Ein ungleiches Paar von Frostkatze ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Zeit, mich zu benutzen“, stand in übergroßen Buchstaben quer über den Einband geschrieben. Rufus hörte ein weiteres warnendes Krächzen, das aufgeregte Flattern von Flügeln, und das unheilbringende Zischen eines Pfeils. Rufus hörte wie der Pfeil einschlug. Wie Fleisch und Knochen der Spitze des Geschosses nachgaben. Und wie der kleine Körper des Raben zu Boden stürzte. Der Junge lugte vorsichtig hinter dem schützenden Bett hervor und sah Lonán, seine zuckenden Flügel und die schwarze Pfütze die sich um ihn herum ausdehnte... Schwarzes Blut...?! Bildete er sich das vielleicht nur ein? Tatsächlich quoll eine zähe, schwarze Flüssigkeit aus der Wunde. Als der Rabe seinen letzten Atemzug tat zerfiel er zu schwarzen Staub der sich, wie von einem Windhauch getragen, schnell durch den Raum bewegte. Die Wolke wehte an den in schwarzen Lederhosen steckenden Beinen des Schützen vorbei, der so überrascht war dass er seine Waffe sinken ließ, und kroch mühelos durch den dünnen Türspalt. Der vermummte junge Mann drehte sich um, sah der Wolke nach wie sie durch den Spalt verschwand und fluchte leise. Dann riss er seinen Bogen abrupt wieder hoch und zielte erneut auf Rufus. „Das Buch!“ sagte er laut und kam langsam näher, so, als fürchte er sich vor Rufus. Oder dem Betrayal. Der Junge presste das Buch an seine Brust und stand vorsichtig auf. Er bewegte sich aus der Lücke zwischen den Betten heraus und rückwärts weg von dem Mann, dessen Gesicht mit einem schwarzen Schal und einer tief heruntergezogenen Kapuze verhüllt war. Nur die dunkelbraunen, fast schwarzen Augen und ein wenig helle Haut waren zu sehen. „Junge, gib mir das Buch!“ knurrte der Schütze. Er steckte den Pfeil schnell zurück in seinen Köcher und legte sich den Bogen um, zückte stattdessen einen Dolch mit dem er Rufus halbherzig bedrohte. „Zwing mich nicht dazu dich zu töten!“ sagte der Mann und klang dabei schon fast verzweifelt. Er streckte seine Hand nach dem Betrayal aus und Rufus lockerte seinen Griff, er hielt es mit beiden Händen am Buchrücken fest, hob es dem Schützen entgegen und schlug es, kurz bevor der Mann es an sich nehmen konnte, mit all seiner Kraft in das Gesicht seines Gegners. Es knackte hörbar und Blut tropfte aus der Nase des Mannes auf den Boden des Krankenquartiers. Tränen blendeten den jungen Mann lange genug dass Rufus an ihm vorbei rennen konnte. Er stürzte zur Tür, langte nach der Klinke und riss sie auf. Dann erstarrte er, weil sein Fluchtweg von einem muskulösen Körper blockiert wurde. Als seine braunen Augen zu einem 2,10m großen Mann aufblickten schrie er kurz erschrocken auf und torkelte einen Schritt zurück. Der kalte Schweiß brach bei ihm aus. Dieser Mann hatte die groben und grimmigen Gesichtszüge eines Nordmenschen, ein breiter Kiefer der drohend malmte und hellblaue Augen die kalt wie Eis wirkten. Sein hüftlanges blondes Haar war zu einem strengen Zopf zusammen geflochten und pendelte bei jeder seiner Bewegungen wie der Schwanz einer unruhigen Raubkatze hin und her. Seine große, blasse Hand schnellte auf Rufus zu und packte den Jungen am Kragen, zog ihn nach draußen und schubste ihn in den Gang hinein. Der blonde Riese mit dem zu zwei Zöpfen geflochtenem Bart zückte zwei handliche Äxte mit doppelter Schneide, die in einer Halterung auf seinem Rücken auf ihren Einsatz gewartet hatten, und stürmte den Raum. Eine Sekunde später drang der Kampflärm durch die offen stehende Tür in den dunklen Gang. Aus einen dem Jungen unbekannten Grund waren sämtliche Fackeln erloschen, deshalb sah Rufus nicht über wen oder was er da stürzte. Er konnte nur spüren, wie er etwas umriss, das nicht größer als 1,40m sein konnte. Derbe Flüche wurden von dem Wesen, das er unter sich begrub, ausgestoßen. Rufus sprang schnell wieder auf die Beine, verlor aber das Gleichgewicht und landete auf seinem Hintern. Im Zwielicht sah er zu einem kleinen Mann auf, mit recht kurz gehaltenem, rotbraunem Bart und ungefähr schulterlangem, welligem Haar in der selben Farbe, das er mit einem Lederband locker zusammengebunden hatte. Er trug ein Lederwams, eine dicke, abgenutzte Stoffhose und wuchtige, schwarze, verstaubte Stiefel mit Schnallen. Auf seiner blassen Stirn prangte eine Brille mit dicken, runden Gläsern welche die Augen vor Staub und anderem Dreck schützen sollte und an seinem breiten Gürtel hingen allerhand prall gefüllte Taschen und Werkzeuge. „Glotz' net so!“ blaffte der Zwerg Rufus an, streckte dem Jungen aber die Hand hin um ihm beim Aufstehen zu helfen. Er klopfte dem Jungen den Staub von der Hose, nahm ihn am Arm und zuckte mit dem bärtigen Kinn in Richtung der offen stehenden Tür. „N'kleener Rat Jungchen: Wenn mehn Kumpel Jaromir sisch klobbt, dann sollteste ordentlisch Abstand nehme.“ meinte der Zwerg und zog Rufus hinter sich her, ein Stück weiter weg von der offenen Tür in die Dunkelheit des Ganges. Gerade wollte der Junge protestieren als er hörte wie hinter ihm etwas in die Wand einschlug. Er fuhr herum und sah eine blutverschmierte Handaxt die in der Mauer steckte, etwa auf Höhe seines Halses. Ohne es zu wollen schluckte er schwer und fasste sich mit einer Hand an die Kehle, die andere presste das Buch weiterhin an seine Brust. Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann hallten schwere Schritte aus dem Raum, wurden lauter als der Riese namens Jaromir sich durch die Tür duckte und zu dem Zwerg und Rufus kam. Dunkle Spritzer waren über das Gesicht und das einfache, helle Hemd des Mannes verteilt und auch auf seiner Hose und den Stiefeln waren Spuren des Kampfes. Eine Wunde, aus der das Blut hätte stammen können, suchte Rufus allerdings vergebens. Der Mann hatte nicht einen Kratzer. Rufus merkte gar nicht, dass er den Krieger aus großen Augen anstarrte. Erst als der Zwerg ihn in die Seite boxte zuckte der Junge heftig zusammen und wich vor den beiden zurück, wobei er immer weiter in die Dunkelheit abdriftete. „Wer seid ihr eigentlich!?“ wollte der junge Hüter wissen und drückte das Betrayal fest an sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)