Are you my Daddy? von Pfeffersosse (Sommerwichteln für Alaiya) ================================================================================ Kapitel 3: Jack --------------- Tenenbaum hatte neben ihrer Arbeit mit den Little Sisters auch eine andere Aufgabe. Suchong half ihr auch dabei, doch war es ihr dabei unmöglich, die Gefühle einer ‚Mutter’ zu ignorieren. Immerhin sollte der Junge die fürsorgliche Hand einer Mutter kennen, wo er doch nur so kurze Zeit Kind sein durfte. Der Schock mit Eleanor und Subject Delta saß noch tief und sie wusste, dass es wohl noch einige Umbaumaßnahmen bedarf, da sonst nachher die ganze Einrichtung noch in Schutt und Asche lag, nur weil ein Daddy den Weg durch die Tür nicht fand. Sie strich sich durch die fettigen Haare und strich ihren vor Schmutz stehenden Kittel etwas glatt. Die Berührung der Mädchen war ihr immer noch unangenehm, zumal sie deutlich die Bewunderung in ihren Augen sehen konnte. Sie musste zugeben, dass dieser unvorhergesehene Vorfall ihr doch gezeigt hatte, dass Suchongs Forschung sehr wohl Früchte getragen hatte. Auch wenn sie es doch nicht ganz geheuer fand, dass es wirklich auf Anhieb geklappt hatte. Doch die Konditionierung und das gute ‚Training’ zeigten ihr, dass es sehr wohl möglich war, Menschen so zu kontrollieren, dass sie alles taten. Das Kind, das vor ihr saß, war das beste Beispiel. Dessen Konditionierung war um einiges schwieriger zu gestalten, da der Leitsatz ‚Wärst du so freundlich’ ihr doch etwas befremdlich vorkam. Aber die Arbeit von ihr und ihrem Kollegen sollte nicht unbemerkt bleiben. Das Herumwerkeln an einem Gehirn war Suchongs Fachgebiet und so erschien es ihr nur als logisch, ihn machen zu lassen, auch wenn es ihr doch etwas unwohl wurde bei dem Gedanken, dass sie ein wehrloses Kind in eine Killermaschine verwandelten. Doch sie sollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, immerhin war sie es, die unschuldige junge Mädchen in kleine Brutkästen verwandelt hatte. Auch wenn sie die Mithilfe von Suchong gebraucht hatte, war es immer noch ihr Lebenswerk. Wenn sie sich auch eingestehen musste, dass so langsam ihrer Freude eher Trauer und Wut gewichen war. Dieses ganze unterirdische Gefängnis machte jeden irgendwann verrückt. Wenn es sich auch bei den meisten nicht wirklich bemerkbar machte. Ihre Verrücktheit bestand einfach darin zu wissen, dass es falsch war, doch es schien ihr unmöglich, einfach damit aufzuhören. Wenn sie jetzt zu diesem Zeitpunkt aufhören würde, könnte das die ganze Arbeit zunichte machen. Denn auch wenn sie es langsam zuwider fand, was sie selber mit den Kindern angestellt hatte, so wollte sie doch Suchong nicht die ganzen Lorbeeren einheimsen lassen. Ihr eigentlicher Auftraggeber Fontaine hatte die Konditionierung des Jungen angeordnet. Da es sich um den Jungen vor ihr um keinen geringeren als den Sprössling von Andrew Ryan handelte, war es ihr umso monströser, dieses Kind in das zu verwandeln, das Fontaine wollte. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Das Kind war schnell gewachsen, wirkte jetzt schon nach einigen Tagen wie ein ausgewachsener Junge und doch war es die kindliche Neugier, die den Jungen als einen solchen kennzeichnete. Sie musste ihm alles beibringen. „Jack, komm zu mir.“ Sie stand einige Meter von ihm entfernt und wartete darauf, dass er auf sie zukam. Es wirkte so unmöglich und unlogisch, dass sie am liebsten laut auflachen wollte. Ein Junge, der aussah wie 19, mit tapsigen Schritten zuzusehen, wie er versuchte, gehen zu lernen, war einfach... abartig. Aber es musste sein. Auch wenn sich Tenenbaum nicht als Mutter sehen wollte, so fühlte sie sich doch verantwortlich für das Wohlergehen des Jungen. Er war ihr in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen und es zerfrass sie, zu wissen, zu was er gemacht werden sollte. Etwas zu wissen und es nicht ändern zu können, war schlimmer, als nur etwas zu wissen. Sie wollte den Jungen nicht zu den Sachen zwingen, die ihr Fontaine auferlegt hatte. Die Freude über etwas, die von der Trauer oder Wut etwas anderem übertüncht wurde, tat ihr in der Seele weh. Aber es ‚musste’ sein. Der Junge schien nicht recht reagieren zu wollen, war er zu beschäftigt das Blatt vollzukritzeln. Tenenbaum erhob ihre Stimme etwas, um enttäuscht feststellen zu müssen, dass er wohl ohne die antrainierten Worte nicht gehorchen wolle. „Wärst du so freundlich zu mir zu kommen, Jack?“ Wie auf Knopfdruck ließ Jack den Bleistift fallen und stand auf. Die unsicheren Schritte, die er machte, hielten ihn nicht auf, das zu tun, zu dem er aufgefordert worden war. Sie wollte ihn soweit bekommen, das zu tun, was er sollte, ohne immer den Satz benutzen zu müssen, immerhin hatte ihr Fontaine dies auch erklärt. Er wollte den Jungen nur für bestimmte Dinge ‚missbrauchen’, aber die vollständige Gedankenkontrolle mit dem Leitsatz würde er sich für einen speziellen Moment aufbewahren. Die Weißrussin war skeptisch, ob dies überhaupt etwas bringen würde. Der Junge war so gut ‚programmiert’, dass er sich sicherlich selber umbringen würde, wenn man einmal unachtsam wäre. Die fatalen Folgen, die der Leitsatz mit sich brachte, waren groß. Da Brigid um das Wohlergehen des Jungen besorgt war, machte es ihr demnach mehr aus, ihn mit den vermaledeiten vier Wörtern zu etwas zu ‚zwingen’. Jeder sollte lernen auf eigene Faust etwas zu machen und wenn man wie ein gehorsamer Hund auf einen Befehl warten sollte... Nachdem der Junge bei ihr war, legte sie die Arme um ihn und drückte ihn sachte an sich: „Du bist ein guter Junge, Jack, aber du musst lernen, Verantwortung zu übernehmen. Verstehst du das?“ Sie flüsterte die Worte in das Ohr des Jungen und wartete auf eine Antwort, welche aber ausblieb. Enttäuscht blickte sie zur Seite und hörte plötzlich die gepressten Worte von Jack: „Darf ich das denn überhaupt?“ Seine Stimme war klein und wirkte so zerbrechlich wie ein dünnes Glas. Die Augen von der Wissenschaftlerin wurden groß und sie strich Jack behutsam über die Haare: „Natürlich darfst du das, mein Junge.“ Sanft drückte sie ihre spröden Lippen an die Stirn des Jungen und blieb einen Moment so da stehen. „Darf ich wieder zeichnen gehen?“ Langsam kam die Frage über Jacks Lippen und Tenenbaum ließ ihn los. Ohne auf eine Antwort zu warten oder vielleicht weil das Loslassen alleine eine Antwort war, ging er wieder zu dem Tisch und nahm sich ein neues Blatt Papier. Die Striche, die er nun zog, wirkten deutlich überlegter und nicht mehr wie die eines Kleinkindes. Höchstwahrscheinlich hatte der Junge dieses Stadium überwunden und wurde nun langsam aber sicher größer. Sie setzte sich hin und beobachtete den Jungen, wie er anfing zu zeichnen. Es war noch nicht ersichtlich, was er genau zeichnen wollte, aber die Ansätze einer Person waren klar zu erkennen. Sie rieb sich über die müden Augen und musste an die vorherigen Geschehnisse denken. Das Zuschauen hatte ihr schon Schauer über den kompletten Körper gejagt und dabei stand sie noch außerhalb des Raumes. Sie nahm einen Zettel und schrieb ihre Eindrücke nieder: Es war ungewöhnlich zu sehen, dass so ein riesiges, metallenes Wesen da stand und auf einen Knopfdruck wartete. Das Mädchen wartete geduldig darauf, die nächsten Schritte zu hören, die es befolgen sollte... Ihr Blick ging umher und streifte nichts Bestimmtes und doch... war etwas Wissendes in den kleinen, gelben Augen. Im Nebenzimmer stand ich und beobachtete zögernd das Schauspiel. Das Mädchen, wie es sich umblickte und zu warten schien. Das metallene Wesen, das auch zu warten schien. Aber mit einem Knopfdruck löste sich die Haltung und der Hüne aus Metall stand langsam auf. Die Geräusche, die er dabei machte, wirkten wie das Ächzen von Metallrohren. Das alles kam von dem Stimmverzerrer, den sie dem Mann eingepflanzt hatten. Doch die 'Stimme' das erste Mal zu hören, weckte doch so etwas wie Furcht in mir. Ich wusste dennoch, dass das Ungetüm der Kleinen nichts antun würde. Immerhin hatte ich die Kontrolle über dessen Befehle und konnte ihn ausschalten, sollte er etwas Dummes anstellen wollen. Die Erschütterung, die von dem Big Daddy ausging, ließ mich zwar zusammenschrecken, aber auch das kleine Mädchen wirkte erschrocken und ich muss zugeben, ich konnte dies auch gut nachvollziehen. Immerhin war ein tonnenschwerer Mann gerade dabei, auf ein paar Kilogramm schweres Mädchen zuzugehen. Die schwerfälligen Schritte und die Geräusche, die von ihm ausgingen, ließen darauf schließen, dass der Mann im Innern doch noch etwas mitbekam, obwohl dies eigentlich nicht sein sollte. Aber die Geräusche, die der Mann von sich gab, klangen gequält und er schien nach Hilfe zu rufen. Vielleicht bildete ich mir dies auch nur ein, aber ein Schauer lief mir dennoch über den Rücken. Das Mädchen stand gebannt nach oben schauend da und wartete darauf, was das Ungetüm machen sollte. Ihr Kopf war fragend geneigt und man konnte ihr die Neugierde ansehen. Langsam hob sie ihre kleine Hand und schien auf etwas zu warten. Das metallene Ungetüm ging immer noch weiter und mein Herz fing deutlich an schneller zu schlagen. Fragen bildeten sich lautlos in mir: Ob ich schnell genug reagieren könnte? Könnte ich den Knopf schnell genug drücken? Mein... das Mädchen zu retten? Ich musste den Kloß herunterschlucken und blickte weiterhin gebannt auf das Schauspiel. Die Neugierde war doch grösßer als die Angst, die ich hatte, musste ich mir dann doch eingestehen. Der Big Daddy ging weiterhin auf das Mädchen zu und blieb dann abrupt stehen. Sein Blick - das, was man davon erahnen konnte - neigte sich nach unten, blickte auf das wartende Kind und er hob langsam seine große Hand, schloss die Finger um die Taille des Mädchens und hob sie hoch. Das Mädchen wirkte etwas erschrocken und auch ich musste mich zusammenreißen, nicht schreiend dazwischen zu gehen und den Daddy aufzuhalten. So blieben die beiden ungleichen Wesen stehen und blickten sich nur an. Die Angst im Gesicht des Mädchens wich langsam etwas anderem. Langsam aber sicher zeichnete sich ein Lächeln auf ihre Züge und sie blickte unerschrocken in die Augen des Monster: "Hallo Daddy, du hast mich lange warten lassen." Ihre Stimme war klar und hell und die streichelnde Hand, die einen Finger des Daddys berührte, ließ etwas in mir zerbrechen. Lautlose Tränen liefen über meine Wangen und ich muss eingestehen, ich hätte vor Entsetzen und Freude den Daddy am liebsten wieder abgeschaltet, aber ich brachte es einfach nicht übers Herz. Leichtfüßig kletterte das Mädchen auf den Rücken des Daddys und sie lachte gut gelaunt auf. "Lass uns spielen gehen, Daddy." Stampfend setze sich die Maschine in Bewegung, nur um nach einigen Schritten plötzlich stehen zu bleiben. Sein Blick ging suchend umher und er fand, was er suchte. Eine kahle Wand. Sein Bohrer bahnte sich einen Weg hindurch und ehe sie durch das Loch verschwanden, konnte man Eleanor noch hören: "Mein Daddy ist der Stärkste. Komm, lass uns nach Engeln suchen." Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen, nur eines: Die Konditionierung der beiden Parteien, Little Sister und Big Daddy war – wie es scheint - ein voller Erfolg. Wie das weitere Vorgehen geplant ist, werde ich mit Suchong besprechen. Als sie das letzte Wort geschrieben hatte, legte sie den Stift nieder und widmete sich wieder dem Jungen. Dieser griff nach vereinzelten Farben und färbte grob die Umrisse seines Bildes. Das Scharren des Stuhles erschreckte die Wissenschaftlerin etwas, da sie nicht gedacht hätte, dass der Junge von alleine aufstehen würde. Hatten die paar Worte von vorhin etwa gereicht, um ihn etwas unabhängiger zu machen? Unsicher blieb er vor ihr stehen und er hielt das Bild fest umklammert. Sein Blick ging hektisch umher und seine Atmung wurde schneller. Sie sah ihm an, dass es ihm unangenehm war und er nicht recht wusste, was er mit sich anfangen sollte. Die Versuche die Hand nach ihm auszustrecken, erwiesen sich als Fehler, denn er wich nur vor der Hand zurück und schüttelte den Kopf. Er schien sich zwingen zu wollen, etwas zu tun. Neugierig blieb deshalb die Frau sitzen und wartete, was nun geschehen würde. Der Junge öffnete den Mund und schloss ihn wieder, aber es kam kein Wort über seine Lippen. Er fing langsam an zu zittern und lautlose Tränen liefen über seine Wangen. Brigid zuckte zusammen und stand nun auf. „Nicht weinen, Jack. Alles ist gut. Zwing dich zu nichts.“ Sie ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Zuerst sträubte er sich dagegen doch dann ließ er das Bild los und schloss die Arme um die Frau. Sein Schluchzen war laut in ihren Ohren und sie fühlte sich elendig. Sie wollte ihn trösten, wusste aber nicht so recht, wie sie es bewerkstelligen sollte, ohne Jack mit dem Leitsatz dazu zu bringen, aufzuhören. Sie konnte noch nie jemanden trösten, da sie noch nie wirklich Gefühle gehabt hatte. Aber dieser Ort hatte so viel an ihr verändert. Die Kinder hatten so viel in ihr verändert. Ja... die Kinder hatten viel mit ihr gemacht. Und sie war es leid so zu sein wie sie vorher war. Nachdem sie Jack getröstet und ihn ins Bett gebracht hatte, widmete sie sich dem Bild und musste seufzen. Denn es zeigte sie, Jack und einen Hund, zufrieden lächelnd. Dass dieses fröhliche Bild wohl später von Fontaine zerstört werden würde, konnte der Junge ja nicht ahnen. Aber Freude soll eines der Sachen sein, die der Junge nicht erleben sollte. Und der Hund, der extra für diese Zwecke eingeschmuggelt wurde, würde dies bezeugen müssen. Der Wissenschaftlerin wurde kurz übel bei dem Gedanken, den unschuldigen Jungen diese ganze Wärme zu verwehren, die sie ihm doch geben wollte. Sie nahm das Blatt, faltete es sorgsam zusammen und steckte es in ihre Tasche. Sie musste sich nun um etwas anderes kümmern. Hoffentlich kam sie nicht zu spät. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)