Rübenfürst und Möhrenkönig von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Bauer werden ist nicht schwer... ---------------------------------------- I. Prolog: Bauer werden ist nicht schwer… Um eines gleich mal klar zu stellen: Ich bin echt ein cooler Typ. Bei so einer Behauptung überkommt Sie das eiskalte Würgen? Tja… als der liebe Gott die Menschen erschaffen hat, hat er sie nach cool und nicht cool sortiert. Dann hat er die Coolen in eine Kiste gestopft und den Rest in eine andere – deutlich größere. Als die Coolen dann so gen Erde hinab segelten, sangen sie: „Wir sind die Coolen… wir sind die Coolen…“ Kennen Sie das Lied? Nein? Dann saßen Sie wohl in der anderen Kiste… Jetzt sind Sie beleidigt? Kannten den Witz noch nicht? Och… Taschentuch gefällig? Ich habe auch ein ganz Cooles für Sie… Aber jetzt mal im Ernst: Ich hatte bisher ein Scheißglück. Bin mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren worden. In Wirtschaftswunderzeiten hat mein lieber Großpapa den richtigen Riecher gehabt und hat ein Firmenimperium aufgebaut, das bis heute nur so klingelt. Babynahrung und –ausstattung, Schnuller und so… okay, das ist vielleicht nicht ganz so cool, aber das steht mir ja nicht auf die Stirn geschrieben. Der Laden brummt jedenfalls kräftig vor sich hin, verwaltet von kundigen Händen, die garantiert nicht die meinen sind. Nicht dass ich komplett planlos wäre, habe schließlich brav BWL studiert, aber ich kann mir wahrlich besseres vorstellen, als achtzig Stunden die Woche zu malochen. Muss ich auch nicht und meine Eltern, denen der Laden inzwischen gehört, auch nicht. Sicher, man muss den Überblick haben… aber wozu gibt es Berater, die sich, anders als ich, wirklich mit solchen Sachen auskennen und das faszinierender Weise sogar gerne tun? Vielleicht denken die auch nur an den Jahresbonus, wie auch immer. Mein Anteil waren bisher nur gelegentliche „Praktika“ in den familieneigenen Betrieben, aber ansonsten… Geld auszugeben ist schließlich auch eine verantwortungsvolle Aufgabe! Wo stünde die Wirtschaft, wenn nicht einige sich aufopfern würden, und den ganzen Luxus-Krempel konsumierten? Genau! Man denke an den Einzelhandel, den Vertrieb, die Werbebranche und so weiter – was wären die ohne Leute wie mich? Statt neidisch zu meckern sollte man mir mal lieber danken. Bisher hielt sich die Begeisterung zwar in Grenzen, aber das Leben war schon nicht zu verachten, wie es war. Den größten Teil des Jahres residiere ich in meiner Bude, einem zweihundert Quadratmeter-Loft in der Hafencity der Hansestadt Hamburg. Zwei Ebenen, Industriedesign… Sie wissen schon. Vielleicht aus dem Fernsehen… Von dort aus lassen sich gut die Puppen tanzen lassen, auch wenn meine Puppen weniger Barbies als Kens sind. Das hat meine Eltern weniger erfreut von wegen Familientradition und so, aber wenn es sein muss, kann ich immer noch einen auf Ricky Martin machen, wir leben schließlich nicht in der Steinzeit. Allerdings ist mir aktuell ganz und gar nicht nach Baby-Freuden, auch wenn ich mein spaßiges Lotterleben gerade diesem Verlangen der Menschheit verdanke. Schön Kinderchen machen… und dann mit von Buch-Breilein füttern, mit von Buch-Schnullern und von Buch-Kuscheltierlein beglücken… und immer daran denken: Qualität hat ihren Preis! Sie wollen doch das Beste für ihr Kind? Wie soll es bitte eines Tages Nobelpreisträger in Quantenphysik, der erste türkischstämmige Bundeskanzler oder die nächste Marlene Dietrich werden, wenn Sie schon beim Grundsätzlichen sparen? Die Weichen werden früh gestellt… Nun ja, wenn es mir in Hamburg zu öde wurde, konnte ich immer noch mein Luxus-Köfferchen packen und ein bisschen an die Cote D’Azur oder… halt irgendwohin, wo Leute meinen Kalibers eben auf Yachten feiern und Schampus schlürfen. Auf diese Weise habe ich die Jahre bisher gut hingebracht. Der Uniabschluss hat mich auch nicht gerade an die Grenzen meines Seins befördert, wozu gibt es Privatakademien, die bei der zahlenden Kundschaft nicht ganz so genau hin schauen. Ist ja nicht so, als müsste ich mich irgendwo bewerben… Und so schwer war das auch nicht, denken ist zwar langweilig, aber total verblödet bin ich auch nicht. Ja ja, grinsen Sie nur… das kratzt mich nicht die Bohne. Alles in allem war das Leben gut zu mir. Es gibt ja auch solche unter uns, die sich irgendwann angefangen haben zu langweilen… diese Form des Lebens als hohl empfanden… und dann auf den Eso-Trip gegangen sind, Depressionen bekommen haben oder sich wohltätig eingesetzt… aber so ein wandelnder Krisenherd bin ich nicht. Umso unangenehmer ist die Tatsache, dass meine lieben Eltern meinen, dass es für mich an der Zeit sei „Erwachsen zu werden“. Pfft… okay, ich werde dieses Jahr dreißig, aber man ist so jung, wie man sich fühlt! Und wozu zum Geier soll das gut sein? Erwachsen zu werden hört sich nicht gerade nach einer weiteren Variante von „Spaß“ an. Aber ich habe die dumpfe Befürchtung, dass es meinen Altvorderen dabei auch nicht gerade darum geht, mich zu amüsieren… Jedenfalls haben sie echt die harten Geschütze ausgepackt: Entweder ich komme in die Pötte, oder sie bereiten den Verkauf der Firma vor und vererben den Erlös… so ziemlich allen außer mir. Sie finden das witzig und voll verdient? Ich nicht, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können. Aber immerhin habe ich damit ein Problem, dass Sie wohl niemals haben werden… Jetzt wollen Sie mich in den Arsch treten und solidarisieren sich insgeheim mit meinen Eltern? Die Welt ist voller Missgunst… Wo ist ihre moralische Überlegenheit denn jetzt hin? Wie auch immer. Mein Sommerurlaub an der Copacabana ist jedenfalls gestrichen, stattdessen geht es nach Hessen. Ich weiß, nicht besonders mondän, aber das wird meine Tätigkeit dort wohl auch weniger werden. Ich habe ein festgesetztes Budget im Gepäck und für meine eigenen Bedürfnisse eine Art Taschengeldkonto, auf das monatlich eine derart erbärmliche Summe einfließt, dass ich keine Ahnung habe, wie ich dem drohenden Hungertod entrinnen soll. Mein Porsche muss hier bleiben, stattdessen haben sie mir einen Audi mit Allradantrieb verpasst – popelgrün und gebraucht! Ein Gebrauchtwagen! Das mir! Eltern können so grausam sein… Ich solle etwas Bescheidenheit und Bodenständigkeit lernen, man habe mich viel zu sehr verwöhnt… finde ich ja nicht, und außerdem: Das fällt denen jetzt ein? Wenn ihnen so viel daran gelegen gewesen wäre, hätten die mir ihre pädagogischen Wahnvorstellungen eventuell eher angedeihen lassen können. Ich bin fast dreißig nicht drei! Ich bin erwachsen! Na ja, nach ihrer Auffassung anscheinend nicht… und jetzt sind sie irgendwie auf den Trichter gekommen und erpressen mich kaltschnäuzig. Ob das ihren Zielen so zugutekommt…? Jedenfalls: auf Wiedersehen, Jason von Buch, König des süßen Lotterlebens, hallo. Jason von Buch, Bauer. Hey… hören Sie auf! Ich habe auch Gefühle… ein paar immerhin… Bevor Opa an die Spitze der Babykram-Bonzen aufgestiegen ist, war er ein stolzer hessischer Kleinbauer. Nachdem die Kassen angefangen hatten zu klingeln, hat Großvaterlein auf seine Abstammung geschissen, und auch Omi hatte besseres zu tun als Rüben zu ernten. Sie haben den Hof eiskalt vergammeln lassen, und auch meine Eltern hatten wenig Ambitionen, zu ihren Wurzeln zurück zu kehren. Das überlassen sie jetzt netterweise mir. Ein Jahr Zeit habe ich, diese jämmerliche, total vor die Hunde gegangene Parzelle wieder wirtschaftlich tragfähig zu machen. Ein Jahr hessische Pampa – auch gelegentlichen Urlaub hat man mir untersagt. Ich könne ja zum Ausspannen an den Baggersee fahren, wurde mir lakonisch erklärt. Eher sterbe ich! Doch… vielleicht gibt es am Baggersee ja doch etwas zum Baggern… so ein Grashalm kauender Landbursche oder so, der geheime Sehnsüchte in sich trägt, für die man ihn im heimatlichen Kuhkaff teeren und federn würde… oder wie lief das da? War ja immerhin noch Deutschland, aber ich muss gestehen, dass ich vom Landleben nicht die allerpräzisesten Vorstellungen habe. Aber nicht, dass das obendrein noch heißen würde, zwölf Monate lang nichts mehr vor die Flinte zu bekommen! Dann wäre ich wahrscheinlich irgendwann reif für einen Auftritt bei „Bauer sucht Mann“ oder so. Nicht, dass ich das sehen würde, aber in der Klatschpresse steht da so einiges drüber. Und die muss ich lesen, um auf dem neusten Stand zu bleiben, wo das Leben tobt, was gerade angesagt ist... Das würde ich vorerst wahrscheinlich auch nicht mehr so dringend brauchen. Stattdessen habe ich jetzt einen Stapel Landwirtschaftsmagazine auf dem Designertisch meines Lofts liegen. Ja, so etwas gibt es wirklich! Nicht das Loft, die Magazine… und Bücher über Bücher… Ach du Scheiße… Schon der Anblick löst bei mir komatöse Attacken aus, aber irgendwo muss ich ja anfangen. Vom Management eines Betriebes habe ich ja durchaus Ahnung, und auch ein Bauernhof ist streng genommen nichts anderes, aber da gibt es darüber hinaus so gruselige Sachen wie Pflanzen und Tiere und frische Luft und freien Himmel und Wetter… Oh weh, oh weh… Mir waren sogar die vom Innenarchitekten installierten Topfpflanzen binnen kürzester Zeit krepiert, und das einzige Tier, mit dem ich es je zu tun gehabt hatte, war keine Zuchtsau gewesen, sondern ein Hamster namens Van Gogh, der mich nicht hatte ausstehen können. Ich hatte meinen Finger fast eine halbe Stunde unter den Wasserhahn halten müssen, bis dieser blutrünstige Mini-Pitbull wieder locker gelassen hatte. Die einzige Narbe, die bis heute meinen wohlgeformten Körper verschandelt und mit der ich auch nicht gerade hausieren gehe. Ich… ein Bauer! Was für eine Verschwendung… und da gibt es viele, die mir da zustimmen würden! Ich habe nicht nur Geld und Muße, um mich um mein Äußeres angemessen zu kümmern, sondern auch wirklich günstige Anlagen mitbekommen. Schwarzes Haar und blaue Augen… ich sehe echt heiß aus, da mögen Sie stänkern so viel Sie wollen! Aber jetzt würde ich mich von meiner Maniküre wohl vorerst verabschieden können. Eine dumpfe Ahnung sagt mir, dass man sich bei meinem neuen Aktionsgebiet zuweilen dreckige Fingernägel holen kann. Keine schöne Aussicht, aber andererseits sieht mich da hoffentlich niemand – von Bedeutung. Shoppen war ich natürlich auch schon. Ich würde „praktische“ Klamotten brauchen, hatte meine Mutter mir verkündet. Wie ich dieses Wort hasse… Aber Prada hatte gerade eine Kollektion im Landhaus-Stil, das passte ja gut. Okay… ich sitze echt in der Patsche. Ich habe absolut keinen Bock auf diese Sache und noch weniger Ahnung, das gebe ich ja zu. Aber… Totgeglaubte leben länger! Pass bloß auf, Bauernhof am Arsch der Heide, jetzt kommt Jason von Buch und macht klar Schiff, dass dir nur so die Ohren schlackern werden! Ich kann das nicht? Das werden wir ja sehen! Ich will mein Erbe! Amnesty International und der deutsche Dackelzüchterverein werden in die Röhre gucken! Finger weg von meiner Kohle! Ich kriege das hin, garantiert! Bin ich eben ein Jahr lang ein echt cooler Bauer – da dürfte die Messlatte ja auch nicht sonderlich hoch liegen. Ja… Sie werden schon sehen! Aber trotzdem… ein bisschen zum Heulen ist mir schon. Zwölf endlose Monate gähnende Ödnis und der Umstand, etwas wirklich machen zu müssen… das ist so gar nicht meins. Tschüss, Loft, tschüss Party-Leben, tschüss alles, was das Leben gut macht… Aber ich komme wieder! Wartet’s nur ab! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)