Behind Closed Doors von Fairytale_x3 (can you find the truth?) ================================================================================ Kapitel 2: sweet home --------------------- Kapitel 2: sweet home Gut gelaunt betrat Daniel die Polizeistation. Er war froh, zurück zu sein. St. Augustine lag zwar nicht weit entfernt und er war es auch gewohnt, für seinen Vorgesetzten Alex den Laufburschen zu spielen, einzig die Tatsache, dass er allein fahren musste, störte ihn. Viel lieber hätte er Sarah bei sich gehabt, dann wäre der Tag mit Sicherheit besser verlaufen. Sarah lehnte am Tresen und unterhielt sich mit Molly, der Sekretärin. Er merkte auf Anhieb, dass etwas nicht zu stimmen schien. Sarah wirkte blass, als hätte sie einen Geist gesehen. In ihrer Hand hielt sie ihr Handy und beide schienen so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie Daniel herein kam. „Bin wieder da. Gibt’s was Neues?“ Die Blonde zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen und wandte schockiert den Kopf in seine Richtung. Molly linste über den Rand ihrer dicken Brillengläser zu ihm und zu seiner Verwunderung zierte ihr Gesicht keine genervte, sondern eher eine traurige Miene. „Stimmt was nicht?“ „Daniel, ich…“, Sarah unterbrach sich und wandte den Blick von ihm ab. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Was?“ Seine Stimme klang panischer, als er es gewollt hatte. Schnellen Schrittes ging er auf die junge Frau zu und nahm sie am Arm, als wolle er damit erreichen, dass sie weiter sprach. „Es gab einen Zwischenfall an der Sporthalle in der Berkley Street.“ Er blickte ihr irritiert entgegen und in seinem Kopf begann es zu arbeiten. Als ihm bewusst wurde, woher ihm der Name bekannt vorkam, wich die Farbe aus seinem Gesicht. „Was für einen Zwischenfall?“ „Ein junges Mädchen wurde schwer verletzt gefunden.“ „Wer war das Mädchen?“ Das Herz schlug ihm bis zum Hals, er spürte regelrecht wie das Adrenalin durch seine Adern rauschte. „Wissen wir nicht.“ „Und wer hat sie gefunden?“ Er versuchte, ruhig zu bleiben. Sarah schwieg einen Moment und schien über ihren Worten zu brüten. „Deine Schwester. Als wir eintrafen, war das Mädchen bereits verstorben. Ein schwarzhaariger Junge war bei ihr.“ Daniel schluckte hart und versuchte mit aller Gewalt seine Fassung zu wahren. „Keith?“ „Ich weiß seinen Namen nicht, aber er ging sehr vertraut mit ihr um.“ „Keith“, nickte Daniel bestätigend. „Wieso hast du mich nicht angerufen?“ Er blickte ihr verständnislos entgegen, nach dem der erste Schock vorüber war. „Hab ich doch versucht, aber dein Handy ist aus.“ Der verständnislose Blick wich einem irritierten, woraufhin er sein Handy aus seiner Tasche angelte und feststellen musste, dass es tatsächlich ausgeschaltet war. „Sie ist jetzt daheim, oder?“ „Das hat der Junge gesagt.“ „Gut, dann werde ich jetzt heimfahren. Wir sehen uns morgen früh.“ Er hob die Hand zum Abschied und verschwand so schnell aus der Tür, dass weder Sarah noch Molly die Chance hatten, sich ebenfalls zu verabschieden. Unaufhörlich prasselte der heftige Regen gegen die Fenster, die Bäume bogen sich im Sturm und große Blitze erhellten die Finsternis, denen kurz darauf lautes Donnergrollen folgte, das die Stille durchbrach. Keith lag wach im Bett seiner Freundin und blickte ratlos nach draußen. Die grauenvollen Szenen verfolgten ihn regelrecht, sodass er nicht einschlafen konnte. Sanft streichelte er ihr durch die langen braunen Haare, die sich in leichten Wellen um ihren Kopf verteilten und wirr auf dem Kissen lagen. Er liebte ihr Haar, es war wunderbar weich und geschmeidig. In seine Gedanken vertieft, hörte er das Klopfen an der Zimmertür erst beim zweiten Mal und schreckte auf. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Trish noch schlief, erhob er sich vorsichtig aus ihrem Bett und schlich zur Tür. Zu seiner Überraschung und teilweise auch zu seinem Missfallen stand Daniel dort. „Was willst du?“ Begeistert war er nicht. Er mochte Daniel nicht, in seinen Augen spielte er sich zu sehr als großer Bruder auf. „Nach meiner Schwester sehen.“ „Die schläft.“ Verständnisvoll nickte er. „Dann sag mir wenigstens, wie es ihr geht.“ „Was glaubst du wohl, wie es einem geht, wenn ein Mensch in seinen Armen gestorben ist!“, blaffte er ihn wütend an. „So war das nicht gemeint.“ „Mir egal, sie schläft und ich werde sie deinetwegen nicht wecken.“ Ohne ein weiteres Wort des Abschiedes schlug er Daniel leise die Tür vor der Nase zu und drehte den Schlüssel doppelt im Schloss. Kopfschüttelnd ging er zurück zum Bett und legte sich neben seine Freundin, die zu seiner Überraschung aufgewacht war und sich müde die Augen rieb. „Haben wir dich geweckt?“ „Hm, was wollte Daniel?“ „Wissen, wie es dir geht. Er kommt später noch mal, du hast geschlafen.“ Verstehend nickte sie daraufhin. Es überraschte ihn, dass er überhaupt eine Antwort bekam, damit hatte er nicht gerechnet. Sie hielt den Blick gegen die Bettdecke gerichtet und er bemerkte schnell, wie ihr die Tränen erneut in die Augen schossen und ihren Weg über ihr Gesicht auf den Bezug der Decke fanden. Schweigend zog er Trish in seine Arme, worauf sie jegliche Hemmung verlor und ihren Tränen freien Lauf ließ. Es tat gut, das Erlebte nicht zu verdrängen, sondern die Gefühle zuzulassen und zu weinen. Sie konnte den Schmerz, den sie empfand nicht in Worte fassen und ihr war absolut nicht nach reden zu Mute, sie brauchte lediglich jemanden, der sie tröstete und ihr sein Verständnis aussprach. Sie hätte dem Mädchen gerne geholfen, aber sie hatte nichts tun können, außer hilflos daneben zu sitzen und warten. Der Krankenwagen kam viel zu spät und sie musste mit ansehen, wie das Mädchen, das kaum älter wie sie gewesen sein musste, in ihren Armen starb. Diese Tatsache ließ ihr Herz zerbersten. Beruhigend streichelte Keith seiner Freundin über die bebenden Schultern, sein T-Shirt war leicht feucht, das störte in diesem Moment jedoch niemanden. Er fühlte sich machtlos und ergeben. Zu gerne wollte er ihr helfen. Eine lange Weile saßen sie in ihrem Bett, bis Trish sich allmählich beruhigte und das Beben ihrer Schultern nachließ. Mit verweinten Augen sah sie zu ihrem Freund auf und lächelte ein kleines bisschen. „Danke.“ Er schüttelte den Kopf. „Du musst dich für nichts bedanken.“ Sanft legte er seine Stirn gegen ihre und hielt ihr Gesicht in seinen Händen. „Okay?“, fügte er flüsternd hinzu, sie nickte. Zu sehr war sie in seinen Augen versunken, in denen sie jedes Mal die gesuchte Ruhe fand. „Okay“, antworte sie genauso leise, bevor sie sich näher an ihn lehnte und müde die Augen schloss. Sie lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag, der sie langsam in den Schlaf begleitete. Dienstag „Wir sind da.“ Trish zuckte zusammen und wandte dann, wie in Zeitlupe, den Kopf zu ihrem Freund, die Augen ungläubig auf ihn gerichtet. Sie wollte die Polizeistation nicht betreten. Wollte nicht erzählen was sie gesehen hatte, wollte keine Fragen beantworten. Wollte sich nicht erinnern. Und vor allem wollte sie ihrem Bruder nicht über den Weg laufen. Sie war dankbar, dass er am Abend zuvor nicht dort gewesen war. Keith bemerkte ihren Unmut und sein Blick wurde weich. „Ich komm mit rein, okay?“ Sanft streichelte er mit dem Daumen über ihre Wange, sein Augenmerk nicht von ihr abwendend. Fast unerkennbar nickte Trish, bevor sie aus dem Wagen stieg und mit ihrem Freund die Polizeistelle betrat. Sie überließ ihm das sprechen. Solange sie nicht dazu aufgefordert wurde, hatte sie nicht vor, etwas zu sagen. Seine Hand fest umklammert folgte sie ihm in das Innere des großen Gebäudes zur Rezeption, an der eine ältere, pummelige Dame saß, die sie über den Rand ihrer dicken Brillengläser hinweg anstarrte. „Ja bitte?“, krächzte sie unfreundlich, erst Keith dann seine Freundin argwöhnisch musternd. „Mein Name ist Keith Robinson und das ist meine Freundin Trish Carter. Sie soll hier eine Zeugenaussage machen.“ Der unfreundliche Ton, den die Dame anschlug, gefiel ihm überhaupt nicht. Beim Namen seiner Freundin wandte sich der unfreundliche Blick sofort in einen mitleidigen. „Einen Moment“, nickte sie ihnen zu, ehe sie sich erhob und verschwand. Als sie kurze Zeit später zurückkehrte, hatte sie eine jüngere blonde Frau im Schlepptau. Keith vermutete, dass es sich um die Polizistin vom gestrigen Abend handeln musste, darauf geachtet hatte er nicht. Trish unterdessen war dazu übergegangen den Boden anzustarren. Sie hoffte inständig, dass es bald vorbei sein würde. „Hallo. Mein Name ist Detective Sarah Miller. Wenn ihr mir bitte folgen würdet?“ Sie lächelte kurz, ehe sie sich umdrehte und den Gang entlang ging. Keith folgte ihr und zog seine Freundin eher mit sich, als dass sie selbst lief. Er spürte, wie sie sich innerlich sträubte, doch sie hatte keine Wahl. Wenige Türen weiter betraten sie einen kleinen Raum in dessen Mitte ein Tisch und vier Stühle standen. Sie nahm hinter dem Tisch Platz und deutete den beiden, sich ebenfalls zu setzen. Keith setzte sich zusammen mit Trish, die den Blick weiter gesenkt hielt, das hinderte die Blonde jedoch nicht daran, sie anzusprechen. „Okay, Trish. Kannst du mir erzählen, was gestern Abend passiert ist, als du die Turnhalle verlassen hast?“ Schweigen erfüllte den Raum. Keith beobachtete seine Freundin, die nervös ihre Hände knetete und weiter auf den Boden starrte. Die Situation war ihr sichtlich unangenehm, sie saß verkrampft auf dem Stuhl und rang mehr mit ihrer Fassung, als der Polizistin zuzuhören. „Trish. Ich weiß, dass dir das nicht leicht fällt, aber du willst doch, dass wir den Fall schnell aufklären, oder? Das geht nur mit deiner Hilfe.“ Zögernd nickte sie, ehe sie ihre Stimme wieder fand: „Ich hab gegen… gegen 21 Uhr die Sporthalle verlassen und dann Keith angerufen… Damit er mich abholen konnte. Danach hab ich gewartet.“ Detective Miller warf einen kurzen prüfenden Blick zu Keith, der bestätigend nickte und den Blick dann erneut seiner Freundin zuwandte. „Okay und wann hast du das Mädchen dann gefunden?“ Aufgeregt beugte sich Miller über ihren Schreibtisch und fixierte Trish mit ihrem Blick, der die Tränen in die Augen stiegen. „Ich hab Schritte gehört…“, Trish unterbrach sich und konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Keith streichelte ihr beruhigend den Arm entlang. „Und dann bist du um die Halle gelaufen und hast sie an der Stelle gefunden, wo ihr euch befandet, als die Rettungskräfte eintrafen?“ Mehr als ein Nicken brachte Trish nicht mehr über sich. Sie kniff die Augen fest zusammen, als wolle sie verhindern, dass sich die Bilder erneut in ihr Gedächtnis drängten und wippte mit dem Oberkörper vor und zurück, um sich zu beruhigen. „Und dann hast du den Krankenwagen gerufen und gewartet?“ „Ja.“ „Hast du jemanden gesehen? Auf dem Parkplatz oder in der Umgebung? In einem Gebüsch oder hinter einem Baum?“ Miller beugte sich noch weiter über ihren Schreibtisch, sie musste etwas gesehen haben. Heftig schüttelte Trish den Kopf und Miller ließ sich resigniert zurück in ihren Stuhl fallen. „Ich hab auch nichts gesehen. Um ehrlich zu sein, hab ich auf nichts geachtet. Nur sie war mir in diesem Augenblick wichtig“, Er deutete auf Trish, die mit ihrer Fassung zu kämpfen hatte. Die Ältere verstand und nickte abschließend. „Na schön. Meldet euch, wenn euch noch was einfällt, in Ordnung?“ „Werden wir. Auf Wiedersehen.“ Entschlossen erhob Keith sich, nahm seine Freundin am Arm und zog sie auf die Beine, um sie aus dem Gebäude zu bringen. Das Klingeln der Haustüre ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken. Er warf noch einen prüfenden Blick auf Trish, die sich, nach dem sie zurück waren, hingelegt hatte und verließ leise das Zimmer. Als er die Haustüre geöffnet hatte, musste er überrascht feststellen, dass es sich bei dem Besuch um Natasha und Lena handelte. „Hey Keith“, lächelte Lena fröhlich, bevor sie mit Natasha das Haus betrat und ungebremst drauf los redete. „Wo hast du Trish gelassen? Ich weiß, wir sind spät, aber Tasha kam nicht in die Gänge.“ Neckend boxte Natasha ihrer Freundin gegen den Arm. „Das ist überhaupt nicht wahr. Außerdem sind es nur zehn Minuten.“ Schweigend schloss Keith die Haustüre und blickte stumm zu den beiden Mädchen. „Keith? Alles okay? Du bist so schweigsam.“ Ertappt drehte er den Kopf zur Seite. Er hasste es. Es war jedes Mal das gleiche. Natasha musste einen sechsten Sinn für die Gefühle ihrer Mitmenschen haben. Sie war immer die Erste, die merkte, wenn etwas nicht stimmte. Er sah ihr direkt in die Augen. Wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte nicht lügen, das war nicht seine Art, aber wie sollte er ihr das erklären? „Trish schläft. Es geht ihr nicht sonderlich gut.“ „Keith! Raus jetzt mit der Sprache. Ich sehe dir an, dass du uns etwas verschweigst!“ Wütend blickte die Russin ihren Gegenüber an und stemmte vorwurfsvoll die Hände in die Hüften. Lena stand daneben und sah verwirrt zwischen den Beiden hin und her. „Kam es schon in den Nachrichten?“ „Was?“ Irritiert blickte Lena den Älteren an, sie verstand nicht, auf was er hinaus wollte. „Das Mädchen, das gestern an der Sporthalle gefunden wurde.“ „Ja, das hab ich gesehen. Armes Ding, ich frage mich, wer sowas tut. Und mir tut auch die Person, die das Mädchen gefunden hat, leid. Ich würde da nicht tauschen wollen.“, Als Keith daraufhin schwieg begann es in ihrem Kopf zu arbeiten. „Hat Trish etwa…?“ sie blickte ihm genauso ungläubig entgegen, wie sie es ausgesprochen hatte. Auch Lena schien endlich zu kapieren, auf was Keith hinaus wollte und starrte entsetzt zu ihm. „Das… das kann unmöglich dein Ernst sein.“ Heftig schüttelte Natasha den Kopf, wollte die Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben. Sie hoffte inständig, dass er ihr gleich sagen würde, dass er sie auf den Arm genommen hatte. Als von ihm keine Reaktion kam, wandte sie den Kopf zu Lena, die entgeistert da stand und das Ganze auf sich wirken ließ. „Doch“, murmelte Keith und betrachtete eingehend die Faserung des Holzbodens. Es herrschte eine Weile Schweigen im Flur, bis Natasha sich wieder fasste. „Okay. Wir gehen jetzt am Besten. Morgen wollten wir bei uns Grillen. Melde dich, wenn du weißt ob ihr kommt, okay?“ „Mach ich.“ Er öffnete die Tür, um die beiden Mädchen hinaustreten zu lassen und verabschiedete sich. Einen Moment blieb er unschlüssig im Flur stehen, bis er beschloss nach Hause zu gehen, sonst würden sich seine Eltern fragen, wo er blieb. Er schrieb auf einen kleinen Zettel eine Notiz und legte diesen oben auf Trishs Nachtkästchen, gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ kurz darauf das Haus. Es war nach 19 Uhr, als Trish erwachte und verwundert feststellte, dass sie alleine war. Irritiert sah sie sich in ihrem Zimmer um und fand den kleinen Zettel auf ihrem Nachtkästchen. Sie las die wenigen Zeilen, ehe sie mit einem Seufzen aufstand, sich die Haare richtete und nach einem Blick auf die Uhr beschloss, nachzusehen, ob ihr Bruder zu Hause war. Sie musste mit ihm reden. Jetzt. Er war der Einzige, der ihre Fragen beantworten konnte. Sie verließ das Haus und lief um die Ecke, wo die Treppen zur Kellerwohnung ihres Bruders führten. Sein Wagen war nicht zu sehen, aber es war möglich, dass dieser in der Garage stand und deshalb klingelte sie. Kurze Zeit später wurde die Tür von Daniel geöffnet, der sie überrascht ansah. „Trish. Wie geht es dir?“ „Hab mich schon besser gefühlt“, murmelte sie, als er sie eintreten ließ und die Wohnungstüre schloss. „Ich wollte gerade duschen gehen. Ich brauch nicht lang.“ „Okay, ich warte.“ Er nickte und verschwand dann im Bad. Das Rauschen des Wassers versicherte ihr, dass er beschäftigt war, deswegen schlich sie sich in sein Arbeitszimmer. Zu jedem Fall gab es eine Akte. Sie schob die angelehnte Türe mit einem Quietschen auf und sah sich suchend im Raum um. Augenblicklich fiel ihr die offene Mappe auf, die auf seinem Schreibtisch lag und in der sich mehrere Bilder befanden. Sie ging zum Tisch und besah sich die Fotos näher. Übelkeit überkam sie. Das war sie. Das war das Mädchen vom gestrigen Abend. Trish lief es eiskalt den Rücken hinunter. Wie sie dort lag, auf dem metallenen Tisch, ein dünnes, weißes Laken bedeckte ihren geschundenen Körper und ließ nur ihr bleiches Gesicht unverhüllt. Das Herz schlug Trish bis zum Hals. Sie spürte das Adrenalin durch ihren Körper schießen und ihr Blut, das in ihren Ohren rauschte. Mit zittrigen Fingern griff sie nach den Bildern und sah sie durch. Es folgten mehrere vom Körper des Mädchens. Die teilweise tiefen Schnittwunden waren sauber ausgewaschen und kein Blut rann mehr aus ihnen. Die vielen Hämatome waren dadurch noch deutlicher zu erkennen, da die Haut mittlerweile leichenblass war. Sie schluckte schwer und legte die Bilder bei Seite, da sie spürte wie ihr der Brechreiz die Kehle hochstieg. Er fesselte sie regelrecht und sie musste sich zusammenreißen, sich nicht direkt zu übergeben. Mit viel Mühe schaffte sie es, die Bilder hinzulegen und einen Blick in den Obduktionsbericht zu werfen. Elena Wasilenko. So hatte sie also geheißen. Erneut kämpfte sie gegen den gegenwärtigen Brechreiz an. „Trish! Was tust du da?“ Die aufgebrachte Stimme ihres Bruders ließ sie mächtig zusammenzucken und ruckartig den Kopf in seine Richtung wenden. Sie war unfähig, etwas zu sagen. Es ging nicht, sie war wie versteinert. Mit schnellen Schritten lief er auf seine Schwester zu und nahm sie an den Schultern. „Trish, du darfst da drin nicht lesen. Das ist Polizeisache. Und es tut dir nicht gut, wenn du dich noch mehr damit auseinandersetzt. Versuche abzuschließen und überlasse der Polizei alles Weitere.“ Vehement schüttelte sie den Kopf. „Nein. Du musst mir sagen, was er mit ihr gemacht hat!“ Tränen schossen ihr in die Augen. „Trish, das kann ich nicht. Das darf ich nicht.“ „Das ist mir egal. Ich muss wissen, was passiert ist. Sonst kann ich damit nicht abschließen. Das beschäftigt mich sonst auf ewig.“ Lange sah er ihr abschätzend in die Augen, als wolle er herausfinden, was das Beste für sie war. „Das kann die Ermittlungen beeinträchtigen. Und das willst du doch genauso wenig wie ich, oder?“ „Nein, Daniel. Aber ich will abschließen können. Und das kann ich am besten, wenn ich weiß, was passiert ist.“ Er schüttelte widersprechend den Kopf. „Das denke ich nicht. Das wird es nur schlimmer machen.“ „Bitte. Versteh mich doch. Nach dem was gestern passiert ist, will ich Antworten. Und die kannst du mir geben.“ Daniel schien einen Augenblick darüber nachzudenken. „Das kann mich meinen Job kosten, das weißt du? Kein Wort an die Öffentlichkeit.“ „Klar“, nickte sie sofort. „Sie hieß Elena Wasilenko und ist mit ihrer Familie vor gut zwei Jahren aus Russland hier her gezogen. Ob sie ein Zufallsopfer war, weiß ich nicht und über ihr Verschwinden ist ebenfalls noch nichts bekannt. Wir wissen auch nicht, wo sie festgehalten wurde, bis jetzt.“ Sein Blick durchbohrte sie, doch Trish hielt ihm wissbegierig stand. „Jedenfalls musste der Täter mit ziemlicher Gewalt vorgegangen sein. Die Hämatome an ihrem Körper zeigen deutliche Spuren von stumpfer Gewalteinwirkung. Dadurch wurden ihr mehrere Rippen, das Schlüsselbein und das linke Schulterblatt gebrochen. Die Schnittwunden sind größtenteils nicht tief und damit nicht tödlich gewesen. Sie dienten der Machtausübung auf das Opfer. Die Schnittwunden, die quer über ihr Becken und längs bis in den Intimbereich führen, waren allerdings tödlich. Sie ist verblutet.“ Daniel hatte sich warmgeredet und dabei vollkommen vergessen, dass es sich bei seinem Gegenüber um seine Schwester handelte. Trish schluckte hart. Sie konnte sich nicht vorstellen, welche unbeschreiblichen Qualen dieses Mädchen ausgestanden haben musste. „Außerdem wurde sie vergewaltigt.“ „Aber sie war vollkommen bekleidet, als ich sie fand.“ „Ich weiß. Das gab uns ebenfalls zu denken. Wir vermuten, dass es Absicht war. Dem Täter war es wichtig, sein Opfer anzukleiden.“ Trish schwieg daraufhin und ließ das Gesagte auf sich wirken. Eine lange Weile herrschte Schweigen im Raum, bis Daniel erneut seine Stimme erhob. „Da ist noch etwas.“ Sie blickte ihn fragend an. Trish konnte sich nicht vorstellen, was jetzt noch kommen könnte, was noch grausamer sein könnte, als das Gehörte. „Sie war schwanger.“ to be continued... by Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)