Blood red sunset von AbelAudrey
(-no justice, no peace.)
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Prolog:
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Prolog
Setze den unerschrockensten Seemann, den kühnsten Flieger und den tapfersten
Soldaten an einen Tisch, und was kommt dabei heraus? Die Summe ihrer Ängste.
-Winston Churchill -
Schmutzig klebte das Blut an der Wand und floss in dünnen Linien an ihr herab.
Zitternd lag der Sterbende am Boden, röchelte krampfhaft nach Luft und
versuchte mit letzter Kraft Sauerstoff in seine Lungen zu kriegen, doch alle
Anstrengungen waren nutzlos; die Kugel hatte seinen rechten Lungenflügel
geradezu zerfetzt. Es war ein glatter Durchschuss gewesen, direkt durch seine
Brust. Sieben weitere Kugeln waren verteilt in seinem Körper, in Armen,
Beinen, hatten sich in seinen Bauch gegraben, bis seine Organe vollständig
zerfetzt waren. Mehr als ein blutender Schleier zeugte nicht mehr von dem, was
einst sein Oberkörper gewesen war.
Und dort, wo früher sein Augen gewesen waren, waren nun nicht mehr als zwei
seelenlose, verstümmelte Löcher. Das Gesicht zerschnitten, den Körper
vernichtet. Das war sein Ziel gewesen und hiermit hatte er es erreicht.
Zufrieden blickte der Mann auf ihm hinab. Sein Blick hatte nur Verachtung
für ihn übrig.
„Geschieht dir recht, dreckiges Pack.“, spuckte er förmlich aus und
grinste den Toten selbstgefällig an.
Nein, diese Leute waren nicht mehr als Müll für ihn. Abschaum, der des
Lebens nicht wert war.
Unmenschen, wie sein Führer sie stets nannte.
Mit der stets emotionslosen Maske packte er die Pistole zurück und drehte
sich um, schritt ohne einen Blick an den Ermordeten zu verlieren zurück zu
seinen Soldaten.
„Generalmajor.“, empfing ihn sein Untersetzter sogleich und öffnete ihm
hastig die Tür des schwarzen BMWs.
„Heil Hitler!“, fügte er hinzu, mit stolz geschwollener Brust und
streckte den Arm in die Luft, ehe er salutierte.
„Heil Hitler!“, erwiderte der Mann ruhig und nahm Platz.
„Der Obersturmführer erwartet Sie in einer Stunde in seinem Büro.“,
brachte er sein Anliegen hervor und richtete nervös seine Krawatte. Heute war
sein erster Diensttag und da wollte er vor seinem Vorgesetzten keinen
schlechten Eindruck machen. Zudem hatte er einige eher beunruhigende Gerüchte
über den Generalmajor gehört und wusste, dass dieser keine Hemmungen hatte,
seine Untersetzten hart zurechtzuweisen. So manche hatten schon schwere
Verletzungen weggetragen oder hatten die Bestrafung gar nicht erst überlebt.
„Der Obersturmführer?“, wiederholte er, mehr zu sich selbst und wischte
über die frischen Bluttropfen auf seiner Uniform, als würden sie da durch
einen weniger makaberen Eindruck machen.
Ein freudloses Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sich
zurücklehnte und kalt beobachtete, wie der junge Rekrut den Wagen startete.
Sein lederner Mantel konkurrierte schon fast mit dem schwarzen Stoff des
Sitzes und allgemein wirkte die ganze Szene eher düster
Das gerade hunderte Menschenleben beendet wurden, bemerkte sogar ein Blinder.
Denn dafür brauchte man nicht die vor Angst und Schmerz gekrümmten Leichen
zu sehen, oder die Blutlachen, die literweise den Boden tränkten; nein, so ein
Massenmord hatte etwas derart eigenes, dass man es spürte.
Sei es nun die angespannte Stimmung der Soldaten, die noch nicht so Recht
begriffen hatten, was sie eben getan hatten, oder der unverkennbare Geruch von
verwestem Fleisch und Blut;- es war nur zu offensichtlich.
„Sag meinem Bruder, ich werde kommen.“
„Ja, Generalmajor Beilschmidt.“.
„Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der
Menschheit ein Ende.“
John F. Kennedy (1917-63), amerik. Politiker, 35. Präs. d. USA (1961-63)
Kapitel 1:
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Chapter 1:
"Es gibt kein Ausmaß des Schreckens, dessen wir uns nicht bedienen werden..."
Winston Churchill, 21.9.1943
„Du hast was?!“.
„Ich habe sie hingerichtet. Befehl von ganz oben.“, setzte er trocken
hinzu. Verständnis konnte er für die aufgebrachte Frage im besten Willen
nicht aufbringen.
„Ganz oben?! Seit wann machst du blind, was dieser Kerl sagt?!“, wurde er
angeherrscht und im nächsten Moment wurde wütend eine Faust auf den Tisch
geknallt.
Kurz hob er die Mundwinkel, als wollte er lächeln, doch er entsann sich und
bedachte sie nur mit seinem üblichen beherrschten Blick.
„Es war angeordnet, dass wir eine Massenerschießung machen und die Leichen
anschließen in die Gruben werfen.“, wiederholte er sachlich und warf einen
ungeduldigen Blick zur Uhr.
„Können wir das Gespräch auf später verlegen, ich habe noch einen
dringenden Termin.“, meinte er nach einigen Sekunden angespannten Schweigens
und richtete sich im Stuhl etwas auf.
„Nein, verdammt! Und was für ein beschissener Termin ist wichtiger als deine
Familie?! Du hast sie abschlachten lassen, verdammt noch mal! Das war nie
ausgemacht!“, machte die Frau ihrer Wut Luft, anfangs hatte sie zumindest
noch versucht halbwegs geordnet zu klingen, aber inzwischen schrie sie ihm die
Worte nur noch ins Gesicht.
Aber Ludwig blieb ungerührt, als er ihr nüchtern in die Augen sah und anfing
in sachlichem Tonfall zu sprechen.
„Doch, es war ausgemacht, von Anfang an. Ich wusste, dass du so reagierst,
aber glaub mir, es ist alles nur zum Wohl des deutschen Volkes,
Schwester.“.
Damit stand er auf und nickte ihr zum Abschied zu; Marias Fassungslosigkeit
übersah er einfach.
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„Herr Generalmajor! Ihr Bruder erwartet sie bereits.“, empfing die
Sekretärin ihn höflich und stand schnell auf, um eine kleine Verbeugung
auszuführen.
Immerhin schätzte sie sich glücklich, als Frau einen so wichtigen Posten zu
haben und den wollte sie auch behalten. Ludwig beachtete sie allerdings gar
nicht und ging in das anliegende Büro, schloss dabei wie gewohnt die Tür
hinter sich und schritt zum hölzernen Schreibtisch um sich zu
setzen.
Gegenüber von ihm saß sein Bruder, gekleidet in seiner schwarzen Uniform, das
Haar wie er selbst streng nach hinten gekämmt und musterte ihn mit einem
selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen.
Auf seinem Kragenspiegel prangten rechts die unverkennbaren SS- Runen, links
ein kleiner weißer Totenkopf und dazwischen ruhte selbstverständlich sein
Eisernes Kreuz.
SS- Obersturmführer Gilbert Beilschmidt, Befehlsgeber der Totenkopfstaffel und
somit einer der Überwacher des Konzentrationslager Dachau.
„Die Uniform steht dir gut.“, meinte er nach einer Weile und ließ seine
roten Irden über die ordentliche Uniform gleiten, sie stand ihm wirklich
ausgezeichnet und die vereinzelten Blutspritzer störten das Bild nur
gering.
Ludwig legte viel Wert auf Ordnung und der Albino wusste, wie störend der
Deutsche derartige Umstände finden konnte.
Das Kompliment blieb unerwidert und der Blonde sah sich kurz um, ließ den
Blick ruhig durch den karg eingerichteten Raum schweifen und blieb schließlich
an ein kleines Foto auf dem Tisch vor sich hängen. Darauf waren er, sein
Bruder und seine Schwester Maria, Ostpreußen, abgebildet. Es war alt und schon
verblichen, aber der Preuße bestand darauf, es hier zu behalten.
Motivation, wie er es nannte. Für derartiges Wunschdenken hatte Ludwig nicht
viel übrig und wandte sich gedanklich den wichtigeren Dingen zu, er war hier
schließlich nicht zu seinem Vergnügen.
„Es ist nun beschlossene Sache, ich werde sie heiraten.“, bemerkte er nach
weiteren Minuten betretenen Schweigens monoton und schaute ihn gefasst in die
Augen.
Man konnte sehen, wie etwas in der Sekunde zerbrach. Nur wusste er nicht, ob es
das letzte Fünkchen Glauben, oder nun doch seine schon ziemlich beanspruchte
Beherrschung gewesen war.
„Bitte was?!“, knurrte Gilbert, seine Augen funkelten wütend und in seiner
Stimme lag der bedrohliche Tonfall eines schon viel zu lange unterdrückten
Zorns.
War bis eben zumindest die Illusion einer halbwegs ausgeglichenen Stimmung
vorhanden gewesen, so war das Trugbild nun mehr zerfallen.
Nicht nur, dass diese zusammenhangslose Offenbarung nicht im geringsten mit dem
Grund ihres Treffen übereinstimmte, diese Information war für ihn mehr als
schockierend.
„Das..ist nicht dein ernst. Sag, dass das nicht dein Ernst ist verdammt! Das
kannst du nicht tun!“, entrüstete sich der Preuße, die Augen vor Wut zu
schmalen Schlitzen verengt.
Doch wie immer blieb der Blonde ruhig, wie es sich für einen Generalmajor der
Wehrmacht nun mal gehörte.
„Du kannst gerne mit ihr tauschen.“, schlug er sarkastisch vor und
lächelte schmal über diesen absurden Gedanken.
„Krankes Arschloch.. Ich habe dich immer unterstützt, aber das geht zu
weit!“. Aufgebracht sprang er auf, er war hin und her gerissen.
Er war bei wirklich allem dabei gewesen, er hatte ihm geholfen und gemeinsam
wollten sie Deutschland zu einer bis her unbekannten Größe ausbauen und die
neue Weltmacht werden. Alle unwürdigen Rassen sollten ausgerottet und mit
reinem deutschem Blut besiedelt werden. Das war ihr glorreicher Plan und
natürlich benötigten sie jemand neues, wenn die anderen Länder vernichtet
worden waren. Allein Russland war ein derartig großes Gebiet, dass sie eine
neue Nation brauchen würden, um es zu verwalten. Europa war zu groß für nur
drei deutsche Personifikationen, also musste jemand neues her.
Und Ludwigs Plan dafür ließ keine Widersprüche zu, es war seiner Ansicht
nach die einzige realistische Chance die sie hatten.
„Wenn Polen, England, Frankreich, Russland und die anderen erst tot sind,
brauchen wir eine neue Nation.“, überlegte Ludwig laut, seine eisblauen
Irden ungerührt geradeaus gerichtet.
„Man kann nicht einfach so eine neue Nation erschaffen!“, knurrte Gilbert
fassungslos über so viel unberührbare Überzeugung.
„Deswegen werden wir warten, bis sie tot sind.“, wiederholte der Mann in
der schwarzen Brigadeuniform monoton; warum wollte sein Bruder auch nicht
verstehen?
„Du kannst nicht einfach ein Kind kriegen, verdammt! Du solltest wissen, dass
das bei uns viel komplizierter läuft!“, hielt der Albino immer noch
aufgebracht über die Absurdität dieser Idee dagegen und biss wütend die
Zähne zusammen.
„Und sogar wenn es möglich wäre… Du sprichst hier die ganze Zeit von
Rassenreinheit, aber es ist genauso abnormal und widerlich, seine eigene
Schwester zu heiraten.“.
Versucht beherrscht wandte er sich ab und lief zum Fensterbrett, mit
zusammengeballten Fäusten und tiefen Furchen auf der Stirn.
„Ich werde nicht zulassen, dass du meine Zwillingsschwester heiratest. Lass
Maria aus dem Spiel, Ludwig.“, flüsterte er entschlossen, die Verzweiflung
ließ er sich dabei nicht anmerken.
Der Jüngere war doch immer der Anständigere gewesen, also warum musste er
jetzt den Moralapostel spielen? Egal wie oft er sich den Gedanken durch den
Kopf gehen ließ, es konnte es nicht nachvollziehen.
Wann war es gewesen, dass ihr Führer seinen Bruder zu so einem Menschen
gemacht hatte?
„Geh mir aus den Augen, Ludwig. Ich muss meinen Aufgaben nachgehen.“,
murmelte er nach einer kurzen Pause, klang wieder ganz wie er selbst. Das er
total aufgewühlt war und innerlich schon Pläne für eine Ausweg schmiedete,
merkte man ihm nicht an.
„Ich bin dein Vorgesetzter.“, war die schlichte Antwort und sie ließ
keinen Widerspruch zu.
Gilbert wusste, wie viel Wert sein Bruder auf Disziplin und Regeln legte, aber
er war der Ältere und kein Rang würde das jemals ändern.
„Na gut.“, meinte er verärgert und stolzierte zurück zu seinem
Schreibtisch, nahm dort seinen Mantel und warf ihn sich locker über die
Schultern.
„Dann bist heute Abend, Bruder.“, verabschiedete er sich zynisch und
betonte das letzte Wort so verachtungsvoll wie möglich.
Der Ton blieb dem Jüngeren natürlich nicht unbemerkt, aber dieser nickte ihm
nur zu und schenkte ihm zur Verabschiedungen nicht einmal einen
Blick.
„Das wird noch Folgen haben.“, murmelte er leise, mehr zu sich selbst und
in seiner Stimme lag ein bedrohlicher Unterton.
Darauf sagte der Albino nichts und knallte hinter sich demonstrativ die Tür
zu. Er war wütend, verdammt wütend sogar und das ließ er nun jeden
spüren.
Seine Untersetzten und insbesondere die Häftlinge hatten nichts Gutes zu
erwarten…
~
„Herr Obersturmführer Beilschmidt! Obergruppenführer Eicke möchte sie
sprechen, es geht um den neuen Kommandanten.“, meldete sich ein junger Rekrut
zu Wort und salutierte noch hastig, ehe er das Tor öffnete und ihn eintreten
ließ.
Es musste wohl ziemlich dringend sein, sonst würde er nicht derartig
unhöflich sein und ihn vor seinem Dienstantritt so etwas mitteilen.
Also warf er dem Jungen einen genervten Blick zu und beließ es dabei, eilte
schnell ins Verwaltungsgebäude und nahm den Hörer entgegen.
Seinen Chef sollte er lieber nicht warten lassen und schnell seine miese Laune
vergessen, denn wenn dieser etwas nicht ausstehen konnte, dann war es
Unhöflichkeit.
„Obersturmführer Beilschmidt am Apparat.“, sagte er möglichst
professionell und mit seinem üblichen Grinsen auf den Lippen, wenn dieses auch
von seinem Vorgesetzten nicht gesehen werden konnte.
Eicke verdankte er auch den kleinen Totenkopf auf seiner Uniform, denn dieser
hatte beabsichtigt, dass ihr Verband sich allein optisch als Spezialeinheit von
den Anderen abhob. Sie waren praktisch die Elite, bekannt für ihre
rücksichtlos gehorchende, mitleidslose Art und dafür, dass sie den Willen des
Führers direkt vollstreckten.
Er bewunderte diesen Mann und seine Vorstellungen und Methoden, er war einer
der glorreichen Wohltäter ihres Landes, die ihnen zum Sieg verhelfen
würden.
„Ist der neue Kommandant schon eingetroffen? Ich beauftrage Sie mit der
Einführung und Überwachung des Rekruten, lernen Sie ihn an und zeigen Sie
ihm, wie es hier bei uns läuft. Haben sie verstanden?“, versicherte er sich
am Ende noch, obwohl dem Albino nur zu bekannt war, das er eh keinen
Widerspruch zuließ.
„Verstanden!“, erwiderte Gilbert sofort, voller Vorfreude denn er empfand
es immer als besonderen Spaß, einen Neuling auszubilden. Anfangs waren die
jungen Kerle noch ziemlich zurückhaltend, aber nach einer Weile töteten und
folterten sie mit hingebungsvoller Begeisterung und hatten ihre ehemaligen
Bedenken vergessen.
Und so schnell war das Gespräch auch wieder beendet, immerhin wusste der
Preuße auch genau, was er zu tun hatte und der General war kein Mann, der
viele Worte für so etwas nichtiges verschwendete.
„Sind sie Rekrut Obermeier?“, fragte Gilbert den schlaksigen Jungen vor
sich, der in seiner schwarzen SS- Uniform regelrecht verloren
wirkte.
Die Nervosität war dem Kleinen nur zu leicht anzumerken und er versuchte sie
vergeblich zu kaschieren, indem er aufgeregt an seinen Ärmeln
herumnestelte.
„Ja, Herr Kommandant!“, bestätigte er möglichst sicher und salutierte
mechanisch, den Rücken gerade durchgestreckt und einen Arm hinter seinem
Rücken gehalten.
„Na dann kommen Sie mal mit, es ist gerade eine neue Lieferung
angekommen.“, forderte der Albino mit einem Lachen und wandte sich ab, zum
großen Eintrittstor.
Er als Obersturmführer hatte jediglich die Aufsicht und war am Geschehen
selbst nur wenig beteiligt.
Also nahm er seinen Posten hinter der großen Auffahrt ein und ließ einen
strengen Blick über die kommende Menschenmenge schweifen.
Der Neuling war ihm eiligst gefolgt und nahm direkt neben ihm Stellung,
versuchte ihm dabei möglichst nachzueifern.
Er war noch ziemlich jung und aufgeregt und alles war hier neu für ihn. So
auch diese Prozedur.
„Warum sind diese Menschen nackt?“, kam nach einer Weile die
verständnislose Frage und Gilbert betrachtete amüsiert seine gekrauste
Stirn.
„Es ist doch Winter, da holen die sich alle doch den Tod!“, murmelte er
konfus und musterte die Menschenmasse vor ihn verwirrt.
„Alles Mittel zum Zweck!“, entgegnete Gilbert lachend über so viel
Naivität und winkte wahllos einem neuen Häftling zu.
„Komm her!“, befahl er streng und registrierte zufrieden, wie die junge
Frau zu ihm herübergeeilt kam. Anfangs schien sie irritiert, unsicher, ob
wirklich sie gemeint war, aber als sie merkte, dass der freundliche Blick ihr
galt hatte sie Mut gewonnen und blieb unsicher vor ihm stehen.
Alle hier hofften, das Glück zu haben, dass sie warum auch immer ein besseres
Schicksal als die Anderen erhielten und sie hielt sich an den Glauben, das ihr
nun eine Extrabehandlung bevorstehen würde.
Die Frau war noch ziemlich jung, nicht älter als siebzehn und die dunkle Haut,
sowie das ebenschwarze Haar zeugten von ihrer Herkunft.
„Sinti.“, kommentierte Gilbert wissend und musterte sie kurz. Wie die
meisten war sie eher unterernährt, aber die klaren Andeutungen eines
Babybauches zeugten davon, dass sie schwanger war.
Zu jung, also wohl unbeabsichtigt, dachte sich der Weißhaarige und ein
diabolisches Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
„Hinlegen.“, war der schlichte Befehl und nach kurzem Zögern, das mit
einem drohenden Blick bestraft wurde, folgte das Mädchen.
Sie zitterte stark vor Kälte und Angst, was sie jetzt erwarten
würde.
Das trieb Gilberts Stimmung nur noch in die Höhe und er leckte sich voller
Vorfreude über die Lippen.
Die Ausbildung konnte beginnen.
„Tret ihr in den Bauch!“, legte er hämisch los und der Jüngere zuckte
erschrocken zusammen.
„B-bitte was? A-Aber das ist doch ein Mädchen! Sie ist schwanger!“,
entrüstete er sich augenblicklich, aber dieses Verhalten war er von den
Neulingen schon gewohnt.
„Was?!“, fragte er scharf und schaute ihn drohend an.
„Dieses Drecksbalg willst du verschonen?! Du willst ein Soldat unseres
Führers sein?!“, zischte er provokant und spuckte ihm die Worte förmlich
entgegen.
„Tu was ich dir sage du nutzloser Feigling!“.
Eingeschüchtert tat er einen Schritt nach vorne, aber sein Wille war noch
nicht ganz gebrochen.
Die Frau schluchzte leise, erschüttert über so viel Unbarmherzigkeit und
voller Sorge, was nun mit ihr geschah.
„Los!“, setzte Gilbert noch einmal spottend an und beobachtete genügsam,
wie seinem Befehl endlich Folge geleistet wurde.
Wenn auch nur widerwillig setzte sich der Jüngling in Bewegung und holte
unbeholfen aus.
Ihm stand ins Gesicht geschrieben, wie ungern er das tat, aber er wollte an
seinem ersten Tag Härte beweisen und schloss einfach die Augen, als würde
dadurch alles ausgeblendet werden.
Dann trat er zu und die Frau stöhnte schmerzhaft auf, als der schwere
Springerstiefel sich in ihr Fleisch grub und einen unbeschreiblichen Schmerz
durch ihren Körper jagte.
Leidend krümmte sie sich zusammen und stammelte in ihrer Sprache leise vor
sich hin, Tränen liefen haltlos über ihr schmutziges Gesicht und sie
schnappte fast schon krampfhaft nach Luft.
Der Rekrut selbst gab nur einen erschrockenen Laut von sich und schaute
fassungslos auf sie hinab, als konnte er nicht glauben, was er ihr soeben
angetan hatte.
Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu seinem Vorgesetzten, er wollte das nicht
tun.
„Nochmal.“, kam es nur von Gilbert, das ganze machte ja noch mehr Spaß,
als er es sich jemals ausgemalt hätte!
„A-Aber.. Ich kann das nicht tun!“, widersetzte er sich entsetzt und
schüttelte überfordert den Kopf.
„Doch, kannst du. Oder willst du mit diesem Abschaum tauschen?!“, herrschte
er ihn sogleich an, diesmal wesentlich lauter und drängender.
Wie konnte man auch nur so gehemmt sein?
In Rage trat er näher an ihn heran, bis er dicht vor ihm stand und sie nur
wenige Zentimeter voneinander trennten. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast
und die roten Seelenspiegel strahlten pure Verachtung aus.
„Du Schlappschwanz, beweg endlich deinen unnützen Arsch und zeig dieser
widerlichen Brut, wo ihr Platz ist!“, schrie er außer sich, seine Stimme
überschlug sich fast und in dem Moment war es mit der Selbstbeherrschung des
Neuen aus.
„Das ist Befehlsverweigerung! Glaub mir Kleiner, das wird noch Folgen haben,
mir widersetzt sich keiner ungestraft!“, fügte er zischend hinzu und wandte
sich ruckartig ab.
Der Junge zitterte nur noch und machte den Eindruck, als würde er jede Sekunde
in Tränen ausbrechen.
Und endlich tat er, was von ihm verlangt wurde, diesmal allerdings nicht so
zurückhaltend und trat mit voller Kraft zu.
Die Folge war ein haltloser Schrei, durchdrungen von Schmerz, bis nur noch ein
kraftloses Wimmern zu hören war.
Hustend stemmte sich das Mädchen auf die Arme und Blut spritzte dunkel auf
den staubigen Boden.
„Geht doch.“, kommentierte der Preuße gelangweilt, für ihn war die Sache
damit erledigt, der erste Schritt war getan.
„Nun zu Ihrer Strafe, Rekrut.“, sagte er an und lachte leise, dieser Teil
war fast noch köstlicher als das hier!
„Du kannst gehen.“, richtete er sich noch an die weinende Frau und ging
dann zur Mitte des Platzes, als wäre nichts gewesen.
Die anderen Gefangenen waren schon untergebracht und außer einigen Wachposten
und ihnen war der Appellplatz komplett leer.
Dort angekommen sah er sich kurz um, ehe er sich an den Kleineren wandte, der
ihm ziemlich aufgelöst gefolgt war. Er musste das Ganze erst einmal
verarbeiten und war von seiner Tat noch ziemlich geschockt.
„Siehst du die Patronen da?“, meinte er und deutete auf die überall
verstreuten Metallkugeln.
Der Jüngere nickte verwirrt und wusste nicht, was das mit seiner Strafe zu tun
haben sollte.
Langsam hob Gilbert den Arm und drehte den Daumen nach unten.
„Aufsammeln.“.
Unsicher kniete sich der Auszubildende auf den Boden und begann zögerlich die
Patronen aufzulesen.
„Nicht so...“, kicherte Gilbert vergnügt und sah ihn scharf
an.
„W-Wie dann?“, brachte der Junge stotternd hervor und Verwirrung spiegelte
sich in seinen dunklen Augen wieder.
„Mit dem Mund.“, erklärte der Albino und lachte schadenfroh, als er den
Gesichtsausdruck von ihm sah.
Demütigung war die beste Methode, jemanden zu brechen.
Ohne ihn noch einmal anzusehen, senkte der Betroffene den Kopf und folgte
wortlos seinem Befehl, bückte sich hinab und begann, die Patronen mit dem Mund
aufzusammeln. Er zitterte leicht und es musste für ihn wunderbar erniedrigend
sein.
Zufrieden mit seinem Werk wandte sich der Preuße ab und schritt zurück zur
Hauptzentrale.
„Arbeit macht frei.“, wiederholte er spöttisch, das aufgemalte Grinsen wie
mechanisch auf den Lippen.
Hier hatte man schnell zu lernen und Menschlichkeit oder Toleranz waren nicht
mehr als lästige Schwächen.
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