Blur - Ancient Curse von AraniShadon ([Aoi & Kai] [Ruki & Uruha] [Karyu & Zero] [MC] [Singlework]) ================================================================================ Kapitel 16: 15 -------------- 15 Rukis Zauber hatte sie in das Innerste des Heiligtums gebracht. Genau vor die Füße der Hohepriesterin Maikira, wo sie alle in einem wirren Knäuel in und übereinander verschlungen dalagen. Wie Puppen, die man kaputt gebrochen und weggeworfen hatte. Hizumi regte sich als erster, befreite sich von Ruki und Reita. Kai und Ari hielten einander in einen Todesgriff und es war schwer zu sagen, wer von beiden heftiger zitterte. Uruha erhob sich nur halb; sein langes Haar lag über seinem Gesicht und verschleierte es. Maikira kniete sich hin, um die langen Strähnen beiseite zu nehmen. Schock war es, dass sie in den Augen der Gruppe lesen konnte. Schock, Trauer, Zerrissenheit und das hier, im Allerheiligsten, wo negative Emotionen Gift waren. Ein Ort, den Ruki niemals hätte wählen dürfen. Doch sie waren hier und nun galt es, den bereits entstandenen Schaden zu minimieren. Derart viele Gefühle würden den Herrn Kistaras aus dem heilenden Schlaf reißen, in welchen ihn die Hohepriesterin versetzt hatte. Ihr Blick glitt zu ihrem Mann, stumm stellte sie ihre Fragen. Was war geschehen? Warum waren sie hier? Nichts von außen drang je an diesen Punkt mitten im Berg, zu abgeschirmt war er durch Fels aber auch durch mächtige Magie. Hier unten war alles bar jeder Gefühle, die in der Außenwelt regierten. Hizumis Antwort war ebenso stumm. Etwas furchtbares war geschehen. So grässlich, dass die Lippen des stolzen Mannes blutleer waren. Sie presste ihre Zähne aufeinander, dann schoben sich ihre großen Hände unter Uruhas Arme. „Hoch mit dir!“, kommandierte sie. Jahre, die unter Befehlen wie diesen gelebt worden waren übernahmen den Körper des Generals und ihm folgte der Rest, bis sie alle standen und in einen angrenzenden Raum geleitet werden konnten. Erst dort erhob Hizumi das Wort, erzählte seiner Frau von Zero, von Karyu und den Schwingen, von der Hölle, die aus dem Himmel auf Ulka hinab gestützt war und auch das Herz der Hohepriesterin zog sich zusammen. Automatisch fiel ihr Blick auf Kaoru, doch der Hoheelf zeigte keine Reaktion. Seine Gesichtszüge waren leer, die Hände gegen die Oberschenkel gepresst. Wie eine Statue stand er neben dem Lager auf dem Ruki breitbeinig saß, die Hände auf den Knien und den Kopf dazwischen. Die Nachwirkungen, die Magie des Allerheiligsten gestört zu haben, wogen schwer auf dem Auge Aois. Maikira schöpfte Wasser, das sie erst an Ari und Kai reichte, dann auch an Uruha. Dessen Mund zuckte ganz kurz, der Hauch eines dankbaren Lächelns. Sie erwiderte es, derweil sie einige Frauen zu sich orderte, die sich um das weitere Wohl der Gruppe kümmern würden. Sie selbst musste zu Aoi zurück und nachsehen, ob dieser in irgendeiner Form affektiert worden war. Dies teilte sie auch ihrem Mann mit, der brummte. Hizumi war mit den Gedanken bereits bei einer möglichst sicheren Route nach Ulka, auch wenn er im Grunde nicht daran glaubte, dass sie sich vor Zero und Karyu verbergen konnten, wenn diese beiden einen weiteren Angriff führten. Es sah übel aus. Wirklich übel. Neben ihm erhob sich Kai, als sich Maikira zum Gehen wandte. Er griff nach ihrer Hand, hielt diese fest. „Wie geht es ihm?“ Sie legte ihre freie Hand über die den jungen Menschen. „Er lebt. Unser Herr ist stark.“ „Ich will ihn sehen.“ Maikira schüttelte den Kopf, löste ihre Berührung. Sie empfand Mitleid für den Menschen, wirklich, das tat sie, aber Aoi war zu wichtig, als das sie dies zulassen konnte. Der Herr Kistaras musste leben und ihn zu isolieren war er einzige Weg. Es hatte lange gedauert, das Netz zu spinnen, dass die verlorene Seele zum Körper zurück führte und es war zu empfindlich, konnte mit einer unbedachten Bewegung zerrissen werden. Sanft strich sie mit dem Daumen über eine der blassen Wangen, ein schwacher Trost und nicht das was Kai wollte. Aber ihre Antwort stand fest. „Nein.“ „Warum nicht?“ Kais Stimme war leise und ruhig nach außen hin, aber in seinem Inneren wütete ein Sturm. Er war es so leid! War er nicht brav gewesen? Hatte er sich nicht allen Befehlen unterworfen und gemacht was sie alle von ihm gewollt hatten? Warum konnten sie nicht verstehen, dass er einfach nur bei dem Mann sein wollte, den er liebte und den er das letzte Mal gesehen hatte, als dieser gegen einen übermächtigen Feind angetreten war? Niemand von ihnen konnte sich vorstellen wie es war, dabei zuzusehen! Wie machtlos man war, wie hilflos. Er hatte nichts machen können! Gar nichts! Und jetzt war er in genau der gleichen Situation. Nur, dass es ihm schlicht verboten wurde und das konnte er nicht hinnehmen. Maikira runzelte ein wenig die Stirn. „Er ruht und würde nichts außer deiner Aufgewühltheit fühlen, die ihm Schaden zufügen würde“, erklärte sie sanft doch Kai hörte die Antwort nicht. In seinen Ohren gab es nur Rauschen, als sich all die Sorge, die Angst und der Schock zu einem harten Ball in seinem Bauch zusammenzogen und dort eine ungeahnte Wut entfachten. Zorn, der ihn nun antrieb. Zorn, der alles rationale Denken hinwegfegte. Störrisch den Kiefer zusammen gepresst, starrte er kurz geradeaus, fixierte und setzte sich ruckartig in Bewegung. Geradewegs auf die Doppeltür zu, die vorhin so sorgsam geschlossen worden war. Maikira aber auch Ari waren mit wenigen Schritten an seiner Seite. Die Hohepriesterin versuchte Kai mit einer Hand auf der Schulter zu stoppen, doch er schüttelte sie grob ab, knurrte sogar. Die Brauen zusammengezogen stellte sie sich Kai in den Weg, aber Kai drückte mit der Schulter gegen sie, hebelte ihren Stand aus und stürmte weiter voran. Weit kam er nicht, andere Priesterinnen mischten sich ein, hielten ihn an den Armen. Sie redeten in strengen, gewisperten Worten auf ihn ein, das wusste Kai, weil er sah, wie sich ihre Lippen bewegten. Aber es war ihm egal, er wand sich wie ein Aal, packte die nach ihm greifenden Hände. Ari sprang zu ihm in die Bresche, half Kai sich zu befreien, was wiederum Tumult unter all den anderen Anwesenden auslöste. Es wurde gebrüllt, gekeift, gezerrt und Waffen gezogen, hitzige Duelle entstanden zwischen den Vogelfreien und den Generälen Aois. Kai ignorierte es, sein einziges Ziel waren die noch immer verschlossenen Türen. Niemand würde ihm verweigern zu Aoi zu gehen, diesen zu halten und sich zu vergewissern das sein Dämon noch am Leben war! Niemand rechnete in all dem wilden Durcheinander damit, dass es Aoi war, der zu ihnen kam. Der Herr Kistaras schob sich durch die ein Spalt weit geöffnete Tür wie ein Kind, dass noch nicht Kraft genug besaß, sie ganz zu öffnen. Er lehnte sich mit dem Rücken an diese, um sie wieder zu schließen und dann beobachtete die Wesen, deren Geschrei und wüstes Ringen laut genug war, um an den Wänden widerzuhallen, die Jahrhunderte lang nichts als Stille gekannt hatten. Seine Stimme würde nicht laut genug sein, sie zu stoppen, dass wusste er. Aoi blinzelte langsam, suchte und nutzte das mentale Band, das er zu seinem Mund hielt. Seit jeher hatte Uruha den feinsten Sinn für Veränderungen und auch nun registrierte er es sofort. Er ließ davon ab, Rukis Arm zu halten, der im Begriff war eine der Priesterinnen grob zu schubsen. Stattdessen packte er die Hand des Auges und riss ihn zu sich herum, um ihm zu zeigen was er sah. Das Schnarren auf den Lippen Rukis erstarb, seine Muskeln entspannten und aller Kampfgeist löste sich in Luft auf. Die Reaktion veränderte die Atmosphäre des Raumes, alle blieben wie festgefroren in ihrer letzten Handlung. „Aoi.“ Niemand wusste, wer den Namen sagte, aber in dem Nachhall rauschten alle in einer Welle auf den Dämon zu, umringten ihn, Hände gestreckt und doch zögerten sie ihn zu berühren. Wie ein Ei, dass vielleicht zerbrach. Aoi nahm ihnen die Entscheidung ab. Er packte Kai bei der Schulter, stützte sich auf diesen und dann auch auf Ruki. Er sah sie an, aber seine Augen hatten Probleme zu fokussieren, seine Atmung war schwer und Schweiß stand auf der Stirn. „Aoi?“ Abermals sein Name, fragend nun, weil er schwieg, weil er sich nicht bewegte. Der Dämon drehte den Kopf zu Kai, lehnte ihn auf dessen Schulter, kommunizierte stumme Zuneigung. Er sah zu Kai auf, seufzte dann. „Es geht dir gut“, wisperte er. Sein Finger streifte Kais Wange, sein Kinn, während dieser nickte und gegen die Tränen ankämpfte, nicht wissend, ob er dem Lächeln oder dem Schluchzen den Vortritt geben sollte. „Du hast mich gerettet“, erwiderte er ebenso leise und strich mit der Nase über Aois dunkles Haar. Es war voller Knoten. Der Dämon war so fragil und Kais Herz klopfte schmerzhaft in seiner Brust, als sich sein gesamtes Bewusstsein darauf reduzierte Aoi sicher zu wissen. Kai wand seinen freien Arm um die Mitte des Dämonen. Er konnte ihn beben fühlen, seine Muskeln noch nicht bereit sein Gewicht zu tragen. Abermals küsste er den dunklen Schopf, tat einen langsamen Schritt vorwärts. Ruki folgte und zwischen ihnen bewegten sich auch Aois wacklige Füße, unkoordiniert und unbeholfen. Nur die Götter wussten wie es der Dämon vom Allerheiligsten bis hier her geschafft hatte. „Komm. Komm du musst dich hinlegen.“ „Was ist passiert? Wo sind wir hier?“ Es war eine kaum hörbare Frage, die Stimme belegt und rau, doch wie es schien, erholte sich Aois Geist weit schneller als sein Körper, der ihm sogar verweigerte den Kopf von Kais Schulter zu heben. Letztlich wurde er getragen und behutsam auf dem hastig vorbereiteten Lager platziert. Reita hatte seine Jacke als Kissen zusammen gerollt und die Robe von Kaoru diente als Decke. „Wir sind in Falm, bei Hizumi und dessen Leuten.“ Uruha sprach, während sich Kai neben Aoi auf den Boden setzte, nach dessen Hand griff und sie mit beiden eigenen festhielt. „Wir haben dich hier her gebracht, nachdem wir dich gefunden haben.“ Die Worte des Meerwesens verloren sich, als der Kloß in seinem Hals zu dick wurde um weiter zu sprechen. Dennoch versuchte er es. „Keiner wusste, ob du es schaffen würdest. Es sah schlimm aus.“ „Eure Seele hatte sich verloren.“ Aois Blick wanderte träge zu Maikira. Die Hohepriesterin kniete sich neben Kai, eine Hand legte sie von Aois Stirn, half ihm, den Fokus zu wahren. Sie sprach langsam, sodass jedes ihrer Worte verstanden wurde. „Als man Euch hier her brachte war es fast zu spät, mein Herr. Euren Körper zu heilen war nicht schwer, selbst wenn Ihr Euch noch einige Tage schwach fühlen werdet. Aber um Eure Magie und Eure Seele einzufangen musste ich das Netz der Semar spinnen und fast wäret Ihr mir gänzlich entglitten. Es gelang mir die Fäden an den Fußsohlen zu festigen, doch der Halt ist fragil. Ich werde das Ritual noch einmal stärken müssen, um sie ganz in Euch zu betten.“ Sie machte eine Pause, schätzte ab, ob Aoi noch zuzuhören vermochte. Sie lächelte zärtlich, als Aoi angestrengt blinzelte und nickte „Eure Magie wird sich von allein füllen“, fuhr sie fort und strich sanft über den Kopf des Herrn von Kistara. „Seid gewarnt, dass dies mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann. Versucht Ihr zu zaubern bevor sie ganz zurück ist, werdet Ihr dies körperlich fühlen. Habt Ihr mich verstanden?“ Aoi nickte abermals, leckte sich über seine gesprungenen Lippen. Reita sah es und füllte einen Becher mit Wasser, den er Kai gab. Dieser befeuchtete seine Finger und strich mit ihnen über die wunden Stellen, wagte es aber nicht, Aoi trinken zu lassen. Nichtsdestotrotz seufzte der Herr über Kistara unter dieser Behandlung, die Augen einen langen Moment geschlossen und als er sie wieder öffnete waren sie klarer, huschten über die Gesichter der Anwesenden. Kurz runzelte sich die Stirn, dann stoppte der Blick bei seiner Hand. „Was ist mit Zero?“, fragte er und Ruki presste die Lippen zu einer dünnen weißen Linie zusammen. „Zero konnte entkommen.“ Aois Augen schlossen sich und Ruki ballte eine Faust. Resignation spiegelte sich auf Aois Gesicht. So sollte der Herr Kistaras niemals fühlen müssen. Es sollte nicht so hoffnungslos aussehen. So nah am Rande einer nicht abzuwendenden Katastrophe. „Aber er wurde von Euch verwundet, mein Herr“, erhob Ari das Wort und trat so weit zu Kai, dass ihn der Dämon sehen konnte. Eine Hand hielt er respektvoll über der Brust, während er weiter sprach und die Details offenbarte, die er beobachtet hatte, als er dem Geist mit Hizumi begegnet war. „Und er war verändert, menschlich. Er hatte eine Narbe und ich vermute, dass er seine Hand oder aber den Arm nicht mehr richtig benutzen kann. Er hing kraftlos an seiner Seite.“ Rukis Kopf ruckte zu Hizumi herum, welcher die Worte Aris mit einem Nicken bestätigte. „Du gehörst zu den Männern Tsukasas.“ Aois Stimme brach sich und Kai strich abermals mit feuchten Fingern über die Lippen seines Geliebten. Ari hingegen nickte auf die Feststellung und verneigte sich. „Ich bin damit beauftragt worden, Kai zu beschützen, mein Herr.“ „Wie lautet dein Name?“ „Ari, Herr.“ Aoi musterte den jungen Mann, sah, wie Kai zu diesem hinauf lächelte und kurz den Oberschenkel streifte. Schien, als wäre Ari mehr als ein Beschützer. „Du bist ein guter Beobachter, Ari.“ Ob des Lobes verbeugte sich der Blonde tiefer. „Danke, mein Herr.“ „Was könnt ihr mir noch über Zero sagen?“ Aoi stützte sich mit einem Arm auf, wohl um sich nach oben zu drücken, aber er zitterte so stark, dass es ihm nicht gelang. Es war offensichtlich, dass die Kräfte des Herrn gänzlich erschöpft waren. Kai legte eine Hand auf Aois Schulter, drückte ihn nach unten, schüttelte den Kopf und kämmte zärtlich das Haar aus der Stirn. „Das reicht nun“, bestimmte er, „Du musst dich ausruhen. So schadest du dir und das wird Kistara nicht helfen.“ Aoi antwortete nicht, aber er gab sich geschlagen und zeigte dies, indem er liegen blieb und die Augen schloss. Kai strich sanft über eine Schläfe, der Blick auf die Gruppe gerichtet. „Ich weiß, dass ihr alle bei ihm sein wollt. Aber bitte gewährt mir Zeit mit ihm, auch wenn es egoistisch sein mag.“ Uruha schlang in einer Antwort die Arme um den Hals seines Freundes und drückte ihn fest an sich. „Ich wäre genauso egoistisch. Versprich, dass du auch schläfst?“ Kai summte, die Hände erhoben, um die enge Umarmung zu erwidern. Ruki, Reita und Ari drückten seine Schulter, der letztere sagend, dass er in der Nähe bleiben würde und das Kai nur rufen bräuchte. Tsuaksa und Hizumi nickten lediglich und waren die ersten, die den Raum verließen. Letztlich blieb nur Maikira bei Kai und Aoi zurück und zunächst breitete sich ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen aus, dass Kai durch ein Räuspern zu brechen suchte. „Ich möchte mich für mein Verhalten vorhin entschuldigen. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle.“ Die Hohepristerin akzeptierte es mit einem Nicken, dann setzte sie sich und faltete ihre langen Beine unter ihren Körper. Trotzdem ragte sie noch immer über Kai hinaus und machte ihm abermals bewusst, wie riesig diese Frau im Gegensatz zu allen andern war. Kais Blick wanderte ziellos in dem Raum umher. Eine der Frauen kehrte zurück, brachte ihnen Kissen und Decken, die Kai dankbar aber verwirrt entgegen nahm, bis ihm klar wurde, dass Maikira den Befehl dafür gegeben haben musste. Sein langsames Denken und die Unfähigkeit Zusammenhänge zu sehen, trieb ihm Schamesröte ins Gesicht. Reflektierend betrachtet war er ein totaler Trampel gewesen. Er musste wohl gestöhnt haben und vielleicht sogar etwas gesagt, denn Maikira lachte plötzlich und stupste ihm unter dem Kinn an, als wäre er ein kleines Kind. „Mach dir nicht so viele Gedanken über alles, Kai. Du bist nicht der erste, der nur nach seinen Emotionen gehandelt und damit Schaden angerichtet hätte. Wichtig ist, daraus zu erstarken und zu lernen. Deine Fehler helfen dir dabei und der einzige der von dir erwartet perfekt zu sein bist du selbst.“ Sie sprach, als würden sie sich schon ewig kennen. Kai sah in ihr Gesicht und die klugen Augen, die ihn beobachteten. Es war, als würde ein Knoten in ihm platzen, denn plötzlich sprudelten Worte des Zweifels über seine Lippen, Gefühle der Ausgeschlossenheit, egal wie sehr er sich bemühte. Es war ihm nicht klar gewesen, gab er zu, zumindest nicht bewusst, aber es war, als würde er immer einen Schritt hinter seinen Freunden stehen. Schon früher war es so gewesen, doch seit er hier lebte war es schlimmer geworden, mehr aufgefallen. Und gleichzeitig schämte sich Kai für solche Gedanken. Denn Aoi und Uruha, auch Ruki, Reita und vor allem Ari taten nichts, um ihn nicht als gleichwertig zu sehen. Sie ermutigten ihn, waren geduldig mit ihm, beschützten ihn wie einen kleinen Bruder. Er schämte sich auch dafür, in diesem Moment sein Herz auszuschütten, anstatt sich um Aoi zu sorgen oder um Kyō, der oben auf dem Dach zurück geblieben war und an den er nicht einen Gedanken verschwendet hatte. Was, wenn Zero ihm etwas getan hatte? Kai war schon halb aufgesprungen, aber Maikira hielt sein Handgelenk und zwang ihn, sich zu setzen. Er wurde angewiesen tief durchzuatmen, was er tat. Die Priesterin legte eine Hand auf seine Brust, eine auf seinen Rücken. Wärme strömte durch seinen Körper, entspannend und tröstend. Kai fühlte, dass er in sich zusammensackte. Seine Schultern senkten sich, sein Steiß wurde schwer, als würde sich das Zentrum seine gesamten Gewichtes dort befinden. „Ich bin sicher, mein Mann wird sich um Kyō kümmern. Du wirst hier an Aois Seite viel mehr gebraucht.“ Ihre Worte waren Balsam, egal ob Wahrheit in ihnen lag oder nicht. „Du hast gut daran getan, mir dein Herz zu öffnen. Solch Gift muss dem Körper entzogen werden.“ Ihre Finger kreisten langsam über Kais Nieren, während er sich nach vorne beugte, sodass er mit dem Kopf neben dem seines Geliebten lag. Seine Finger wanderten zärtlich über Aois Braue und Schläfe. „Ja, aber es passiert immer in den unpassendsten Momenten“, murmelte er in einer Antwort, mehr zu sich selbst, als das er mit Maikira sprach. Sie lachte darauf und tätschelte ihn. „Das passiert allen einmal. Vertrau mir. Ich habe lange genug gelebt, um es mit eignen Augen gesehen zu haben.“ „Danke für Eure Worte.“ Ihre Finger wanderten zu seinem Nacken und auch wenn er sie lächeln sah, verschwamm es vor seinen Augen und dann hüllte ihn Dunkelheit ein. ~~~~~~ In der Luft hing der Geruch von Tod und Leid. Rauchschwaden zogen wie ziellose Gespenster zwischen schwarz verbrannten Bäumen umher und begleiteten jeden von Zeros stillen Schritten. Seine Finger hoben sich, strichen über einen Ast. Das Holz fiel in sich zusammen, hinterließ nichts als eine weitere Narbe auf dieser zerstörten Welt. Zero zerrieb die zurück gebliebene Asche auf seinen Fingerspitzen. Er lächelte zufrieden. Karyus Magie war absolut verheerend gewesen. Ein wunderschönes Schauspiel aus Feuerregen, Aschewolken und explodierender Erde. Berstende Edelsteine, die das Licht der Flammen wie ein Blutregen reflektierten, bevor sie herab fielen und eins wurden mit dem tatsächlichen Blut, dass in Rinnsalen durch aufgebrochene Narben floss und von scharfen Ecken und Kanten tropfte. Dort wo einst Ulka gelegen hatte, das Land der stolzen Elfen mit ihrem Hochmut und ihrer Arroganz, da gab es jetzt nur noch das Echo von Schreien. Schrecklichen Schreien, wie sie ein Wesen nur in den höchsten Qualen ausstieß. Zero hatte jeden einzelnen davon genossen. Nur ein einziger Akt war noch herausragender gewesen und wenn Zero die Augen schloss konnte er ihn glasklar vor sich sehen. Beseelt von seiner Rache war es ein Rausch Kyō zu sehen, den Sohn Hinas und zu wissen, dass er – Zero – es war, der diesem solchen Schmerz beigebracht hatte. Den Elfen mitansehen zu lassen, wie seine Heimat schwand war weit brutaler als jede Wunde, die er ihm hätte zufügen können. Diese geschaffene Erinnerung würde Kyō immer bleiben, in seinem Leben der Ewigkeit und ohne die Möglichkeit es jemals wieder zu vergessen. Es würde weh tun, jedes einzelne Mal als würde es wieder und wieder und wieder geschehen. Oh wie er hoffte, dass Kyō sich schnell genug erholte, um dem nächsten Teil seiner großartigen Inszenierung beizuwohnen! Es würde nicht ausreichen den Herrscher Kistaras allein zu Staub zu zermalmen. Nein, er wollte sie alle mit einem Schlag bezwingen und aufzeigen, dass er alle Widrigkeiten überdauert, dass er gerissener und zäher als sie war. Der Geist hatte über vierhundert Jahre auf diesen Zeitpunkt gewartet. Nun sog er jede Sekunde auf wie süßes Parfüm, kostete es wie Schlucke eines seltenen Weins. Er konnte Kistara nicht hören, diese Gabe hatte er nicht, aber er sah die Leichen von Tieren und Pflanzen. Zu Staub verwandelt und in ihrem Moment der Vernichtung eingefangen. Am Rande des Fürstentums Elbaro, der Stadt deren wundersamer Architektur ebenso untergegangen war wie alles andere, stand Karyu unbewegt. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um den blauen Himmel zu betrachten. Zero blieb stehen, beobachtete ihn. Allein zu sehen, dass der andere hier stand, dass er atmete und sich bewegte war ein unvorstellbares Glück. Es floss puren Gold gleich durch die Adern des Geistes und erwärmte seinen Körper, seine Seele bis in den letzten Winkel. Nachdem Aoi sein Vorhaben gestört und die magischen Artefakte zueinander gebracht hatte, war Zero lange Zeit in der Dunkelheit der Bewusstlosigkeit gefangen gewesen. Die Kraft in ihm war schwach, wie eine Kerze, die drohte zu erlöschen. Doch wie bei hartnäckigen Ungeziefer war Zero unwillig gewesen, hatte sich an sein Leben geklammert und war am Ende erwacht. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatte er dabei die Schwere eines tatsächlichen Körpers gefühlt und mit diesem Schmerz, Hunger und Durst. Es war verblüffend gewesen, irritierend und unpassend. Als Geist war Zero durch Hindernisse hindurch geglitten, fähig sich frei von seiner Umgebung zu bewegen. Doch nun war er unter einem Berg von Steinen begraben gewesen, die harsch auf seine Schenkel, Schultern und Hände drückten. Er fühlte sich benommen, seine Gedanken nicht mehr fähig, präzise Lösungen anzubieten. Hinzu kam ein Gefühl, das er fast schon vergessen, aber das ihn mehr und mehr eingenommen hatte: Beklemmnis, Panik. Wie lange hatte er hier gelegen? Er musste zurück zu seinem Geliebten! Zero hatte seine Muskeln angespannt und sich vom Boden hoch gedrückt. Die ersten Male hatte er dabei versagt, doch es war ihm gelungen. Knurrend und schnaubend war er durch den Schutt an die Oberfläche gekrochen. Größere Steine waren davon gerollt und zu Zeros Missfallen war er nicht allein gewesen. Hizumi, Fürst der Fenir und diese kleine blonde Assel, die Kai so hart verteidigte, hatten ihm gegenüber gestanden. Glücklicherweise waren sie zu überrascht gewesen, um zu reagieren und hatten Zero so wertvolle Sekunden gegeben, zuerst anzugreifen. Danach war er geflüchtet, wie ein geschlagener Hund. Sein Stolz hatte mächtig aufbegehrt, aber das Ziel Karyu zu ihm zurück zu holen war weit wichtiger. Und es war gelungen. Die Macht hatte gereicht, auch wenn Zero befürchtet hatte, dass die beiden fusionierten Objekte nicht richtig arbeiten würden.Sie hatten seine Erwartungen überstiegen und Karyu hatte die Augen aufgeschlagen und sich bewegt. Zero trat zu diesem. Er verflocht zärtlich ihre Finger miteinander, als er zu dem größeren Mann aufsah. „Das war fantastisch“, gurrte er und streifte die Knöchel mit seinen Lippen, „deine dunkle Magie ist noch genauso stark wie ich es in Erinnerung hatte.“ Karyu antwortete ihm nicht, aber das erwartete Zero nicht. Sein Todesengel hatte so lange geschwiegen. Er würde Zeit brauchen, sich an den Klang von Stimmen und Worten zu erinnern. Ähnlich wie seine ersten Schritte die eines unbeholfenen Kindes gewesen waren, würde Karyu schnell lernen und bis dahin würde Zero für sie beide sprechen. „Oh sieh dich um! Unsere Rache, dass was wir immer wollten, wir konnten sie endlich einfordern! Du hättest ihn sehen sollen, Laibiri! Sein Gesicht war grau vor Gram und er krümmte sich, als würde man ein glühendes Eisen in seinen Unterleib stoßen! Es war ein köstlicher Anblick!“ Zero löste ihre Hände, um Karyus nackten Arm hinauf zu streichen. Am Ende legte er die Finger gegen Karyus Wange, verbittert, dass es ihm nicht mehr möglich war, das schöne Gesicht mit beiden Händen einzurahmen. „Wenn du dich ein wenig ausgeruht hast, werde ich dir unser Schlachtfeld zeigen. Der letzte Akt in diesem Schauspiel. Es wird großartig werden! Aoi und seine jämmerlichen Generäle, die Hoheelfen, all dies Gewürm, wir werden es hinwegfegen in einem Sturm aus Feuer und Eis. Ich kann doch auf dich vertrauen?“ Abermals keine Antwort, aber als Zero Karyu sanft am Nacken zu sich hinab zog und ihn küsste, erwiderte dieser zärtlich und gab dem Geist so alle Antwort die er benötigte. Er lächelte als sie sich lösten. Hand in Hand schritten sie durch die Ruinen Elbaros, wie Totenwächter, doch selbst die Stille floh vor der Präsenz der Mörder, die sie waren. Zero lachte wie ein kleines Kind, als er auf zerstörten Mauern balancierte und über eingestürzte Hauswände setzte. Dort wo einst die monumentale Mahntafel gestanden hatte, jenes Werk das ihre Geschichte erzählte, blieb Zero stehen. Nichts war übrig geblieben. Der Boden war grau und ungesund, von schwarzen Fäden durchzogen, ein Parasit, der alles verschlang, dass es hier noch an Hellem und Gutem gab. Summend ließ sich der Geist auf die Knie nieder, wischte in einer ausholenden Bewegung über den Boden, entfernte Staub und Asche in einem armbreiten Kreis. In diesem platzierte er behutsam die dunkelblaue Schachtel, richtete sie akribisch aus, sodass sie parallel zu seinen Füßen stand. Ein Finger glitt langsam über die drei Symbole im Deckel. ~veruot van opende~ Leises Klicken in Reaktion auf die gesprochenen Worte, dann konnte Zero den Deckel anheben. Er beließ den ovalen Stein im Inneren, legte lediglich seine Hand darauf und wartete, bis sich die milchig scheinende Substanz darin zu einem kleinen Ball zusammengezogen hatte. ~Furteal to megramie eta shaturo~ Der Geist erhob sich, entfernte sich von der Schachtel, als der Stein zu leuchten begann. Ein weißes kaltes Licht füllte alsbald die gesamte Lichtung aus. Zero trat neben Karyu, griff wieder nach dessen Hand. Es vergingen einige Augenblicke, bis sich das Portal vollends errichtet hatte. Einem gefrorenen See gleich breitete es sich unter ihren Füßen aus, kroch über Staub und Steine, nahm diese mit sich und schichtete sie an den Rändern auf. Seine Oberfläche reflektierte matt den bewölkten Himmel, dann brach sie auf, türmte sich in der Mitte höher. Ein Berg mit groben Kanten und Spitzen entstand, der unter klirren und splittern schwand und an seiner Stelle ein Wesen vom Eisvolk der Heekshaai zurück ließ. Die humanoiden Wesen überragten Zero und den größeren Karyu ein ganzes Stück. Außerdem waren sie weit muskulöser was ihre Bewegungen und ihrem Kampfstil grob und rau machte. Sie setzen auf ihre Stärke, Raffinesse und Magie kannten sie nicht. Und sie hungerten nach Kistara. Seit Jahrzehnten schon wollten sie es in Besitz nehmen und wertvolle Rohstoffe der Erde entreißen. Sie hatten bereits mehrere Angriffe gestartet, einer erfolgloser als der nächste. Sie waren die perfekten Partner; leicht zu kontrollieren und angetrieben von den süßen Versprechen, die der Geist ihnen gemacht hatte, als er das erste Mal in ihre Welt gereist war. Zero lächelte arrogant, als er einen Schritt nach vorn trat und den Kopf in einer Geste senkte, die Respekt bedeuten sollte und doch von ihm ausgeführt mehr verspottete. „General.“ „Zero.“ Die Stimme des Größeren war unangenehm, ein Krächzen begleitet von seltsamen Klicken auf manchen Buchstaben. „Ihr sagtet, Ihr würdet uns nach Kistara holen, aber alles was ich hier sehe ist eine verfluchte Ödnis! Was soll das?“ Zero ließ sich weder von dem schroffen Tonfall noch der großen Axt beeindrucken, die der General provokant von seinem Gürtel löste. Er gurrte beruhigend, lächelte, als er eine ausholende Bewegung tat. „Dies hier ist Kistara, General. Ihr steht auf dem Boden von Ulka, dem Land der Hohehelfen. Bedauerlicherweise war es notwendig, es zu zerstören, um Euch den Weg hier her zu ebnen. Wenn Ihr mir nicht glaubt, seht Euch nur in Ruhe um. Gleich hinter Euch könnt Ihr Ruinen entdecken.“ Der General grunzte und stampfte schwerfällig zu dem Haus herüber, auf welches Zero gewiesen hatte. Der Geist schlenderte hinterher, beobachtete, wie der Heekshaai grob auf das Dach einschlug und ein Stück heraus brach. Er untersuchte es, brach unversehrte Schmucksteine aus ihren Vertiefungen. Er fuhr über den glatten Stein, konnte sich weder von ihm lösen, noch aufhören ihn zu berühren, als er sich wieder zu Zero herum drehte. „Wo soll ich die Truppen sammeln?“ Nun klang der General ganz anders und Zeros Lächeln weitete sich. Was für eine Macht von materiellen Werten ausging, wie einfach man mit ihnen manipulieren konnte! „Hier ist ein guter Ort, die Elfen werden nicht wieder hier herkommen.“ „Und da seit Ihr Euch sicher?“ „Sehr sicher, Herr General. Habe ich je Anlass dazu gegeben, dass man meinen Worten nicht vertrauen kann? Karyu und ich haben die Hellen unter die Erde und in ihre Verstecke getrieben. Sie werden nicht wagen aus ihren Löchern zu kriechen, bis man sie ruft und dann, mein Herr General, werden wir längst bereit sein und auf sie warten“ Abermals ein Grunzen, dann schwerfällige Schritte die zum Siegel zurück führten. Die Rüstung schepperte, als der General in die Knie ging und dann zu Zero sah. In dieser Position waren sie zum ersten Mal auf gleicher Augenhöhe, trotzdem war klar, dass es der Geist war, der das Handeln bestimmte. „Kehrt mit wenigen Männern zurück und organisiert den Rest in stündlichen Intervallen von zwanzig Kriegern, mehr Kapazität hat das Siegel nicht. Ich werde dafür sorgen, dass es stabil bleibt.“ „Wie Ihr wünscht, Zero.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)