Nur wer frei ist, ist ein König von Die_Katzenhai (Frei zu sein bedarf es wenig [KakuzuxOC]) ================================================================================ Kapitel 32: Tausend Trümmer --------------------------- Das Dorf war nicht klein und lag am Fuße eines Berges, dessen Spitze selbst im Hoch Sommer mit Schnee und Eis bedeckt war. Nun, im Winter, klafften nur wenige, kahle und steinige Flächen durch die Schneedecke. Doch das Dorf war auch nicht groß, nur das größte in dieser Region, was in Anbetracht der Tatsache, dass das Leben hier nicht ertragreich, sondern schwer und melancholisch war von geringer Bedeutsamkeit. Azarni lenkte ihren Rappen auf den Trampfelpfad, den die Einheimischen in den Pulverschnee getrateten hatten, gefolgt von Masayukis Schimmelstutue, deren Mähne sich nicht von der Umgebung abhob und vor Eiskristallen im trüben Winterlicht glitzerte. Beides waren stolze, schöne Tiere, und Masayukis Stute, die er auf den passenden Namen Frost hörte, war eines der schnellsten Pferde, die Azarni je gesehen hatte. Ihr eigenes im Gegenzug, sein Name war Moorruf, war ein kraftvoller Hengst, dessen Hufe Stein pulverisieren konnte, doch waren seine Bewegung sanft und fließend wie Wasser. Eien no Yuki*, das Dorf war nun noch wenige Minuten entfernt, würden sie sich beeilen, wären sie wohl innerhalb von einer dort. „Ich hoffe“, durchbrach Masayuki nun die Illusion der winterlichen Ruhe, „dass das Gasthaus uns einen guten Eintopf bieten kann.“ Azarni drehte ihren Kopf zu ihm, wobei ihr ihre Korkenzieherlocken ins Gesicht fielen und strich diese mit einer unnötig heftigen Bewegung zur Seite, doch fielen sie sofort wieder zurück. Manchmal hasste sie ihre Haare. „Hoffe lieber, dass es überhaupt etwas zu Essen gibt, nach diesen Sommer...“ Masayuki zuckte mit den Schultern, wobei ihn die Kapuze, die zusätzlich mit hellem Pelz, der einmal Kaninchen gehört haben musste, ins Gesicht rutschte. Er schob sie geistesabwesend mit einer Hand nach oben. „Sie werden schon genügend haben“, sagte er schlicht. Azarni sah ihn an. „Es ist nicht so, dass es mich nicht interessiert, aber ich kann das Wetter und die Jahreszeiten nicht ändern. Mein Geld würde ihnen nichts nützen und von Ackerbau habe ich keine Ahnung. Ich bin Dieb, kein Bauer.“ Er drückte seine Stute sanft in die Seite, worauf sie ihre Schritte beschleunigte und an Azarni auf Moorruf vorbei trabte. Azarni folgte Masayukis Beispiel und ihr Hengst setzte sich in kraftvolle Bewegung. „Das habe ich nicht bestritten. Du solltest deine Forderungen nur zurückschrauben, wenn du in solcher teuren Kleidung in ein armes Dorf reitest.“ Er trug nicht die normale, dunkelgraue Kleidung der Diebe, sondern einen Mantel, der mit edlem Pelz gefüttert und mit vergoldeten Schnallen verziert war. Er hielt sicher warm, wärmer als es Azarnis Kleidung tat, doch war er unpraktisch und engte seine Bewegungsfreiheit ein. Noch dazu fiel er auf. Das Blau des Mantels war zu dunkel, um im Schnee verblendet zu werden und zu hell, um Eins mit der Nacht zu werden. Für einen Mann wie Masayuki überwiegte stets Luxus über Nutzen, was Azarni verstehen konnte und gleichzeitig bereute sie es, es ihm nicht gleich getan zu haben. Anderseits war ihr Pflichtgefühl als Diebin passen gekleidet zu sein stärker gewesen – wenn man bei Menschen, die andere um ihr Hab und Gut brachten von Pflichtgefühl sprechen konnte. Als sie wenig später in das das einzige und namenlose Gasthaus des Dorfes traten, schlug ihnen eine Welle von Wärme, stickiger Luft und Geruch von alten Bier und Met entgegen. Vielleicht roch es auch ein wenig nach Tier, vielleicht nach Ziegen, die man sich hier in dieser Gegend oft hielt, da sie robust und mit wenig zufrieden waren. Azarni verkniff sich den Drang ihre Nase zu rümpfen und ein Seitenblick auf Masayuki zeigte ihr, dass er sich seine Abscheu ebenfalls nicht anmerken ließ. Schön war es hier nicht, aber wenigstens warm. Sie wurden von der Wirtin, eine kleine, zierliche Frau, der das Alter ins Gesicht gemeißelt war, begrüßt und an einen Tisch geleitet. Außer ihnen befanden sich nur noch fünf weitere Personen, allesamt Männer, in dem kleinen Gasthaus. Man versprach ihnen ein Zimmer und etwas zu Essen und die Wirtin war schon wieder verschwunden. „Schlafen ihre Ziegen mit in ihren Betten?“, flüsterte Masayuki Azarni zu und sah sich um. Azarni zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich nicht, aber in diesen Räumen könnten sie durchaus sein, Tiere wärmen.“ Oder es war einfach der Geruch, der vom Stall hier herüber zog.Der Stein, aus dem das Gasthaus bestand, war schlecht gemauert und viele Löcher ermöglichten Wind und somit Gerüchen hinein zu gelangen. Weiterhin hustete einer der Männer. Während sie warteten, musterte Azarni die Maserung auf den Tisch. Sie war verblichen und aus dem Holz standen Splitter ab. Der Tisch war wie das Dorf. „Was führt euch hier hin?“ Die Wirtin brachte sie aus ihren Gedanken. Auf dem Tisch stand nun ein Tablett mit zwei dampfenden Schüsseln Eintopfes – Masayuki hatte seinen Wunsch also doch bekommen – und einen kleinen Korb Brot, das trocken aussah. Zusätzlich zwei Krüge Bier. „Darf ich mich zu euch setzten?“ „Natürlich.“ Masayuki lächelte das umwerfende Lächeln, das er schon in jungen Jahren beherrschte und die Wirtin erwiderte es schwach. „Wir sind auf Durchreise“, erklärte Azarni, „und auf den Weg nach Pōto. Vielen Dank für das Essen, es riecht sehr gut.“ Sie griff zugleich nach einer der Schüsseln und nahm einen Löffel. Wahrscheinlich war es nur der Hunger und die Kälte in ihrem Körper, aber in diesem Moment konnte sie sich nichts Besseres vorstellen. Auch Masayuki schien es zu schmecken – oder er ließ sich nicht anmerken, dass es ihm nicht tat. „Ich habe zu danken, wir haben so selten Gäste hier“, sagte die alte Frau und seufzte, „ihr beide seid die ersten in diesem Winter, die von außerhalb kommen. Es nicht noch schlimmer als die vergangenen Jahre.“ Beide Diebe wussten darauf keine Antwort und so aßen sie schweigend, jedoch mit einem verständnisvollen Blick weiter, bis Masayuki beschloss, ein anderes Thema anzuschneiden, das angenehmer war. „Was ist das für ein Brot, es so anders als das, das ich kenne.“ Er wirkte neugierig und aufrichtig interessiert. Das Gesicht der Wirtin hellte sich auf. „Oh, es sind Bergkräuter mit vermengt“, wir trockenen sie über den Sommer, damit wir sie auch im Winter haben. Wir haben nicht viel andere Gewürze und müssen uns damit befehlen.“ „Aber es schmeckt ausgezeichnet“, sagte Masayuki und biss etwas ab. Natürlich war es hart, das fiel wahrscheinlich auch ihm selbst auf, aber es war überraschend schmackhaft. „Vielen Dank.“ Azarni musterte die Gastfrau unauffällig. Sie war doch jünger als sie auf den ersten Blick eingeschätzt hatte, aber es zogen sich tiefe Falten um ihre Augen und ihren Mund. Sie war erschöpft. „Darf ich euch etwas fragen?“ Überrascht legte Azarni ihren Kopf schief. „Natürlich.“ „Ich falle sonst nicht so mit der Tür ins Haus“, sagte die Wirtin, „aber ich sehne mich tagtäglich nach Neuigkeiten. Seid ihr beiden ein Paar?“ Masayuki schnaubte und Azarni grinste amüsiert. „Nein, sicher nicht. Er ist vergeben.“ Ihr Grinsen wurde noch ein Stück breiter. „Und absolut nicht mein Typ.“ Die Wirtin gab einen amüsierten Laut von sich. „Ich hätte es mir denken können, ihr – einen Moment.“ Sie sprang auf und lief zu einer Tür, die zu einem Flur führte. Ein kleines Mädchen, das noch zierlicher und zerbrechlicher wirkte als die Frau, stand dort. „Mama? Chichis Husten ist schlimmer geworden.“ Das restliche Gespräch wurde zu leise geführt, um es mitzuhören und Azarni wandte sich zu ihrem Begleiter. „Wir beide zusammen“, sagte sie mit hochgezogener Augenbraue, „ich würde dich umbringen.“ „Als würde ich dich Ima vorziehen.“ Masayuki trank einen Schluck Bier. Azarni verdrehte die Augen, sprach aber warmherzig „Du lässt keine Möglichkeit aus sie zu loben, was?“ „Niemals.“ Er lächelte, wurde dann aber ernster. „Es interessiert mich wirklich, was hier passiert.“ Er sah weiterhin zu der Tür, durch die Mutter und Kind verschwunden waren. Der nächste Tag barg Überraschungen. Tsuneo betrat Uma no Mon über den Weg, den auch Shouta und die Akatsukimitglieder genommen hatten. Er ahnte, dass er zu spät gekommen war. Die Luft war von Angst und Hass geschwängert und es roch nach verbranntem Holz und Fleisch. Nach den Ausschreitungen vor gut einanhalb Wochen hatten die Wachen die Kontrolle über die Staft an sich gerissen und auf das Geheiß des Königs – oder viel mehr Akiras, dieses verdammte Miststück – den Bürgermeister die Macht abgesprochen. Sie sollten die Diebe endlich vertreiben und den Rebellen ihre gerechte Strafe zuweisen. Ob dies von Erfolg gekrönt sein würde, wagte die meisten Bewohner zu bezweifeln. Und Tsuneos Sorge um die Gilde wuchs stetig. Gerade die jungen Diebe haben sich von dem Geschmack der Revolution verlocken lassen. Es würde nicht gut enden. Für keine der Seiten. Um das zu erkennen, musste man nicht alt werden oder über ein unendlich großes Ausmaß an Intelligenz verfügen. Es war Nacht, oder der Himmel leuchtete vor spielenden Nordlichtern. Tsuneo fühlte sich als würde der Himmel mit seiner Schönheit das Land verspotten. Er schnaubte, drückte sich durch den engen Spalt in den Stadtmauern und hetzte davon, durch die Gassen der Pferdestadt. Dabei getarnt durch eines der Jutsus, die alle Diebe beherrschten und geschützt von der Mutter und Geliebten Nacht. Der Geruch wurde stärker und brannte in seiner Nase. Scheiße. Mit einer geschmeidigen Bewegung, die man einem Mann seiner breiten Stur nicht erwarten würde, sprang er auf eine Mauer in einer engen Gasse und nahm den schnelleren Weg über die Dächer. Tsuneo kannte sie schon seit dem er ein Kind gewesen war und so war es ein Leichtes, nicht auszurutschen oder herunterzufallen, obwohl die Dächer vereist waren. Ein plötzliches Abrutschten verhinderte mit Chakra, das er in seine Füße leitete und einem kleinen Sprung auf eine sichere Fläche. Er brauchte wenige Minuten, bis er den Rattenspuck erreichte – und fand nur die Überreste. Trümmer lagen zerstreut auf dem gefroren Boden und Asche färbte den Schnee schwarz. Teile der Holzbalken brannten und der rote Schein malte die Szenerie grausam. Es stank nach Tod und nur wenige Schritte von ihm entfernt konnte er eine Hand sehen, die zu einer Frau gehören musste. Begraben unter Stein und blutig. Er wusste, dass er sie erkennen würde, würde das graue Gestein bei Seite räumen, dass er in ein vertrautes, totes Gesicht sehen und noch viel mehr finden würde. Momente lang war der Mann wie versteinert. Unser Ende, schoss es ihm mit furchtbarer Klarheit durch den Kopf, das ist unser Ende. Tsuneo holte tief Luft und schmeckte Ruß auf seiner Zunge. Es schmeckte nach Tod und verbrannter Hoffnung. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er bewegte sich von der Stelle, an der sich einst der Eingang befunden hatte, hierdurch. Der Türbogen stand noch, doch die Tür selbst war aus den Angeln gerissen und nicht mehr aufzufinden. Vielleicht verbrannt, vielleicht zersplittert. Tsuneo glaubte, dass es, bis auf das Knistern der Flammen, vollkommen still war. Aber er irrte sich. Denn sobald er an einen umgestürzten Balken vorbei lief, hörte er ein leises Winseln. Er drehte sich um und er blickte das wohl jämmerlichste Bild, was er je gesehen hatte. Eingequetscht unter dem massiven Holz lag Lumpen, blutend und herzzerreißend wimmernd. Den ersten Augenblick wollte Tsueno ihn von seinen Qualen erlösen. So ein alter Hund würde sicher nicht gerettet werden können. Er war schon immer schwächlich gewesen und das dürfte ihm den Rest geben. Aber er tat es nicht. Er konnte es nicht. „Ich hole dich da raus, Kumpel.“ Von plötzlicher Entschlossenheit gepackt, hob er den Balken an, ignorierte die Splitter, die sich in seine Hand bohrten, und setzte ihn auf seiner Schulter ab. Er griff nach Lumpens altem, grauem Fell und zog ihn heraus, so vorsichtig es ihm möglich war. Kaum hatte er ihn heraus gezogen, krachte das Holz in sich zusammen und Tsueno musste einen Satz nach hinten machen, um seine Füße davor zu retten, zertrümmert zu werden. Zu seinem Trost schien Lumpen aufrecht stehen zu können, wenigstens war sein Rückgrat nicht gebrochen. „Und jetzt?“ Der Hund antwortete natürlich nicht, aber Tsuneo nahm ihn auf den Arm. „Hat wohl keinen Sinn, hier weiter herum zu stehen, was? Sie hätten hier keinen Dieb lebendig zurückgelassen.“ „Nein, aber ich bin zurückgekommen.“ Tsuneo wirbelte herum, griff zeitgleich nach einem kleinen Dolch und versuchte Lumpen weiter auf dem Arm zu behalten, aber es war nur Ochi, der Besitzer des Rattenspucks. „Danke, dass du ihn da raus geholt hast“, murmelte dieser und war bleicher als sonst, „ich musste vor Soldaten fliehen, konnte sie gerade erst abhängen.“ Langsam trat er auf ihm zu, nahm ihn den Hund ab und sprach nicht. Tsueno steckte den Dolch zurück. Sie wussten beide, was das Ende des Rattenspucks zu bedeuten hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)