Phantom `☂ヽ von jyorie (Jagd durch London) ================================================================================ Kapitel 3: eine Fede und der Mann aus den Staaten -------------------------------------------------   In einem dunklen und wenig frequentierten Bereich des Gebäudes in dem das englische Unterhaus heute eine Tagung abhielt, wartete unbemerkt eine Person, die sich bedeckt hielt. Derjenige, der von neugierigen Blicken unerkannt bleiben wollte, stand deshalb auch im halbdunkeln am verabredeten Platz. Innerlich kochte er schon wegen der unverhohlenen Frechheit ihn warten zu lassen. „Bitte entschuldigt meine Pflichtvergessenheit, Mylord“, leicht verbeugte sich, die zwielichtige Gestalt, die gerade eingetroffen war und noch ziemlich gehetzt wirkte. „Ich wurde aufgehalten.“ „Ich hoffe, du hast gute Nachrichten, die mich über dein Versäumnis hinwegsehen lassen.“ Die Stimme war kalt, drohend und voller Autorität, sie ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. „Meine Botschaft wird die Dunkelheit Eures Herzens nähren und erfreuen!“, schmeichelte der Dienstbote. „Dann rede endlich, du hast meine Zeit schon über Gebühr beansprucht!“ „Es ist gelungen! Unser Netzwerk hat den Dieb aufgespürt und enttarnt. Was jedoch noch besser ist, wir haben gleichzeitig auch seinen Schwachpunkt gefunden, um ihn uns gefügig zu machen und seine Fähigkeiten zu unseren Zwecken zu nutzen. Der Dieb selbst ist hart, aber er hat einen kleinen Bruder und dieser ist sein wunder Punkt. Ihn können wir erpressen! Mit dem richtigen Mittel wird er alles tun, um in unserem Sinne zu handeln. Die Ironie an der Sache ist, dass Ihr, Mylord, uns schon seit Wochen einen Schritt voraus wart und selbst die erste Stufe eingeleitet habt.“ „Erläutere mir was du herausgefunden hast, Dilettant!“, fauchte der Adlige und trat etwas aus dem Dunkeln, jedoch konnte man sein Gesicht wegen der Kapuze nicht erkennen. „Sehr wohl Mylord.“ Er verbeugte sich erneut, für die Gnade, dass ihm bisher keine Strafe angedroht wurde. Der Lord war schon ziemlich ungeduldig, normalerweise hätte er nicht so viel Nachsicht. Um seine 'Gutmütigkeit nicht weiter zu überspannen, fuhr er schließlich mit der Erläuterung fort. Jedoch war der Lord schon nicht mehr bei der Sache und hörte nur mit einem halben Ohr zu. Er rieb sich die scheinbar sauberen Hände, welche er sich selbst noch nie direkt schmutzig gemacht hatte. Bei seinen kriminellen Machenschaften schickte er andere vor, wozu gab es schließlich Bauern, wenn nicht zur Opferung? Er war noch nie ins Zwielicht geraten, etwas Unredliches getan zu haben und genoss daher allseits das Vertrauen und die Achtung der Mitbürger. Er hatte das perfekte Saubermann-Image und dies pflegte er nach außen hin gewissenhaft, weshalb er sich auch diesmal nicht seinem Mittelsmann zu erkennen gab. Das was seine Gedanken beschäftigte, war eine jahrhundertealte Fehde, welche zwischen seiner Sippe und dem Königshaus schwelte. Er trachtete nach den Kronjuwelen, um seine Genugtuung zu erlangen, er war sich sicher, das diese nun kurz bevor stand und er somit dem Königshaus den peinlichen Schlag versetzten konnte. Der Lord war besessen und verblendet von einer Sache, an die vermutlich außer er selbst, niemand mehr dachte, sein erbitterter Hass trübte jedweder Logik. Schließlich lag es schon Jahrhunderte zurück, als seinen Ur-Ur-Ur-Urgroßvater eine wertvolle Diamantenkette von dem damals berühmtesten Juwelier seiner Zeit anfertigen ließ. Allein die Fertigung des edlen Stückes hatte achtzehn Monate ins Land ziehen lassen und war der Ruin vieler Gehöfte die unter der Herrschaft der damaligen Grafschaft standen, gewesen. Dass der Graf pleite war, wusste niemand und mit der Hochzeit wäre er der Verarmung entgangen, es war alles bis aufs kleinste Detail geplant! Damit er den Kunsthandwerker auslösen konnte, wurden die Gutsbesitzer regelrecht ausgeblutet. Das edle Collier sollte das Brautgeschenk für die Königin sein. Bis zu dem Schritt auf den englischen Thron war es nicht mehr weit, so rechnete er es sich in seiner Vermessenheit aus und in der Thronfolge würde er dann fast an vorderster Stelle stehen. Von seiner Warte aus, schien es ihm so als sei er im Recht. Das einzige wodurch er hintergangen werden konnte, waren die Intrigen der Königsfamilie, die mit den übelsten Tricks arbeitete. So glaubte der Graf damals um das rechtmäßige Erbe gebracht worden zu sein, welches er sich zugesprochen hatte. Scheinbar lag damals schon der Größenwahn in der Familie. So grollte der Graf dem Mann, welcher statt ihm den Thron bestieg, denn dieser stellte für ihn nur einen Bastard dar. Er hielt ihn für einen unehelichen Stiefsohn der Königin der mit unlauteren Mitteln in die Thronfolge eingereiht wurde, was er demzufolge lautstark publizierte. Das teure Brautgeschenk wurde vom Staat einverleibt und die gewünschte Hochzeit fand nie statt. Der Graf hatte sich so hineingesteigert, dass er wegen Verleumdung und dem Aufruhr verurteilt werden konnte. Zu dessen Hohn wurde das Schmuckstück ein Teil des Kronjuwelenschatzes und es gelang der Sippschaft nicht es zurück in ihren Besitz zu führen. Im Gegenteil, um die Familie mundtot zu machen, wurden sie enteignet. Die Königsfamilie riss in ihrer unersättlichen Gier den Familienbesitz an sich und verbannte alle die, die der Sippschaft angehörten. So wurde es seither von den Generationen übertragen und der Hass wurde geschürt. Niemand in der Familie zweifelte den Tatbestand an, aber die Sache konnte nicht geschichtlich belegt werden. Der Adlige ballte bei den Gedanken an das widerfahrene Unrecht seine Faust. So wie es ihm seit klein auf eingetrichtert wurde, glaubte er daran, dass die englische Königsfamilie alles betreffend seiner Vorfahren verschleiert und unter den Teppich gekehrt hatte. Er ließ seine Gelenke knacken. „Die Königsfamilie wird bezahlen, schon bald werden die Kronjuwelen wieder in meinem rechtmäßigen Besitz sein und vergangenes Unrecht wird ausgeglichen werden“, knurrte er wütend. oOo Etwa eine Stunde zuvor an einem anderen Ort, schlenderte Bakura in das Gebäude des Scotland Yard - dass er mal wieder zu spät zu seinem Dienstbeginn war, störte hier niemanden. Er hatte schließlich denselben Ruf wie das Ende der Welt: Es kommt mit Sicherheit, nur keiner weiß vorher wann genau das sein wird. Bakura stieg die Treppen hinauf und konnte schon von Weitem hören, wie die Stimme seiner Chefin durch das Gebäude schallte. Der junge Mann biss sich auf die Lippe, damit man sein gemeines Grinsen nicht erahnen konnte. Gab es denn einen noch größeren Nervenkitzel als dass er, der Meisterdieb selbst, beim Scotland Yard arbeitete? Vermutlich nicht und Bakura liebte es einfach bestialisch, alle so an der Nase herum zu führen. Nach den Einbrüchen konnte er sich hier selbst die missgelaunte Stimmung seiner Chefin anhören. Er war ihnen wiedereinmal entkommen und konnte sich somit in seinem eigenen Erfolg sonnen. Manchmal juckte ihn sein kleines Geheimnis schon, aber er würde es nicht verraten oder Andeutungen machen, er konnte es nur stillschweigend genießen. So lief er gutgelaunt weiter nach oben, in den obersten Stock des Gebäudes, zu der Abteilung in der er für Mai persönlich arbeitete. Als Bakura dort ankam, war die ganze Abteilung im Büro der Chefin versammelt oder hing zumindest an den Glasscheiben davor, weil der Platz in dem Zimmer für so viele Personen einfach nicht ausreichte. „Hi!“, grüßte er einige Kollegen kurz, die außen vor Mais Büro standen und ihrer Chefin momentan lieber nicht zu nahe kommen wollten. Sie hatte sich normalerweise immer gut unter Kontrolle, heute jedoch brauchte sie einen Blitzableiter. Die jahrelangen Misserfolge, die sie dem Phantom zu verdanken hatte, machten dieses spezielle Thema zu ihrem Wunden Punkt. Aber vielleicht war sie heute auch besonders Dünnheutig, und ihre Nerven lagen so blank, das sie sich diesmal so gehen ließ, weil sie sich später noch vor dem Unterhaus verantworten musste. Bakura grinste in sich hinein, Frauen und ihre hormonellen Probleme würde er nie verstehen. Andererseits, forderte er sie ja auch immer persönlich mit seinen Einbrüchen heraus, wenn er seine Visitenkarte auf ihrem Schreibtisch platzierte. Er wurde von den Umstehenden nicht weiter beachtet, als er sich durch die Reihen drückte um ins Büro zu gelangen. Bakura lehnte sich in der hintersten Reihe an der Wand an und sah seiner Chefin relativ entspannt dabei zu, wie sie wütete. Die Kollegen, die die Leitung für den gestrigen Einsatz gehabt hatten, hatten die Köpfe schuldbewusst zwischen die Schultern gezogen und blickten betreten zu Boden, in der Hoffnung, dass ihr geknickter Anblick doch endlich diesen Orkan beruhigen würde. Bakura überkreuzte lässig die Beine und verschränkte die Arme vor der Brust. Es gab doch nichts Schöneres als dieser Frau zuzusehen, wie sie sich über das Phantom ausließ. Das ging Bakura hinunter wie Öl. Die Blondine hatte ein Sammelsurium an tagesaktuellen Zeitschriften auf ihrem Schreibtisch ausgebreitet, sie brauchte nicht mal ältere Exemplare herbei zu holen. Das was druckfrisch hereinkam war wie eine nie enden wollende Flut. Bakura brauchte sich nicht anzustrengen, er sah auch so, dass auf mindestens jedem zweiten der britischen Boulevardblätter das Phantom die Schlagzeile war und bei den anderen war er zumindest der Artikel auf Seite Drei, auf den immerhin auf der Titelseite verwiesen wurde. Das Phantom war soweit aufgestiegen um den rang einer dunklen Berühmtheit zu tragen. Worüber sich Bakura jedoch jedes Mal wunderte: Wie waren die eigentlich so schnell an die Information gekommen? Vielleicht sollte er sich mehr sorgen darüber machen, dass ihn die Presse fängt und enttarnt, als diese müde Truppe hier. Aber andererseits, würde schon irgendjemand weiter gegeben haben, dass es gestern einen weiteren Erfolgreichen Raubzug gegeben hatte, sonst wären diese Schlagzeilen doch nie entstanden, schließlich brauchte ja jeder Geld und für eine gute Story bezahlte die Presse eben horrende Preise. Erneut knallte Mai eine andere Zeitung überreizt vor sich auf den Tisch, mit zitternden Armen hatte sie sich über ihrem Schreibtisch abgestützt und sie keifte mit hochrotem Kopf: „Sie haben jetzt einen neuen Namen für ihn - das WEISSE Phantom“, Mai schlug den Umseitigen Bericht einer der Schmierblätter auf und zitierte kurz: „Dem Weißen Phantom ist es zum wiederholten Male gelungen, den Hütern des Gesetzes ein Schnippchen zu schlagen.“ Sie nahm eine andere Zeitung: „Die Lobeshymnen über diesen dreckigen Dieb reißen nicht ab. Hier wird dieser elende Gauner damit gelobt: Das Phantom arbeitet steht’s präzise, es hat noch nie einen der Mitarbeiter der örtlichen Polizei oder des Sicherheitsdienstes verletzt. Dieser Gentleman-Dieb verdient mit recht den Beinamen WEISSES Phantom!“ Bakura schmunzelte. Eigentlich hatte er sich nur Phantom genannt, aber die Zeitungen konnten ja nicht wissen, dass sie mit dem „weißen“ auch eine Doppeldeutigkeit auf ihn hatten, das Lob tat ihm gut und er strich sich einige seiner langen, weißen Haarsträhnen von der Schulter. Wenn Ryou ihn schon immer kritisierte wie sorglos - nein wie leichtsinnig er war, dann brauchte selbst ein Meisterdieb wie Bakura auch mal einen anerkennenden Schlag auf die Schulter. Gedanklich schmollte er darüber, nicht mal sein eigener Bruder hielt in dieser Hinsicht zu ihm, da taten diese Hymnen gut. Solange er nicht unvorsichtig werden würde, war doch alles in Butter. Mai hatte entrüstet schon die nächste Zeitung aufgeschlagen und zitierte die Ungeheuerlichkeiten der Presse weiter, während sie ihre Kollegen sarkastisch ansprach: „Liebe Kollegen, hören Sie sich diesen Schmierfink von Kolumnenschreiber an. ‚Man kann mit Fug und Recht bei dem Phänomen des Phantoms von einem WEISSEN Dieb sprechen, da er bis auf seine obligatorische Visitenkarte und den vorigen Ankündigungen beim Scotland Yard keinerlei Spuren hinterlässt. Jeder kennt ihn, jeder weiß, wer die Raubzüge durchgeführt hat, jedoch ist die Weste des Diebes absolut rein, was Gewalt und Zerstörung betrifft, ein Schatten der sich gezielt nur die Objekte seiner Begierde einverleibt und nicht gestoppt werden kann. Weder am Tatort noch sonst wo hinterlässt er den Hauch einer Spur. Selbst im Milieu soll die Identität ungeklärt sein. Man könnte behaupten, dass der Mann oder die Organisation, die hinter diesen ausgeklügelten Einbrüchen steht, wie ein Buch mit sieben Siegeln ist.“ Mai knallte ein letztes Mal auch dieses Blatt auf den Tisch, bevor sie sich einfach auf ihren Stuhl plumpsen ließ und sich die Schläfen rieb. Sie wurde vor der gesamten britischen Nation bloßgestellt, von einem lausigen, kleinen Dieb, der sie ständig an der Nase herum führte. Diesen idiotischen Museumsdirektor von gestern hatte sie außerdem auch noch nicht vollständig verdaut. Mai atmete tief durch, sie straffte ihre Schultern und stand wieder auf, sie lief nach links, wendete und lief wieder in die entgegengesetzte Richtung. „Männer, wir müssen uns mehr zusammenreißen. Es muss eine undichte Stelle geben die nicht nur der Presse immer wieder zuspielt, sondern auch dem Dieb Informationen gibt. Es kann nicht sein, dass dieses vermaledeite Phantom jedes Mal ohne den geringsten Fehler arbeitet. Entweder er weiß was wir tun, welche Fallen wir ihm stellen, oder er hat seinen Maulwurf in der Spurensicherung und lässt Beweise verschwinden.“ Sie schlug mit der Faust auf ihre Handinnenfläche und blickte ihre Mannschaft durchdringend an. „Wir müssen uns anstrengen und endlich in die Puschen kommen. Wir müssen hellhörig sein und aufmerksam bei den kleinsten Ungereimtheiten. So geht es nicht weiter! Wir können nicht mehr zulassen, dass uns dieser Dieb auf der Nase herumtanzt. Leute wir müssen dringend unseren Arsch hochbekommen, die Pobacken zusammenkneifen und …“ Mai sah auf, weil Bakura in Gelächter ausgebrochen war. Er wendete sich schnell ab und verließ den Raum, womit er sich den warnenden Blick seiner Chefin einhandelte und viele irritierte Blicke seiner Kollegen. Er brauchte nicht lange, um sich wieder zu fassen und begab sich zurück ins Büro an seinen Platz. Ja, er hatte auch manchmal so seine schmutzigen Fantasien, aber das was Mai da losgelassen hatte, war einfach zu ulkig und ungeschickt gewesen, wem wären da nicht ähnliche Ideen gekommen, das würde er auf jeden Fall nachher Ryou erzählen müssen, wenn er wieder zuhause war. Als er wieder den Raum betrat, hatte er seine Chefin so aus dem Konzept gebracht, dass sie inzwischen dabei war die Versammlung auf zu lösen und ihre Leute wieder an die Arbeit zu scheuchen. Es brachte ja sowieso nichts, sich aufzuregen, davon ging ihnen der Dieb auch nicht ins Netz. „So jetzt raus hier, alle, ihr wisst was zu tun ist, wir haben einen Verbrecher zu fangen, der frei herumläuft und keine Zeit um Maulaffen feil zu halten. Los jetzt - alle zurück an die Arbeit.“ Damit leerte sich schlagartig das Büro, man hörte das Aufatmen der Beamten, die den Raum endlich verlassen durften. Einige gingen bedrückt, andere tangierte es scheinbar nicht so sehr, sie sahen eher erleichtert aus, dass ihre Chefin nun mit der Gardinenpredigt zum Ende gekommen war. Nachdem der letzte den Raum verlassen hatte, schloss Bakura leise die Tür und Mai sank seufzend auf ihrem Stuhl nieder. Die Frau sah eindeutig geschafft und fertig aus. Er setzte sich ihr gegenüber auf den Besucherstuhl und grinste verschlagen, solange sie nicht aufsah. Als sie jedoch mit einem erneuten Seufzer ihren Kopf hob, hätte Bakura fast die Augen verdreht, aber wie immer beherrschte er sich und wahrte die Mimik eines Unschuldigen. Er legte seinen Kopf schief, so wie Ryou es oft tat und versuchte sie neugierig und interessiert anzublicken. „Ach Bakura, du hast es gut, du hast nicht so viele Sorgen“, meinte sie und ordnete ihren Schreibtisch, indem sie erstmal die ganzen Schundblätter von ihrem Arbeitsplatz verbannte, indem sie diese in die Runde Ablage beförderte, gemeinhin als Papierkorb bekannt. Befreit von den niederschmetternden Berichten, begann sie nach etwas zu kramen. „Wo hab ich nur die blöde Mappe?“, fragte sie, den Gedanken laut aussprechend. Bakura hatte den Tagesablauf seiner Chefin genau im Kopf und kannte ebenso ihre Termine, besonders den Termin zu dem sie gleich aufbrechen musste, er sah auch genau wo die Mappe unter ihren Stapeln an Papier begraben lag, nach dem sie auf der Suche war. Er ließ sie fürs erste eine ganze Weile suchen, war ja richtig schön unterhaltsam dabei zuzusehen, wie die Anzeichen für die Nervosität seiner Chefin immer deutlicher wurden. Mai musste los, sie war sowieso schon knapp und diese blöden Unterlagen ließen sich nicht auffinden. Ihre innere Unruhe und Anspannung wuchsen, Bakura hörte wie ihre Atmung gepresster wurde und als die Hände der Frau zu zittern begannen, erkundigte er sich: „Was suchen Sie denn für eine Mappe?“, damit war er schon aufgestanden und Mai wollte ihn gerade zurückrufen, doch Bakura hatte schon, ungeschickter weise, einen ganzen Stapel Papiere vom Schreibtisch gefegt, so dass die gesuchte Mappe nun oben auf ihrem Tisch lag. Er kratzte sich am Hinterkopf und tat so, als ob er verlegen sei, wegen des Missgeschicks. Schnell bückte er sich, um alles wieder aufzuheben und auch um sein wissendes Grinsen zu verbergen, wenn seine Chefin gleich die Mappe finden würde. Tatsächlich sah Mai das gute Stück und klemmte sie sich unter den Arm. Sie griff nach ihren Schlüsseln und nahm sich im Vorübergehen die Jacke vom Haken. Bakura wandte sich um: „Soll ich Sie begleiten?“ Die Blondine schaute kurz das Chaos auf ihrem Boden an, dann in Bakuras unschuldig wirkendes, jugendliches Gesicht. „Na ja, bevor du hier noch mehr Chaos anrichtest, behalte ich dich lieber im Auge.“ Sie seufzte und konnte es sich, wie so oft schon zuvor, nicht erklären, wie so ein tapsiger, junger Mann, der von einem Fettnäpfchen ins nächste Schlammassel trat, an ein so hochausgezeichnetes Empfehlungsschreiben des Gouverneurs gekommen war. Es war seine Eintrittskarte ins Scotland Yard gewesen, sonst hätte Mai ihn nie als ihren persönlichen Assistenten akzeptiert, jedoch waren ihr die Hände gebunden, diesen Mitarbeiter ab zu schieben. Als Bakura noch zögerte, erklärte sie es ihm ungeduldig: „Hob auf, ich nehm‘ dich mit, komm schon!“ Bakura hörte am Tonfall, wie sie ihre Augen verdrehte und es machte ihm so richtig Spaß, hier den Vollidiot zu mimen, denn er freute sich jedes Mal wie ein kleiner Nachtmahr, wenn seine Chefin sich so köstlich aufregte. oOo Als die beiden ihren Platz in einem der Besprechungsräume des Unterhauses gefunden hatten, vor dem Mai sich nun, wegen der immer wieder erneuten Pannen, die die Londoner Kriminalpolizei zu verzeichnen hatte, rechtfertigen musste, wandte sich die Blonde noch einmal mahnend an ihren Begleiter: „Bakura, bitte, um Himmelswillen, nimm dich zusammen und blamiere mich hier nicht!“ Ihr Assistent nickte. Ach ja, wenn seine Chefin wüsste, dass der Grund weswegen sie hier war, doch genau neben ihr Platz genommen hatte. Aber Bakura hatte ohnehin nicht vor, hier irgendwelche Dummheiten zu machen. Wenn er sich etwas dämlich bei seiner Chefin anstellte, war es etwas anderes als wenn er das in der Öffentlichkeit tat. Zumal er hier in diesem Rahmen darauf verzichten konnte ins Rampenlicht zu geraten. Einerseits wusste ja niemand von seinem Geheimnis, aber allein durch sein Äußeres hatte er zu viel Wiedererkennungswert, als, dass er so in der Presse auftauchen musste. Er war sich sicher, dass falls er doch einmal bei seinen Einbrüchen gesehen werden sollte, man sich an ihn erinnern würde. Würde sein Bild in den Medien auftauchen käme eines zum anderen und ungewöhnliche Erscheinungen blieben doch leider im Kopf der Leute hängen. Also tat Bakura das was er am besten konnte. Unauffällig bleiben. Auf seinem Stuhl hatte er sich etwas gemütlicher hingelümmelt, aber dennoch war er innerlich angespannt, er kam nicht zur Ruhe. Aus einem Instinkt heraus, spürte Bakura einen seltsam stechenden Blick auf sich. Er sah sich im Sitzungssaal um, konnte aber nicht feststellen, wer ihn anstarrte. Dieses seltsame Gefühl ließ in nicht los und bereitete ihm immer mehr Unbehagen. Irgendeine dunkle Vorahnung kam dem Dieb dabei, wie er sich beobachtet fühlte. Dann entdeckte er düster funkelnde Amethysten die seinen Blick kreuzten, Bakura musste blinzeln und das Dunkle, das er geglaubt hatte zu sehen, war verschwunden. Und Sir Atem Cattano, der Constabler des Towers schaute auch nicht mehr in seine Richtung. War es doch nur Zufall? Wurde Bakura jetzt etwa paranoid? Der Constabler war ein angesehenes Mitglied des Unterhauses, von ihm ging sicher keine Gefahr aus. Bakura hatte ihn schon öfter im Fernsehen gesehen, aufgrund seiner ungewöhnlichen Frisur fiel dieser sehr auf. Er versuchte seine Gedanken wieder zu beruhigen, verflog doch das dumpfe Ziehen nicht. Bakura bekam Bauchschmerzen, ihm war es unwohl, denn er konnte das Gefühl nicht abschütteln, das ihm sagte, dass irgendein schlechtes Omen von dem Mann ausging, welches er nicht einordnen konnte. Der Dieb heftete weiterhin seine Blicke auf den Abgeordneten und beobachtete ihn. Eigentlich war es doch sonst immer Ryou, der an diesen Quatsch mit den Vorahnungen glaubte und Bakura hatte seine liebe Not ihm das auszureden. Bakura seufzte. Er verließ sich lieber auf Reale Beweise. Wobei er Ryou dann doch zugestand, dass er aufgrund seines dünnen Nervenkostüms wohl doch die eine oder andere Antenne für Gefahren hatte. Besonders empfindlich schienen diese Fühler bei Personen zu sein, die ihm viel bedeuteten. Er erinnerte sich genau, an den Zwischenfall, über den er sich heute noch wunderte. Ziemlich aufgelöst riss Ryou die Tür zu Bakuras Zimmer auf. Er hatte nicht gesehen wie er nach hause gekommen war, auch nicht das er ohne Malik zurück kam. Bakura hatte ihn im Wohnzimmer auf der Couch weiterschlafen lassen, er musste wohl aufgewacht sein, nachdem Bakura die Tür zu seine seinem Zimmer geräuschvoll zugeworfen und die Anlage aufgedreht hatte. Er wirbelte mit dem Kopf herum und sah seinen kleinen Bruder erschrocken an. Der Jüngere war kreidebleich und hatte sich die Arme um den Oberkörper geschlungen. „Malik“, er bibberte am ganzen Körper und kam schleichend auf Bakura zu, „Malik wo ist er?“ Bakura griff ihn an der Schulter und rüttelte ihn, Ryou sah aus wie weggetreten. „Beruhig dich wieder kleiner Spinner“, grinste Bakura und flickte ihm an die Stirn. „Malik ist zuhause im Bett wo er hingehört.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, log er ihn an. Ryou würde sich nur wieder aufregen, wenn er von der Mutprobe hörte. „Wirklich“, er sah zu Bakura auf und blinzelte die kommenden Tränen weg, „Was habt ihr heute gemacht?“ „Nichts was dich interessieren könnte. Etwas für große Jungs und nichts für Schwächlinge, wie dich!“ „Und Malik ist wirklich zuhause?“ Genervt nickte Bakura und rollte die Augen. Bevor er noch angefaucht würde, räumte Ryou lieber das Feld. „Ich habe ihn schreien gehört, aber dann war es wohl nur ein Traum.“ Erleichtert, dass doch nichts geschehen war trottete er ab, ließ aber kraftlos die Schultern hängen, der Alptraum hatte ihm doch arg zugesetzt. Am Handgelenk hielt Bakura ihn auf. „Na komm schon, du Kleinkind, bevor ich mir die ganze Nacht das Geschluchzte anhören muss, mach dich in mein Bett und dann erzähl halt was du wieder für Spinnereien hattest.“ Leise grummelte Ryou, wegen der ständigen Beleidigungen, krabbelte dann aber doch gehorsam unter die Decke und rollte sich ganz klein in der Ecke zusammen, Bakura hasste es, wenn Ryou ihm Platz weg nahm. „So, was war wieder los?“ „Malik und du, ich habe geträumt ihr ward auf dem Fabrikgelände. Ihr wolltet eine Mutprobe machen und Malik hat sich nicht getraut, ihr habt euch gestritten, aber er hat sich geweigert dort einzusteigen. Dann bist du gegangen und Malik auch, aber er hat es sich anders überlegt, drehte noch mal um und… und jetzt ist er im Kühlraum gefangen… er wollte doch nur die Packung mit dem Eis holen… aber er bekam die Tür nicht mehr auf.“ Ryou klammerte sich an seinem Schlafanzugoberteil fest und kniff die Augen zusammen. „Er… er sah so schlimm aus, seine Augen waren so leer, er hat einfach nur noch gestarrt und sich nicht mehr bewegt.“ Bakura war es bei Ryous Erzählung mulmig geworden, er konnte das nicht wissen, Bakura war erst am Morgen die Idee mit der Mutprobe gekommen, er war mit Malik an den Zaun der Fabrik geschlichen und hatte ihm dort gesagt was er tun sollte, um zu beweisen das er genauso viel Mumm in den Knochen hatte wie Bakura selbst. Eigentlich wollten sie zusammen gehen, aber Malik hatte sich geziert, worauf hin Bakura sich so geärgert hatte, dass der alte Nachtwächter wegen ihrer Auseinandersetzung auf sie aufmerksam geworden war und mit der funzeligen Taschenlampe herum geleuchtet hatte. Daraufhin war Bakura gegangen. „Ry, du denkst dir immer einen Quatsch aus. Mach die Augen zu und denk nicht mehr dran.“ Er erhob sich und wollte gehen. „Bitte bleib“, fiebte Ryou. „Mensch, ich muss bloß kacken.“ Bakura entwand sich dem Griff seines Bruders. Aber statt im Bad zu verschwinden, machte er sich auf den Weg zur Fabrik. Auf dem Weg verfluchte er Ryou und dessen Geschichten. Wieso war er jetzt hier her unterwegs? Dort angekommen, fuhr im der Schrecken in die Glieder. Denn tatsächlich, sah er am Stacheldraht über der Stelle am Zaun, wo sie sich gestritten hatten, ein Stofffetzen von Maliks Shirt wehen. „Stümper“, murmelte er. Ihm wäre das nicht passiert, so ärgerte er sich lieber über Maliks Unfähigkeit über Barrieren zu steigen, als sich darüber Gedanken machen zu müssen, wie Ryou das wissen konnte. Jede Deckung ausnutzend, schlich sich Bakura auf das Firmengelände und hin zu den Kühlhäusern, er hatte sich hier schon öfters bedient und wusste, das die Türen sich automatisch schlossen. Sollte Malik tatsächlich in einen der Kühlräume gelangt sein, saß er in der Falle, wenn er nicht wusste wie er den Sicherheitsmechanismus von innen entriegeln konnte. Tatsächlich hatte Bakura Malik dort gefunden und brachte den unterkühlten Ägypter mit zu sich nach Hause, zum Glück war er erst wenige Minuten zuvor eingeschlossen worden. Er verfrachtete das schlotternde Etwas in sein Bett, das Möbelstück quiekte auf, als der kalte Körper auf die Matratze befördert wurde. „Ryou?!“ Den hatte Bakura total vergessen. Na dann sollte sich sein kleiner Bruder um den Ägypter am Stiel kümmern, brauchte er sich selbst keine Erkältung holen. Zu seiner Verwunderung hatte Ryou keine Fragen gestellt und Malik von seiner Wärme allzu bereitwillig abgegeben. Bakura hatte sich in Ryous Zimmer verkrümelt und später erst erfahren, dass das die Nacht war in der sich Ryou von dem schlafenden Ägypter seinen ersten Kuss gestohlen hatte, zwar hatte er nur seine Stirn geküsst, aber mit seiner Aufgabe ihn zu wärmen hatte er es sehr ernst genommen und Malik wachte am nächsten morgen in einer engen Umarmung auf. Warum musste er sich gerade jetzt daran erinnern, das Ryou mal recht hatte mit seiner dummen Vorahnung? Und dass er auf einmal selbst so etwas verspürte, das sein kleiner Bruder ihm weiß machen wollte, ärgerte ihn maßlos. Jedoch brauchte er sich nicht länger Gedanken darüber machen, denn mit dem Abgeordneten der ans Mikrofon trat, wurde seine Aufmerksamkeit ins hier und jetzt zurück katapultiert, denn nun begann die Versammlung. Einleitend wurden einige von Bakuras Heldentaten die er als das Phantom begangen hatte aufgezählt, damit jeder der Anwesenden voll im Bilde war, welche Bedrohung von diesem Dieb ausging. Bakura lauschte den Ausführungen genau und er sonnte sich in den Worten. Seine mittlerweile immer mehr schwitzende Chefin beteuerte fortlaufend, dass es nicht die Schuld des Scotland Yard war, das der trickreiche Kriminelle bei jedem Versuch ihm seine Machenschaften zu unterbinden entkommen war. Mai stand auf verlorenem Posten, sie konnte auf keine Erfolge verweisen, nicht mal eine Spur von dem Dieb hatte sie. Es beruhigte Bakura, dass niemand auch nur die geringsten Ansatzpunkte hatte, die das Phantom überführen könnte. Es schien so, als hätte er eine blütenreine, weiße Weste, so wie es die Medien über ihn erzählten, wenn er kein Verbrecher gewesen wäre. Er machte seinem Namen alle Ehre - ein Phantom eben! Keiner sah ihn, keiner konnte ihn überführen, niemand hatte Indizien. Zufrieden entspannte sich Bakura und streckte seine Beine unter dem Tisch lang. Nachdem nun deutlich bewiesen war, dass das Scotland Yard der Plage nicht Herr wurde, war es klar worauf es hinauslief. Hilfe von außen. So wurde schließlich dem Konstabler des Towers, das Wort erteilt, in dessen Antrag diese Versammlung einberufen wurde. Die Rede fand Bakura sehr einschläfernd und wurde erst wieder aufmerksamer als Sir Atem seinen Vortrag mit den Worten schloss: „… Damit wir nun nicht zum Gespött der Nation werden, wurde im Vorfeld einstimmig beschlossen, dass wir die Hilfe eines Spezial-Agenten annehmen werden, der dem Scotland Yard zur Seite stehen soll. An dieser Stelle wollte ich Ihnen eigentlich den Special-Agent Mariku Ishtar hier vorstellen, leider ist er noch nicht auf königlichem Boden eingetroffen, wegen der ständigen Streiks in den Gewerkschaften wurden wiederholt die Flüge gecancelt.“ Bakura hob die Augenbrauen und begann leicht zu grinsen. Die Neuigkeiten hörten sich doch gut an, endlich mal eine richtige Herausforderung für ihn. Ryou würde er darüber wohl noch nichts erzählen, sein Bruder würde sich nur unnötig Sorgen machen. Er wandte sich zur Seite. Mai verzog ihr Gesicht, ihre Gedanken konnte er leicht erraten, das hatte ihr gerade noch gefehlt. So ein eingebildeter Kerl aus Übersee, der glaubte er könne mal kurz vorbeikommen und ihrem Phantom Handschellen umlegen. Sie würde sich ungern den Erfolg streitig machen lassen und jemand anderen den Dieb ergreifen lassen, der sich dann im Erfolg sonnen konnte, den sie und ihr Team schon seit Jahren vorbereitet hatten. Selbst während der gesamten Rückfahrt zum 8-stöckigen Hauptquartier des New Scotland Yard regte sie sich immer noch so sehr darüber auf, dass Bakura einige Male unauffällig ins Lenkrad greifen musste, um Unfälle zu vermeiden. Bakura im Gegenzug überlegte sich wie der Special Agent wohl drauf sein würde, er hatte dessen Namen noch nie gehört. Am meisten freute er sich darauf auch ihn an der Nase herum zu führen, direkt vor ihm zu sein, ohne das er ahnen würde wie nahe das Phantom war.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)