Live von abgemeldet (Lebe dein Leben) ================================================================================ Kapitel 1: Das Leben geht weiter... ----------------------------------- Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die spärlich mit Vorhängen bedeckten Fenster des alten Zuges hindurch und erhellten so das dunkle Zugabteil. Die ersten Passagiere erwachten dadurch aus ihren Schlaf und weckten durch die nun zunehmende Lautstärke auch die anderen auf, bis schließlich jeder außer natürlich Fräulein Shina, die noch immer wie ein Baby leise schnarchend neben mir schlief mehr oder weniger sanft geweckt wurde. Es war mir noch immer ein Rätsel wie man nur solch einen tiefen Schlaf haben konnte, sodass nicht einmal der Start eines Düsenjets einen aus diesen befördern konnte. Leise gähnend bäumte ich mich vor ihr auf und betrachtete sie leicht schmunzelnd. Ich hatte ihr in den letzten Monaten wirklich viele Probleme bereitet. Ich wusste zwar dass sie mir nur helfen wollte um den Tod meiner Eltern besser zu verarbeiten. Das war auch immerhin ihre Aufgabe, aber ihre harten Worte regten mich jedes Mal aufs Neue auf. Sie war zwar wirklich nett und hilfsbereit, aber wenn sie eines nicht konnte so wie ich fand und wie ich sie auch kennengelernt hatte, dann war es sich in andere und deren Probleme hineinzuversetzen. Also nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine angehende Kinderpsychologin, auch wenn sie momentan noch im Studium feststeckte und ich nur so eine Art Versuchskaninchen, als Test für ihre Fähigkeiten im Umgang mit solchen „traumatisierten“ Kindern, wie mich die Leute auch bezeichneten darrstellte. Ein leiser Seufzer entwich meinen Lippen und ich ließ meinen Blick kurz durch das fast vollkommen leere Zugabteil schweifen. Die meisten Menschen waren bereits in Strömen aus dem Abteil marschiert und hatten sich sogleich hastig zum Frühstück in den nächsten Wagon begeben, als ob sie Angst hätten jeden Moment zu verhungern, was nun wirklich lächerlich war. Nur einige Menschen waren noch geblieben, lasen ein Buch, tippelten auf ihren Handy oder Laptop herum oder schlugen einfach irgendwie die Zeit tot. „Wir müssten eigentlich bald da sein“, ertönte auf einmal die Stimme meiner Begleiterin neben mir. Verwundert drehte ich mich zu ihr um. Da saß sie, wie üblich in einen kurzen Minirock und eine weiße Bluse gekleidet, die langen blonden Haare fein säuberlich, kerzengerade nach hinten gekämmt und mit jeder Menge Schmuck, wie ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum behangen neben mir und grinste mich wie ein Honigkuchenpferd fröhlich an. Anscheinend hatte sie heute mal wieder einen guten Tag und war nicht wie es sonst der Fall war mit den falschen Fuß aufgestanden, doch wie sich der sonstige Morgenmuffel so schnell fertig gemacht hatte, sollte mir wohl ein Rätsel bleiben. „Chiyuko“, fing sie plötzlich leise zu sprechen an, „Tut mir Leid, wegen gestern. Ich habe das alles nicht so gemeint, aber….“ „Ist schon Ordnung.“, unterbrach ich sie, in der Hoffnung nicht länger über dieses äußerst heikle Thema reden zu müssen, denn auf dies wäre es wohl schlussendlich hinausgelaufen. „Gut“, kam es noch ihrerseits, ehe dieses äußerst kurze Gespräch beendet war und wir uns ebenfalls zum Frühstück in den vollgestopften Wagon begaben. _*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_ Die Sonne war bereits untergegangen, als der Zug endlich den Bahnhof in Miyada erreichte. Man konnte dieses kleine Städtchen wirklich nur schwer mit der Großstadt Tokio, der Stadt in der ich früher gelebt und aufgewachsen war vergleichen. Miyada war nur ein kleiner, unwichtiger Fleck auf der Landkarte und gerade einmal neuntausend Menschen lebten hier. Und trotz einer Autobahn und einer Bahnstrecke, die hier verliefen, verirrten sich nur äußerst selten Touristen oder gar Menschen hier her, darum war es auch nicht weiter verwunderlich das wir die einzigen waren, die hier den Zug verließen. Innig seufzend und mit zwei schweren Koffern bepackt trat ich ein wenig schwerfällig zusammen mit Shina ins Freie. Kaum aus den stickigen Zug befreit, stach mir sofort ein älteres Ehepaar ins Auge. Ob das meine Großeltern waren? Doch die Frage hatte sich eigentlich bereits erübrigt. Winkend und mit einer Fotokamera bewaffnet kamen beide schnellen Schrittes auf uns zu. Skeptisch legte ich meine Stirn in Falten. „Komm Chiyuko!“ Mit unruhiger, fast schon hibbeliger Stimme sprach sie diese Worte aus und schien bei diesen Zusammenreffen hundert Mal aufgeregter zu sein als ich selbst. Fest umfasste Shina mein Handgelenk und zog mich stürmisch, ohne große Gegenwehr meinerseits mit sich. Was hatte sie nur auf einmal? Hastig stürmte die junge Frau, mich hinter sich im Schlepptau auf die beiden Leute zu und kam schließlich kurz vor ihnen zum Stehen. Ein breites Grinsen umspielte ihre Lippen, ehe sie waghalsig auf die ältere Frau zuschritt und dieser stürmisch die Hand schüttelte. Diese wusste gar nicht so Recht wie ihr geschah und ihr war die Situation sichtlich unangenehm, dennoch tat sie es Shina gleich und lächelte sie freundlich an, schien ihr doch endlich klargeworden zu sein, warum sie sich so seltsam benahm. Ganz Im Gegenteil zu mir. Ich verstand nur Bahnhof und mir war ihr seltsames Verhalten einfach unerklärlich. Erst als sie endlich die Hand der älteren Frau losließ, sich tief vor ihr verbeugte und anfing zu sprechen: „Ich weiß es ist nicht angemessen nun mit diesen Thema anzufangen. Erst gar nicht in dieser Situation. Aber bitte. Bitte.“ Sie ging vor der Frau auf die Knie. „Bitte geben sie mir ein Autogramm.“ Flehend hielt sie ihr einen Zettel und einen Stift vor die Nase, kniff die Augen dabei fest zusammen und wartete hoffend auf ein Autogramm. Ein leiser, kaum hörbarer Seufzer war von der alten Frau zu vernehmen. „Na sicher. Für meine Fans mache ich doch alles.“ Mit diesen Worten nahm sie sichtlich genervt den Zettel entgegen und gab ihr das gebetene Autogramm. Aufgeregt und mit Tränen in den Augen sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf und verbeugte sich erneut tief vor ihr. „Ich danke ihnen. Vielen herzlichen Dank. Ich bin ihnen so dankbar.“ Sichtlich verwirrt wanderte mein Blick durch die Runde. Ich konnte mir wirklich keinen Reim auf die ganze Sache machen. Fragend blickte ich zu Shina auf, in der Hoffnung dass mir die ganze Sache erklärte. Das tat sich schließlich auch. Vollkommen fassungslos sah sie auf meine Wenigkeit herab, senkte den Kopf dabei ein wenig und hielt ihr Autogramm fest in den Händen. „Sag mir jetzt bitte nicht, dass du Haruka Ogoni nicht kennst.“ Ich schüttelte nur geistesgegenwärtig meinen Kopf. „Das ist doch unglaublich. Haruka Ogoni ist einfach die beste Autorin auf der ganzen Welt. Von ihr stammen die Ashigani Bücher. Sag nicht das du die auch nicht kennst.“ Erneut schüttelte ich nur meinen Kopf. Ein lauter Aufschrei ertönte. Fassungslos fuhr sich die junge Frau in die Haare und schüttelte wie wild ihren Kopf hin und her. „Das glaub ich jetzt nicht. Wie kannst du sie denn nicht kennen, immerhin ist sie doch deine Großmutter. Ach, so eine Großmutter hätte ich auch gerne.“ Bei den letzten Worten leuchteten ihre Augen förmlich auf. „Jetzt reicht es aber“, schaltete sich nun aufgebracht die alte Frau ein. „Ich finde es zwar schön, dass dir meine Bücher gefallen und das du so ein großer Fan von mir bist, aber ich bin eigentlich hier um nach all den Jahren endlich meine Enkeltochter kennen zu lernen.“ Stumm schaute sie Haruka an. Nickte nur leicht auf ihre eindeutigen Worte hin, sah dann schließlich betrübt zu Boden. „Nimm es nicht so hart mein Kind“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme. Tröstend legte der alte Herr ihr seine Hand auf die Schulter, schenkte ihr ein tröstendes Lächeln, ehe sie ihren Kopf hob und es ihm gleich tat. „Dann lass uns gehen. Wir haben so viel Zeit nachzuholen. Na komm, Chiyuko!“ Mit diesen Worten forderte sie uns zum Gehen auf. Ohne Widerworte folgten wir ihr in Reih und Glied zum Auto. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)