Ein guter Tag zum Sterben von Hotepneith (Zwei Hundebrüder, der Hunderat und so etwas ähnliches wie die Hölle) ================================================================================ Kapitel 19: Menschennacht ------------------------- Seltsamerweise, wie es sein Halbbruder sah, war Sesshoumaru der Erste, der die logische – und bittere – Konsequenz zog: „Wir werden zu Menschen. - Inuyasha.“ Dieser war etwas verwirrt, zumal, da nun alle Drei ebenso wie er selbst, schwarzhaarig und mit dunklen Augen in der Dämmerung standen, begriff dann jedoch. Er war der Einzige in diesem Quartett, der wusste, was ein menschlicher Körper konnte und was nicht. Dieses Vertrauen, zumal vor anderen Hundedämonen, hätte er vor der shiken jigoku kaum erhalten. So sah er sich rasch um. „Wir wissen nicht, was hier alles sich so nachts rumtreibt. Unsere Schwerter funktionieren ohne Dämonenenergie nicht. Also sollten wir die Nacht auf Bäumen verbringen.“ Erneut war er überrascht, dass kein weiterer Kommentar von einem der ach so hyperstolzen Daiyoukai kam, sondern sie sich nur umblickten, auf der Suche nach einem passenden Baum. Er konnte sich vorstellen, dass keiner der Drei je auf einen Baum geflüchtet war, ja, überhaupt einen Gedanken daran verschwendet hatte. Aber ebenso logisch, dass keiner zugeben würde, wie bescheuert sich das im Moment anfühlte. Er kannte diese Hilflosigkeit ohne Youki, die mehr als verringerte Sinneswahrnehmung, die Schwäche und Verletzlichkeit eines menschlichen Körpers ja zumindest, für die anderen jedoch musste es eine Art Hölle sein. „Inabikari,“ sagte Sesshoumaru allerdings nur, als er mit ungeübten Bewegungen einen Stamm emporkletterte, hoffend, es möge nicht so unschicklich aussehen, wie es sich anfühlte. Ohne dämonische Energie war man so schwach....Damit musste dieses jämmerliche Volk auskommen, und ein Hanyou zumindest einmal im Monat? Das eigentlich Verwunderliche war, warum diese Spezies überlebte. Der Angesprochene folgte wortlos, bemüht, sich in den engen Grenzen seines augenblicklichen Körpers zurechtzufinden. Das fühlte sich ja schlimmer an, als wenn man verletzt war... Er kam sich blind, taub und ohne Geruchssinn vor – leider entsprach das den Tatsachen. Aber dies war einen Tatsache und damit musste er leben. Inuyasha hatte sich ebenfalls einen Baum ausgesucht und stieg mit weitaus trainierten Handgriffen empor. Kyuu kletterte ihm nach, ohne zu zeigen, dass es sie erneut störte, dem jüngeren, rangniedrigeren der Halbbrüder zugewiesen worden zu sein. Man widersprach dem Taishou nicht, schon gar nicht in einer fremden Welt und unter solch beschämenden Umständen. Aber es weckte bittere Gefühle in ihr. Jeder hielt Inabikari ohne weitere Prüfung für stärker, ranghöher als sie – und der einzige Grund, den sie entdecken konnte, war die Tatsache, dass er eben ein Mann und sie eine Frau war. Die Tatsache, dass auch er nun nur in einem menschlichen Körper steckte, ebensowenig wie sie selbst erkennen konnte, was um sie war, bot keinen Trost. Der Hanyou setzte sich lässig auf einen dicken Ast und lehnte sich gegen den Stamm, wie er es schon so oft getan hatte. „Komm schon, Kyuu. Da ist auch etwas bequemes. Schlafen können wir sowieso nicht. Wir haben ja keine Ahnung, wer noch so alles in diesem Wald wohnt. Diese komische Sirene wird kaum die Einzige sein.“ „Wollt Ihr mir Feigheit unterstellen?“ fragte sie prompt, nahm jedoch auf einem dicken Ast Platz, froh, dass sie, Kämpferin, die sie war, Hosen und Rüstung trug. „Nicht wirklich. Aber für dich und die anderen ist es das erste Mal....“ Er brach ab, aber sie zog schon die Schlussfolgerung: „Dann wird ein Hanyou ab und an zum Menschen? Wie...“ Sie brach ab und korrigierte sich: „Ungewöhnlich.“ Immerhin WAR er der zweite Sohn des verstorbenen Taishou, der Bruder des jetzigen und er HATTE die Prüfungshölle lebend überstanden. Na schön, er hatte gepatzt. Aber jetzt konnte er kaum zurück: „Sag ruhig peinlich. Und natürlich gefährlich. Wie du sicher merkst, sind menschliche Sinne nicht gerade berauschend.“ Das stimmte, dachte sie. Es fühlte sich schrecklich an, höchstens die Hälfte zu hören, kaum mehr etwas zu riechen, praktisch nichts zu sehen, da nun die Dunkelheit vollständig eingetreten war. Damit musste ein Hanyou leben? Sie hätte gern gedacht, dass es wiederum ein Beispiel seiner Schwäche sei, aber sie kannte hilflose, einsame Nächte im Wald nur zu gut, als dass sie nicht geahnt hätte, was auf jemanden in dieser beschämenden Form zukommen mochte. Inuyasha war etwas überrascht, dass keine dumme Bemerkung erfolgte. Er hielt sie nicht nur für eine stolze Hundedame sondern für arrogant, und sie hatte auf ihn bislang nicht so gewirkt, als ob sie Hanyou wertschätzte. So drehte er etwas den Kopf, ohne sie noch sehen zu können, zumal der Ast auf der entgegengesetzten Seite des Baumes war: „Normalerweise endet das mit Sonnenaufgang.“ Es sollte ein Trost sein. Kyuu konnte darin freilich keinen entdecken: „Haltet mich nicht für schwach, nur weil ich eine Frau bin!“ zischte sie. „Sicher nicht.“ Der Hanyou, der genug Erfahrung mit kampffähigen Frauen hatte, war überrascht: „Aber ich habe gedacht, dass du nie zuvor so hilflos in einem Wald rumgehockt bist.“ „Oft genug, wenn auch nicht in dieser schändlichen Form,“ entfuhr es ihr: „Aber davon wisst Ihr natürlich nichts. Eure Familie hat Euch ja immer beschützt, gerade in diesen Nächten, nicht wahr, oh Sohn des Inu no Taishou?“ Das klang bitter. „Meine Familie?“ Er war verblüfft, meinte dann jedoch ehrlich: „Naja...mein Vater starb am Tag meiner Geburt, meine Mutter, als ich...na, sagen wir, sechs war. Und ab da musste ich allein zurecht kommen.“ „Aber Sess...ich meine, der Taishou...?“ Sie war mehr als verwundert, hatte sie doch ihre eigene Vergangenheit immer für die schlimmstmögliche gehalten. „Hm.“ Wie sollte er es erklären, ohne die relativ neu gewonnene brüderliche Eintracht zu gefährden? „Sagen wir, der wollte soweit nichts von mir wissen. Dir wird ja bekannt sein, dass Youkai Stärke schätzen.“ „Nur bei Männern.“ „Was meinst du?“ Kyuu holte tief Atem: „Ihr wollt mir erzählen, dass Ihr noch ein Welpe wart, als Ihr allein in den Wäldern lebtet?“ „Ja. Und diese Nächte in Menschenform durchstand. Es war manchmal ganz schön knapp. Damals hatte ich Tessaiga nämlich noch nicht.“ Sie wandte den Kopf und versuchte ihn zu erkennen: „Ein Kind allein im Wald....Und noch dazu manchmal so....Dann war ich nicht die Einzige.“ Willkommen in meinem Leben, dachte sie. „Wovon redest du?“ Sie verstand die Frage als Befehl: „Mein Vater war ein mächtiger Inuyoukai. Er starb, als ich und meine Schwester noch Welpen waren. Ich war die Älteste, aber weil ich ein Mädchen war, erkannte niemand meinen Erbanspruch an. Ja, mein Onkel wollte uns töten. Mutter hielt ihn auf und mein Kindermädchen half mir, indem sie mich aus dem Fenster warf. Ich rannte weg, wie sie es mir befahl – das rettete mir das Leben. Meine Mutter hat diesen Tag nicht überlebt. Wäre ich ein Junge gewesen, hätte niemand mein Erbrecht angezweifelt. Ihr wisst, wie es einem kleinen Kind in den Wäldern geht. Und glaubt nicht, dass ein Mädchen, wenn es heranwächst, nicht auch noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt ist als ein Junge. Ich lernte dort kämpfen, zu überleben. Eines Tages fand ich auch jemanden, der mir Schwertkampf beibrachte. Als ich dann, später, erfuhr, dass mein Onkel noch lebte, forderte ich ihn. Er weigerte sich mit mir zu kämpfen, weil ich ein Mädchen war!“ Sie presste die Zähne zusammen: „Erst, als er merkte, dass ich ihn so oder so töten würde, griff er zum Schwert. Ich will nicht erwähnen, was er da alles sagte. Nur soviel: auch meine Schwester war tot, gestorben an...seinen Kriegern. Ich bekam meine Rache. - Die Jahre allein im Wald halfen mir dann auch zu einer Daiyoukai zu werden und ich vermute, dass auch Ihr dort Euer Kampftalent erproben konntet.“ „So kann man es nennen.“ Inuyasha konnte sich in der Tat nur zu gut vorstellen, dass es auch für ein kleines Hundeyoukaimädchen allein im Wald nicht gerade einfach gewesen war. Aber das erklärte auch ihre Empfindlichkeit in Punkto Männer, ja, ihr deutliches Bemühen, Taishou zu werden. Sie wollte es allen zeigen – und er war sicher der Letzte, der das nicht verstehen konnte. So war er ja auch gewesen – nur hatte sie niemanden wie Kikyou und Kagome gefunden, die ihr gezeigt hätten, dass es auch anders ging. Armes Mädchen. Sie wusste, wie es war, nahe am Abgrund zu stehen, nicht mehr weitermachen zu wollen und es doch irgendwie zu schaffen, sie kannte das Gefühl allein in der Dunkelheit zu sitzen und nur noch Angst zu haben – und sie wollte das nie wieder erleben. Als die Sonne aufging, waren beide Halbbrüder erleichtert, wussten sie doch, dass dieser Menschenfluch aufhörte. Nun, gewöhnlich war es so, aber hier, in dieser anderen Welt, war nichts so wie es sein sollte. „Verdammt,“ murmelte Inuyasha, sah dann aber zu dem anderen Baum: „Nii-san, ich glaube, wir bleiben so,“ rief er. Vielen Dank für diese Aufklärung, dachte Sesshoumaru verstimmt, dem das auch gerade klar geworden war. „Gehen wir.“ Er stieg bereits vom Baum ab. Es würde nichts bringen zu warten. Sie mussten weiter nach Norden, in der Hoffnung, dass es inzwischen dem Gott der Zeit gelungen war, einen Ausgang zu finden. Falls nicht – oh nein, daran wollte er nicht einmal denken. Und alles, was ihn trösten konnte, war die Vorstellung, dass sein verehrter Vater diesen Unglückswurm von Hundeyoukai, der ihnen das hier eingebrockt hatte, getötet hatte, gerade tötete – oder töten würde. Wie immer man das hier sehen mochte. Hoffentlich hatte keiner der anderen bemerkt, dass er sich auf die Boa gesetzt hatte, als der dicke Ast sich schmerzhaft mit seiner Sitzfläche rieb....Wie ungemein peinlich das hier alles war! Tatsächlich war Tsukiyomi bei der einzigen Person aufgetaucht, deren überragende Magiefähigkeiten er seit Jahrzehntausenden kannte. Hayasa hatte nur geseufzt, als er die Nachricht hörte. „Sie sind Chaoten, diese Halbbrüder. Und selbst, wenn sie mal nicht an etwas schuld sind, bleibt es ein Chaos. Das wird sehr schwer.“ „Dessen bin ich mir bewusst, Hayasa. Aber ich weiß nicht, was geschieht, wenn auch nur einer von ihnen dort drüben stirbt, geschweige denn, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. Ebenso wenig ist mir klar, was geschieht, wenn ich auch nur versuche selbst in die Sache einzugreifen. Das hat ein Youkai mit Dämonenenergie hinbekommen, wie auch immer, – also muss es auch ein Youkai wieder rückgängig machen. Genki und Youki heben sich schließlich auf.“ Der riesige schwarze Daiyoukai erweckte den Eindruck zu lächeln, als seine Zähne aufblitzten: „Sie finden schon eine Lösung das zu Überleben, hoffe ich. - Ich werde nachdenken und in meinen Aufzeichnungen nachsehen. Ich glaube, es gibt einen Weg. Allerdings kann diese Verbindung sicher nicht lange aufrecht erhalten werden. Ich habe es selbst nie versucht, mit der Zeit herum zu spielen, ebenso wie alle meine Bekannten. Zu gefährlich.“ „In der Tat. Umso erstaunlicher ist es, dass es diesem....gelang. - Dann sollten wir zuerst Inabikari und Kyuu herausholen. Die Hundebrüder werden schon noch durchhalten, bei was auch immer.“ „Da gebe ich Euch recht. Sie werden länger und anders durchhalten als jeder andere. Wie sagte Inuyasha, was Kämpfe betrifft, seien sie ganz gut in Übung.“ „Jeder Daiyoukai ist das, sonst wird man keiner. - Nun, dann sieh nach. Wir sollten uns beeilen. Immerhin haben nicht einmal meine verehrten Eltern eine Ahnung davon, was auf der anderen Seite des Teppichs passiert.“ „Des Teppichs?“ „Der Zeit.“ Die vier scheinbaren Menschen wanderten derweil immer weiter Richtung Norden, die Halbbrüder voran. Auch, wenn Sesshoumaru sich eher selbst die Zunge abgebissen hätte als das auszusprechen, war es doch ein wenig beruhigend, jemanden dabei zu haben, der diese unangenehme Lage kannte, die Begrenzungen der fremden Körper abschätzen konnte. Es war sowieso unsäglich peinlich, diese Müdigkeit nach einer durchwachten Nacht zu spüren, biologische Notwendigkeiten anerkennen zu müssen, an die kein Dämon je einen Gedanken verschwendete. Er blieb stehen, als sie vor sich ein Hindernis entdeckten. Einer der Berge, die sich seit geraumer Zeit links von ihnen erhoben, musste ein Vulkan sein. Ein Lavastrom war fast bis zu ihnen geflossen. Er schien erstarrt zu sein – aber bedeutete das auch, dass er abgekühlt war? Sie konnten in dieser beschämenden Form nicht fliegen und würden auf Hitze sicher empfindlicher reagieren als sonst. Inuyasha war ebenfalls stehengeblieben. „Nun?“ fragte der unwillige Anführer daher. „Da vorn steigen heiße Dämpfe auf, die wir, solange wir in einem menschlichen Körper stecken, umgehen müssen,“ erklärte dieser hilfsbereit. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seinem Bruderherz die Gesamtsituation sonderlich gefiel, schon gleich die Tatsache, dass er sich in einem Leib befand, der kaum seinen hohen Anspürchen genügen dürfte. Allerdings musste er zugeben, dass ein Sesshoumaru mit schwarzen Haaren und dunklen Augen ihm noch ähnlicher sah als sonst. Bruderschaft konnten sie nicht verleugnen. „Immerhin scheint es Felsboden zu sein. Das ist gut.“ War es das? Aber Sesshoumaru ging weiter. Zum einen wollte er gegenüber den anderen beiden Hundedämonen keine Schwäche zeigen, zum anderen – was blieb ihnen schon anderes übrig. „Das sind Schwefelgase,“ sagte Kyuu, eigentlich an Inuyasha gerichtet. Sie hatte auf diesem Weg durch die unbekannte Welt schon mitbekommen, dass er weder dumm war noch so....menschlich, wie sie es vermutet hatte. Auch, wenn seine Mutter nichts als eine derart niedere Lebensform gewesen war, so war er stark genug gewesen, das Leben als Kind allein ohne Tessaiga zu überstehen. Und sie wusste nur zu gut, was es bedeutete, nicht behütet von Eltern aufzuwachsen, sich jedem dahergelaufenen Wurmdämon stellen zu müssen. Sie würde nie wieder auf ihn herabsehen. Der Hanyou war ein wenig erstaunt, meinte jedoch: „Auch. Das Andere ist etwas anderes, aber das kann man so nicht riechen. Wir...also, nii-san, für Menschen gibt es Gase, die sie bewusstlos machen, giftig sind.“ „Ich weiß,“ knurrte der Angesprochene. Als ob er unfähig gewesen wäre auf Rin aufzupassen! Inuyasha hatte den Unterton gehört. Mann, war der Umgang mit dem Typen schwierig, selbst, wenn man es gut meinte. Zumal, seit diese anderen Daiyoukai dabei waren. Da war der Herr Halbbruder wieder eisiger als in der Prüfungshölle, bedacht darauf, als Mister Supercool dazustehen, wie Souta so etwas mal genannt hatte. Souta, ja. Er dachte manchmal an ihn und Kagome sicher häufiger. Sie würde ihre Familie nie wiedersehen. Schade. Es war eigentlich schön gewesen durch den Brunnen zu können. Ob er wohl den Herrn der Zeit....nein, lieber nicht. Entweder, der hatte davon nichts mitbekommen oder es war bislang harmlos gewesen. So, wie der auf Inabikari losgegangen war, würde er kaum Kagome gestatten, wieder zwischen den Zeiten zu reisen. Anscheinend kam da leicht etwas durcheinander. Es war eben eine Ausnahme gewesen, die er und sie dem shikon no tama verdankten. Was immer das Teil sonst alles an Unheil bewirkt hatte – es hatte sie zusammengebracht. Auch Inabikari war in Gedanken, wenn auch in vollkommen anderen, versunken. Er hatte Kyuus Gespräch mit Inuyasha in der Nacht mitbekommen. Ja, er entsann sich, davon gehört zu haben. Es hatte da einen gewissen Skandal gegeben, aber im Endeffekt hatte er sich nie um das Gerede gekümmert. Wer nicht stark genug war, starb, so war es. Und eigentlich hatte er nie vermutet, dass Kyuus Impulsivität, ihre Aggressivität gegen männliche Ratskollegen aus ihrer Kindheit herrühren würden. Auch der Hanyou hatte wohl alles andere als eine schöne Jugend verbracht, den verstorbenen Vater nie gesehen, sich dann allein durchschlagen müssen. Das wiederum bedeutete aber auch, dass Sesshoumaru noch nicht erwachsen gewesen war, als er den Vater verlor. Hatte der darum kein Interesse an dem Amt des Taishou? Fürchtete er sich davor, ebenfalls jung zu sterben? Unwahrscheinlich. Nichts an dessen bisherigem Verhalten hatte darauf hingedeutet. Und die Halbbrüder waren nicht nur heil durch die Prüfungshölle gelangt, sondern so, dass Hayasa-sama mit gewisser Achtung von ihnen sprach. Nun, auch sein eigener Vater war relativ früh gestorben, aber er hatte seiner Mutter und ihm klare Anweisungen hinterlassen, was er tun und lernen sollte – um ihm dann durch den Jahrhundertplan zu helfen, den damaligen – oder nunmehrigen - Taishou zu besiegen. Das hatte nicht funktioniert. Aber eines war ihm nun klar: von allen Vieren hier hatte er wohl die behüteste Kindheit hinter sich gebracht. Der Boden wurde wärmer, aber nicht einmal für Inuyasha wurde es unerträglich, der ohne Schuhe ging. Er sah sich immer sorgfältiger um, sicher, dass dies auch Sesshoumaru, Inabikari und Kyuu taten. Aber ihm war auch klar, dass keiner der drei Daiyoukai, so fähig sie sonst sein mochten, sich mit dem Körper auskannte, in dem sie nun steckten. Immerhin hatte er da mal einen ungewohnten Vorsprung. Er war sicher der Einzige, der genau sagen konnte, ab wann es für Menschen riskant wurde. Und das wurde es. Der Weg zwischen den warmen Schwefelquellen, kochenden Dampfstößen und anderen netten Überraschungen wurde immer schwerer zu finden, aber sie konnten es sich nicht leisten, einen Umweg zu machen. Die Anweisung war eindeutig gewesen. Genau nach Norden. Und wenn sie auch nur die Hoffnung behalten wollten hier wieder weg und auch in ihre eigenen Körper zu gelangen, so wäre der Herr der Zeit und seine Möglichkeiten ihre einzige. Als er erneut nur knapp einem Dampfstoß entkam, dachte nicht einmal Inabikari mehr freundlich an seinen Erzeuger. Mit ähnlichen Gedanken legte Sesshoumaru unwillkürlich die Hand an Bakusaiga, aber es schwieg. In menschlicher Gestalt, ohne Dämonenenergie, funktionierten Youkaischwerter nun einmal nicht. Hoffentlich wurden sie wenigstens wieder zu Daiyoukai, wenn sie diese Welt verlassen konnten. Es war ganz sicher keine Option bis an das Ende seiner Tage in dieser beschämenden Facon herumlaufen zu müssen. Der Boden unter ihren Füßen bestand eindeutig aus hartem Fels, durch den nur immer wieder vulkanische Gase und heiße Quellen traten. Ab und an gab es kleinere Sandflächen, denen der nun vorangehende Inuyasha auswich. Er wusste es durchaus zu schätzen, dass sein älterer Bruder ihm hier die Führung überließ, wenn auch wohl aus einem rein nützlichen Grund – es hatte Zeiten gegeben, in der der noch so gute Ratschläge von ihm nicht angenommen hatte. Diese kleinen Sandflächen strömten eine große Hitze aus, fast, als ob sie Schlote zum eigentlichen Lavaherd im Untergrund seien. Sie hatten das Vulkanfeld fast hinter sich, als sich sein Verdacht bestätigte. Er entdeckte vor ihnen einen rechteckigen Schlot, von kaum zwei Schritt Breite. Dieser war allerdings nicht mit Sand aufgefüllt, auch, wenn sein Boden sandig war. Auch hier war die Wärme nur zu deutlich bemerkbar. Selbst in Toutousais Schmiede und der alles andere als anheimelnden Umgebung dort war es nicht derart heiß gewesen. Obwohl, das gab der Hanyou zu, er nie in Menschenform bei dem Schmiedeopa gewesen war. Er war mutig, aber nicht verrückt. Nun ja, meistens. Er war der Einzige, dem der kleine Laut auffiel, und er fuhr herum. Etwas erstaunt wandten sich nun auch Sesshoumaru und Inabikari um. Kyuu war am Rande des offenen Schlotes ausgerutscht. „Mist!“ Ohne sich weiter um die beiden männlichen Daiyoukai zu kümmern, rannte der Jüngste des Quartetts zurück. Sie hatte sich abgefangen und stand – was durchaus ihr Reaktionsvermögen und ihre Kampferfahrung bewies. Jetzt sah sie allerdings hinauf, ohne ihre Gedanken zu verraten. Warum war der Hanyou umgedreht? Wer nicht stark genug war, starb – und sie hatte einen dummen Fehler begangen, für einen Moment vergessen, dass sie in dieser erbärmlichen Gestalt weit langsamer war. Sie hatte sich zu nahe an dieses Loch gewagt. Es war heiß hier und sie sah sich gezwungen unschicklich von einem Fuß auf den anderen zu treten, um sich auch nur einigermaßen zu schützen. Die schmalen Wände vor und hinter ihr strahlten ebenfalls die Wärme der Lava ab. Lange würde sie hier nicht durchhalten, das war ihr klar. Sie würde keine Hilfe bekommen. Kein Youkai half einem anderen Wesen. Was für ein erbärmlicher Tod, hier zu Tode geröstet zu werden. Ihr Onkel hätte wohl gesagt, dass das das passende Ende für ein Mädchen sei... „Inuyasha.“ Leise Frage lag in diesem Namen. Sesshoumaru war eigentlich klar, dass sein Halbbruder eine Rettungsaktion plante. Nur, wie? Und warum? Kyuu war nicht sonderlich freundlich zu dem gewesen – aber, natürlich, korrigierte er sich dann. Wenn die Magie dieser anderen Welt es möglicherweise verlangte, damit sie hier wieder herauskamen, mussten sie wohl auch zu viert ankommen, oder für ewig hier bleiben. Nur, wie stellte sich der impulsive Hanyou in Menschengestalt das vor? Er konnte in den Schlot hinein springen, aber käme ebenso wenig wieder heraus wie Kyuu. Und die Hitze wäre ihr Ende. Aber gewöhnlich, das hatte er nicht zuletzt auf diesem Trip durch die Höllenprüfung gelernt, hatte der trotz aller Spontanideen keine Selbstmordgelüste. Also sollte er selbst abwarten. Inuyasha hatte durchaus mitbekommen, dass der Herr Halbbruder wusste, dass er sie da herausholen wollte und nichts dagegen sagte. Ob er an Rin dachte? Eher unwahrscheinlich. Da das wohl eine Erklärung verlangte, meinte er: „Ich bin zwar auch ein Mensch, aber das Feuerrattengewand wird mich schützen.“ „Und wie wollt Ihr wieder emporkommen, Inuyasha-sama?“ erkundigte sich Inabikari mit rein wissenschaftlicher Neugier. „Na, klettern.“ Und ohne weiteres Zögern setzte der Hanyou in die Tiefe. ** Im nächsten Kapitel geht es heiß her: Feuertaufe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)