als er von dem kleinen Überbau, der die Tür überragte und auf dem der Mast emporragte, sprang und an uns vorbei ins Innere des U-Bootes verschwand. Mein Bruder zuckte mit den Achseln und folgte ihm, woraufhin ich runter auf das Unterdeck ging. Ich entdeckte Penguin, der gerade dabei war Wäsche auf ein Seil zu hängen, das er zwischen Reling und dem zweiten Mast gespannt hatte. Wortlos nahm ich einen nassen Overall aus dem Wäschekorb und half ihm die Klamotten aufzuhängen. Mich wunderte es eigentlich, dass wir irgendwie immer Wäsche hatten. „Es ist schön mal wieder die Sonne zu sehen“, begann ich ein Gespräch. Penguin nickte. „Ein U-Boot hat viele Vorteile, allerdings fehlt einem die Sonne nach einiger Zeit wirklich. Vor allem Bepo.“ Ich blickte zu dem Eisbären, der auf dem Boden lag und schlief. Für ihn war es im U-Boot wohl einfach zu warm. „Shachi, beantworte mir die Frage, warum wir hier nicht rauskommen.“ Wow, der Käpt’n war wirklich angepisst. „Wenn wir hier hingekommen sind, kommen wir auch wieder zurück.“ Recht hatte er, trotzdem tat mir Shachi leid. „Das hier ist ein einziges Labyrinth, Käpt’n.“ Diese Verzweiflung. Armer Shachi. „Die einzige Lösung wäre es, wenn jemand da hochklettert.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er auf einen der Felsen zeigte. Na dann viel Spaß. „Dann zeig mir doch mal denjenigen, der das schafft.“ „Wir könnten ein Team bilden und da hochklettern.“ „Und wie viele Jahre willst du da klettern?“ Auf dem Deck hörte man unterdrücktes Gekicher. „Kannst du die nächste Ladung Wäsche hochholen?“ Penguin drückte mir einen Wäschekorb in die Hand und ich nickte. Schweigend ging ich an Shachi vorbei, der vom Käpt’n einen ganz schönen Einlauf bekam. Eigentlich sollte ich ihm helfen. Und mich dann wieder mit dem Käpt’n anlegen? Aber es war für einen guten Zweck. Ich schmiss die Wäsche in den Korb und latschte wieder nach oben. „Schwester!“ Mein Bruder kam auf mich zu. „Du musst Shachi helfen.“ Ja, rede mir auch noch in mein Gewissen, damit ich mir jedes bisschen Sympathie mit dem Käpt’n verspiele. Ich seufzte. „Wie soll ich dieses Problem denn lösen?“ Er nahm mir den Korb aus der Hand. „Du bist meine Schwester. Wenn einer das kann, dann du.“ Er überschätze mich maßlos. Ich war nicht so toll und allmächtig, wie er sich das vielleicht vorstellte. „Du verstehst nicht, Bruder. Ich kann das nicht.“ „Warum nimmst du nicht den Koffer?“ Ach ja der Koffer. Das wäre eine Möglichkeit. „ Wenn ich es benutze, wird jeder sofort wissen, wer wir sind.“ Er schüttelte den Kopf und seufzte. „Kannst du trotzdem Shachi retten? Sonst muss er wieder eine Woche ohne Kopf rumlaufen.“ „Und warum muss ich das tun?“ „Weil du die Einzige bist, die mutig genug ist, um etwas gegen den Käpt’n zu sagen.“ Und das schimpfte sich Piraten. Wir betraten das Deck. Immer noch wurde Shachi zusammengestaucht. „Bitte Schwesterherz.“ Er blickte mich mit seinem Hundeblick an. Ich seufzte. Wohl oder übel musste ich mich dem geschlagen geben. „Nun gut.“ Mit langen Schritten lief ich aufs Unterdeck. „Käpt’n!“ „Was?!“ Nein wie freundlich. „Ich glaube nicht, dass jemand, der lediglich etwas Vergesslichkeit gezeigt hat, es verdient hätte so bestraft zu werden.“ Ich schob Shachi beiseite. „Und wer hat dich um deine Meinung gebeten?!“ Oh, er war sauer. Sein Blick erdolchte mich förmlich. Standhalten, standhalten, wiederholte ich in meinem Kopf. „Mein Herz. Denn ich kann nicht dabei zusehen, wie jemand in Not ist.“ „Er ist selbst schuld. Er hat sich geirrt und jetzt werden wir alle sterben, weil er sich den Weg nicht merken konnte.“ Und das rechtfertigte alles? „Und Irren ist menschlich.“ „Für wen hältst du dich eigentlich?! Du machst nur Ärger.“ Punkt für ihn. Ich hatte auf diesem Schiff echt noch nichts Gutes fabriziert. „Einen Menschen.“ Ich war schließlich nicht besser als sonst irgendwer. „Du bist nerv tötend und eigentlich hätte ich dich schon längst töten sollen.“ Danke, ich weiß das zu schätzen. Warum musste er mich daran so oft erinnern? „Und das tut Ihr nicht weil?“ Ich spürte die Klinge seines Schwertes an meinem Hals. Er war schnell, verdammt schnell. Ich spürte einen Tropfen warmes Blut meinen Hals herunterfließen. Mein Puls beschleunigte sich. „Schwester!“ „Misch dich nicht ein!“, schrie ich meinen Bruder an. Er sollte sich raushalten, musste er doch unversehrt bleiben. „Du bist vorlaut und dämlich. Und doch tust du so als wüsstest du alles. Das kotz mich an.“ Danke, gleichfalls. Der Griff um sein Schwert verfestigte sich und der Druck der Klinge an meinem Hals verstärkte sich. So langsam machte sich Panik in mir breit. „Vielleicht sollten wir unsere Differenzen in einem klärenden Gespräch beseitigen?“ „Du hast Angst.“ Ja, wirklich. Sag bloß. Natürlich hatte ich Angst. „Ich bin lediglich ein Mensch.“ Er begann zu lachen. Ok, das war verwirrend. Sehr verwirrend. Aber er steckte sein Schwert wieder weg, was mich erleichtert aufatmen ließ. „Du bist so dämlich.“ Danke. Wofür hatte ich dieses erneute Kompliment verdient? Damit verließ er das Deck. Wahrscheinlich um in seinem Zimmer zu verrotten. Der Typ hatte ja Stimmungsschwankungen vom Feinsten. Oder er hatte es sich in letzter Zeit nicht machen können. Oder Frauen lehnten seine Gesellschaft grundsätzlich ab…Obwohl bei dem Aussehen, wäre das echt ein Wunder, wenn- Stopp! Imaginär lief ich gerade Amok. Warum fand ich ihn gutaussehend?! Ich wollte und durfte das nicht! Themenwechsel, Themenwechsel. Ich musste jetzt total rot sein. „Chris! Hol den Koffer!“ Ich musste hier weg, sonst lief ich echt noch Amok. „Ich dachte du willst den Koffer nicht benutzen.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hab mich um entschieden. Ich will zur nächsten Insel und zwar schnell.“ Ich brauchte unbedingt Freiraum. Die Luft hier schien mich zu erdrücken. „Hier.“ Chris stellte den schweren Lederkoffer vor mir ab. Ich öffnete ihn und nahm den Inhalt heraus. Zwei Spulen mit dünnen Stahlseilen eine davon befestigt an einem Schwerter, auf dem in Gold verschnörkelten Lettern „Concordia“ stand, das andere an einer Art Abzug, hier fehlte ein Schwert, und das alles mit vielen Ledergurten. Ich zog meine Schuhe aus und stieg in die Lederriemen die ich mit der Hilfe meines Bruders an meinen Beinen festzurrte. Um die Hüfte kamen die schweren Metallteile und über meine Schultern zog ich wieder Gurte. Danach bekam ich meine Schuhe wieder an, die ich ebenfalls festband. „Shachi, was soll ich tun, wenn ich da oben bin?“ Er schaute mich an wie ein Seeungeheuer. „Ähm… schau nach einem Weg zur nächsten Insel, sie müsste zu erkennen sein.“ Ich nickte. Mit langen Schritten ging ich zum einen Ende des Decks. Dort zog ich das Schwert, an deren Heft sich ebenfalls ein Abzug befand. Die Kette, die das Schwert an meinem Gürtel befestigte, klimperten leise. „Hier, Schwester, nimm eine Teleschnecke mit.“ Die kleine Schnecke kroch in das Innere meines Overalls. „Danke, ich melde mich, wenn ich oben bin.“ Damit nahm ich Anlauf auf die andere Seite des Decks. Ich drückte mich mit dem Fuß von der Reling ab und sogleich wurde ich von einem der Seile in Richtung Felsen gezogen. Es war gut wieder zu fliegen. Während des Fluges streckte ich meine Hand zur Wasseroberfläche aus. Spritzend teilte sie sich unter meiner Fingerspitze. Ich landete mit beiden Füßen an den Felsen und rammte zusätzlich noch meine Schwerter in den Stein, um nicht abzurutschen. Das war früher einfacher gewesen. Endlich hielt ich an und konnte mich aufrichten. Jetzt brauchte ich nur noch die Wand hochlaufen, was eindeutig der anstrengendste Teil war, da senkrecht eine Wand hoch laufen sich für gewöhnlich nicht so einfach gestaltete. Ich blickte in die Wolken. Wie weit weg sie doch waren. Ich lehnte mich weiter in die Ausrüstung und setzte einen Fuß vor den Anderen. An einigen Stellen war der Fels rutschig, was mein Gesicht weniger toll fand, da es dann jedes Mal hart dagegen schlug. Ich glaub, das nächste Mal trag ich eine Maske, oder noch besser einen Helm. Letztendlich fand ich mich dann doch auf der Spitze dieses gottverdammten Felsens wieder. „Na endlich!“ Schwer atmend ließ ich mich auf das Plateau fallen. Ach ja die Teleschnecke. Da war was. Ich setzte mich auf und kramte das Vieh aus meinem Overall. Es summte bevor am anderen Ende abgenommen wurde. „Bist du oben?“ Mein Leben hasste mich. „Aye, Käpt’n.“ Wow, diese Motivation, die ich an den Tag legte. „Irgendwo in westlicher Richtung müsste die Insel liegen.“ Ich stand auf, nur um über mein Schwert, das selbstverständlich liegengelassen hatte, zu stolpern. Und die Schnecke schlitterte und schlitterte und… Fuck! Ich hechtete dem Teil hinterher und konnte es gerade noch festhalten. „Oi, was machst du denn?!“ Ja schnauz mich noch an, dann wird es besser. „Tut mir leid, dass ich halb über der Kante hänge und gefühlte 100 Meter unter mir das Meer ist.“ Das war dezent übertrieben. „Jaja.“ Arsch. „Also westliche Richtung.“ Ich zog mich mit einiger Anstrengung wieder hoch. Diesmal packte ich das Schwert zurück in die dazu vorgesehenen Scheiden. Ich musste ja nicht nochmal halb den Adler machen. Und tatsächlich war da eine grüne Insel gar nicht weit. „Hab sie.“ „Gut, gibt es einen Weg dahin?“ Ich suchte das Feld aus Pfeilern nach einer Gasse ab. „Ja. Also als erstes müssen wir rechts und dann halb links und dann immer geradeaus.“ „Und jetzt noch mal so, dass wir es umsetzten können.“ Dann kletter doch selber hier hoch, du Idiot. Es dauerte ziemlich lange bis ich es auf die Reihe gekriegt hatte. „Gut, dann komm wieder runter. Der Rest macht sich bereit zur Abfahrt. Wir fahren an der Oberfläche weiter!“ Er legte auf. Super. Ich lugte von der Plattform herunter. So hoch war das gar nicht. Ich zuckte mit den Achseln. Geiz ist Geil. Ich nahm etwas Anlauf und sprang. Es war ein wunderschönes Gefühl. Der Wind fuhr durch meine Haare. Das war das Gefühl von Freiheit. Leider war es zu kurz. Ich musste mich mit den Seilen abfangen, sonst würde ich auf die Wasseroberfläche aufschlagen und das wäre aus dieser Höhe fatal. Ich landete auf dem Deck und musste noch etwas stolpern, da ich noch zu viel Schwung hatte. Mein Bruder fing mich auf. „Danke.“ Ich hatte nicht bemerkt, dass mein Herz so schnell schlug. Ich war es wohl nicht mehr gewohnt. „Komm lass uns reingehen.“ Ich nickte und mein Bruder half mir zurück ins Schiffinnere. Es dauerte etwa anderthalb Tage und wir waren an der Insel angekommen. „Einer von Euch hält hier die Stellung und der Rest kann sich in der Stadt umsehen.“ Der Käpt’n hielt grad eine Ansprache. Wir waren gerade in dem Hafen eines kleinen Städtchens. Die Sonne schien und ein paar Möwen zogen ihre Runden über den blauen Himmel. „Bei Sonnenuntergang seid ihr spätestens wieder hier. Verstanden?“ Irgendwie fühlte ich mich wie ein Kind, das seiner Mutter versprechen musste rechtzeitig zu Hause zu sein. „Aye“, kam es geschlossen von der Crew. Der Käpt’n verließ zuerst das Deck in Richtung Stadt. Na, hoffentlich begegnete ich ihm heute nicht mehr. Für die Kletteraktion hatte ich immer noch kein „Danke“ gehört. Einer nach dem anderen verließ die Crew das gelbe Schiff. Ich war natürlich die letzte, mal abgesehen von Shachi, der Wache halten musste. Kaum hatte ich Land betreten hörte ich ein Donnern und urplötzlich fing es an zu regnen. Na toll. Hätte ja auch nur mir passieren können. „Dort! Die ist es!“ Was? Mich griffen mehrere Hände und ich wurde weggezogen. „Hey. Was soll das? Lassen Sie mich los!“, beschwerte ich mich bei dem alten Mann, einer jüngeren Frau und einem kleinen Jungen. Da ich keine Antwort bekam, beließ ich es dabei und ließ mich mitziehen. Sich zu wehren würde nichts bringen. Warum zur Hölle waren bei dem Regen so viele Leute auf der Straße? Und warum gucken die mich so an? Kinder spielten in den Pfützen und einige Leute tanzten auf den Straßen. Was war denn mit denen los? Als sie mich sahen hörten sie auf zu tanzen und murmelten irgendetwas. Kann mir jetzt mal bitte wer sagen, was hier los ist? Ich wurde durch eine Tür geschoben und auf einen Stuhl gezwängt. „Was? Das ist sie?“ „Ja, Lady Guru.“ Ich konnte einen Blick auf die Frau werfen. Sie war...exzentrisch? Ja, ich glaubte, dass dies war ein gutes Wort dafür. Sie sah aus wie eine Blume und das meine ich jetzt ganz wörtlich. Ihre blonden Haare waren lockig und aufgebauscht und ansonsten trug sie ein enges, grünes Kleid mit Blattmuster. Eine Hortensie. „Ok, verschwindet jetzt!“ Ja, definitiv eine Hortensie. Die Leute, die mich hier her geschleift hatten, verließen das Haus hastig. Die Frau stöckelte auf ihren hohen Schuhen zu mir rüber. Freudig breitete sie ihre Arme aus. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war riesig. Eigentlich wollte ich jetzt hier weg, aber nachdem die mich schon hierhin geschleift hatten, würden die mich sicher nicht so einfach gehen lassen. Zumal ein Mann in einem dunklen Anzug die Tür bewachte. Das war definitiv ein Wachmann. Und ich hatte keine Waffen dabei. „Willkommen auf Veraestas!“ Sie hatte meine volle Aufmerksamkeit. Mit ihren langen Fingern griff sie nach meinem Kinn und hob es leicht an. „Meine kleine Regenprinzessin.“ Hä? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)