Sealed Souls III von astala7 (Scherben bringen Glück) ================================================================================ Prolog: Zwei Uhr morgends ------------------------- Zwei Uhr. Zwei Uhr morgens. Warum musste es immer zwei Uhr morgens sein!? Als ich in dieser Nacht von einem heftigen Poltern und unterdrückten Schreien geweckt wurde, lag ich für einige Sekunden nur wach und starrte an die Decke. Ich überlegte ernsthaft, ob ich mich einfach wieder umdrehen und weiter schlafen sollte. Doch als ich meinen Arm ausstreckte und auf keinerlei Widerstand stieß, rieb ich mir doch müde die Augen. Ich war allein in dem großen Schlafzimmer. Erst neulich hatten wir es renoviert. Fenster- und Türseite waren weiß, die anderen beiden Wände in einem dunklen Blau gestrichen. Die Vorhänge hatten dieselbe Farbe und die Möbel aus dunklem Holz hatte ich selbst ausgesucht, zusammen mit dem herrlich weichen Bett. Ein Doppelbett, wohlgemerkt. Nur das die andere Seite jetzt leer war. Das war kein gutes Zeichen. Ich lebte jetzt seit etwa vier Jahren im HHHause Uchiha, drei davon während des Krieges im Grunde allein. Doch seit einem Jahr waren sowohl Sasuke als auch Itachi wieder da und besonders Letzterer ließ mich kaum aus den Augen. Nach diesem inszenierten (und ungemein lächerlichen) Entführungsversuch war es wirklich schlimm gewesen, aber in den letzten drei Monaten hatte der Uchiha sich einigermaßen wieder beruhigt (ich durfte das Bad jetzt wieder ohne Aufsicht benutzen). Das Itachi mich mitten in der Nacht allein ließ war ein erstes Mal. Neugierig geworden warf ich mir einen Morgenmantel über und schlich aus dem Zimmer. Was in Ninjamaßstäben bedeutete, ich stapfte dahin wie ein Nilpferd. Der Krach kam von der Vordertür. Als ich sie leise aufstieß brauchte ich ein paar Sekunden, um das Bild in mich aufzunehmen. Schließlich seufzte ich und klopfte gegen den Türrahmen, um auf mich aufmerksam zu machen. „Itachi, Schatz, was machst du da?“, fragte ich zuckersüß. Itachi zuckte zusammen und starrte mich an. Ich nannte ihn nur 'Schatz' wenn er etwas anstellte. Etwas, das mit einer ordentlichen Portion Blut oder Leichen zu tun hatte. „Ich nehme einen Einbrecher fest“, meinte er und deutete überflüssigerweise auf den armen Kerl, der gefesselt an Händen und Füßen und eingeschnürt wie eine Weihnachtsgans zu seinen Füßen lag. „Schatz, das ist unser Postbote“, meinte ich lächelnd und beugte mich zu dem armen Jungen herab, um ihm den Knebel abzunehmen. Itachi machte eine halbe Bewegung, so als wolle er mich aufhalten, würde es sich aber im letzten Moment anders überlegen. „Entschuldigen Sie bitte“, sagte ich freundlich zu dem zitternden Mann. „Die Uchiha reagieren nicht gerade positiv auf nächtliche Besuche.“ „Ich – Ich wollt doch nichts Böses, ich schwör's!“, rief der Mann panisch und sah von Itachi zu mir und wieder zurück. „Ich muss doch morgen nur meine Eltern abholen die mich besuchen kommen, deswegen kann ich die Post nicht ausliefern... Ich wollt's nur früher machen weil ich doch nicht frei kriege!“ Der arme Kerl schien nahe an einem Nervenzusammenbruch zu sein. Ich klopfte ihm beruhigend auf die Schultern. „Ist ja schon gut. Itachi-san hier wird Sie ja sofort wieder frei lassen.“ Itachi zögerte, bevor er vor den Mann trat. Doch ich hob die Hand um ihn aufzuhalten: „Oh, und denk gar nicht dran ihn zu hypnotisieren um rauszufinden ob er lügt. Streng genommen ist das nämlich illegal ohne Einwilligung des Probanden.“ „Chinatsu, du musst doch zugeben, dass die Umstände-“ „Nichts da. Du musst lernen auch mal ein wenig Vertrauen zu haben. Der Junge bringt uns jeden Morgen die Zeitung, du kennst ihn doch.“ Ich ließ von dem armen Postboten ab und griff nach Itachis Hand. „Wenn du ihn jetzt gehen lässt“, flüsterte ich und kam ihm noch etwas näher, „dann verspreche ich, dass ich nicht auf das hören werde, was Sasuke letzte Woche gesagt hat.“ Itachi spannte sich sofort an. „Was hat er gesagt?“, fragte er mit einem beinahe drohenden Unterton. „Ach, er meinte dass diese wunderschöne Kette die du mir letztens zum Geburtstag geschenkt hast, die mit dem schwarzen Federanhänger, in Wirklichkeit ein Peilsender von deiner Kuchiyose ist.“ Ertappt! Ich hatte es nicht wirklich glauben wollen, doch an der Art wie Itachi meinem Blick auswich, merkte ich, dass es die Wahrheit war. „Du weißt schon, dass das ein herber Rückschlag für die Behandlung deiner Kontrollsucht ist, oder, Schatz?“, meinte ich in spielerisch strengem Ton. Itachi wandte den Blick abrupt wieder mir zu. Langsam hob er meine Hand zu seinen Lippen und drückte mir einen Kuss auf. „Ich lasse ihn gehen, wenn du versprichst sie immer zu tragen. Tag und Nacht.“ „Versprochen“, meinte ich augenrollend. „Ich nehm sie nur zum Baden ab.“ „Nicht nötig. Sie ist wasserfest.“ Ich boxte ihm spielerisch gegen die Schulter. „Das ist wirklich schlimmer als ich dachte mit dir“, kicherte ich und umarmte ihn. „Ähm, Entschuldigung? Kann ich dann vielleicht gehen?“, fragte der Postbote zaghaft. „Ach ja, beinahe vergessen...“ Ich klaute mir frech ein Kunai aus Itachis Beintasche und begann die Fesseln zu zerschneiden. „Heute ist dein Glückstag“ murmelte ich dabei düster in sein Ohr. „Ich hab dir gerade dein Leben gerettet.“ Der Postbote wurde noch eine Spur blasser. Sobald er frei war sprang er auf und war schon auf halbem Weg zum Tor, als- „Hast du nicht etwas vergessen?“, rief Itachi ihm hinterher mit einer Stimme, die Eis zum Zittern bringen konnte. Der arme Junge blieb mitten im Lauf stehen und drehte sich dann langsam zu ihm um. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. „Die Post“, sagte Itachi und hielt die Hand auf. Dem jungen Mann rutschte das Herz sicher bis in die Unterhosen, als er sich beeilte den Brief aus seiner Tasche hervor zu kramen, der ihn erst in diese missliche Lage gebracht hatte. Kaum hatte er den Brief übergehen, war er auch schon auf und davon. Müde, aber nach der Aufregung unfähig mich noch einmal hinzulegen ging ich ins Haus zurück. Itachi kam erst fünfzehn Minuten später nach, nachdem er den Brief auf x verschiedene Arten von Sprengstoffen und Giften überprüft hatte. Der Grund: Er war an mich adressiert. Unter Itachis wachsamen Augen war es mir schließlich erlaubt den Brief zu öffnen und seinen Inhalt zu lesen. Sehr geehrte Sekina-san, ich schreibe Ihnen in einer Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit. Mein Bruder leidet unter einer seltenen Art der Schlafstörung, die ihm in den letzten Monaten immer mehr zu schaffen gemacht hat. Er hat seine Kondition schon sein Leben lang. Vor einiger Zeit schien es, als sei eine Heilung gefunden, aber jetzt ist die Krankheit wieder mit voller Macht zurück. Das Problem ist, dass ihm im Gegensatz zu damals nicht mehr dieselben Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um seinen Körper mit der nötigen Energie zu versorgen die er durch das Schlafen nicht bekommen kann. Ich denke, dass seine Schlafstörung hauptsächlich psychologische Ursachen hat und bitte Sie deshalb um Ihre Hilfe. Das Windland selbst hat keine nennenswerten Psychologen, die sich mit Ninjafällen auskennen und die beste Medic-nin der Welt, Tsunade-sama, hat mir versichert, dass sie die Beste auf Ihrem Gebiet sind. Leider kann mein Bruder Sunagakure nicht verlassen. Ich bitte Sie daher inständig, sich für ein paar Monate nach Suna zu begeben, bevor die fortschreitende Schwäche meines Bruders ihm als Ninja zur Gefahr wird. Pflege und Unterkunft werden Ihnen selbstverständlich gestellt. Bezahlung spielt keine Rolle. Im Bitten auf eine baldige Antwort, T.S. Für einen Moment sah ich nur schweigend auf die Zeilen herab. Itachi hatte über meine Schulter hinweg mitgelesen und runzelte jetzt die Stirn. „Du denkst doch nicht darüber nach, dorthin zu gehen, oder?“ „Ich... Ich weiß nicht“, gab ich zu. „Diese Person hört sich wirklich verzweifelt an.“ „Chinatsu, das könnte eine Falle sein, die-“ „Oh, bitte! Das können wir ganz leicht überprüfen, indem wir Tsunade fragen. Darum geht es gar nicht. Ich kann nur nicht hier weg...“ Ich seufzte tief, faltete den Brief zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück. „Tja, kann man nichts machen.“ Ich stand auf und warf den Umschlag auf den Wohnzimmertisch. „Ich denke, ich leg mich doch noch einmal hin. Kommst du mit?“ Doch Itachi starrte weiterhin auf den Brief. „Itachi?“ Langsam sah der Uchiha auf. Mir lief ein angenehmer Schauer über den Rücken als ich bemerkte, dass seine Augen schwarz waren. „Wenn du dorthin willst... Dann kannst du das ruhig tun“, sagte er und es hörte sich an, als koste es ihn unendlich viel Kraft, das zu sagen. „W-Was?“, fragte ich überrascht. „Du bist doch Psychologin geworden, weil du anderen Menschen helfen willst. Also wenn du dorthin willst... Dann solltest du das auch tun“, meinte er nun ein wenig fester. Bei kami, wie sehr ich ihn liebte... Zärtlich lächelte ich Itachi an und kam auf ihn zu. Sanft legte ich beide Hände an sein Gesicht und sah ihm tief in die Augen. „Es ist okay, Itachi. Auch hier in Konoha gibt es mehr als genug Leute, die meine Hilfe brauchen. Ich kann nicht immer überall gleichzeitig sein.“ Entgegen seiner Worte schien hierbei eine Last von Itachi abzufallen. Ich spürte es deutlich als ich meine Lippen auf die seinen legte. Der Ninja griff in meinen Nacken und zog mich sanft zu ihm auf den Sessel herab, bis ich auf seinem Schoß saß. Zärtlich bewegten sich seine Lippen gegen meine. Nur zu gern gewährte ich ihm Einlass, als eine warme, weiche Zunge sich ihren Weg in meinen Mund bahnte. Eine Hand hielt meine Taille umschlungen, während die andere an meiner Seite auf und ab fuhr. Mit seinem Blick schien er direkt aus meiner Seele trinken zu können. So viel Sehnsucht und leider auch noch so viel Schmerz war in seinen zaghaften Berührungen zu spüren, als glaube er dieser wunderschöne Moment könnte jeden Augenblick vorbei sein. Aber das würde ich nicht zulassen. Niemals. * Es war schon eine ganze Weile her, seit Tsunade mich das letzte Mal zu sich beordert hatte. Normalerweise griff die Hokage nur darauf zurück, wenn es sich um irgendwelche brisanten Fälle handelte. Was bisher genau zweimal vorgekommen war. Dementsprechend skeptisch war ich, als ich die Schriftrolle durchgelesen hatte, die der Botenfalke am nächsten Morgen vorbeibrachte. Aber wenn die Hokage sagt 'Spring!' dann fragst du 'Wie hoch?', also machte ich mich nach dem Frühstück zusammen mit Itachi (dem es ja gar nicht einfiel mich allein durch die Stadt wandern zu lassen) auf zum Hokageturm. „Guten Morgen, Hokage-sama“, begrüßte ich meinen mehr oder weniger offiziellen Chef. „Sie haben nach mir gerufen?“ „Ja, genau“, meinte Tsunade, die vielleicht etwas müde aussah, auf ihrem Tisch aber ausnahmsweise einmal keinen Sake zu stehen hatte. „Und Itachi hast du auch gleich mitgebracht. Wunderbar.“ Sie kramte eine Weile in einer Schublade ihres Tisches und kam mit einer versiegelten Schriftrolle wieder hervor. „Ich habe eine Mission für dich, Mädchen“, verkündete sie mit einem Grinsen, das mir nichts Gutes verhieß. „Ähm, Entschuldigung“, merkte ich an, „aber ich bin überhaupt keine Kunoichi. Streng genommen darf ich gar keine offiziellen Missionen annehmen. Dafür habe ich doch überhaupt keine Lizenz.“ Doch Tsunade tat ihren Einwand mit einem Wedeln ihrer Hand ab. „Ach, das ist doch nur Wortklauberei. Offiziell ist es Itachis Mission, dich bei diesem Auftrag zu begleiten und zu beschützen. Das wird wahrscheinlich überhaupt nicht nötig sein, aber ich bin nicht lebensmüde genug nur einen von euch wegzuschicken.“ Zögernd nahm ich die Schriftrolle entgegen, die sich zu meiner Überraschung als eine fast identische Kopie des Briefes herausstellte, den ich heute Nacht bekommen hatte. Mit dem Unterschied, dass der Name diesmal ausgeschrieben war. „Uh“, machte ich, als ich den großen fetten Buchstaben am oberen Rand der Rolle bemerkte, „warum genau ist das bitte eine Mission der Klasse B+?!“ Soweit ich wusste bestand in B-Rank Missionen das äußerst hohe Risiko eines feindlichen Ninjaangriffs. Bei B+ konnte man von ziemlich hartnäckigen Feinden ausgehen. „Die Auftraggeberin“, erklärte Tsunade, „Temari Sabaku, ist die Schwester des derzeitigen Kazekagen.“ „Oh“, machte ich dumpf. Die Hokage nickte ernst. „Das ist eine Mission von internationaler Bedeutung. Konoha hat sehr gute Beziehungen zu Suna. Es ist praktisch unsere Pflicht ihnen diesen Freundschaftsdienst zu erweisen. Aber aus dem selben Grund ist natürlich äußerste Diskretion gefragt. Wenn Sie die Sache versauen, Sekina-san, kann das Auswirkungen auf ganz Konoha haben. Bei der angesprochenen Kondition handelt es sich nämlich um seinen Status als Jinchuuriki.“ „Äh... als was?“ Tsunade rollte mit den Augen. „Zivilisten“, murmelte sie. „Jinchuuriki nennt man Menschen, die einen Biju-Dämon in sich versiegelt haben. Der gesamte letzte Krieg hat sich darum gedreht, dass Madara Uchiha die Biju gesammelt und den Juubi wiedererweckt hat. Nachdem er besiegt war wurde entschieden, dass die Biju zu gefährlich sind sie offen herumlaufen zu lassen. Deswegen wurden sie in die Dörfer zurück geschickt um erneut versiegelt zu werden. Wir können nur vom Glück reden, dass sie dazu bereit waren. Dank Narutos Einsatz verstehen wir diese Kreaturen jetzt etwas besser. Trotzdem wird es noch lange dauern, bis Mensch und Biju wirklich zusammen arbeiten können. Gaara Sabaku ist der einzige bekannte Jinchuuriki, der die Extraktion seines Biju überlebt hat und damit der einzige, der sich zum zweiten Mal damit herumschlagen muss. Offensichtlich“, sie winkte mit der Schriftrolle, „hat er damit seine Probleme. Also werdet ihr beide nach Suna reisen und verhindern, dass er sich selbst oder sein Dorf wortwörtlich dem Erdboden gleich macht.“ Auf einmal hatte ich nicht übel Lust, mich umzudrehen und wieder hinzulegen. Für diesen Irrsinn war ich einfach noch nicht wach genug. „Habe ich eine Wahl?“, fragte ich vorsichtig. Tsunade schnaubte. „Wo kämen wir denn da hin, wenn ich meinen Angestellten eine Wahl lassen würde?“ „Ich bin nicht Ihre Angestellte...“ „Nein, aber Itachi ist einer meiner Ninja. Also entweder du machst dich mit ihm auf die Socken oder ich schicke ihn auf eine nette D-Rank Mission. Zum Beispiel alle öffentlichen Toiletten in Suna putzen oder so.“ „Haben Sie nicht gerade gesagt Sie wollen verhindern, dass Suna dem Erdboden gleichgemacht wird?“ „Jetzt stell dich nicht so an, verdammt!“ Statt meiner nahm Itachi die Schriftrolle entgegen. „Wir werden die Mission ausführen, Hokage-sama“, versprach er neutral. „Itachi...“ „Wunderbar! Ihr brecht noch heute auf.“ „Aber Tsunade-sama... Was ist mit Sasuke-kun?“ „Den brauchen wir weiterhin hier im Dorf. Ich glaube nicht, dass ihr euch da Sorgen machen müsst. Der Junge hat doch einen harmlosen Zeitvertreib gefunden.“ Harmlos?! Als ich das das letzte Mal überprüft hatte, hatte Sasuke sich mit dem ganzen Hyuuga-Clan angelegt, weil die absolut dagegen waren, dass ihr Wunderjunge die Tochter eines Zivilisten heiratete. Wie kam er denn auch darauf, Neji und TenTen verkuppeln zu wollen!? Aber alle weiteren Proteste trafen auf taube Ohren und so kam es, dass Itachi und ich eine halbe Stunde später am Packen waren. Suna hatte nicht die geringste Ahnung, was es erwartete. * Die Reise nach Sunagakure dauerte vier Tage. Allein hätte Itachi es vermutlich in der Hälfte der Zeit geschafft, aber für mich, die ich weder senkrecht an Bäumen noch auf Wasser laufen konnte, war auch das Waten durch Wüstensand nicht ganz so einfach, der mich bei jedem Schritt bis zu den Knien einsinken ließ. Anfangs war das ja ganz lustig. Wir wanderten hauptsächlich nachts wenn es angenehm kühl war. Aber trotz des Zelts, dass Itachi mitbrachte, waren wir doch tagsüber mehr oder weniger der knallenden Sonne ausgesetzt. Ohne eine Gelegenheit zum Waschen. Es war nicht angenehm. Als wir endlich in Suna ankamen war ich zu erschöpft, viel von der Architektur oder dem seltsamen Baustil des exotischen Wüstendorfes mitzukriegen. Stattdessen folgte ich einfach schlafwandlerisch dem Ninja, der uns am Tor empfing und hielt nicht inne, bis ich endlich das klimatisierte Hotel betrat, in dem wir für die Dauer unseres Aufenthalts bleiben würden. Für eine Wüstenstadt hatte Suna erstaunlich wenige Palmen oder wenigstens Kakteen. Stattdessen waren alle Häuser, wie ich am nächsten Tag bemerkte, aus einer Art Sandstein der sich kaum vom Untergrund unterschied und sie alle sahen aus wie umgedrehte Wespennester. Jetzt verstand ich auch, warum ich das Dorf trotz der weiten Sicht erst gesehen hatte, als ich fast schon vor den Toren stand. Dieses Ninjadorf hatte den Namen „versteckt unter dem Sand“ ganz gewiss verdient. Itachi hatte mir erklärt, das Sunas hauptsächliche Stärke in der Verteidigung lag. Nicht nur war es schwer das Dorf erst einmal aufzuspüren, sowohl wegen der Bauart als auch wegen den vielen Luftspiegelungen in der Wüste. Suna war auch seit jeher im Besitz des Biju Shukaku gewesen, der mit seinem Windelement ganze Wirbelstürme heraufbeschwören konnte. Sein Jinchuuriki war in der Lage den Sand zu kontrollieren und nach Belieben zu formen. Techniken, die an jedem anderen Ort ungeheure Zerstörung angerichtet hätten, waren hier die perfekte Verteidigung. Niemand wäre doch bescheuert genug ein Dorf anzugreifen, dass die Landschaft selbst benutzen konnte um dich wieder rauszuwerfen. Mit Ausnahme vielleicht von Itachis alter Organisation Akatsuki, aber hey, die Leute da drin sind doch ohnehin alle therapiebedürftig. Und ja, das gilt auch für Uchiha. Am nächsten Morgen erhielten wir eine weitere Nachricht per Flugpost, nach derer wir uns um zehn Uhr bei Kazekagen einzufinden hatten. Inzwischen hatten wir uns landesübliche Kleidung besorgt und gelangten unbehelligt bis vor die Tür des Kazekagen-Büros. Ab da ging ich lieber nicht weiter, denn von drinnen hörte man aufgebrachte Stimmen die ich nicht verstehen konnte. Kurzerhand setzte ich mich auf einen der Stühle für Wartende und zog Itachi zu mir, als dieser die Tür mit aufmerksamen Blick betrachtete, zweifellos auf jedes Wort lauschend. „Vielleicht sollten wir einfach...“, meinte Itachi vage und deutete zur Tür, als sich nach zehn Minuten immer noch nichts geändert hatte. „Nur die Ruhe“, erwiderte ich und schlug die Beine übereinander. „Wer nicht genug Schlaf bekommt, kann ziemlich aggressiv werden. Warten wir doch, bis sich der Sturm gelegt hat.“ Bis sich der Sturm gelegt hatte brauchte es noch weitere zwanzig Minuten. Dann wurde die Tür schwungvoll aufgerissen. Darin stand eine junge Frau, knapp zwanzig Jahre alt, das blonde Haar zu vier kurzen Zöpfen zusammen gebunden und mit vor unterdrückter Aufregung funkelnden, türkisen Augen. „Darf ich vorstellen“, meinte sie und winkte uns herein, „Chinatsu Sekina, die beste Psychologin auf Ninjagebiet die es gibt.“ Ja, klar. Wie viele gibt es denn da draußen insgesamt? Fünf? Sechs? Trotzdem zwang ich mir ein Lächeln auf und verneigte mich leicht. Der Kazekage war jünger, als ich mir das vorgestellt hatte. Um einiges jünger. Eigentlich noch ein Teenager. Er mochte siebzehn, höchstens achtzehn Jahre alt sein und wies mit seinem flammend rotem Haar, dem eher zierlichen Körperbau, der trotz ständigen Sonnenscheins fast unnatürlich blassen Haut und den jadegrünen Augen wenig Ähnlichkeit mit seiner Schwester auf. Nur der äußerst angepisste Blick über den tiefen Augenringen war identisch. Der Kazekage – Sabaku no Gaara, richtig? - verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich mit einem Todesblick, der Itachi alle Ehre gemacht hätte. Was prompt dazu führte, dass er ihn postwendend von meinem beschützerischen Freund zurück bekam. „Es freut mich sehr, Euch kennen zu lernen, Kazekage-sama“, meinte ich dennoch höflich. „Ich habe nicht um Ihre Dienste gebeten“, knurrte der Junge. „Ihre Anwesenheit ist überflüssig und unerwünscht.“ Oh, großartig. Die Patienten, die meine Hilfe gar nicht haben wollten mochte ich am liebsten. Ich hob eine Augenbraue und sah fragend zu der Frau, die wie ich vermutete die Schwester war, die den Brief verfasst hatte, hinüber. Temari seufzte. „Gaara, bitte, überleg dir das doch einmal. Ich meine, was hast du schon zu verlieren? Es wäre doch nur für ein paar Stunden die Woche.“ „Ich bin nicht verrückt“, beharrte Gaara eisern. „Aber das sagt doch auch niemand! Wir wollen nur, dass du wieder in Ruhe schlafen kannst.“ „Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus.“ „Aber-“ „Das ist ein Befehl!“ Für einen Moment herrschte Stille, obwohl die Luft vor Anspannung knisterte. „Also, ich scheine hier ja nicht gebraucht zu werden“, meinte ich lächelnd und trat demonstrativ einen Schritt zurück. „Also wenn es Ihnen nichts ausmacht... Ich muss Tsunade noch mit ihrer Spielsucht helfen und Kurenai verklickern, dass es nicht das Ende ihrer Karriere ist auf ein kleines Kind aufzupassen...“ „Siehst du“, meinte Temari und deutete demonstrativ auf mich. „Das sind ganz normale Leute, die zu ihr gehen. Hier glaubt keiner, dass du verrückt bist.“ Äh, ja das wollte ich jetzt eigentlich nicht erreichen... Der Kazekage warf mir einen höchst misstrauischen Blick zu, unter dem ich unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. Neben mir legte Itachi mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. Das lenkte die Aufmerksamkeit des Rothaarigen kurz von mir ab. Er sah von Itachi zu mir, zu Temari und rieb sich dann gestresst die Schläfe. „Also schön“, sagte er schließlich. „Ich werde es versuchen.“ „Du tust das richtige, Bruderherz“, meinte Temari sanft. Davon schien Gaara alles andere als überzeugt. In der Tat sah es so aus, als würde er seine Entscheidung schon jetzt wieder bereuen. Irgendwie konnte ich das gut nachempfinden. Kapitel 1: Tintenklecks und Blutspritzer ---------------------------------------- 1. Sitzung (Juni) Es war drei Uhr nachmittags als ich meine erste Sitzung mit dem Kazekagen hatte. Da ich in einem Hotel wohnte hatte Temari mich hierfür in das Haus eingeladen, dass sie scheinbar zusammen mit ihren zwei Brüdern bewohnte. Dort hatten wir es uns gemütlich gemacht (was hieß, ich hatte es mir auf der Couch gemütlich gemacht, während der Ninja am Fenster stand und in die Leere starrte). Da Gaara absolut nichts von Hypnotherapie hielt, war Itachi (der ja offiziell als mein Assistent hier war) zusammen mit seinen Geschwistern hinaus geschickt worden. Natürlich zweifelte ich dennoch nicht daran, dass er trotz Sommerhitze auf dem Dach saß und Ausschau nach Attentätern hielt. Unter Genjutsu, versteht sich. Man will ja schließlich unauffällig bleiben. „Also schön“, begann ich und öffnete mein Notizbuch. „Um die beste Methode herauszufinden, wie ich Ihnen helfen kann, wäre es praktisch wenn Sie mir zuerst etwas über Ihr Problem erzählen könnten.“ Unwillkürlich war ich vom 'Euch' zum 'Sie' umgesprungen. Ich hatte es nicht so oft mit so hohen Persönlichkeiten zu tun. Aber Gaaras missmutiger Blick schien sein gewohnter Gesichtsausdruck zu sein, weswegen ich beschloss dabei zu bleiben. „Wie viel wissen Sie denn bereits über mich?“, fragte er mit einem stechenden Blick. Ha! Wenn das einschüchternd sein sollte, hatte er noch nie gegen einen Uchiha gekämpft. „Tsunade hat mir erzählt, dass Sie der einzige Jinchuuriki sind, dem der Biju genommen wurde, der aber später wieder zurück versiegelt wurde. Es ist ein Biju, der Ihnen die Kontrolle über Sand und eine sehr gute Verteidigung gibt. Den Andeutungen im Brief Ihrer Schwester zufolge ist er aber auch der Grund, warum Sie nicht schlafen können.“ Gaara wandte den Blick wieder aus dem Fenster. „Dieser Dämon, Shukaku... In meiner Kindheit versuchte er immer jede Schwäche meinerseits auszunutzen. Schlaf oder Bewusstlosigkeit hätten ihm die Möglichkeit gegeben, meinen Körper zu übernehmen. Also schlief ich nie. Mein Körper war dazu in der Lage, weil er sich selbst mit Shukakus Chakra heilen konnte. Als er weg war ging das einige Zeit lang automatisch so weiter. Ich brauchte einige Monate bis ich begriff, warum ich immer schwächer wurde. Ich schlief eine Nacht durch und fühlte mich am nächsten Morgen wie neu geboren. Seitdem schief ich mindestens einmal pro Woche eine ganze Nacht lang. Aber jetzt... Als die Biju nach dem Krieg zustimmten, sich erneut versiegeln zu lassen, taten sie das unter der Bedingung, dass die Siegel niemals so stark sein durften, dass sie komplett unterdrückt wurden. Sie wollten in der Lage sein, durch ihre Jinchuuriki an der Welt teilzuhaben. Aus diesem Grund ist Shukaku jetzt in der Lage, mir sein Chakra zu verweigern. Er will mich schwächen bis ich gezwungen bin, ihm die Kontrolle zu überlassen.“ „Wie lange liegt die Versiegelung zurück?“ „Fünf Monate.“ „Und wie oft haben Sie in dieser Zeit geschlafen?“ „...“ Ich seufzte. „Jetzt verstehe ich Ihre Schwester. So etwas kann nicht gesund sein.“ Ich tippte mir nachdenklich mit dem Stift gegen das Kinn. „Diesen sogenannten Dämon... Wir würden Sie ihn beschreiben?“ Gaara blinzelte. „Er ist ein Dämon.“ „Ja, aber ich kenne mich auf diesem Gebiet leider nicht aus. Was genau kann ich mir darunter vorstellen? Ist es ein intelligentes Wesen? Gleicht sein Verstand eher einem menschlichen oder einem tierischen? Sind vielleicht echte Charakterzüge zu erkennen? Wie genau ist sein Erinnerungsvermögen?“ Der Rothaarige starrte mich an, als wäre ich es, die den Verstand verloren hatte. „Können sie denn mit ihm kommunizieren?“, fragte ich, als er nach einer Minute immer noch nicht geantwortet hatte. Ein abgehacktes Nicken. „Es ist in Ordnung, wenn Sie nicht darüber reden wollen. Wissen Sie, in der Psychologie gibt es einige Tests, um das Charakterbild einer Person zu analysieren. Ich könnte sie die Tests einmal durchlaufen lassen, nur zum Vergleich, und dann noch ein zweites Mal. Versuchen sie Shukaku zu fragen, wie er die Fragen beantworten würde und schreiben Sie es einfach nieder.“ „Was für Tests?“, fragte Gaara beunruhigt. „Nun, zum einen einen Intelligenztest, dann den Rohrschach und wenn möglich den TAT. Den Rohrschachtest habe ich sogar dabei. Wir könnten sofort damit anfangen.“ Seiner ratlosen Miene nach zu urteilen hatte er keine Ahnung wovon ich redete. Deshalb zog ich einen Stapel Papier aus meiner Tasche und zeigte ihm ein Bild im berühmten Tintenklecks-Stil. „Es geht darum was Sie in diesen Bildern erkennen.“ „Das ist ein Klecks“, meinte er hohl. „Ja, ganz richtig. Aber der Klecks hat eine Form und jeder interpretiert etwas anderes hinein.“ Mit einem Mal schien der Blick des Jungen in weite Ferne zu rücken. „Ich habe diese Muster schon einmal gesehen...“, murmelte er. „Es war ein Spiel, das ich mit meinem Onkel zusammen gespielt habe...“ Sein Blick fokussierte sich wieder auf mich. „Ich bin nicht verrückt“, sagte er beinahe trotzig. „Das ist kein Test um festzustellen, ob jemand verrückt ist“, meinte ich sanft. „Sehen Sie, dieser Test trifft Aussagen über Ihre Individualität – ob sie Dinge darin erkennen die viele auch sehen, oder etwas Originelles. Er sagt mir ob sie das Bild im Ganzen betrachten oder sich oft auf kleine Details konzentrieren. Ob ihre Antwort auf die Farben oder eher Formen des Bildes abzielt. Der Test soll lediglich helfen zu verstehen, wie der Patient die Welt sieht. Und ganz abgesehen davon sagte ich doch schon, dass ich den Test wegen Shukaku machen will, nicht wegen Ihnen. Ich hätte Ihre Antworten nur gern zum Vergleich um auszuschließen, dass Shukaku ihre Gedanken liest und einfach Ihre Antworten nennt, verstehen Sie?“ Zögernd nickte der Shinobi. Aber zum ersten Mal war da eine Unsicherheit in seinen Bewegungen, als er sich mir gegenüber setzte, die ihn endlich wie der Teenager aussehen ließ, der er eigentlich war. * 2. Sitzung (Juni) „Und? Was haben die Tests ergeben?“ „Oh, eine ganze Menge nützlicher Dinge“, vergewisserte ich meinem Patienten. „Natürlich ist Ihr Fall einzigartig, aber ich habe mich über einige ähnliche Probleme und deren Behandlungsmethoden informiert. Ich denke ich habe jetzt eine ungefähre Richtung, in die wir mit Ihrer Therapie gehen können.“ „Ähnliche Fälle?“, wiederholte der Kazekage ungläubig. Ich lächelte entschuldigend. „Ich habe über Patienten mit dissoziativer Identitätsstörung gelesen – Menschen, deren Psyche sich aufgespalten hat in mehrere Persönlichkeiten. Ihr Fall ist ähnlich und dann doch wieder vollkommen anders. Shukaku ist kein Teil von Ihnen selbst sondern ein vollkommen eigenständiges Wesen mit einer eigenen Seele. Eine wirkliche Heilung gibt es da nicht.“ „Was ist dann Ihre Idee?“, fragte der Ninja. „Bei DIS Patienten versucht man für gewöhnlich, die einzelnen alters zu integrieren und zu einer Person zusammen zu fügen. Wenn das nicht möglich oder zu zeitaufwendig ist, versucht man die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu verbessern. Jeder alter hat seine 'Rolle', seine Stärken und Schwächen die man erkennen muss. Ich habe mir die Testergebnisse von Ihnen beiden angesehen und ich bin zuversichtlich, dass ich auch für Shukaku einige Stärken finden kann die Sie nicht haben. Punkte also, in denen Sie sich ergänzen können.“ „Shukaku ist kein Mensch. Er sieht die Welt vollkommen anders.“ Doch ich schüttelte den Kopf. „Das stimmt so nicht. Er hat in dem Intelligenztest viel zu hoch abgeschnitten als das man ihm lediglich einen tierischen Verstand zuschreiben könnte. Er ist sich seiner Umgebung voll bewusst. Dieser Versiegelung haben sie beide freiwillig zugestimmt, ist das richtig?“ Ein abgehacktes Nicken. „Dafür hatten sie beide ihre Gründe. Was genau waren Ihre?“ „Ich wollte mein Dorf beschützen, das ist alles.“ „Sie hätten auch jemand anderen zum Jinchuuriki machen können“, meinte ich. Der Kazekage schüttelte den Kopf. „Wie hätte ich jemand anderem eine Last auferlegen können, die ich selbst nicht bereit bin zu tragen?“ Für einen Moment schwieg ich und betrachtete den Rothaarigen genau. Schließlich fragte ich: „Könnte ich bitte mit Shukaku sprechen?“ Er starrte mich an als hätte ich ihn aufgefordert mich umzubringen. „Sie sagten, Sie können mit ihm kommunizieren. Ist es vielleicht möglich, ihn Ihren Geist aber nicht Ihren Körper übernehmen zu lassen, sodass Sie ihn zwar immer noch halten aber er als er selbst zu mir sprechen kann?“ „Hören Sie“, meinte er stirnrunzelnd, „es gibt weitaus schmerzlosere Möglichkeiten Selbstmord zu begehen. Wenn Sie vorhaben zu sterben, tun Sie das bitte nicht in meinem Zuständigkeitsbereich.“ Ah... nun regte sich doch etwas Nervosität. Mit Sarkasmus konnte ich umgehen. Mit dieser ehrlichen Sorge weniger. „Wenn Sie das wirklich durchziehen wollen, werde ich früher oder später mit ihm reden müssen“, meinte ich. „Zur Not treibt sich hier ganz in der Nähe ein Sharingannutzer herum der einiges an Übung mit Hypnose hat. Ich bitte Sie ihn wenigstens zu fragen, ob er zur Kooperation bereit wäre. Wenn Sie überzeugt davon sind, dass es keinen Sinn macht, werde ich nicht wieder fragen.“ „Also schön... Auch wenn ich denke, dass es ein Fehler ist.“ Gaara schloss die Augen und begann tief ein und aus zu atmen. Es dauerte ungefähr drei Minuten in denen ein Ausdruck höchster Konzentration sich über seine Miene legte. Dann riss er plötzlich die Augen wieder auf und ich erkannte sofort, dass es funktioniert hatte. Seine Iriden waren auf einmal gelb mit einem winzigen blauen Stern darin. Die schwarzen Augenringe waren noch breiter als zuvor und gaben seinem Gesicht tatsächlich einen tierischen Ausdruck. Er schien mich nicht wirklich wahrzunehmen, als wäre sein Blick noch immer nach innen gekehrt, eine Schlacht kämpfend, von der ich nichts mitbekam. Ich lehnte mich ein Stück weit vor. „Shukaku?“, fragte ich leise. Ruckartig wandte der Jinchuuriki sich mir zu. Seine Bewegungen waren abgehackt und fahrig als er seine Position auf dem Sessel veränderte. „Shukaku, können Sie mich hören?“, fragte ich noch einmal. Wieder fuhr er mit dem Kopf herum und ich erkannte, dass er mich überhaupt nicht sehen konnte. „Wo bin ich?!“, rief Gaara – nur das es nicht mehr Gaara war – mit einer viel zu schrillen Stimme. „Was hat dieser Bastard gemacht!?“ „Beruhigen Sie sich“, sagte ich leise und bemühte mich, mich selbst so wenig wie möglich zu bewegen damit er wusste wo ich war. „Sie sind in Sicherheit. Niemand will Ihnen etwas tun.“ „Als ob sie das könnten!“, kreischte Shukaku und mir lief ein Schauer über den Rücken. „Mein Name ist Chinatsu Sekina“, sagte ich noch immer mit betont ruhiger Stimme. „Ich bin Gaaras Therapeutin. Hat er Ihnen von mir erzählt?“ „Die Seelenklemptnerin?“ Shukaku lachte laut auf. „Ich hab dich beobachtet. Mutig von dir, dich mit uns anzulegen.“ „Danke sehr“, erwiderte ich. „Ich helfe wo ich kann. Haben Sie auch unser Gespräch verfolgt?“ „Dagegen kannst du gar nichts tun! Mich zu töten hieße auch den kostbaren Kazekage zu töten.“ Ich blinzelte. „Shukaku, niemand will Sie töten.“ „Lüg nicht!“, schrie der Dämon, „Alle wollen mich loswerden!“ Er schien aus dem Sessel aufspringen zu wollen, wurde aber wie durch unsichtbare Fesseln zurückgehalten die ihn an Ort und Stelle hielten. „Ist das der Grund, warum sie wieder in Gaara versiegelt werden wollten? Um sich selbst zu schützen?“ Angespornt durch Shukakus Unfähigkeit sich zu bewegen lehnte ich mich nach vorn und legte dem Jinchuuriki beruhigend eine Hand auf die seine. Shukaku zuckte zusammen und zischte wie ein verwundetes Tier. „Es ist okay“, murmelte ich und drückte seine Hand leicht. „Ich könnte ihnen doch niemals etwas tun, selbst wenn ich wollte. Ich bin nur eine Psychologin, kein Ninja. Alles was ich will ist, Ihnen dabei zu helfen mit Ihrem Jinchuuriki besser zusammen zu arbeiten. Das wollen Sie doch, oder?“ Shukaku zögerte einen Moment lang – aber dann nickte er langsam. „Großartig. Das ist gut, wirklich. Ich möchte, dass sie beide in der Lage sind einander zu helfen und sich das Leben angenehm zu gestalten. Können Sie mir sagen wie Ihr Leben ausgesehen hat, bevor Sie zum ersten Mal in einem Menschen versiegelt wurden?“ Shukaku runzelte die Stirn. „Das ist lange her.“ „Versuchen Sie sich zu erinnern.“ „Ich habe damals über diese Wüste geherrscht. Die Stämme der Menschen haben mich angebetet, jawohl! Und wenn nicht habe ich ihre Karawanen zerstört. Das hat Spaß gemacht!“ „Okay... dann erzählen Sie doch mal über sich selbst. Haben Sie irgendwelche Hobbys? Vielleicht ein Lieblingsessen?“ Shukaku legte den Kopf schief. „Ich töte gerne Menschen. Und manchmal fresse ich sie auch.“ „Uh, gut.... Angenommen es gäbe keine Menschen auf der Welt....“ „Das wär toll!“ „...was würden Sie dann den lieben langen Tag lang machen?“ Shukaku machte eine Geste als wolle er sich am Kopf kratzen und fluchte leise, als sein Arm sich nicht vom Sessel lösen wollte. „Keine Ahnung. In der Sonne liegen? Ich mag die Wärme. Oder Wühlmäuse jagen.“ Ich blinzelte. „Wühlmäuse?“ „Ja die sind lecker! Und sie versuchen sich ständig im Sand vor mir zu verstecken, das ist lustig.“ „Ich hätte fast gedacht Sie seien etwas zu... gigantisch, in Ihrer wahren Form, um überhaupt eine Maus auf dem Boden zu erkennen, geschweige denn sie zu jagen.“ „Pah! Ich lauf doch nicht die ganze Zeit in meiner wahren Form rum.“ „Tun Sie nicht?“ „Natürlich nicht. Früher, da konnte ich mit meinen Gedanken andere kleine Tiere lenken. Waschbären, Tanuki, manchmal auch Hunde. Da konnte ich auch mal im Wald jagen ohne mit jedem Schritt das ganze Gebiet zu zerstören.“ „Na das klingt doch nach einer Menge Spaß.“ „War es auch! Aber dann sind diese bescheuerten Menschen gekommen und haben einfach so meinen Körper versiegelt als ich grad nicht drin war! Das ist doch unfair!“ „Das ist in der Tat sehr unfair“, meinte ich schmunzelnd. „Wissen Sie, ob Sie heute immer noch in der Lage sind diese Tiere aus der Ferne zu lenken?“ Shukaku zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Dieser bescheuerte Gartenzwerg lässt mich ja nicht raus!“ Ich räusperte mich unauffällig, um mein Lächeln zu verbergen. Der Kazekage...ein bescheuerter Gartenzwerg... hehe. „Ah, na schön... Ich nehme an Ihre Abneigung gegenüber Ihrem Jinchuuriki ist der Grund, warum Sie ihn nicht schlafen lassen?“ „Keine Ahnung was er dir erzählt hat. Von mir aus könnte er den ganzen Tag durchpennen.“ Sein fieses Grinsen sagte jedoch etwas anderes. „Damit Sie seinen Körper übernehmen können, ja?“ Das Grinsen wurde breiter. Ich seufzte. „Um ehrlich zu sein; ich verstehe nicht wie das in Ihrem Sinne sein soll. Wenn Gaara sich weigert zu schlafen aus Angst Sie könnten irgendetwas tun das er nicht will, wird das auf lange Sicht nur seinem Körper und damit auch Ihnen schaden.“ „Der Zwerg wird irgendwann umkippen und dann bin ich an der Reihe!“ „Aber wie lange wird das noch dauern? Drei Monate? Vier? Und danach sind Sie wieder für ein ganzes Jahr eingesperrt, wenn nicht sogar noch länger. Außerdem habe ich das doch richtig verstanden, dass ein Biju mit seinem Jinchuuriki stirbt, richtig? Normalerweise würde das Dorf Sie vielleicht zum Ende der Lebensspanne hin erneut versiegeln. Aber Gaara ist der Kazekage. Es liegt absolut in seiner Macht, Sie mit sich in den Tod zu reißen. Sie haben also nur noch dieses eine Leben. Was ist Ihnen wichtiger, die Rache an diesem Dorf oder die Chance, den Rest Ihres Lebens zu genießen und vielleicht die Möglichkeit zu haben, sich mit dem Kazekagen gutzustellen und noch ein weiteres zu erleben?“ Damit schien Shukaku nicht gerechnet zu haben. Ich konnte die Rädchen in seinem Kopf praktisch sehen wie sie sich drehten, als er über meine Worte nachdachte. „Okay, das ist ne' scheiß Situation“, gab er schließlich zu. „So hab ich das noch nicht gesehen. Aber da ist nichts, was der Zwerg für mich tun könnte.“ „Ich bin sicher, da könnten wir ein paar Dinge finden. Vorausgesetzt Sie sind ebenfalls dazu bereit, etwas zu diesem Handel beizutragen.“ Ich lächelte ermutigend, obwohl er es nicht sehen konnte. „Ich möchte, dass Sie sich bis zur nächsten Sitzung überlegen, wie Sie Gaara beistehen könnten – außerhalb des Schlachtfelds, versteht sich.“ „Hm“, machte Shukaku in Gedanken versunken. Ich wartete kurz, aber als sich keine Änderung einstellte fragte ich vorsichtig: „Könnte ich jetzt vielleicht wieder mit Gaara sprechen?“ „Heh, auf keinen Fall! So nah an der Oberfläche war ich seit vier Jahren nicht mehr.“ Oh... nicht gut. Hieß das, Gaara war überhaupt nicht in der Lage Shukaku zurückzurufen, wenn er erst einmal ihren Geist übernommen hatte? War ihn auf dem Sessel zu halten alles, was er in diesem Zustand konnte? „Sie können schlecht den ganzen Tag hier herumhocken“, versuchte ich es. „Warum nicht? Ist besser als die Dunkelheit“, entgegnete Shukaku trotzig. „Aber Suna braucht seinen Kazekagen wieder.“ „Suna kann mir gestohlen bleiben!“ „Eh... aber wenn sie hier nur so sitzen bleiben, wird ihr Körper doch verhungern.“ „Die werden mir schon was zu Essen bringen.“ „Ja, aber.... Gaara könnte ja einfach verhindern, dass Sie den Mund aufkriegen!“ Wie auf Kommando klappte Shukakus Mund zu und so sehr der Dämon auch den Kopf hin und her warf und unverständliche Laute ausstieß, er bekam ihn nicht wieder auf. „Sehen Sie?“, fragte ich erleichtert. „Lassen Sie Gaara doch wieder raus. Wirklich, das ist nicht sehr produktiv für Ihre Therapie.“ Shukaku warf einen Todesblick in meine Richtung, der um einiges besser war als Gaaras. Allerdings zielte er mehr auf die Topfpflanze im Hintergrund, weshalb sich meine Furcht in Grenzen hielt. „Na kommen Sie schon. Ich verspreche Ihnen, das wird nicht das letzte Mal sein, das wir miteinander reden.“ Ein Ruck ging durch den Körper des Kazekagen. Er stieß ein schmerzerfülltes Zischen aus, seine Augen rollten zurück in ihre Höhlen bis nur noch das Weiße darin zu sehen war – und dann saß er plötzlich kerzengerade da, jeder Muskel angespannt, mit den Augen jede Bewegung im Raum verfolgend. Grüne Augen. Sein Verhalten erinnerte mich stark an das von verhaltensgestörten Ninjas die aus einem posttraumatischen Zustand erwachten. Diese nahmen oft eine instinktive Verteidigungsstellung ein, flohen ans andere Ende des Zimmers oder gar ganz aus dem Raum, zückten ihre Waffen und hielten die Arme in Taijutsu-Haltung vor ihrem Körper. Sie alle hatten denselben paranoiden Blick, die selbe Anspannung und den Hauch von Angst in ihren Augen. Gaara jedoch saß nur ganz still da. Tsunade hatte mir gesagt, dass der Kazekage Sand benutzte um eine absolute Verteidigung zu erschaffen. Aber nie war mir die Bedeutung dessen klarer geworden als jetzt. Gaara konnte sich am besten verteidigen wenn er absolut bewegungslos war. Das sanfte Wirbeln des Sandes zu seinen Füßen, auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar, war alles was er brauchte um sich vor Angriffen von außen zu schützen. Aber diesmal kam die Gefahr gar nicht von außen. Sie kam aus seinem Innersten. Und ich sah ihm an, dass ihm das Angst machte. „Willkommen zurück, Kazekage-sama“, sagte ich lächelnd. „Das war eine sehr erfolgreiche Sitzung.“ Gaara sprang auf. „Erfolgreich!? Erfolgreich!? Ich habe beinahe die Kontrolle-“ Er hielt inne, rieb sich die Schläfen und musste merklich an sich halten mich nicht anzugreifen. Es war der unruhig um seine Füße wirbelnde Sand der mir mehr als alles andere sagte, wie aufgewühlt er war. „Diese Sitzung ist beendet! Es wird keine weitere Treffen geben.“ Ich seufzte leise. Etwas in der Art hatte ich befürchtet. „Ich bitte Sie, Kazekage-sama. Sie haben das ganz hervorragend gemacht. Shukaku hat nicht ein einziges Mal versucht mich anzugreifen. Ich denke, er wünscht sich einen Erfolg für diese Therapie genauso sehr wie Sie. Sie haben es doch gehört, er will wirklich mit Ihnen zusammenarbeiten. Shukaku ist ein intelligentes Wesen, man kann mit ihm reden! Sie haben bewiesen, dass Sie ihn unter Kontrolle halten können, also was spricht dagegen diese Gespräche weiter zu führen? Shukaku wird Sie nicht schlafen lassen bevor Sie nicht ein weiteres Mal zu mir gekommen sind.“ Das Letzte war ein Bluff, aber wenn ich Glück hatte konnte Shukaku mich hören und sprang darauf an. Wenn ich so darüber nachdachte war es schon ironisch, dass der Dämon eher bereit war mit mir zusammen zu arbeiten als der Kazekage. „Vergessen Sie's!“, rief Gaara und riss die Tür auf. „Mit diesem Monster kann man nicht reden. Das haben schon ganz andere versucht! Jetzt verlassen Sie bitte mein Haus. Ich werde veranlassen, dass Ihnen morgen Abend eine Eskorte zurück nach Konoha zur Verfügung steht.“ Ich seufzte leicht. Zwar war ich durchaus der Meinung, dass ich dem Kazekagen in diesem Fall weiterhelfen konnte, aber wenn meine Hilfe so vehement abgelehnt wurde... Dann konnte selbst ich nichts mehr ausrichten. „Natürlich. Ganz wie Sie wünschen, Kazekage-sama“, meinte ich höflich und bemüht mir nicht anmerken zu lassen, dass ich doch etwas beleidigt war. Nun ja... Zumindest Itachi würde sich freuen, wieder aus der Wüste heraus zu kommen. * Gaara war immer noch aufgebracht als er mit seinen Geschwistern in ihrem Lieblingsrestaurant zu Mittag aß. Er konnte sich im Moment überhaupt nicht auf seine Arbeit konzentrieren, obwohl er damit bereits böse im Rückstand war. Vermutlich stapelten sich die Papiere bereits wieder auf seinem Schreibtisch. Aber für den Moment war das egal. Er war zu unkonzentriert, zu wütend über seinen Beinahe-Kontrollverlust und vor allem viel zu müde für seine Arbeit. „Wie geht es dir heute, Gaara?“, fragte seine Schwester freundlich, als sie ihre Bestellungen aufgegeben hatten. Sie saßen an einem der kleinen Tische draußen vor dem Restaurant mit Blick auf die Straße. Viele der vorbeigehenden Bürger grüßten sie, aber Gaara war zu müde um ihnen auch nur zuzunicken. „Gut“, knurrte er nichtssagend und widerstand dem Drang nur knapp seinen Kopf auf seinen Armen abzulegen. Hinter seiner Stirn hämmerte Shukaku ärgerlich gegen seinen Kopf. ::Gut!? Von wegen gut! Wenn du deinen Leuten noch was vormachen kannst, hab ich dich wohl noch nicht hart genug rangenommen!:: Gaara unterdrückte ein Stöhnen. Nicht das schon wieder. Immer öfter kam es jetzt vor, dass er Shukaku nicht einmal daran hindern konnte seine Meinung zu allem und jedem abzugeben das ihm unter die Nase trat. Eine Meinung die sich meistens, aber nicht immer, darauf beschränkte wie man denjenigen am besten auseinander nehmen konnte. „Wie war denn dein Treffen mit dieser Seelenkl-“ Kankuro wurde unter dem Tisch heftig von Temari angestoßen. „Aua – äh, ich meine dieser Psychologin?“ Temari lächelte strahlend. „Ja, genau, wie war es denn? Machst du schon Fortschritte?“ „Es wird keine weiteren Sitzungen geben“, knurrte Gaara. „Oh? Bist du dein, äh, Problem denn schon losgeworden?“ Kankuro pfiff bewundernd. „Man, diese Braut ist echt gut, was?“ ::Oh ja, echt gut, nicht wahr? Ich würde dem ja gern zustimmen aber ich hab leider nicht die GELEGENHEIT bekommen ihr mal richtig auf den Zahn zu fühlen, wenn du verstehst was ich meine!:: „Ist es das?“, fragte Temari forschend. „Kannst du denn jetzt schon wieder schlafen?“ ::Dabei hätte ich es so gerne gesehen. Was für einen schicken roten Farbklecks hätte sie wohl an der Wand ergeben, hm? Wie hätte der ausgesehen? Wie ein Hund? Wie eine Wespe? Vielleicht sollten sie es für diesen Rohrschach verwenden, hm?:: „Gaara? Ist alles in Ordnung?“ Temari streckte vorsichtig eine Hand aus nach dem Rotschopf, der seine Ellenbogen auf dem Tisch aufgestützt und die Hände in seinem Haar vergraben hatte. Der Blick war auf die Tischplatte gesenkt sodass niemand seine Grimasse sehen konnte als er versuchte, Shukaku zurück zu drängen. ::Wie selbstbewusst sie war! So sicher war sie sich, dass wir ihr nichts tun können! So höflich und freundlich, hat dir das gefallen? Hat es das? Sie hätte dich sehen sollen wenn du mal richtig aufdrehst! Ist noch gar nicht so lange her, da hättest du das ganze Zimmer mit ihrem Blut gestrichen allein dafür, das sie es wagt meinen Namen auszusprechen.:: „Alles in Ordnung. Sekina wird die Stadt morgen verlassen.“ „Aber... Aber glaubst du nicht, dass es besser wäre, wenn sie noch bleibt? Wir wissen doch noch gar nicht, ob es dir auch langfristig besser gehen wird!“ ::Weißt du, ich glaube sie hält dich wirklich nicht für verrückt. Das ist aber nur so, weil sie dich nicht kennt. Nicht so wie ich! Ich kenne dich besser als jeder andere. Noch vor nicht einmal fünf Jahren hast du mich noch 'Mama' genannt! Das hast du ihr nicht erzählt, hm? Was würde sie wohl von dir halten, wenn sie das wüsste? Wie blutrünstig du Sunas Ninja abgeschlachtet hast? Wie viel Spaß es dir gemacht hat?:: „Ich denke, es war voreilig von ihr die Sache so schnell zum Ende zu bringen. Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich noch einmal mit ihr rede. “ ::Sie würde dich für verrückt halten. Sie würde erkennen, was du wirklich bist. Ein Psychopath! Du liebst es, Menschen weh zu tun... Dieses Leben im Frieden, das ist nichts für dich. Du bist eine Waffe, für den Krieg geschaffen. Dein Handwerk ist das Töten. Zu etwas anderem als den Kampf bist du doch nicht gut!:: „Nein...“ :.Nur in einem Blutbad fühlst du dich wohl.. Der Krieg ist deine Bestimmung! Menschen zu töten ist dein Schicksal!:: „Ist es nicht!“, schrie Gaara und donnerte seine Faust auf den Tisch, welcher bedrohlich knackte. Temari und Kankuro zuckten zurück. „Ich war es, der die Sitzungen abgesagt hat, kapiert!? Weil sie mir verdammt nochmal nichts bringen! Sie machen alles nur noch schlimmer.“ Für einen Moment herrschte Stille. Nur das infernalische Lachen Shukakus klang in Gaaras Ohren nach als seine Geschwister ihn erschrocken und vorwurfsvoll ansahen. ::Oh ja, schrei nur, schrei so viel du willst! Es wird dich ja doch niemand hören. Je mehr du dich beschwerst, desto mehr werden sie dich von sich stoßen. Sieh dir ihre Blicke an! Ja, sieh genau hin! Sie denken alle, dass du verrückt bist. Und sie haben Recht.:: „Aber... Aber Gaara... Glaubst du wirklich, dass du das nach nur zwei Sitzungen schon sagen kannst?“, fragte Temari zaghaft. „Wir machen uns doch nur Sorgen um dich.“ ::Sie ist eine Lügnerin. Niemand macht sich Sorgen um dich. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich Sorgen um jemanden zu machen, der unverwundbar ist. Sie lügt dir eiskalt ins Gesicht... In Wahrheit macht sie sich nicht Sorgen UM dich sondern darum was du tun wirst wenn du herausfindest, wie wenig du ihnen bedeutest... Wenn du endlich begreifst, was sie alle wirklich von dir halten!:: „Ich bin nicht verrückt“, murmelte Gaara doch selbst in seinen Ohren klangen die Worte kläglich. Sein Kopf hörte nicht auf zu schmerzen. Er krallte seine Finger in sein Haar in der Hoffnung der Schmerz würde das schreckliche Pochen hinter seiner Stirn dämpfen. „Das wissen wir doch“, flüsterte Temari. Sie wollte ihm sanft eine Hand auf den Arm legen, doch ihr Bruder entriss sich ruckartig ihrer Berührung und wich zurück. Sand wirbelte ungeduldig zu seinen Füßen. Mit großen Augen starrten die beiden Geschwister sich an.. Zum ersten Mal seit Langem konnte Gaara wieder eine Spur der alten Angst in ihnen erkennen. Es ließ sein Innerstes zu Eis gefrieren. „Vielleicht... Vielleicht lassen wir dich einfach für einen Moment allein“, schlug Kankuro schließlich vorsichtig vor. „Bitte, denk noch einmal darüber nach. Dir geht es nicht gut. Du brauchst deinen Schlaf, siehst du das nicht?“ Die beiden älteren Geschwister erhoben sich gemeinsam. Sie verabschiedeten sich freundlich von ihm doch als sie ihm den Rücken zuwandten und das Restaurant verließen konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie vor ihm flohen. ::Wie könnten sie auch nicht? Sie haben dich so viele Menschen töten sehen. Du warst dumm zu glauben, dass sie das jemals vergessen könnten. Sie haben versucht dich zu akzeptieren, dich einzubinden, dich zu lieben. Aber es gelingt ihnen einfach nicht. Denn immer wenn sie dich ansehen... Dann sehen sie ein Monster.:: Gaara tat sein Bestes die Stimme zu ignorieren. Das tat er wirklich. Aber es war so schwer, so schwer und er war so müde... Verzweifelt ließ er seinen Blick über die Straße schweifen auf der Suche nach etwas, irgendetwas das seine Aufmerksamkeit fesseln könnte, ihn ablenken könnte von dieser verfluchen Stimme. Seine Augen blieben schließlich an einem merkwürdigen Lichtspiel hängen. An einer der Wände der eng beieinander stehenden Gebäude tanzte ein heller Lichtfleck. Müde übersah der Kazekage die Straße nach der Ursache und erblickte einen kleinen Verkaufsstand auf der anderen Straßenseite. Shukakus Verlangen nach Blut beiseite schiebend stand Gaara auf und schritt die Straße hinab bis zu dem kleinen Stand. Dort stand ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn, höchstens siebzehn Jahre alt und verhüllt in die in Suna typischen sandfarbenen Roben aus denen nur einige hellbraune Locken und ein paar funkelnder grüner, leicht gelb gesprenkelter Augen hervorsahen. Vor ihr auf gelbem Tuch ausgebreitet standen zahlreiche kleine, zierliche Glasfiguren. Es gab dort Skorpione mit langen, gebogenen Schwänzen, Bechergläser voll mit feinen Blumen aus farbigem Glas, grazile Antilopen, Käfer und ein kleiner Löwe. Die meisten Figuren hingen aber von der Decke des Standes oder an einem Strauß kahler Zweige in der Ecke des Standes. Dort tummelten sich Schmetterlinge, Libellen, Kolibris, Schwalben und viele andere Vögel. Sie waren es, die das Lichtspiel verursacht hatten. Gaara blieb vor dem Stand stehen und starrte die Figuren an. Doch in Wahrheit nahm er sie überhaupt nicht wahr. In Wahrheit führte er noch immer einen stillen Kampf in seinem Kopf. ::Oh, und wie du sie hasst dafür, nicht wahr?::, säuselte die Stimme in seinem Kopf. ::Wie du sie hasst dafür, dass sie dich fürchten. Was hast du nicht alles für sie getan? Was hast du nicht alles aufgegeben. Und wie danken sie es dir?:: „Einen schönen guten Morgen, Kazekage-sama“, begrüßte ihn die Verkäuferin freundlich. „Haben Sie etwas gefunden?“ ::Sie stempeln dich ab als einen Verrückten. Schicken dich zur Therapie! Was glaubst du werden sie tun wenn sie merken, dass das nichts bringt? Wer will schon einen Verrückten als Kage?:: „Kazekage-sama?“ Gaara schreckte auf und sah das Mädchen verwirrt an. „Was?“ Sie lächelte nachsichtig und deutete auf die Figuren. „Gefällt ihnen etwas hiervon?“ Unsicher ließ er seinen Blick über die Auswahl streifen und nahm sie nun zum ersten Mal richtig wahr. Wahllos nahm er eine der Figuren in die Hand – ein kleiner Elefant – und drehte ihn hin und her. „Sie sind...schön“, murmelte er ohne echte Anteilnahme. „Sie sind alle sehr schön. Wer hat sie gemacht?“ „Oh, dieser da ist von meiner kleinen Schwester“, meinte das Mädchen vergnügt. „Sie hilft ab und an mal im Laden aus wenn sie nicht zur Schule muss.“ Jetzt hob Gaara den Blick und sah seinem Gegenüber zum ersten Mal richtig ins Gesicht. Irgendwo am Rande war er sich vage noch seiner Pflichten bewusst und so flüsterte er nach einem Moment des Zögerns: „Ich habe dich noch nie hier gesehen. Wie ist dein Name?“ Ein Hauch von Rosa legte sich über die Wangen des Mädchens, als sie den Blick senkte. „M-Mein Name ist Mena. Mein Vater, meine Schwester und ich reisen von Stadt zu Stadt, verdingen uns als Boten und verkaufen diese Glaskunst. Wir sind erst seit anderthalb Wochen hier.“ Gaara nickte gedankenverloren. Sie schien harmlos genug zu sein. ::Das perfekte Opfer. Niemand würde sie vermissen. Jemand, an dem man sich abreagieren könnte.:: Bemüht die fiese Stimme auszusperren drehte Gaara die kleine Figur in Händen als suche er nach dem Preis. Plötzlich jedoch nahm er etwas aus den Augenwinkeln wahr. Solange er sich erinnern konnte hatte Gaara immer einen sehr guten Instinkt, eine Art sechsten Sinn besessen. Er wusste wenn jemand ihn von hinten angriff obwohl er die Bewegung kaum hatte wahrnehmen können. Über die Zeit hatte er gelernt, dass dieser sechste Sinn in Wahrheit Shukaku gehörte. Manchmal nahm der Dämon die Welt um ihn herum anders wahr als er und konnte so Gefahren an Orten entdecken, an denen Gaara niemals nach ihnen gesucht hätte. Als der Blick des Kazekagen diesmal wie von selbst zur Seite glitt spürte er, dass es in Wahrheit Shukaku war dessen Aufmerksamkeit dem kleinen Objekt galt und nicht seine. Es war eine etwa faustgroße Figur eines kleinen Pelztieres, das sich schlafend zusammengerollt hatte. Sein Schwanz war so um ihn gelegt, das sich in der Mitte ein Loch bildete, eine einfache Halterung für ein Teelicht. „Gefällt Ihnen dieses hier besser?“, fragte Mena, ganz Verkäuferin, und hob den Kerzenhalter hoch. „Das habe ich vor ein paar Tagen fertig gestellt... Es war nicht einfach die richtigen Farben aufzutreiben, aber...“ Ihre Stimme schwand zu einem dumpfen Murmeln im Hintergrund. Farben und Geräusche wurden eins und verschwammen. Nur die kleine Figur in den zierlichen Händen blieb scharf. Während Gaara noch versuchte gegen seine Müdigkeit anzublinzeln spürte er unterschwellig Shukakus Verlangen nach dem funkelnden Gegenstand. ::Nimm es::, befahl der Dämon gierig. ::Nimm es dir und vergieße das Blut des Mädchens darüber. Nimm es und trink ihr Blut daraus...:: Gaara stieß einen schmerzerfüllten Laut aus und griff sich ins Haar. Er musste sich an der Theke des Standes abstützen und die Augen fest zusammenpressen. Doch schließlich, langsam aber sicher kehrte seine Sicht wieder zurück. „Kazekage-sama?“, fragte Mena verwundert. „Ist alles in Ordnung?“ „Ich... Ich nehme den Elefanten“, murmelte Gaara. Fahrig warf er ein paar Münzen auf den Tisch. Es war vermutlich viel zu viel aber das kümmerte ihn nicht als er die Figur einsteckte und den Marktplatz beinahe fluchtartig verließ. Verdammt... Er musste sich zusammenreißen! Er durfte nicht zulassen, dass Shukaku solche Macht über ihn hatte. Er durfte nicht... durfte nicht die Augen... schließen, nicht... Gaara stolperte über seine eigenen Füße als er sich völlig erschöpft in sein Haus zurück schleppte und auf seinem neuen, beinah unbenutzten Bett fallen ließ. Er musste wach bleiben. Musste... wach bleiben... Nur für ein paar Minuten wollte er ruhig liegen bleiben, nur um neue Energie zu tanken... dann würde er sich wieder an die Arbeit machen... aber seine Lider waren schwer, so schwer... Und plötzlich war Gaara umgeben von Dunkelheit und er wusste nichts mehr. Kapitel 2: Quarz ---------------- 3. Sitzung (Juni) „Guten Morgen, Kazekage-sama“, begrüßte ich den Rotschopf und setzte mich. Der Kazekage nickte mir nur einmal kurz zu und machte keine Anstalten es mir gleich zu tun. „Um ehrlich zu sein, es hat mich ein wenig überrascht, noch einmal von Ihnen zu hören“, gab ich zu, bemüht mir meine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Die Abfuhr gestern war mehr als deutlich gewesen. Jetzt sollte ich auf einmal wieder antanzen. Der Kerl hatte echt Nerven! „Es ist etwas... passiert“, flüsterte Gaara, so leise das ich ihn kaum hören konnte. „Gestern Nacht... Es ist etwas passiert.“ Nun hatte er meine volle Aufmerksamkeit. So wie er das sagte, hörte es sich nach einer Menge Ärger an. „Was ist passiert?“, fragte ich etwas sanfter. Etwas hilflos zuckte Gaara mit den Schultern – eine Geste die ihn merkwürdig menschlich wirken ließ. „Das ist es ja gerade. Ich weiß es nicht. Ich... habe geschlafen.“ „Nun das... Das ist doch gut“, meinte ich aufmunternd. „Sie verstehen das nicht. Es ist gefährlich.“ „Das ist mir durchaus bewusst“, erwiderte ich. „Aber Sie haben geschlafen und Suna steht noch. Das ist doch etwas Gutes. Wie fühlen Sie sich?“ „Das ist nicht wichtig!“, meinte Gaara fahrig und strich sich selbst durchs Haar. „Ich... Ich habe...“ Langsam stand ich auf und nahm den Jungen sanft bei der Hand. Mit einem Lächeln führte ich ihn hinüber zu einem der gemütlichen Couchsessel in den er sich unzerimoniell fallen ließ. „Was ist passiert?“, fragte ich erneut in meinem einfühlsamsten Tonfall. „Ich... Ich war so müde...“, murmelte er abwesend. „Ich hatte mich am Tag zuvor mit meinen Geschwistern gestritten. Es gefiel ihnen nicht, dass ich die Therapie abbrechen wollte... auf dem Weg nach Haus kam ich an diesem Stand vorbei, der Glasfiguren verkaufte. Ich weiß nicht genau was der Auslöser war... Aber als ich wieder zu mir kam lag ich in meinem Schlafzimmer auf dem Boden und überall um mich herum lagen Glasscherben. Da war... Blut an ihnen. Und...“ Er stockte. „Es ist okay, Gaara-san“, flüsterte ich, bewusst die vertrautere Beizeichnung benutzend. „Erzählen Sie es mir...“ Die... die Glasscherben“, sagte er heiser, „waren überall kreisförmig um mich herum angeordnet. Wie eine einzige große Spirale. Das Glas... Es, es war farbig wie das der Figuren auf dem Stand. Und in der Hand hielt ich eines dieser Teile... das einzige das unversehrt war...“ Er holte tief Luft. „Ich bin gleich zu dem Strand um zu verstehen was los war. Er war komplett zerstört! Als wäre eine Horde Rhinozerosse darüber getrampelt oder als hätte … hätte ein... Monster darin gewütet. Es hat niemand etwas gesehen aber ich weiß ganz sicher, dass ich es war!“ Wieder stockte er und diesmal ließ ich die Stille für einen Moment wirken. „Wurde denn jemand verletzt?“, fragte ich schließlich leise. „Ja... nein... Ich weiß es nicht! Da war Blut, ja, aber die Familie dem der Stand gehört schläft nachts ganz woanders, es war niemand dort...“ Ich konnte sehen, dass ihn das aufwühlte. Auf der einen Seite entsetzte es ihn, dass Shukaku durch seine Unachtsamkeit Kontrolle über seinen Körper hatte erlangen können, Auf der anderen war nichts allzu Schlimmes passiert, was entgegen all seiner bisherigen Erfahrungen ging. An seiner Stelle würde ich mich vermutlich auch fragen, wo der Haken war. „Dürfte ich die Figur sehen, die Sie an dem Morgen in der Hand hielten?“, fragte ich schließlich. Gaaras Zögern dauerte eine halbe Ewigkeit. Schließlich aber zog er einen kleinen runden Kerzenhalter hervor, der die Form eines Tanuki hatte. Nachdenklich drehte ich den Gegenstand in Händen und kam dabei nicht umhin zu bemerken, dass Gaaras Augen jeder meiner Bewegungen folgten. „Was bedeutet diese Figur für Sie?“, fragte ich und stellte sie auf den Tisch zwischen uns. Fast augenblicklich griff er danach und ließ sie wieder in seiner Tasche verschwinden. Es schien ein wenig Anspannung von ihm dabei abzufallen. „Nichts“, sagte er dennoch. „Ich habe sie gestern zum ersten Mal auf dem Stand gesehen.“ Ich betrachtete ihn mit einem stechenden Blick, konnte aber keine Lüge in seinen Augen erkennen. „Nun dieses... Bildnis hat ja eine ganz offensichtliche Beziehung zu Ihnen“, meinte ich. „Beziehungsweise zu Shukaku.“ Er blinzelte. „Was meinen Sie damit?“ „Shukaku hat für gewöhnlich die Gestalt eines Tanuki. Das ist genau das Tier, das diese Figur darstellt.“ Gaara holte zögernd noch einmal die Figur hervor und betrachtete sie für einen langen Moment. „Kazekage-sama?“, fragte ich, als das Schweigen drückend wurde. „Ich wusste nicht.... dass das ein Tanuki ist“, murmelte der Rothaarige. „Ich finde, es ist recht gut erkennbar“, meinte ich vergnügt. „Der Hersteller ist wirklich begabt.“ Doch Gaara schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine...“ Er stockte. Ungläubig lehnte ich mich ein Stück vor. „Gaara-san, meinen Sie...“, fragte ich, bewusst eine persönlichere Anrede benutzend, „Sie haben noch nie einen Tanuki gesehen?“ Wieder ein Kopfschütteln. „Aber sicher gibt es doch Bilder... Oder Beschreibungen von Shukaku in Suna.“ „Falls es sie jemals gab, hat mein Vater alle entfernen lassen“, flüsterte Gaara. „Es war schon schlimm genug, dass das Dorf mich ertragen musste... Sie wollten nicht auch noch ständig an das Monster erinnert werden. Natürlich weiß ich, dass Shukaku die Gestalt eines Marderhundes hat... Aber das Nächste was ich von dieser Art wohl gesehen habe sind ein paar streunende Hunde...“ Nun war ich es, die ungläubig den Kopf schüttelte. „Da ist es ja kein Wunder, dass Shukaku darauf reagiert hat. Er ist nun schon seit Ewigkeiten in einem menschlichen Körper eingesperrt. Es ist nur logisch, dass er Sehnsucht nach seinen Artverwandten hat.“ Ich lächelte ihm aufmunternd zu. „Das ist gut, Gaara-san. Es ist ein Punkt, an dem wir ansetzen können. Hat Shukaku irgendetwas darüber zu Ihnen gesagt?“ „Nein... Das ist es ja gerade. Er hat seit heute Morgen kaum etwas gesagt.“ „Wenn es Ihnen recht ist, würde ich ihn gerne direkt danach fragen.“ Der Kazekage senkte den Kopf. „Ich habe geahnt, dass Sie das tun wollen würden. Sie unterschätzen ihn. Sie haben keine Ahnung, zu was er fähig ist. Ich höre ständig seine Stimme. Wie er mich dazu antreibt Menschen zu töten, zu zerquetschen, zerreißen... Den Sand mit ihrem Blut zu tränken. Sie verstehen gar nichts.“ „Das mag sein. Sollte Shukaku mich tatsächlich angreifen würde ich keine Minute überleben. Sie sind der Einzige, der einschätzen kann ob er das tun wird oder nicht. Wenn Sie glauben er sei noch nicht bereit für ein weiteres Gespräch, dann werde ich Sie nicht drängen.“ Noch immer flackerte ein Funken Misstrauen in seinen Augen. Dennoch lehnte Gaara sich zurück und schloss die Augen. Sein Gesicht war dabei eine emotionslose Maske und doch ahnte ich, dass er mit seinem Dämon Kontakt aufnahm. Es dauerte diesmal sehr viel länger als letztes Mal aber schließlich schlug der Rothaarige die Augen auf und ich begegnete dem vertrauten Zucken und den ruckartigen Bewegungen eines blinden Shukaku. „Was willst du?“, knurrte der Ichibi missmutig und versuchte vergeblich, seine Hände von den Armlehnen des Sessels zu lösen. „Ich bin neugierig“, gab ich zu. „Als Gaara dieses Zimmer gestern verlassen hat, schien er felsenfest davon überzeugt, es könne nie eine Zusammenarbeit zwischen euch geben. Aber irgendwie haben Sie es geschafft, dass er diese Meinung überdacht hat.“ „Hat er nicht!“, schnappte der Sanddämon wütend. „Der scheiß Gartenzwerg hat doch viel zu viel Schiss vor mir!“ „Manchmal fürchten Menschen, was sie nicht kennen“, entgegnete ich ruhig. „Tatsächlich kann die Angst vor dem Unbekannten größer sein als alle weltlichen Schrecken. Gaara versteht Sie nicht. Wie könnte er auch, wenn Sie so verschieden sind? Er versucht krampfhaft, Sie als nichts als ein blutrünstiges Monster zu sehen, aber wenn Sie dann etwas tun was nicht in dieses Bild passt, ist er verwirrt und fürchtet sich noch mehr.“ Shukaku warf einen misstrauischen Blick in meine ungefähre Richtung. „Das macht keinen Sinn. Noch viel schrecklicher kann ich doch gar nicht werden.“ „Es wird Ihren Mitbewohner zweifellos freuen, das zu hören.“ Ich deutete auf die Glasfigur auf dem Tisch und bewegte sie ein wenig, damit er das Schaben von Glas auf Holz hörte und wusste was ich meinte. „Was hat das zu bedeuten?“ Shukaku rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. „Das geht Sie gar nichts an!“, giftete er. Da war ich etwas vor den Kopf gestoßen. Eine so heftige Reaktion hatte ich nicht erwartet. „Ich bin Ihre Therapeutin, streng genommen geht mich alles was Sie betrifft etwas an“, erwiderte ich. „Ganz besonders wenn es sich um Anomalien in Ihrem Verhalten handelt.“ Ich lehnte mich ein wenig vor. „Warum haben Sie die Figur gestohlen?“ Ich konnte es nicht fassen. Wurde Shukaku etwa rot? „Mir gefiel sie halt, okay?!“ Wieder riss er an den Armlehnen aber Gaara hielt ihn störrisch an seinem Platz. „Warum kümmerst du dich nicht um deinen eigenen Kram?!“ „Wie es der Zufall will, tue ich das gerade. Ich kümmere mich um meinen Job“, erwiderte ich trocken. „Shukaku, stört es Sie, dass in ganz Suna nicht ein einziges Bild von Ihnen zu sehen ist?“ Wieder rutschte er unruhig hin und her. „Das interessiert mich doch nicht!“, meinte er trotzdem störrisch. Aber mit Sturköpfen hatte ich meine Erfahrung. Im Zweifelsfall half es immer so zu tun, als wäre man allwissend. Die Leute widersprachen einem viel lieber als das sie einem etwas von sich aus erzählten. „Ich denke, das tut es sehr wohl“, flüsterte ich. „Früher waren Sie ein mächtiger Wüstendämon. Die Menschen haben vor Angst vor Ihnen gezittert. Das hat Ihnen gefallen. Ihnen gefällt nicht wie... zahm sich Gaara auf einmal benimmt. Sie hassen die Menschen und wollen ihnen etwas heimzahlen. Aber es geht nicht einfach nur darum, dass sie Sie weggesperrt haben. Das hat Ihren Stolz verletzt, sicher. Wie können solch niedere Kreaturen es wagen, Hand an Sie zu legen?“ Nun war Shukaku bewegungslos und ich wusste, dass ich auf dem richtigen Pfad war. „Aber das ist nicht alles. Nein, daran haben Sie sich inzwischen gewöhnt. Was Sie wirklich stört ist, dass alle nur Gaara fürchten. Nicht Sie. Die meisten Ninja denen er begegnet ist, bevor der Krieg begann, wussten ja noch nicht einmal über Sie Bescheid. Niemand hat Sie mehr beachtet. Gaara war Ihre einzige Bezugsperson, aber er war nie für Sie da... Wie könnte er auch, er war ja noch ein Kind...“ „Ich brauche kein Bezugs...ding! Und der Zwerg auch nicht! Er hat ja mich! Zehn Jahre lang hab ich ihn glauben gemacht ich wäre der Geist seiner Mutter, wusstest du das? Hah, wie hat er sich gekrümmt allen meinen Wünschen gerecht zu werden! Es war erbärmlich. Zusammen haben wir gewütet und getötet und zerrissen... Alle hatten sie Angst vor uns. Es war egal, dass sie nichts von mir wussten. Gaara war Monster genug für uns beide.“ Ich zuckte mit keiner Wimper, obgleich ich innerlich doch erschrocken war. Es wurde Zeit das ich mich erkundigte, wie Gaara in seiner Kindheit tatsächlich gewesen war. „Aber dann hat Gaara sie fallen gelassen“, flüsterte ich. „Hat sich von Ihnen abgewandt. Auf einmal haben Sie überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr bekommen... Weder negative... noch positive. Sagen Sie mir, Shukaku... war das schon immer so?“ „Das geht dich überhaupt nichts an!“ „Ich definiere das mal als ja... Wie war das, Shukaku? Sie haben mir gesagt, dass die Menschen Sie verehrt haben. Haben sie Ihnen riesige Statuen gebaut und Opfergaben gebracht? Waren ihnen Tiere die Ihnen glichen heilig?“ Ich nahm die Figur und legte sie ihm vorsichtig in die Hand. Zum ersten Mal gelang es Shukaku seinen Arm wenigstens so weit von der Lehne zu heben um sie entgegen zu nehmen und die Finger fest darum zu schließen. „Das vermissen Sie, nicht wahr? Sie vermissen die Aufmerksamkeit. Als Gaara noch als... Monster gesehen wurde, da galt die Aufmerksamkeit aller ihnen gleichermaßen. Jetzt ist er der Kazekage aber die Leute die ihn dafür respektieren... Die respektieren ihn nicht wegen, sondern trotz Ihnen. Das wissen Sie genau und es ist kein schönes Gefühl.“ Die Hand um das Glas zog sich zusammen und ein leises Knirschen war zu hören als sich ein langer Riss über sie zog. Sofort ließen die Finger locker. „Früher hat wenigstens Gaara Sie respektiert. Doch Sie haben ihn verloren. Ich kann Ihnen helfen, ihn wieder zu gewinnen.“ „Wie?“, presste Shukaku hervor. „Ein klein wenig Entgegenkommen, das ist alles“, flüsterte ich. „Sie könnten damit beginnen, etwas netter zu ihm zu sein. Gaara hat sehr hart für das gearbeitet, was er sich hier aufgebaut hat. Versuchen Sie nicht, ihm das kaputt zu machen. Ich verstehe, dass Sie sehr viel angestaute Wut in sich tragen. Doch versuchen Sie nur für ein paar Tage einmal nicht über das Töten von Menschen zu reden. Das wäre ein guter Anfang. Ich möchte, dass Sie eine Woche lang Wörter wie Töten, Blut, Qual oder ähnliche negative Dinge nicht sagen. Das gilt auch für Synonyme. Nur eine Woche lang, versuchen Sie ihm nicht Ihren Willen aufzudrängen. Und im Gegenzug...“ Sanft nahm ich ihm die Figur wieder aus der Hand. „Im Gegenzug dürfen sie diesen hübschen Kerzenhalter behalten. Gaara wird ihn sogar wieder für Sie reparieren. Was halten Sie davon?“ Shukaku kämpfte sichtlich mit sich. Schließlich aber rang er sich zu einem abgehackten Nicken durch. „Ich versuch's.“ Er zog eine Grimasse und ich erkannte, dass Gaara von der anderen Seite her an die Oberfläche drängte. Shukaku schien dagegen zu kämpfen doch ich gab ihnen einen vielsagenden Blick. Auch wenn der Dämon ihn nicht sah, er schien ihn zu spüren und - rollte tatsächlich genervt mit den Augen. Einen Moment später waren seine Augen wieder grün. Ich schenkte dem Rotschopf ein aufrichtiges Lächeln. „Ich denke, wir kommen dem Problem langsam auf den Grund.“ „Ja“, meinte dieser mürrisch. „Es gibt da nur einen Haken.“ „Der wäre?“ „Ich habe keine Ahnung, wie ich diese blöde Figur reparieren kann...“, murmelte er und sah auf den Glastanuki hinunter, den Shukaku so fest gegriffen hatte, dass sich ein tiefer Riss gebildet hatte. Eine falsche Bewegung und er würde in zwei Teile zerfallen. „Oh“, machte ich und kam mir wirklich dumm vor. „Naja, Sand ist doch der Hauptbestandteil von Glas, oder etwa nicht?“ „Das heißt noch lange nicht, dass ich mich damit auskenne.“ „Ihr beide habt immerhin den Stand der Leute zerstört, die sie gemacht haben. Ich halte es für eine gute Idee, wenn ihr hingeht und anbietet, ihnen beim Wiederaufbau zu helfen. Dabei können Sie lernen mit Glas umzugehen und sich gleichzeitig entschuldigen.“ Gaara sah mich ungläubig an. „Ich soll was?!“ „Natürlich weiß ich, dass Sie als Kazekagen ihnen den Schaden einfach bezahlen könnten. Vielleicht sogar anonym, damit niemand herausfindet, dass Sie für dafür verantwortlich sind. Aber ich vertrete die Meinung, dass eine persönliche Entschuldigung und Wiedergutmachung auch Shukaku vielleicht aufführen wird, dass was er getan hat falsch war. Abgesehen davon ist das Ihre beste Möglichkeit Ihren Teil der Abmachung zu erfüllen.“ Gaara verzichtete darauf mich darauf hinzuweisen, dass nicht er den Stand kaputt gemacht hatte. Immerhin war es zum Teil auch seine Schuld, da er Shukaku nicht zurückgehalten hatte. Trotzdem sah ich ihm seinen Widerwillen deutlich an. „Nun kommen Sie schon. Diese Arbeit kostet Ihnen vermutlich genauso viel Überwindung wie Shukaku seinen Mund zu halten. Sie können die Sache ja abblasen, wenn er nicht durchhält. Ich finde, das ist ein faires Angebot.“ „Ich sehe immer noch nicht, was ich davon habe“, meinte er störrisch. „Es bringt mir nichts, wenn Shukaku nur still ist. Das bedeutet noch lange nicht, dass er nicht versuchen wird meinen Körper zu übernehmen.“ „Für den Anfang mag das stimmen. Aber je öfter Sie einander Gefallen tun desto besser werden Sie sich verstehen. Und eines kann ich Ihnen als Psychologin versprechen... Man kann niemanden hassen, dessen innerstes Wesen man versteht. Die einzige Möglichkeit ihre Schlaflosigkeit loszuwerden ist, eine gute Beziehung zu Shukaku aufzubauen. Angefangen bei solch lapidaren Sachen wie ihm ein Geschenk zu machen.“ „Wer immer behauptet ich sei verrückt“, flüsterte Gaara, sodass ich ihn fast nicht hören konnte, „hat sie nicht mehr alle. Sie sind diejenige, die Hilfe brauchen. Ich soll Freundschaft schließen mit einem Dämon? Wie soll ich das tun ohne Suna in eine Hölle auf Erden zu verwandeln?“ „Indem Sie dem Dämon beibringen, menschlich zu sein“, antwortete ich sanft. „Diese Aufgabe. Gaara-san – diese Aufgabe ist die erste Lektion zu Ihrem Ziel. Eine Lektion, die, wie es mir scheint, Sie beide noch erlernen müssen.“ * Als ich an diesem Abend in das Hotel zurückkehrte, kam ich gerade rechtzeitig ins Zimmer um zu sehen, wie Itachi durch das Fenster einstieg. Obwohl ich ihn gebeten hatte einkaufen zu gehen während ich meine Sitzung hatte, schien er mir wieder einmal gefolgt zu sein. Ich schüttelte nur lächelnd den Kopf und kommentierte es nicht weiter, als Itachi mich ertappt ansah. Stattdessen ging ich nur auf ihn zu und verwickelte ihn in einen zärtlichen Kuss. Sanft strich der Ninja mir die Haare aus dem Gesicht, während er ihn erwiderte. „Wie war dein Tag?“, flüsterte er dann, mit seinen tiefschwarzen Augen jedes Detail meines Gesichts in sich aufnehmen. „Jetzt tu nicht so als hättest du mich nicht beobachtet“, meinte ich spielerisch. „Warum fragst du überhaupt?“ „Aus Höflichkeit“, erwiderte er ernst. „Und weil man es eben so macht.“ „Höflichkeit kann ich verstehen“, antwortete ich lächelnd, schlang die Arme um ihn und verschränkte die Finger in seinem Nacken. „Aber du musst nichts tun, nur weil 'man das eben so macht'. Du warst knapp zehn Jahre lang ein S-Rang Krimineller, was kümmert dich die Meinung Normalsterblicher?“ „Das tut sie... Weil du eine Normalsterbliche bist.“ Ich verengte die Augen ein wenig, betrachtete ihn genau. So wie er diese Worte sagte schien er damit mehr sagen zu wollen als ich verstand. Ich bildete mir gern ein zu wissen, wie Itachis Verstand funktionierte aber in einigen Punkten war ich einfach blind für seine Andeutungen und Handlungen. Meistens ging es dabei um seine Gefühle für mich. Es sagte schon eine Menge aus, dass Sasuke eher erkannt hatte was sein Bruder für mich empfand als ich selber. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass er sich alle Mühe gegeben hatte es zu verstecken. Inzwischen hatte ich gelernt selbst winzige Schwankungen seiner Stimmung richtig zu deuten. Sein oft merkwürdig anmutendes Verhalten war zumeist eine Mischung aus Perfektionismus, Paranoia, Beschützerinstinkt und schierer Besessenheit. Wo jede andere Frau sich von seiner Kontrollsucht eingeengt und seinem Mangel an Eigeninitiative bezüglichen körperlichen Kontakts frustriert fühlen würde, sah ich seine durchscheinende Unsicherheit, die Angst mich zu verletzen oder von sich fortzutreiben. Ich sah einen Liebesbeweis wie er deutlicher nicht sein konnte. Es kam deshalb nicht mehr häufig vor, dass ich keine Ahnung hatte was in Itachis Kopf vor sich ging. Dies war so ein Moment und er gefiel mir nicht. Ich fragte mich unwillkürlich, ob alles in Ordnung war zwischen uns. „Der Kazekage hat sich entschieden, die Therapie doch weiter zu führen“, sagte ich schließlich und ließ von ihm ab. „Die Taschen können wir wieder auspacken. Wir werden uns wohl auf einen längeren Aufenthalt einstellen müssen.“ Itachis Blick verdüsterte sich und er sah zur Seite. „Das gefällt dir nicht, nicht wahr?“ Der Ninja sah wieder auf. „Ich bin nur... nicht gerne so lange in einem fremden Ninjadorf, das ist alles. Wir werden schon das Beste daraus machen.“ Nachdenklich sah er aus dem Fenster und diesmal war ich mir sicher, dass seine Worte eine zweite Bedeutung hatten. „Ja. Vielleicht ist es sogar besser so.“ Sanft nahm ich seine Hand und war erleichtert, als er nicht zurück zuckte. „Gaara wird mir nichts tun, falls du darüber besorgt bist.“ „Ich weiß“, meinte er nun merklich kühler. „Er ist der Kazekage. Wenn er dich anrührt, hieße das Krieg.“ Das fand ich nun etwas übertrieben. Andererseits war Itachi praktisch eine Ein-Mann-Armee, also... „Was ist es dann, das dir solches Kopfzerbrechen bereitet?“ Itachi öffnete den Mund als wolle er sagen 'nichts', besann sich aber eines Besseren. Vermutlich ahnte er, dass ich es ihm ohnehin nicht abgenommen hätte. Stattdessen lächelte er nur, drückte seinerseits meine Hand und sagte: „Darum brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Du hast mit deinem Patienten schon viel zu viel zu tun. Ich verspreche, wenn es etwas Wichtiges gibt, erfährst du es zuerst.“ Ich betrachtete ihn immer noch ein wenig misstrauisch. „Du hast diesen Blick drauf, Itachi... Als wärst du kurz davor etwas unheimlich Dummes zu tun.“ Das schien ihn tatsächlich zu treffen. Für einen Moment konnte er mir nicht einmal mehr in die Augen sehen und seine Hände zitterten. Er wirkte ernsthaft erschüttert. Ich beeilte mich ihn in den Arm zu nehmen und flüsterte beruhigend in sein Ohr: „Was auch immer es ist, Itachi... Es ist okay für mich. Du hast schon viele dumme, verrückte Sachen gemacht die meist damit endeten, dass du dich selbst aufgeopfert hast... Was immer du tust, versprich mir, dass du mich daran teilhaben lassen wirst, okay?“ Meine Worte zeigten Wirkung, als Itachi meine Umarmung leicht erwiderte. „Ich verspreche es“, wisperte er und ich wusste, dass er es ernst meinte. Jetzt hieß es nur noch abwarten. * „Also... Sand.“ Mena biss sich auf die Lippen und sah überall hin nur nicht in die Augen ihres Gegenübers. „Sand besteht hauptsächlich aus... aus Siliciumdioxid, ja... Genau wie Glas.“ Bei Kami, sie kam sich so dämlich vor! Sie war doch nur die unbedeutende Tochter eines unbedeutenden Händlers und hielt eine Unterrichtsstunde über Sand für den Herrscher einer Wüste, der sich mit dem Thema vermutlich tausend mal besser auskannte als sie. „Deswegen benutzen wir Sand als Rohstoff. Speziellen Quarzsand, um genau zu sein.. Wir... schmelzen ihn... und mischen es dann je nach Verwendung mit anderen Stoffen oder Farbe. Das... Das alles geschieht bei einer Hitze von mehr als 1500 Grad...“ Apropos Hitze spürte Mena fast sofort, wie ihr Gesicht ganz rot wurde. Der Kazekage saß mit vollkommen unbeweglicher Miene vor ihr und ließ durch nichts erkennen, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Als Mena an diesem Morgen ins Stadtzentrum gekommen war um den Stand aufzumachen, hatte sie fast einen Herzinfarkt bekommen. Die Arbeit von mehr als drei Monaten lag zersplittert zu ihren Füßen. Sie hatte nicht eine einzige heile Figur gefunden. Von den bunten Fensterscheiben in den Kartons über kunstvolle Vasen bis hin zu winzigen Tierfiguren war alles kaputt. Dieser Verlust war grässlich. Wenn sie nichts verkaufen konnten musste ihre Familie aus der Herberge ausziehen und in ihrem Wagen übernachten. Nahrung und vor allem Wasser würden schnell knapp werden und es war ungewiss, ob sie überhaupt genug Geld zusammen bekommen würden um sich einen Platz in einer Karawane zu erkaufen um in die nächste Stadt zu gelangen. Es dauerte jedoch nur ein paar Stunden, bis sich ihr von ganz allein eine Lösung bot. Der Kazekage höchstpersönlich war vorbei gekommen und hatte sich für den angerichteten Schaden, anscheinend ein Resultat eines Ninjakampfes, entschuldigt und Entschädigung angeboten. Nicht nur wurde ihnen der Verlust bezahlt, es sollte auch sichergestellt werden, dass sie genügend Material hatten um die Produktion wieder zu beginnen. Mena war darüber so erleichtert gewesen, dass sie nicht einmal nachgefragt hatte wie es den möglich sei, dass ihr Stand der einzige in der ganzen Straße war, der bei diesem Kampf zerstört wurde. Und das auf eine Art und Weise, als hätte jemand besondere Sorge getragen keinen einzigen Gegenstand heil zu lassen. Was sie hingegen sehr stark bezweifelte war, dass es für den Kazekagen üblich war die Rohstoffherstellung zu diesem Zweck selbst zu übernehmen. Als sie ihrem Vater davon erzählt hatte, hatte dieser nur vergnügt gemeint sie solle einem geschenkten Gaul nicht ins Maul sehen. Menas Vater besaß einen großen Zigeunerwagen der auf Reisen als Schlafstätte und Gepäckwagen gleichermaßen benutzt werden konnte. Er wurde von zwei Mulis gezogen; Tullas und Han Masu. Die zweifellos schwerste Last war dabei der metallene Schmelzofen. Dorthin führte das Mädchen Gaara und verbrachte etwa zehn Minuten damit, seine Funktionsweise zu erklären. „Im ersten Durchlauf wird in diese Kammer der Sand eingefüllt. In die zweite kommt Holz oder Kohle zum verbrennen. Wir haben aber auch eine Batterie die Hitze durch Strom machen kann. Wenn wir in ein Ninjadorf kommen können wir manchmal einen Shinobi oder eine Kunoichi bitten, sie mit ihrem Chakra aufzuladen. Der geschmolzene Sand fließt durch dieses Rohr hier in die untere Kammer. Darüber lassen sich Gussformen einspannen für Vasen oder Flaschen... Für die Figuren wird das flüssige Glas ganz fein verteilt. Für die Glasbläserei brauchen wir dann diese Werkzeuge dort drüben.“ Mena wollte gerade die Werkzeuge aus dem hinteren Teil des Wagens holen um sie dem Kazekagen zu zeigen, als ein hohes Quitschen ertönte. „Menaaaaa!“, schrie eine helle Stimme und eine kleine Hand zog heftig an Menas Ärmel. Ihre kleine Schwester Kikyo, Spitzname Kiki, sah mit großen runden Augen zu ihr auf. Kiki war erst zwölf Jahre alt aber sie war so klein und zierlich, das viele sie für jünger hielten. Ihre schulterlangen Locken waren schwarz, im Gegensatz zu Menas, doch sie hatten die selben grün gesprenkelten Augen, dieselbe kleine Stubsnase und, wie ihnen ihr Vater immer versicherte, dasselbe künstlerische Talent von ihrer Mutter geerbt. „Mena-onee-san, Limmerick hat mich gebissen! Sieh nur!“ Anklagend reckte sie ihr ihre Hand entgegen, wo am Daumen deutlich ein kleiner roter Halbkreis zu sehen war. „Kiki, was hab ich dir gesagt, du musst vorsichtig mit ihm sein! Limmerick ist keine Schmusekatze sondern ein wildes Tier, du musst ihn vorsichtig behandeln.“ Sie warf dem Kazekagen einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir Leid. Das ist meine Schwester Kikyo.“ An die Kleine gewandt meinte sie: „Oto-san muss im Zimmer oben noch einen Erste-Hilfe-Kasten haben. Da müssten auch Pflaster drin sein.“ „Sind sie nicht, ich hab doch schon nachgeguckt!“ „Dann musst du halt warten bis er vom Markt zurück ist“, meinte sie etwas ungeduldig. „So schlimm sieht es doch gar nicht aus.“ Kiki zog einen Schmollmund und machte nicht die geringsten Anstalten zu verschwinden. Jetzt hatte sie auch noch Gaara entdeckt. „Wer ist das?“, fragte sie neugierig. „Das ist ein Gast und du solltest jetzt besser ein gehen und... und deine Hände waschen oder sowas!“ „Uhuuu!“, machte Kiki und wippte auf ihren Fußballen auf und ab. „Hat Mena etwa einen Freeeeeund?“ Mena spürte wie ihr Gesicht heiß wurde und könnte schwören das es Gaaras Haaren Konkurrenz machte. Ihr 'Gast' beobachtete den Austausch nur neugierig. „Vor allem ist er jedenfalls ein Ninja also verschwinde gefälligst bevor ich ihn dir auf den Hals hetzte damit er dich in hundert kleine Einzelteile zerteilt!“ Sie tat als wolle sie nach Kiki greifen, die, kitzlig wie sie war, noch einmal aufkreischte und dann laut lachend im Haus verschwand. „Nervige kleine Schwester“, meinte Mena mit einem Schulterzucken und einem aufgesetzten Lächeln. „Wo waren wir? Ja, richtig, also der schwierigste Teil ist jedenfalls möglichst reinen Quarzsand zu kriegen. Das machen wir, indem wir-“ Doch schon wieder wurde sie unterbrochen, diesmal durch ein Scheppern im hinteren Teil des Wagens. Mena schalt sich selbst in Gedanken. Ihr hätte klar sein müssen, als Kiki aufgeregt aus dem Wagen kam, dass Limmerick auch da drin hockte. Oh, hoffentlich hatte er nicht die Heusäcke kaputt gemacht! „Einen Moment bitte“, entschuldigte sie sich und krabbelte hinter den Ofen um ins Innere des Wagens zu gelangen. Limmerick saß tatsächlich auf einem der Heusäcke, die an schlechten Tagen als Matratze herhielten. Mena wollte nach ihm greifen, aber das Tier fauchte sie an und duckte sich blitzschnell weg. Im Nu war er an ihr vorbei geschossen und Richtung Ausgang verschwunden. Eilig riss Mena die Plane beiseite – und was sie sah ließ sie unwillkürlich die Kinnlade herunter klappen. Limmerick sprang aus dem Wagen heraus und direkt auf den Kazekagen zu, dessen Augen sich bei dem Spontanangriff erschrocken weiteten. Doch plötzlich... veränderte er sich. Es begann damit das er die Knie beugte wie zum Sprung, die Arme leicht ausgebreitet und die Finger wie Krallen gekrümmt. Er reckte den Kopf als suche er nach etwas und seine Augen... Das war das Faszinierendste von allem, seine Augen schienen die Farbe zu ändern. Mena hätte schwören können, dass sie jadegrün waren aber plötzlich waren sie eher gelblich mit blauen Sprengseln darin. Limmerick, der mit ausgefahrenen Krallen auf Gaaras Gesicht zugesprungen war, wurde mitten in der Luft abgefangen. Der Kazekage krümmte sich leicht zusammen, das widerspenstige Tier fest in den Armen. Er ließ sich einfach auf den Boden fallen, saß an Ort und Stelle im Schneidersitz, Limmerick mit schraubstockartigen Griff an sich gepresst und starrte mit einer Mischung aus Begeisterung und... Hunger auf das kleine Wesen. Am seltsamsten war daran, dass Limmerick nicht einen Ton von sich gab. Für einen Moment dachte Mena, der Ninja hätte das Tier aus Versehen getötet, erkannte dann aber, dass es stocksteif und starr vor Angst nur da hockte und Gaaras Blick erwiderte. Der Sand um die beiden herum wirbelte in unnatürlichen Bahnen um sie herum. „Uhm, das tut mir Leid“, sagte Mena und trat vorsichtig näher. Kurioserweise kam sie sich vor, als würde sie einen heiligen Augenblick stören. „Limmerick ist nicht gerade zahm. Wir haben ihn vor zwei Wochen in einem Wäldchen an der Grenze zum Windland gefunden. Er hatte sich am Bein verletzt und Kiki wollte ihn unbedingt mitnehmen und gesundpflegen. Es... Es ist ein Tanuki.“ Gaara schien sie überhaupt nicht zu hören. Langsam, fast wie in Zeitlupe oder als wenn es ihn große Anstrengung kosten würde hob der Rothaarige eine gekrümmte Hand. Er schien fast zu überlegen ob er dem Tier hier und jetzt den Kopf abreißen sollte – Mena hielt den Atem an – und dann strich er Limmerick einmal von Kopf bis Schwanz über sein braunes, flauschiges Fell. Es war, als hätte man einen Schalter umgelegt. Gaara gab einen zufriedenen Laut von sich und mit einem Mal fiel sämtliche Anspannung von ihm ab. Der Sand um ihn herum fiel wie tot zu Boden als er Limmerick unter die Vorderpfoten fasste und auf Augenhöhe hochhob. Seltsamerweise schien auch der Tanuki auf einmal jede Furcht verloren zu haben. Er zappelte ein wenig in Gaaras Griff, versuchte sich aber nicht ernsthaft zu befreien. Als er einmal nahe genug kam gab er dem Kazekagen sogar einen freundschaftlichen Nasenkuss. Mena hatte noch nie gesehen, dass sich ein Wildtier so verhielt. Aber natürlich oder nicht, die beiden gaben ein unheimlich niedliches Bild ab. Sie konnte ein leises Kichern nicht verhindern. Ruckartig wandten Mensch und Tanuki ihr den Kopf zu, was ihr Kichern nur noch verstärkte. „Entschuldigung“, lachte sie und fragte sich, wie oft sie das heute schon gesagt hatte, „du siehst nur so süß aus mit dem Kleinen!“ Gaara starrte sie aus seinen gelben Augen an, als würde er erst jetzt bemerken, dass sie da war. Er legte den Kopf ein wenig schräg, ob in einer Frage oder ob sie besser zu betrachten wusste sie nicht. Da wurde ihr klar, was sie gerade gesagt hatte. Nicht nur hatte sie den Kazekagen geduzt, sie hatte ihn 'süß' genannt! „Oh, ähm, das – das war nicht so gemeint, ich meine...“, versuchte sie hilflos und wild gestikulierend ihren Fehler wieder gut zu machen, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte. „Du hast mich... süß genannt“, sagte Gaara und irgendwie schien selbst seine Stimme anders zu klingen. Höher, aber irgendwie auch rauer. Sie hatte noch nie eine solche Stimme gehört. „Das nehm ich zurück“, beeilte sie sich zu sagen, wissend wie ungern Jungs es hörten, wenn man sie 'süß' nannte. Jungs waren nicht süß, oder niedlich, oder hübsch. Sie waren sportlich oder attraktiv oder gutaussehend. Aber wie Gaara da saß mit Limmerick fest im Arm als wolle er ihn nie wieder loslassen, fiel ihr nur ein Wort ein ihn zu beschreiben: süß. „Du kannst es nicht zurücknehmen“, knurrte Gaara unwillig – beinah trotzig, wie ein kleines Kind – und drückte Limmerick beschützend noch näher an sich, was dem nun doch leisen Protest entlockte. „Das ist, was du gedacht hast. Das kann man nicht zurücknehmen.“ War er etwa beleidigt, dass sie ihre Worte zurückgenommen hatte? Himmel, was war das für eine seltsame Situation! „Du hast Recht“, sagte sie schließlich und setzte sich vorsichtig neben ihn auf den Boden. „Du bist süß. Ich finde dich sogar sehr niedlich!“ Sie schenkte ihm ein scheues Lächeln (ihr Gesicht war schon wieder knallrot), was er mit einem schiefen Grinsen erwiderte. „Willst... Willst du ihn behalten?“, fragte Mena und deutete auf den Tanuki, der sich ganz verliebt an den Kazekagen schmiegte. „Er scheint dich zu mögen.“ „Natürlich tut er das“, erwiderte der Rothaarige, als wäre überhaupt nichts Seltsames an der Situation. „Er muss bei mir bleiben. Sie würden ihn sonst töten.“ „Töten?“, wiederholte Mena ahnungslos. „Wer sollte ihn denn töten wollen?“ „Sie“, wiederholte Gaara nur stur. „Suna hat sie verboten. Bilder, Statuen, selbst das geschriebene Wort... Sie wurden alle verbannt. Einen lebenden würden sie sofort töten.“ „Was, in Suna... sind keine Tanuki erlaubt? Was für eine seltsame Regel“, meinte Mena. „Aber du bist doch Kazekage. Du kannst das doch ändern, wenn dir soviel daran liegt.“ Gaara sah zu ihr hinüber und runzelte die Stirn. „Kazekage?“, fragte er als hätte er keine Ahnung wovon sie redete. „Ja, du... Ich meine, der Kazekage macht doch die Gesetze, oder etwa nicht?“ „Der Kazekage...“, murmelte Gaara den Blick wieder senkend und diesmal klang es nachdenklich. „Ja...“ Mena stand auf und klopfte sich den Sand von der Robe. Es schien sich erstaunlich viel auf ihnen gesammelt zu haben. „Na komm – ich zeig dir noch den Rest und dann ist Schluss für heute. Unseren Quarzsand, den lagern wir da drüben.“ Zuerst schien Gaara nicht das geringste Interesse daran zu haben aufzustehen, doch bei dem Wort 'Sand' merkte er auf. Er schob Limmerick nach oben bis er auf seiner Schulter hockte und folgte Mena zu ein paar Säcken die hinter dem Wagen gestapelt waren. Das Mädchen öffnete einen von ihnen und zeigte ihm den Sand. Er war deutlich heller als der Wüstensand, etwas grobkörniger und wenn man ganz genau hinsah konnte man erkennen, dass die meisten Körner beinah durchsichtig waren. Mena öffnete den Sack daneben und erklärte: „Das ist normaler Sand ein Stück weit aus der Wüste, der erst noch gereinigt werden muss. Damit man richtigen Quarzsand bekommt ist ein aufwendiges Trennverfahren nötig, das-“ Doch Gaara schien ihr gar nicht zuzuhören. Er streckte lediglich eine Hand aus über dem Sack mit Wüstensand und dieser begann sich zu bewegen. Der Sand schwebte hinauf in die Luft und bildete ein Häufchen daneben, während stetig einige hellere Partikel zurück rieselten. Ein paar Sekunden später war der Sack nur noch zu drei Vierteln gefüllt, doch diese drei Viertel waren das reinste Quarz das Mena je gesehen hatte. „Das“, brachte sie schließlich staunend hervor, „ist wirklich praktisch. Wenn du nicht Kazekage wärst würde ich dich glatt fragen, ob du nicht bei uns anfangen willst.“ „Ich kann nicht“, erwiderte Gaara, als wäre das ein ernst gemeintes Angebot. „Ich habe noch einiges zu erledigen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich halte dich bestimmt nicht auf.“ Er nickte ihr zu und wandte sich ab. Beinah wirkte er wieder wie der ernste Junge von vorhin – nur die Hand, die gedankenverloren Limmericks Kopf streichelte, passte nicht ins Bild. Er war einfach zu süß. Kapitel 3: Ein Meer aus Blut ---------------------------- 4. Sitzung (Juli) „Sie wirken aufgewühlt.“ Und übermüdet. Aber das war zu erwarten gewesen. Gaara schoss mir einen hasserfüllten Blick zu. Das nun war ein wirklich beängstigender Anblick, der mich zusammenzucken ließ. „Wessen Schuld ist das wohl?“, fragte er giftig. Ich antwortete ihm nicht sondern betrachtete ihn nur aufmerksam. Gaara saß etwas zusammengekrümmt auf seinem Sessel, nicht so steif und gerade wie sonst. Den Kopf stützte er erschöpft mit einer Hand ab. Der riesige Flaschenkürbis den er überall hin mitnahm und der für gewöhnlich am Sessel lehnte, war umgefallen und er hatte sich nicht die Mühe gemacht ihn wieder aufzustellen. „Sie haben ein sehr tiefgreifendes Problem“, sagte ich langsam, jedes Wort sorgsam wählend. „Es zu lösen wird ein langsamer, zuweilen schmerzhafter Prozess sein. Vielleicht wird es Monate, vielleicht Jahre dauern, zumal wir aufgrund Ihrer anderen Pflichten nicht allzu viel Zeit zusammen haben.“ Immerhin war unsere letzte Sitzung schon eine ganze Woche her. Um Gaara zu helfen musste ich zwangsläufig zunächst einmal in seinen Wunden herumstochern. Dass das erst einmal zu Rückschlägen führen würde war wirklich zu erwarten gewesen. Stimmungsschwankungen, allgemeine Gereiztheit und Jähzorn waren solche Nebenwirkungen. Erst vor vier Tagen war Temari vollkommen aufgelöst bei mir aufgetaucht, weil sie Gaara nirgendwo hatte finden können. Zuerst war ich auch beunruhigt gewesen. Ich war losgegangen um den Glasbläserstand aufzusuchen, der ihn das letzte Mal so aufgeregt hatte und die Familie gesucht, die ihn betrieb. Die Tür hatte mir ein hübsches junges Mädchen aufgemacht, das fröhlich bestätigt hatte, dass der Kazekage die letzten Tage regelmäßig vorbei gekommen war um ihr bei der Glasherstellung zu helfen. Warum er niemandem gesagt hatte was er tat wusste ich nicht, vermutete aber das er nicht wollte, dass alle über seine Therapie Bescheid wussten. Jedenfalls hatte ich Temari beruhigt ohne zu viel zu sagen. Doch gerade deswegen verwunderte es mich, wie schlecht Gaaras Laune heute war. „Wie ich sehe haben Sie einen neuen Freund gefunden“, sagte ich und deutete mit einem Nicken auf das Fellbündel, dass sich auf dem Schoß des Kazekagen zusammengerollt hatte. Ich musste sagen, dass mich das schon überrascht hatte. Woher nur hatte Gaara diesen Tanuki, wo er doch vor einer Woche noch nicht einmal gewusst hatte, wie einer aussah? „Das ist nicht meiner“, blockte Gaara ab. „Oh? Er scheint sich aber sehr wohl bei Ihnen zu fühlen.“ Gaara sah missmutig auf das Bündel herab. Halbherzig versuchte er es herunter zu schubsen, doch der Tanuki gab nur einen erschrockenen Laut von sich, verhakte seine Krallen fest in Gaaras Roben und warf ihm einen anklagenden Blick zu. „Ich werde ihn einfach nicht los... Er kommt immer wieder zurück, egal wie oft ich ihn auch verjage. Ich habe sogar versucht ihn zu töten, aber...“ Mit einem Mal schien er sichtlich mit den Worten zu ringen. „Was ist passiert, Gaara-san?“, fragte ich sanft. „Der Sand... hat ihn beschützt! “, stieß er hervor. „Vor mir !“ Fassungslos schüttelte er den Kopf. „Der Sand hat sich noch nie gegen mich gewandt. Noch nie .“ „Dann ist es also nicht Ihr Freund... sondern Shukakus.“ Gaara wandte genervt den Blick ab doch ich ließ nicht locker. „Vermutlich sieht das für Sie nicht so aus, aber das ist ein positives Zeichen. Shukaku ist in der Lage, Zuneigung zu empfinden und Freundschaften zu schließen. Und er beschützt seine Freunde, genau wie Sie das tun.“ „Hören Sie-“ Er atmete tief durch und fuhr leiser fort: „Hören Sie auf ihn zu loben. Die letzte Woche war ein einziger Alptraum für mich.“ „Was ist passiert?“ „Das weiß ich eben nicht!“, rief Gaara und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich weiß es nicht, das ist es ja gerade! Im ersten Moment bin ich draußen, alles ist in Ordnung und im nächsten wird alles schwarz und kurz darauf bin ich... Ich bin in einer Wüste, aber es ist keine echte, es gibt keine Sonne obwohl es Tag ist und der Sand gehorcht mir nicht... Ich war schon früher einmal dort. Es ist der Ort, an dem Shukaku wohnt. Deshalb weiß ich, dass wir... die Plätze getauscht haben müssen. Eine ganze Woche lang war ich dort eingesperrt. Ich habe nicht mehr mitbekommen, was um mich herum geschah. Shukaku hätte ganz Suna zerstören können, ohne das ich es bemerkt hätte!“ Eine Hand krallte sich in sein feuerrotes Haar. Der Ausdruck in seinen Augen gab mir einen kleinen Einblick auf die Verzweiflung und den Horror des Unwissenden, dessen Leid darin lag, dass er sich stets das Schlimmste ausmalte. Je mehr schlimme Erfahrungen man hatte (und Ninjas mangelte es erfahrungsgemäß generell nicht daran) desto blühender war dabei ihre Fantasie. Für Gaara musste es in der Tat die Hölle gewesen sein. Nach einer kurzen Weile des Schweigens, begann Gaara wieder murmelnd zu sprechen, mehr zu sich selbst als zu mir. „Aber er hat nichts getan... Niemand weiß wo ich in dieser Zeit war oder was ich gemacht habe.... Aber ich habe mich nicht verwandelt. Es gab nicht einmal irgendwelche bemerkenswerte Zerstörung im Dorf. Niemand ist gestorben, niemand wurde verletzt. Und ich verstehe es einfach nicht. Warum ist niemandem etwas passiert? Das... passt einfach nicht zu ihm. Vielleicht... Vielleicht tut er es nur um mich zu verunsichern. Mich in Sicherheit zu wiegen. Aber ich hätte niemals gedacht, dass er eine solche Chance ungenutzt lassen würde. Ich verstehe einfach nicht warum. Und das... Das macht mir Angst.“ Wieder schwieg er. An seiner Miene konnte ich erkennen, dass er noch immer mit sich kämpfte, also sagte ich nichts. Schließlich seufzte er. „Sie wollen mit ihm reden, nicht wahr?“ „Es wäre zweifellos die einfachste Möglichkeit, die Wahrheit zu erfahren“, gab ich zu. „Aber ich verstehe auch, dass es Ihnen nach dieser Erfahrung unheimlich schwer fallen wird, die Kontrolle wieder abzugeben. Doch wenn Sie das von sich aus tun, scheinen sie trotzdem noch zu bestimmen, was mit Ihrem Körper passiert. Die Übernahme ist nicht komplett. Bisher konnten Sie damit immer gefahrlos wieder zurückkehren. Aber Sie müssen es nicht tun. Wir können auch auf anderem Wege zum Ziel gelangen. Zufälligerweise weiß ich, wo sie in der letzten Woche waren.“ Er riss die Augen auf. „Sie wissen es!?“ „Jawohl. Als Temari auf der Suche nach Ihnen zu mir kam, habe ich mir Sorgen gemacht. Ich bin zu dem Glasstand gegangen, von dem Sie mir letzte Woche erzählt habe. Dort wurde mir gesagt, dass Sie dort tagtäglich vorbei geschaut haben. Ich vermute, dass die Entdeckung ihres kleinen Freundes damit zu tun hat. Sie erinnern sich vielleicht, dass Shukaku letztes Mal bereit war einen Handel einzugehen, weil er die kleine Tanukifigur behalten wollte? Genau das mag seine Schwäche sein. Nachdem in Suna jegliche Spuren seiner tierischen Natur entfernt wurden, ist es durchaus möglich, dass er einen starken Drang verspürt sich ihr wieder anzunähern. Da er beim Glasstand zum ersten Mal einen Hinweis auf die Tanuki erhalten hat, verbindet er ihn und die Leute dahinter nun mit positiven Erfahrungen. Deswegen hat er keinerlei Verlangen sie anzugreifen. Er begibt sich sogar lieber in ihre Gesellschaft als seiner gewohnten Beschäftigung, namentlich dem Töten von Menschen und der Beschädigung von Sachgut nachzugehen. Das ist eine Wandlung, die wir unbedingt unterstützen sollten. Wenn wir diese Theorie bestätigen können, dann haben wir vielleicht endlich einen wirksamen Ansatz für Ihre Therapie gefunden.“ Gaara rang sichtlich mit sich. Einerseits wusste er, dass der ganze Sinn dieser Therapie darin bestand, Shukaku und ihn zur Zusammenarbeit, wenn nicht gar zur Freundschaft zu bewegen. Er kannte die Geschichte der Biju. Er war ein Freund von Naruto Uzumaki, den mit seinem Biju inzwischen eine dicke Freundschaft verband. So sehr er sich auch dagegen sträubte, tief in seine Innern sehnte auch er sich nach einer solchen Verbindung. Doch Shukaku hatte ihm so viel Leid und Schmerz in seinem Leben bereitet, dass er ihm einfach nicht verzeihen konnte. Genau das aber wäre die erste Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. Gaara musste Shukaku verzeihen und ihm Vertrauen entgegen bringen. Das aber konnte nur funktionieren, wenn der Dämon im Gegenzug dieses Vertrauen nicht missbrauchte. „Also gut“, brachte er schließlich hervor. „Aber das ist das letzte Mal. Wenn mir danach noch einmal so etwas... Verrücktes passiert, werden Sie sich gefälligst von mir fernhalten.“ „Einverstanden.“ Der Wechsel ging diesmal viel schneller vonstatten. Gaaras Augen drehten sich in ihren Höhlen und für einen Moment erzitterte sein ganzer Körper. Doch als er aufsah waren seine Augen wieder gelb. Nur diesmal sahen sie mich direkt an. Diesmal war Shukaku nicht blind. Auch der Tanuki hatte den Wechsel bemerkt. Anstatt sich jedoch davon zu machen wie man das von jedem vernünftigen Tier erwarten würde, sprang es aufgeregt auf und begann mit seiner kleinen rauen Zunge über die Wange des Kazekagen zu fahren. Und Shukaku – Shukaku kicherte! „Jetzt verschwinde schon, du kleiner Scheißer“, sagte er ohne eine Spur von Bösartigkeit und schüttelte den Tanuki ab. Das Tierchen kletterte fröhlich auf seine Schulter und gefiel sich offensichtlich sehr in der Rolle eines Winterschals. „Na sieh mal einer an“, begrüßte ich den Dämon lächelnd. „Sie können ja richtig liebenswert sein.“ „Das hättest du nicht gedacht, was?!“, frohlockte Shukaku. „Das ist schon witzig. Achtzehn Jahre lang hab ich dem Zwerg versucht mit einer Sinfonie aus Blut und Tod in den Wahnsinn zu treiben. Dabei wirkt es um Welten besser wenn ich freundlich bin! So verwirrt hab ich ihn noch nie gesehen.“ „Und praktischerweise scheinen Sie sich selbst dabei auch viel wohler zu fühlen“, meinte ich leichthin. „Darf ich fragen, was es mit Ihrem kleinen Freund auf sich hat?“ „Das ist Limmerick“, meinte Shukaku und verzog kurz die Miene. „Bescheuerter Name aber den hatte er eben schon. Dieses Mädchen hat ihn ihm gegeben.“ „Das Mädchen von dem Glasstand?“, hakte ich nach. „Genau die.“ Shukaku kicherte wieder. „Die ist genauso verrückt wie Gaara! Sie findet mich tatsächlich süß!“ Ich verschluckte mich und brauchte ein paar Sekunden, mich zu fangen. „Na das... hört sich doch ganz hervorragend an“, brachte ich schließlich hervor. „Ist das das erste Mal seitdem Sie versiegelt wurden, dass Sie positive Aufmerksamkeit von anderen Menschen erhalten?“ Der Biju runzelte die Stirn. „Hm... Nee, nicht das erste Mal.“ „Ach nein?“ „Nein. Du warst die erste.“ Ich blinzelte. „Und... Gefällt es Ihnen? Ich meine, gefällt es Ihnen besser als Angst oder Hass?“ Der Dämon betrachtete mich misstrauisch. „Weiß nicht. Aber mir würde es gefallen, wenn du endlich aufhören würdest mich zu siezen. Das hört sich total komisch an.“ Ich wertete das mal als gutes Zeichen. „Also schön Shukaku. Du warst jetzt eine ganze Woche lang im Besitz von Gaaras Körper. In dieser Zeit hast du, wenn ich mir diese Augenringe so ansehe, wohl kein einziges Mal geschlafen. Normalerweise würde ich deshalb davon ausgehen, dass du einfach nur tun wolltest worauf du Lust hattest. Aber obwohl mir alle Welt versichert, du würdest immer nur daran denken Menschen zu töten und Suna zu zerstören, hast du weder das Eine noch das Andere getan. Nach dieser Woche hast du Gaara sogar seinen Körper zurück gegeben. Allerdings kann ich das auch nicht wirklich als freundliche Geste bezeichnen. Immerhin scheinst du Gaara komplett ausgeschlossen zu haben. Du hättest ihn wenigstens sehen lassen können was du tust, damit er sich keine Sorgen macht. Das macht das Ganze zu einer ziemlich widersprüchlichen Aktion. Wenn ich raten müsste würde ich sagen, dass du nicht stark genug warst übermäßig viel Zerstörung anzurichten. Andererseits wolltest du die freie Zeit die du hattest auch nicht ungenutzt lassen und hast dir deshalb angenehme Gesellschaft gesucht. Liege ich da richtig?“ Shukaku starrte mich an. „Du... kannst echt gruselig sein, weißt du das? Wie zum Teufel hast du das erraten?“ „Ich lebe mit zwei sehr verschwiegenen Massenmördern zusammen. Da lernt man sowas“, erwiderte ich leichthin. „Also? Wie genau lief die Sache ab?“ Shukaku antwortete nur sehr widerwillig. „Ich war... etwas voreilig, das gebe ich ja zu. Als der Zwerg ewig nicht umkippen wollte, hab ich angefangen ihm noch zusätzlich Kraft abzuzapfen und zu speichern. Ich hab mentale Energie gesammelt. Nur noch ein paar Wochen und ich wäre so weit gewesen, ihn komplett zu übernehmen! Aber ich hab es zu früh gemacht. Er hat sich mir widersetzt und ich hab es nur geschafft ihn zurückzudrängen... Wenn wir... Wenn wir töten, dann schöpfen wir daraus Kraft“, sagte er eifrig. „Unser Blutdurst verstärkt unser Chakra nur noch! Aber diese Kraft geht direkt ins Unterbewusstsein. Normalerweise kriege ich sie. Aber hätte ich in dieser Woche jemanden getötet, hätte das nur dem Gartenzwerg mehr Kraft gegeben. Vielleicht genug, damit er mich wieder rauswerfen kann.“ „Und jetzt ist alles wieder auf Anfang.“ „So ziemlich“, meinte der Dämon etwas niedergeschlagen. „Hm... Also ich würde mich wohl kaum als Experte im Besitzergreifen von anderen Menschen bezeichnen“, meinte ich und musste unweigerlich an Itachi denken, der darin sehr viel besser war, „aber ich denke doch, dass du nicht noch ein halbes Jahr warten willst, bis du wieder etwas... Spaß haben kannst, richtig?“ Shukaku hob den Kopf. „Wie meinst du das?“ „Ich habe dich in unserer ersten Sitzung gefragt, was du so den ganzen Tag gemacht hast, als du noch nicht versiegelt warst. Das heißt, wenn du nicht gerade Menschen tötest. Du warst dir deiner Antwort unsicher, weil es schon so lange her ist. Aber jetzt hattest du eine ganze Woche Zeit, darüber nachzudenken. Vielleicht bist du jetzt schlauer als vorher?“ Shukaku zuckte mit den Schultern. „Naja, ich hab ein bisschen mit Limmerick gespielt. Hab ihm gesagt wo er in der Wüste Wühlmäuse findet und ihn beobachtet wie er sie jagt... Ich hab ihm ein paar Tricks beigebracht. Und dann war ich bei diesem Mädchen, ich vergess ständig den Namen, und hab ihr beim Sandtrennen geholfen.“ „Sandtrennen?“ „Naja, die braucht doch nur die Hälfte für ihr Glaszeugs. Das ist ein bisschen wie Puzzeln.“ Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Weißt du was... ich glaube, wir haben endlich einen gemeinsamen Nenner für euch beide gefunden!“ „Einen was?“ „Gaara ist doch ein Ninja. Und Ninja sind doch ständig daran interessiert stärker zu werden. Glaubst du, du könntest ihm vielleicht helfen mit euren Kräften nicht nur Sand, sondern auch Glas frei zu bewegen und zum Angriff zu benutzen?“ Shukaku runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Dafür kenn ich mich mit Glas nicht so aus. Und was die Göre mir ständig erzählt ist so langweilig. Mir macht nur das Puzzeln Spaß.“ „Naja, für die Entwicklung einer solchen Ninjakunst braucht man wahrscheinlich... einen Ninja. Dafür müsstet ihr beide schon zusammen arbeiten. Außerdem weiß ich in Konoha von einem Clan, der beispielsweise Hunde benutzt und ihnen richtige Ninjatechniken beibringt. Nicht nur zum Aufspüren, auch für den Angriff. Mit Gaaras Wissen und deiner Affinität zu Limmerick könntet ihr auch ihn gemeinsam trainieren. Ihr müsst ihn ja nicht direkt im Kampf benutzen, aber es wäre doch schön zu wissen, dass er sich im Notfall verteidigen kann, oder?“ Shukakus Augen leuchteten auf. „Das... ist gar keine so schlecht Idee. Es könnte richtig Spaß machen!“ „Siehst du.“ Ich lächelte. „Glaubst du, Gaara wäre damit einverstanden?“ Shukaku starrte für ein paar Sekunden an die Decke. „Ist er“, sagte er schließlich. „Tatsächlich? Das ging schnell.“ Schulterzucken. „Naja, er meinte so: Nur wenn du nie wieder versuchst meinen Körper zu übernehmen! - Und ich dann so: Ha! Irgendwann wirst du mich drum bitten. - Und er so: Niemals! Und ich: Woll'n wir wetten? - Und der scheiß Zwerg wird sich noch sowas von wundern...“ Ich grinste noch breiter. Shukaku wusste sehr wohl, dass es ihm nicht noch einmal gelingen würde, Gaara so zu überrumpeln. Er hatte auch eingesehen, dass eine Zusammenarbeit ihn viel eher ans Ziel oder doch wenigstens zu einem Kompromiss bringen würde. Deswegen war er so schnell auf Gaaras Forderung eingegangen und versuchte dies nun zu überspielen. Der Dämon gab dann auch tatsächlich den Kazekagen von selbst wieder frei. Ich musste ihn nicht einmal dazu auffordern – was ein erstes Mal war. Ausnahmsweise schien mir Gaara auch nicht sofort an die Gurgel springen zu wollen. Ich mochte es mir einbilden (bei dieser perfekten emotionslosen Maske war das wirklich nicht leicht zu erkennen) aber ich glaube, er musterte mich mit so etwas wie widerwilligem Respekt. „Den blutrünstigsten Dämon der Welt mit einer noch gefährlicheren Waffe zu locken... Sie müssen wirklich Mut in den Knochen haben, ihn auf so eine Idee zu bringen“, sagte er, jedoch ohne echten Vorwurf. „Solange er in Ihren Händen ist, mache ich mir keine Sorgen“, erwiderte ich freundlich und stand auf. „Wir werden sehen, wie sich die Lage bis zur nächsten Sitzung verändert. Wenn Sie an diesem neuen Jutsu arbeiten, wäre es vielleicht hilfreich die Glasbläser noch einmal aufzusuchen.“ Gaara nickte. „Das werde ich wohl tun müssen. Aber zuerst habe ich eine ganze Menge Arbeit, die auf mich wartet.“ „Wir sehen uns dann nächste Woche, Kazekage-sama.“ Er nickte mir zum Abschied zu. Auf dem Weg nach draußen hätte ich schwören können ich hörte ihn etwas murmeln, das klang wie: „Wie zum Teufel kann man Shukaku 'süß' finden?“ * Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, als ich an diesem Tag zurück ins Hotel ging. Mir fiel als erstes auf, dass Itachi mir nicht folgte. Wann immer ich bisher eine Sitzung gehabt hatte, war er mir still und leise gefolgt. Nicht das ich ihn wirklich gesehen hätte. Aber meine Sitzungen waren ja nie alle genau gleich lang. Damit Itachi mich stets zurück begleiten und praktisch schon an der Türe abholen konnte, musste er das Haus auch während der Sitzung beobachten. Diesmal erwartete mich niemand. Natürlich hatten wir niemals tatsächlich abgesprochen, dass er mich abholen würde. Er hatte es einfach getan. Das hatte ich ihm nie verboten, aber ich hatte es auch nicht als Kompliment gesehen. Er tat es nicht, jedenfalls nicht hauptsächlich, um mehr Zeit mit mir zu verbringen, sondern um etwaige Attentäter abwehren zu können. Wenn er sich heute diese Chance entgehen ließ, musste etwas passiert sein. Mit einem äußerst ungutem Gefühl machte ich mich auf den Weg zurück zum Hotel. Vorort schien zunächst noch alles normal. Lediglich die Theke war nicht besetzt, nirgendwo war ein Portier zu sehen. Es war unheimlich still. Obwohl es mitten am Tag war schien niemand da zu sein. Meine böse Vorahnung verstärkte sich noch mehr. Vielleicht begann ja Itachis Paranoia auf mich abzufärben aber ich wünschte mir gerade wirklich, er wäre an meiner Seite. Wäre ich mir nicht ziemlich sicher gewesen, dass er oder einer seiner Doppelgänger doch irgendwo in der Nähe war, wäre ich vermutlich sofort wieder umgekehrt. Die Frage war nur, warum zum Teufel er sich nicht sehen ließ. Langsam stieg ich die Treppen hinauf. Als ich die Tür zu unserem Apartment aufschließen wollte, zitterte meine Hand leicht - doch sie war überhaupt nicht verriegelt. Ungläubig stieß ich die Tür auf und trat ein. "Itachi?", rief ich in die Stille hinein. Meine Stimme klang unsicher und auch zu nicht geringem Maße ängstlich. "Itachi, wo bist du?", fragte ich und verkniff mir ein panisches 'Das ist nicht witzig!' Itachi machte keine Witze. An der Tür zum Wohnzimmer blieb ich erstarrt stehen. Da war... eine Pfütze. Eine dunkelrote Pfütze einer klebrigen Flüssigkeit. Wie in Trance beugte ich mich herab und rieb ein wenig davon zwischen den Fingern. Das Blut war noch warm. Ich richtete mich wieder auf - und seufzte. Erleichterung machte sich in mir breit. Für einen Moment hatte ich wirklich geglaubt, Itachi wäre etwas passiert. Aber es war vollkommen unmöglich Itachi Uchiha still und heimlich umzubringen, ohne auch nur das Hotel in die Luft zu jagen. Für die friedlichen Beziehungen zwischen Konoha und Suna war es jetzt auch nicht unheimlich förderlich, wenn mein Freund hier Amok lief. Aber es war allemal besser als wenn ihm selbst etwas passiert war. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stieß die Tür auf. Das Blut... Es schien überall zu sein. Die Lache auf dem Boden war riesig. Sie zog sich von der Tür bis hinüber zu den Sofas. Rote Spritzer waren an den Wänden, auf den Möbeln und selbst auf der Deckenlampe verteilt. Ein einzelner Mensch könnte unmöglich so viel Blut besitzen. Es war ein absolutes Horrorbild. Selbst mir, die ich Uchiha sei dank schon mehr Leichen gesehen hatte als gut war für eine geistig gesunde Person war, ließ dieser Anblick das Blut in den Adern gefrieren. Dann fiel ein einzelner Lichtstrahl durch die zugezogenen Vorhänge. Die Reflexion, der kleine weiße Punkt inmitten des Rots, passte so gar nicht in dieses Bild des Schreckens, dass ich unwillkürlich davon angezogen wurde. Es war... ein Ring. Ein keiner, filigraner Silberring, schlicht aber edel ohne Stein oder andere Verzierungen. Fasziniert hob ich den kleinen Gegenstand auf. Was mochte denn ein solcher Ring inmitten eines Alptraumes machen? Nein... Das war die falsche Frage. Was bedeutete ein Ring, ein Ring befleckt mit Blut? Hinter mir fiel die Tür geräuschvoll ins Schloss. "Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich das tun würde ", flüsterte eine Stimme hinter mir. Wie zur Salzsäule erstarrt stand ich da mit dem Rücken zu ihm und wagte mich nicht einen Millimeter zu bewegen. Der Atem stockte mir in der Brust. "Ich wollte, dass es dir angemessen wäre. Ich wollte dir damit zeigen, wie sehr ich... dich liebe. " Langsam wandte ich mich um. Da stand ich nun, eine einsame, verlorene Gestalt mit großen Augen in denen Tränen glitzerten, die Hände vor dem Herzen um diesen kleinen Silberring geschlossen als wäre er die eine Rettungsleine, die mich vor dem Ertrinken bewahrte. Itachi sah grässlich aus. Die dunklen Augenringe gaben seinem ohnehin schon blassem Teint einen ungesunden Ton. Seine roten Augen waren leblos, ganz ohne das übliche gefährliche Glitzern. Nicht eine Regung konnte man von seinem Gesicht ablesen und doch strahlte seine ganze Erscheinung für mich eine ungeheure Traurigkeit aus. Es mochte an meiner eigenen emotionalen Abhärtung oder aber einfach an meinem für die Uchiha reservierten Tunnelblick liegen, dass ich all das Blut das seine Kleidung, teilweise gar sein Gesicht bedeckte, erst auf den zweiten Blick wirklich wahrnahm. "Aber wann immer ich mir dich in einem... romantischen Licht vorstelle, verwandeln sich Blütenblätter in rabenschwarze Federn, das Feuerwerk wird zum roten Mond und der Strand zu einem Meer aus Blut", wisperte Itachi. "Ich bin... ein gebrochener Mensch. Egal wie viel du auch tust um mich zu heilen, ich werde diese Narben immer besitzen. Da wird immer Blut an meinen Händen sein. Also dachte ich mir... Wenn ich dir all das zeige, all das Schreckliche und Grauenhafte das mich ausmacht und du mich trotzdem ohne Zögern annimmst... dann will ich es versuchen." Er trat zu mir, die ich mich noch immer nicht von der Stelle gerührt hatte und legte mir sanft eine blutbefleckte Hand an die Wange die dort rote Spuren hinterließ. "Chinatsu, willst du mich heiraten? " Ich schluckte schwer. Das Atmen schien mit einem Mal eine echte Herausforderung zu sein.Ich konnte ihn nur anstarren. „O-Ob ich...?“ Das konnte doch nicht... Ich musste träumen, richtig? Itachi hatte nicht wirklich... und in dieser Umgebung... Oh, was für ein geistesgestörter, verrückter Psychopath er doch war! Mein verwirrter Blick wurde etwas sanfter und ich brachte sogar ein Lächeln zustande. Ich legte meine Hand auf die seine, die noch an meiner Wange lag und schenkte ihm einen langen Blick. „Das ist zweifellos der... persönlichste Antrag von dem ich je gehört habe.“ Ich streifte mir den Ring über und schlang meine Arme um seinen Hals. „Nur du könntest dir so einen Unsinn ausdenken“, flüsterte ich zärtlich. „Ist... das ein ja?“, fragte er vorsichtig und ich kicherte leicht bei seinem ungläubigen Blick. „Ja, das ist ein 'ja'“, erwiderte ich neckisch. „Ich will dich heiraten, Itachi.“ Und plötzlich... ging die Sonne auf. Es war das erste Mal... Das erste Mal, seit ich Itachi kennen gelernt hatte... das ich ihn derart glücklich lächeln sah. Kein zaghaftes Zucken der Mundwinkel sondern ein richtiges, ausgewachsenes Lächeln mit blitzenden Zähnen und funkelnden Augen und allem. Da standen wir beide, in einem Meer von Blut und es war ein absolut perfekter Augenblick. Jedenfalls dachte ich das, bis Itachi sich zu mir beugte um mich zu küssen. Das ließ mich regelrecht abheben. Ich konnte mir denken (nicht in diesem Moment, aber später, als ich wieder in der Lage war einen klaren Gedanken zu fassen) dass Itachi selbst nicht damit gerechnet hatte. Ich glaube fast, dass er dieses an sich scheußliche Szenario inszeniert hatte um mich von sich fortzutreiben, wie er es sonst immer mit allen Personen tat die ihm nahe kamen. Es war ein letzter Ausweg für mich gewesen, von ihm fort zu kommen, nicht hinein gezogen zu werden in die brutale Welt der Ninja und vor allem dem Chaos, das Itachis Leben war. Meiner Meinung nach war es dafür längst zu spät, aber Itachi, überzeugt das ich diesen letzten Schritt nicht tun würde, hatte sich selbst wohl beweisen wollen, mich nicht verdient zu haben. Eine eigene Familie nicht verdient zu haben. Aber ich... Ich war mit den Brüdern schon durch so vieles gegangen. Ich hatte Schreckliches gesehen, gehört und erlebt und nie war ich zurückgeschreckt. Ich war es mittlerweile schon so gewohnt, dass die beiden in ganz gewöhnlichen Situationen überreagierten, dass es mich gar nicht mehr aus der Ruhe bringen konnte. Wo andere ein Meer von Blut sahen, sah ich die Scherben einer zerbrochenen Seele, die es aufzusammeln galt. Wo jeder um sein Leben fürchten würde sah ich nur Itachis glühende Augen und seine starken Arme, die mir Schutz versprachen. Wo die Vernunft einem raten würde auf der Stelle kehrt zu machen, riet mir mein Herz nach vorn zu schreiten. Wenn ich bei Itachi bleiben wollte, musste ich mich in den finstersten Abgrund begeben. „Ich liebe dich, Itachi“, flüsterte ich, als wir uns endlich voneinander lösten. „Und ich will dich heiraten. Aber wenn wir da gerade in den Überresten von Suna-Ninjas stehen, dann solltest du mir Bescheid geben. In dem Fall sollten wir unsere Flitterwochen nämlich am anderen Ende der Welt verbringen.“ Itachi sah sich um, als wäre ihm die Schweinerei erst jetzt aufgefallen. „Oh... das“, machte er. Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Er hatte es nicht wirklich vergessen, oder!? Scheinbar doch. Mein Lieblingsuchiha sah noch immer ganz selig und unbekümmert aus. Er grinste mich sogar an. Itachi! Grinste! Das hätte ich vielleicht von Sasuke erwartet, aber von ihm... „Das ist nur ein Bandit der dir auf dem Weg hierher die Handtasche klauen wollte.“ Ich blinzelte. „Ist das dein Ernst? Denn weißt du, ich glaube daran würde ich mich erinnern.“ „Glücklicherweise habe ich ihn erwischt, bevor er dir zu nahe treten konnte“, murmelte er und drehte spielerisch eine meiner Haarsträhnen zwischen seinen Fingern. Nicht eine Sekunde lang wandte er den Blick von mir. Ich glaubte ihm kein Wort. So viel Blut konnte unmöglich von einer einzigen Person stammen. Aber mir war klar, dass es unmöglich sein würde ein Beziehung (geschweige denn eine Ehe... und bei Kami, klang das nicht seltsam?) mit Uchiha Itachi zu führen, wenn ich nicht über ein paar Leichen hinwegsehen konnte. Wieder spürte ich Itachis Hand sanft an meiner Wange, doch als ich seinen Blick traf war er wieder voller Ernst aber auch... Verwunderung. „Du glaubst gar nicht wie unheimlich schwer das für mich war“, murmelte er. „Wie lange ich darüber wach gesessen habe. Und doch schaffst du es immer mich mit ein paar Worten aus meinem Trübsinn zu holen. Egal was ich auch tue, wenn ich mit dir zusammen bin... kann ich mir selbst dafür verzeihen weil ich weiß, dass du mich akzeptierst. Du bist... eine unglaubliche Frau, Chinatsu.“ „Naja“, meinte ich und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, „wenn ich bald eine Uchiha sein werde muss ich ja schon mal üben, richtig?“ Er schenkte mir ein warmes Lächeln, das mich in seinen armen glatt dahinschmelzen ließ. „Siehst du? Genau das meine ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)