Gemeinsam... in die Freiheit von abgemeldet (Eren x Levi) ================================================================================ Kapitel 6: Kämpfernatur ----------------------- Kapitel 6: Kämpfernatur Seit dem Ausflug in die riesigen Wälder waren bereits einige Tage vergangen. Armin hatte sich wieder erholt, musste jedoch strenge Bettruhe einhalten, damit sein gebrochener Arm und auch die Verstauchungen in den Beinen schnell genesen konnten. Die durch seine Gehirnerschütterung verursachte Übelkeit hatte er endlich überstanden und war mehr als froh darüber. „Ist Eren noch immer nicht aus dem Keller gekommen?“ Mikasa schüttelte bedrückt den Kopf. Sie und Jean leisteten ihrem verletzten Freund außerhalb der Trainingszeiten ununterbrochen Gesellschaft, vertrieben ihm die Zeit oder brachten ihm eine Lektüre aus der Bibliothek. „Ihn nimmt das ganz schön mit, hm?“ Armin seufzte. Wie gern würde er ihm irgendwie helfen... „Du kennst ihn doch...“, setzte Mikasa an. „Er schottet sich völlig ab und will niemanden sehen. Als ich gestern nicht wieder gehen wollte, ist er ausgerastet, sodass Levi ihm wieder die Ketten hat anlegen lassen.“ „Was??“ Damit hatte Armin nicht gerechnet. Eren war schon immer temperamentvoll gewesen, aber ging diese Maßnahme nicht zu weit? Er war doch kein Tier! Doch seine Freundin biss sich nur verbittert auf die Lippen. „Du hättest ihn sehen sollen, Armin... er zerbricht und wir können nichts tun...!“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie hatte geschworen, ihren kleinen Bruder zu beschützen, doch vor sich selbst konnte sie ihn nicht bewahren. „Tss...“ Jean hatte bisher nur stumm am Fenster gestanden und seinen Blick auf die untergehende Sonne gerichtet. „Große Töne spucken kann er, aber sobald es ernst wird, dreht er durch. Eine schöne Hilfe.“ „Sei nicht so unfair!“ Armin richtete sich etwas zu heftig auf. Das schmerzhafte Stechen in seinem Arm ließ ihn wieder zurück sinken. „Du weißt, wie viele Männer wir bei dem Auftrag verloren haben! Und er hat alles mit angesehen!“ „Aber er wusste doch, worum es in der Aufklärungslegion geht! Jedes verdammte Mal hat er gesehen, mit welchen Verlusten die Truppen zurückkehrten“, erklärte Jean. „Natürlich ist es grausam, aber es war seine eigene Entscheidung!“ Armin senkte die Augen und starrte auf seine Hände, nickte jedoch. Jean war im Recht, sie hatten alle gewusst, worauf sie sich einließen. Eren hatte sich inzwischen vollständig zurück gezogen. Die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, hockte er in der Ecke seiner Zelle und wollte niemanden sehen. Seine Wache duldete er nur solang, wie sie ihn nicht ansprach und auch sein Essen hatte er nicht angerührt. Seitdem Mikasa ihn gestern erneut besuchte und nicht gehen wollte, musste er nach seinem Wutanfall wieder die kalten Ketten um seine Handgelenke tragen. Es war so lächerlich. Hatte die Expedition nicht bewiesen, dass er unnütz war und niemandem schaden, geschweige denn helfen konnte? Immer wieder brach der junge Soldat in Tränen aus, wurde von Krämpfen geschüttelt und Wellen der Wut durchliefen ihn. Er wollte sich abreagieren, wollte bis zur Besinnungslosigkeit kämpfen und dem Wahnsinn ein Ende bereiten! Und doch... und doch saß er lediglich in dem kühlen Kellergeschoss und brachte kaum den Willen auf, sich zu rühren. Er sah den Sinn dahinter nicht mehr. Schritte kündigten die Ablöse seiner Wache ab. Der diensthabende Soldat richtete sich von dem Stuhl auf und streckte sich gähnend. Leise Worte wurden gewechselt, doch es kümmerte Eren nicht. War das die Tag- oder Nachtablösung? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das Schloss seiner Zelle klickte und Eren blickte überrascht auf. Direkt vor ihm stand Leutnant Levi. „Versinkst du noch immer in Selbstmitleid?“ Der junge Soldat hielt den kalten Augen seines Vorgesetzten nicht stand und sah wieder zu Boden. „Ich rede mit dir, Jaeger. Steh auf!“ Eren zögerte, doch letztendlich brachte er nicht den Mut auf, sich dem Mann zu widersetzen. Vor ihm stand noch immer niemand geringeres als Levi und trotz aller Geschehnisse konnte Eren nicht leugnen, dass er nach wie vor ein gehöriges Maß an Respekt für ihn empfand. Mit einem Ächzen richtete er sich auf. Seine Muskeln waren von dem harten Ritt und den kalten Gewölben verkrampft und er spürte jede noch so kleine Bewegung. „Und? Drehst du nun wieder durch?“ „Ich kann nun mal nicht einfach weiter machen, als sei nichts passiert!“ Die Stimme des Jungen klang heiser. Mit einer schnellen Bewegung hatte Levi Eren am Kragen gepackt und presste ihn schmerzhaft gegen die kalte Mauer. „Denkst du, du bist der Einzige, der trauert?? Nur, weil nicht jeder seine Gefühle so offen zur Schau stellt, wie du?“ Betreten sah der Junge zu Boden. Stimmte es, was Levi sagte? Bisher hatte er nur mitbekommen, dass alle Soldaten ihren Pflichten nachgingen. Immer wieder hörte er in der Etage über sich Stimmen, Gelächter und geschäftiges Treiben. „Was wäre, wenn wir uns alle, wie du, verkriechen würden?“, zischte Levi und kam Eren dabei so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Da könnten wir die Tore direkt öffnen! Drecksbalg!“ Der Leutnant spuckte das letzte Wort regelrecht aus und ließ den Jungen los, der kraftlos zu Boden sackte. Levi rieb sich müde die Augen und setzte sich auf Erens Bett. Die Beine schlug er mit einer galanten Bewegung übereinander und stützte sich mit den Armen nach hinten ab. Nachdem Eren stumm am Boden sitzen blieb, ergriff er erneut das Wort. „Vielleicht solltest du darüber nachdenken, deinen Egoismus hinten anzustellen.“ Treffer. Der junge Soldat sprang abrupt auf und funkelte sein Gegenüber wütend an. „Egoismus?? Was soll das denn nun wieder heißen?“ „Merkst du nicht, dass es ständig nur um dich geht?“ Levi deutete nach oben. „Einer deiner Freunde liegt noch immer auf der Krankenstation. Soweit ich informiert bin, hast du dich nicht ein Mal nach ihm erkundigt oder warst ihn besuchen.“ Erens angespannte Haltung lockerte sich. Er wurde rot. Levi hatte recht. Sie hatten Armin schwer verletzt gefunden und er hatte nichts besseres zu tun, als im Selbstmitleid zu versinken... „Wie ich dir schon vor ein paar Tagen sagte: such dir jemanden, auf den du dich stützen kannst“, redete der Leutnant unbeirrt weiter. Er hatte bemerkt, dass das Leben in Erens Augen zurückgekehrt war. Er schien zu ihm durchgedrungen zu sein. „Viele hier denken, sie könnten sich auf mich verlassen. Ob ich den Erwartungen gerecht werde, oder nicht... muss jeder für sich entscheiden.“ Eren blinzelte. „Wa-? Aber natürlich! Euer Ruf ist nich umso-“ Levi hob die Hand, um den jungen Soldaten zu unterbrechen. „Darauf wollte ich nicht hinaus. Du hast die Wahl, ob du es ihnen gleich tun willst, oder ob du den Halt bei deinen Freunden suchst. Als Einzelkämpfer würdest du es dir nur schwerer machen, als es ohnehin schon ist.“ „Aber...“ Eren war verwirrt. Hatte er nicht genau den Mann vor sich, der immer für sich und unnahbar war? „Wieso handhabt Ihr es so, Leutnant? Bis auf den Kommandanten seid Ihr meist allein.“ „Das ist meine persönliche Einstellung. Dennoch kann ich dir versichern, dass mir jeder einzelne Soldat am Herzen liegt.“ Nun schwieg der Junge. Das war ein Widerspruch in sich, dennoch konnte er nicht abstreiten, dass sein Held aus Kindheitstagen Recht hatte. Beide Soldaten saßen eine Weile still da, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Stunden vergingen. Levi schien sich mit stoischer Genügsamkeit das Muster des Steinmauerwerks einzuprägen, während Eren über ihr Gespräch nachdachte. Im Moment konnte er seinen Leutnant nicht einschätzen. War er nun der kalte, unberechenbare Krieger, den er vor wenigen Tagen in ihm entdeckt hatte, oder war da noch mehr? Hatte er tatsächlich zum Wohle aller entschieden und die anderen deshalb ihrem Opfer überlassen? Wehmütig dachte er an Petra zurück und spürte sofort wieder das mittlerweile vertraute Brennen in den Augen. Doch hier, vor Levi, wollte er nicht noch einmal weinen müssen. Die junge Frau fehlte ihm sehr und doch erinnerte er sich an ihre Worte, als sie zum ersten Mal in dieser Burg waren und Levi zum Großputz aufgerufen hatte. Hinter dem scheinbar so unnahbaren Leutnant steckte mehr, als man auf den ersten Blick erkennen konnte. Irgendwann erhob sich Levi überraschend von Erens Bett. „Du solltest vielleicht noch etwas schlafen, ehe du zu gar nichts mehr zu gebrauchen bist.“ Mit diesen Worten verließ er Erens Zelle, doch anstatt zu gehen, lehnte er sich in gewohnter Manier gegen die Mauer und besah sich seinen Schützling prüfend. „A-aber meine Wache...?“ „Das bin ich.“ Der Junge schluckte schwer. Es war die eine Sache, wenn ein Soldat dort saß und ihn bewachte, aber die ganze Zeit das Gefühl haben, dass die sturmgrauen Augen des Leutnants auf ihm lagen? Wie sollte er da schlafen? Mit einem mulmigen Gefühl erhob er sich vom Boden, legte sich auf seine Pritsche und drehte das Gesicht zur Wand. Die harten Ketten, die er noch immer um seine Handgelenke trug, rasselten bei jeder Bewegung unnatürlich laut. Seufzend kam Levi noch einmal zu ihm. Wie schon oft zuvor, bedeutete er Eren, die Hände auszustrecken. Mit einem Klicken öffneten sich die Scharniere und seine Fesseln fielen auf die Erde. „Danke...“, murmelte der junge Soldat und versuchte nun, zumindest etwas Schlaf zu finden. „Du siehst abgekämpft aus.“ Natürlich blieben Erwin die immer dunkler werdenden Ringe unter Levis Augen nicht verborgen. Die letzten Nächte hatte der Leutnant bei seinem Schützling verbracht und sich erst in den frühen Morgenstunden ein wenig Ruhe gegönnt. „Beschäftigt er dich so sehr?“ Der Kommandant saß an seinem Schreibtisch, während sein bester Mann abwesend aus dem Fenster blickte. Müde strich er sich über die Augen. „Mh...“ Was sollte er dazu auch groß sagen? Er trug die Verantwortung für den Jungen und nach dem letzten Auftrag war dieser eine tickende Zeitbombe gewesen. Er hatte sich vergewissern müssen, dass sich Erens Zustand wieder normalisiert hatte. Er konnte die Tränen in den verzweifelten Augen nicht mehr sehen. „Zwar ist er eine mächtige Waffe, wenn wir ihn geschickt einsetzen können, aber vergiss dabei nicht deine eigenen Fähigkeiten. Wir brauchen dich genauso, wie ihn.“ „Dessen bin ich mir bewusst.“ Vorerst zufrieden nickte der Kommandant. „Übernimmst du heute wieder die Schicht? Du weißt, du musst das nicht tun.“ „Natürlich.“ Ein zögerliches Klopfen ließ Jean und Armin aufhorchen. Der Blondschopf lag noch immer im Krankenzimmer und sprach gerade mit seinem Kameraden über die weite Welt hinter den Mauern, als sie unterbrochen wurden. „Eren!?“ Armin wäre am liebsten aufgesprungen und seinem Freund entgegen gelaufen, doch der stechende Schmerz in seinem Bein hielt ihn davon ab. Mahnend hob Jean die Augenbrauen. Der junge Rekrut war noch lange nicht soweit, dass er munter durch die Gegend springen durfte. „Hey Armin...“ Der sonst so selbstbewusste Soldat lächelte unsicher, als er sich dem Krankenbett näherte. „Wie geht es dir?“ „Schon deutlich besser“, antwortete Armin fröhlich und besah seinen Freund prüfend. „Nun guck doch nicht so, es ist alles okay!“ Eren wollte gerade etwas erwidern, als Jean ihm zuvor kam. „Traurig, dass du dich erst jetzt hier blicken lässt.“ Erschrocken fuhr Armin auf. „Jean! Lass das! Du weißt, was Mikasa gesagt hat!“ „Was hat sie denn gesagt?“ „Naja... ähm... dass die Mission dich ziemlich mitgenommen hat und du Ruhe brauchst“, erklärte der Jüngste im Bunde. „Sie war ziemlich enttäuscht, als du sie weggeschickt hast.“ Eren nickte. „Ja, die letzten Tage waren... es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los war. Ich hätte dich viel eher besuchen sollen.“ Doch Armin interessierte die Entschuldigung gar nicht. Er freute sich viel zu sehr darüber, dass sein Freund endlich wieder aus dem Keller kam und seine Gesellschaft suchte. Zwar sah Eren müde und entkräftet aus, aber aus seinen Augen leuchtete das altbekannte Feuer. „Oh, was ist das denn?“, bemerkte er nun und deutete auf die geröteten Handgelenke des Soldaten. „Das sieht übel aus!“ Überrascht blickte Eren hinab und besah sich die geschundene Haut genauer. „Achso... das wird von den Ketten kommen... das verheilt bald wieder.“ „Musst du sie nun wieder regelmäßig tragen?“ „Nein, Levi hat sie mir vor ein paar Nächten abgenommen.“ Ein Lächeln spielte um die Lippen des Jungen. Er hatte seinem Vorgesetzten einiges zu verdanken. Wäre er nicht so hartnäckig geblieben und hätte ihn aus der Reserve gelockt, würde Eren vermutlich jetzt noch in seiner Zelle kauern. „Der Leutnant?“ Armin schien überrascht. „Er schaut also regelmäßig nach dir?“ Eren zuckte mit den Schultern. „Anfangs ja, aber in letzter Zeit hat er die nächtliche Wache übernommen.“ „Allein bei dem Gedanken gruselt es mich schon“, mischte sich Jean erneut ein. „Der Kerl ist unheimlich. Kannst du da überhaupt schlafen?“ „So übel ist er gar nicht“, wehrte Eren ab und spürte im selben Moment, dass er es auch tatsächlich so meinte. Seine Verehrung für den Mann war ungebrochen. So unnahbar Levi auch tat, seine Worte hatten der Wahrheit entsprochen. Seine Untergebenen schienen ihm tatsächlich wichtig zu sein. Warum sonst hätte er sich seinetwegen die Nächte um die Ohren geschlagen? Als Leutnant hatte er sicherlich ganz andere Pflichten. „Eren!?“ Mikasa war nun ebenfalls in das Krankenzimmer gestürzt und starrte ihren Adoptivbruder ungläubig an. „Hey Mikasa“, lächelte dieser verlegen und fuhr sich mit der Hand durch das braune Haar. Da würde sicherlich gleich eine Standpauke folgen. „Sag mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du kannst doch nicht einfach.......“ Oh ja, die Standpauke kam. Und sie war lang. Da aber Jean und Armin nur ein Lachen für ihn übrig hatten, musste Eren da wohl oder übel durch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)