December Baby von Leia_de_Flourite (Der Tod einer Beziehung) ================================================================================ Prolog: Böses Erwachen? ----------------------- ~Weihnachtsfeiern sind nicht gut für jene, die verdrängen, was sie wollen...~ Tatort: Schlafzimmer Er wollte die Augen nicht aufschlagen. Der dumpfe Schmerz, der hinter ihnen pochte, verhieß nichts Gutes. Er wusste, wenn er aufstand, würde es schlimmer werden. Wenn er aufstand, würde sich die Übelkeit seiner annehmen. Er fühlte sich überhitzt; in seinem Mund hing ein fahler Geschmack und seine Zunge fühlte sich wie ein Fremdkörper an. Der Mann unterdrückte ein Stöhnen, während er den vorigen Abend zu rekapitulieren versuchte. Die Verwaltungschefin in einem knappen Engelskostüm. Eine mit Dekor und Schülern überfüllte Sporthalle; Weihnachtsmusik, die im Hintergrund dudelte. Eierpunsch. Plätzchen, Pfefferkuchen, Adventskränze. Mistelzweige. Stop. Genau das war das Problem gewesen. Damit hatte alles angefangen. Opfer: Kurogane Youou Suwa, Sportlehrer Kurogane versuchte, flach zu atmen, damit das Gewicht, das auf sein Zwerchfell und die Organe darunter drückte, nicht zu sehr bewegt wurde. Es war weich und warm und hin und wieder ging ein sanfter Luftstrom davon aus, der Kuroganes gebräunte Haut kitzelte. Der Sportlehrer musste die Augen nicht aufschlagen um zu sehen, wessen Kopf auf seinem Torso lag; er wusste es nur zu genau. Denn selbst wenn er genug getrunken hätte um einen Filmriss zu provozieren, so hätte er sich denken können, mit wem er letzte Nacht die Grenze überschritten hatte. Immerhin gab es nur eine Person, die seine Barrieren der Selbstbeherrschung so mühelos durchbrechen konnte. Aber... hatte er die Grenze – jene letzte Grenze der Distanz – denn wirklich überschritten? Nun, daran gab es keinen Zweifel. Beweis 1: Kurogane war unter der warmen Steppdecke seines Bettes splitterfasernackt. Beweis 2: Die Person, die sich am Schlaf an ihn kuschelte, war ebenfalls nackt. Und männlich. Der Schlafende lag auf dem Bauch (ein weiteres Indiz auf die Identität des Mittäters), eine schmale Hand lehnte an Kuroganes Hüfte. Beweis 3: Kuroganes Schlafzimmer war ein einziges Chaos, wie der Mann feststellte, als er dann doch einen Blick riskierte. Klamotten waren über den ganzen Fußboden verteilt, das Foto seiner Eltern, das auf dem Nachttisch stand, lag mit der Glasscheibe nach unten da und ja, (Beweis 4), das war definitiv ein benutztes Kondom, das da neben dem Fußende des Bettes lag. Das meist ach so blumig beschriebene Gefühl postkoitaler Zufriedenheit wollte sich nicht einstellen und wenn es je existiert hatte, so wurde es jetzt überlagert oder ersetzt von der Wut, die Kurogane empfand. Und der Enttäuschung. Er war wütend, weil er sich selbst enttäuscht hatte. Seine Hand wanderte zu dem blonden Schopf des Schlafenden und strich durch das weiche Haar, wohl wissend, dass es ohnehin das letzte Mal sein würde, dass er das tun konnte. Kurogane würde nicht zulassen, dass das noch einmal passierte. Ihm behagte zwar der Gedanke nicht, nur ein One-Night-Stand zu sein, aber es gab schlimmeres. Ein einmaliger Ausrutscher ließ sich immer noch auf den Alkohol schieben und mit ein wenig Glück veränderte sich nichts zwischen ihnen. Aber wenn es sich wiederholen sollte... Nein. Das würde er nicht durchstehen. Er war nicht der Typ für unverbindliche Affären, vor allem nicht mit dem Mann, an den er törichter weise sein Herz verloren hatte. Kurogane hatte sich jegliche Beziehung zu Fye verboten, die über das freundschaftliche und kollegiale hinaus ging; die sprunghafte Natur des Chemielehrers ließ einfach keine tiefere Beziehung zu. Und Kurogane wollte alles oder nichts. Wie kam es also dazu, dass er mit seinem eigenen Vorsatz brach? Nun, natürlich war es Fyes Schuld. Und die Schuld der Hexe und ihrem Hobby, Leute in die unmöglichsten Situationen zu bringen. Wir kennen also den Tatort. Wir kennen das Opfer, die Verdächtigen. Widmen wir uns den Umweltfaktoren der vorigen Nacht, um einen Tathergang rekonstruieren zu können: Bereits seit Anfang Dezember war die Horitsuba Private Academy festlich geschmückt worden. Schneespray an den Fenstern, ein riesiger, bunt behangener Tannenbaum in der Eingangshalle und überall roch es nach Zimt, heißen Äpfeln, Marzipan, Orangen und Gebäck. Ganz zu schweigen von den Mistelzweigen, die in jeder Türschwelle hingen. Yuuko Ichihara, Verwaltungschefin und Lehrerin für Literatur an dem riesigen Campus, liebte Weihnachten. Sie liebte eigentlich jedes Fest, das ihr eine Ausrede lieferte sich hemmungslos zu betrinken, aber dieses mochte sie besonders. Den zu Weihnachten stellten die Leute die peinlichsten Dinge an. (Wer hatte noch nicht von den Firmenweihnachtsfeiern gehört, an denen regelmäßig die neuen Sekretärinnen oder Praktikantinnen vernascht wurden?) Es war also kein Wunder, dass Yuuko-sensei überall ihre Spitzel entsandt hatte – Tomoyo und die Mokonas – die mit Fotoapparaten bewaffnet durch die Schule liefen. Wann immer zwei Menschen gleichzeitig unter einem verhängnisvollen Zweig standen, waren sie zur Stelle, um ein Foto des Pärchens zu machen. Je ungewöhnlicher die Kombination, desto besser. Zumindest aus Yuukos Sicht. Zu ihren größten Errungenschaften zählten bis jetzt ein Foto von Sakura, die von Tomoyo in schwesterlicher Manier auf die Lippen geküsst wurde und eines von den Li-Zwillingen. Man konnte richtig die Abscheu in Syaorans und Syaorons Gesicht sehen; scheinbar hatte auch Geschwisterliebe irgendwo ihre Grenzen. Sogar Kurogane hatte trotz zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen schon zwei Mal das „Vergnügen“ gehabt sich auf Zellophan bannen zu lassen. Das erste Mal hatte er sich von der kleinen Kinomoto einen Kuss auf die Wange geben lassen. Das zweite Mal hatte er plötzlich einen weißen Fellball im Gesicht gehabt. Überraschte es da noch, dass der Sportlehrer penibel darauf achtete, dass ein gewisser Chemielehrer einen gebührenden Abstand zu ihm hatte, wenn er durch eine Tür trat? Kapitel 1: Der Fluch der Mistelzweige ------------------------------------- @Faypier: Sorry, ursprünglich war es als Oneshot geplant, deshalb das abrupte Ende, weil ich ihn doch aufgeteilt habe. ^^ Und ja, wenn sich einer für ein solches Fanart begeistern würde, wäre ich echt begeistert. Demian ist verdammt gut im zeichnen, aber ich trau mich irgendwie nicht zu fragen. *schüchtern ist* @Puffie-chan: Es hat sich einfach so ergeben. Zuerst war nur das mit den Beweisen drin und irgendwie ist es ja auch ein Verbrechen an ihrer Freundschaft, deshalb habe ich den Krimi-Stil übernommen. Das legt sich allerdings jetzt wieder etwas. ^^ Und Fye… ja, für seine Reaktion wird man noch etwas warten müssen. ^^ _________________________________ ~The colored lights, they brightly shine Unlike your eyes avoiding mine The snow is folding, sheet upon sheet Our hands not holding as we cross the street~ Ingrid Michaelson, “December Baby” _________________________________ Datum: 17. Dezember 2010 Tathergang: An jenem Freitagabend hatte Yuuko-sensei beschlossen, eine große Weihnachtsfeier für die Schüler der Mittelstufe und ihre Klassenlehrer zu veranstalten. Es sollte Kinderpunsch und Tee geben; Weihnachtskuchen wurden ausgetauscht. Der Ort des Geschehens war die Sporthalle der Schule, die eine große Tanzfläche und Sitzmöglichkeiten bot. Die Schüler halfen eifrig mit dabei, den Raum herzurichten; sie schmückten und trugen Tische heran, bauten eine Bühne auf. Später am Abend konnten dort besonders Wagemutige ihre Karaoke-Fertigkeiten erproben. Und natürlich wurde der arme Kimihiro Watanuki mal wieder dazu verdonnert, in der Küche zu stehen. Es schien sein Schicksal zu sein Yuuko-sensei bedienen zu müssen. „Hyuu~! Das ist ja alles so hübsch hier!“, staunte Fye, als er in die Turnhalle trat und die glitzernden Girlanden, Papiersterne und -schneeflocken erblickte. Der weiße Grobstrickpullover, den er trug, ließ seine magere Statur etwas weniger schlacksig aussehen. Es musste nicht extra erwähnt werden, dass er darin schon fast überirdisch schön aussah – der Blonde war nun mal ein Wintertyp und neben dem weißen Pulli und dank der kalten Winterluft bekam sogar sein blasses Gesicht ein wenig rosige Farbe. Fye traf ein, als Kurogane und die Schüler noch an den letzten Vorbereitungen saßen; was aber verwunderte war, dass er allein kam. Meist wurde der Chemielehrer von einer Horde Schüler und Schülerinnen verfolgt, die versuchten, einen Kuss unter dem Mistelzweig von ihm zu erhaschen. Wenn Kurogane diese Kinder sah, tat er sein Bestes um zu verschwinden; er hatte keine Lust dabei zu zu sehen, wie der Blonde, der ja für 'jeden Spaß' zu haben war, lachend Kuss für Kuss verteilte. „Hey, Kuro-tan, wollen wir nachher ein Duett singen?“, fragte Fye und stieß seinen Kollegen leicht mit dem Ellbogen an. „Hmpf. Ganz sicher nicht.“ „Wie gemein~ dabei hat Kuro-sama-sensei so eine hübsche Stimme!“ „Pech für dich.“ „Kurogane-sensei? Fye-sensei?“ Watanuki steckte seinen Kopf vorsichtig durch die Tür um nach den gesuchten Lehrern zu schauen. „Könnten Sie mir bitte helfen? Yuuko-sensei hat gesagt, es müssen noch ein paar Kuchenplatten rein gebracht werden.“ „Wir sind schon zur Stelle, Watanuki-kun!“, trillerte der Blonde und packe den Größeren am Arm, schleifte ihn einfach mit sich. „Nicht mal ein kleines Lied?“, fragte er hoffnungsvoll, als er zurück blickte. „NEIN!“ Sie waren so vertieft in ihr kleines Streitgespräch, dass sie kaum auf ihre Umgebung achteten. Und ehe man sich's versah, blockierte Doumeki ihnen den Weg. „Stop“, sagte der Teenager... und mehr war wohl auch nicht aus seinem Munde zu erwarten. „Was gibt’s Doumeki-kun? Wir wollten Watanuki-kun gerade bei den Vorbereitungen helfen, musst du wissen.“ „Genau Blödmann!“, brüllte Watanuki seinen Mitschüler an, „wenn du schon selbst nichts tust, dann steh' doch wenigstens den anderen nicht im Weg rum!“ Doumeki ignorierte den Kommentar und deutete nach oben. Kuroganes Kehle wurde trocken. Nein. Das war nicht möglich. Er war doch so vorsichtig gewesen... „Oha. Mistelzweig“, stellte Fye fest und machte damit Kuroganes letzte Hoffnung zunichte. Watanuki wurde rot über Doumekis Dreistigkeit. Was fiel dem Kerl denn ein, ihre Lehrer in so eine unmögliche Situation zu bringen? Er beschloss, seinen Mitschüler dafür ordentlich anzuschnauzen. „DAS IST JETZT NICHT DER RICHTIGE ZEITPUNKT FÜR SO ETWAS!“ „Sie müssen aber.“ „DAS HAST DU NICHT ZU ENTSCHEIDEN!“ „Yuuko-sensei wird es wissen“, merkte der große, stoische Teenager an. Kurogane dachte über einen Ausweg nach. Irgendeinen. Wieso bitte gab es denn keinen... Kühle Finger umrahmten sein Gesicht, als Fye sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen rein freundschaftlichen Schmatzer auf die Lippen drückte. Es dauerte gerade mal eine Sekunde, aber das reichte, um Watanuki mit offenem Mund da stehen zu lassen. Fye grinste nur und klopfte dem Größeren aufmunternd auf die Schulter. „Siehst du? Keine große Sache.“ Und genau das war es gewesen. Keine große Sache. Es war diese Belanglosigkeit, die Kurogane am meisten störte und die ihn an den Punschtisch trieb. Weihnachtspunsch... Glühwein... Nach einer halben Minuten eisernen Trinkens, genehmigte er sich sogar etwas von dem viel zu süßen Eierpunsch... nur um festzustellen, dass der am meisten rein knallte. Da stimmte etwas nicht. „Ich habe frisch destillierten Alkohol dazugetan, falls du dich wunderst“, vertraute Fye ihm mit einem verschwörerischen Zwinkern an. Dann schmunzelte er, unscheinbar wie ein Englein. Kurogane sah ihn kaum an und erwiderte nichts. Er würde an diesem Abend kein einziges Wort mehr mit dem Idioten reden, das schwor er sich. Aber natürlich kam alles anders... „Hey, Kuro-pon, schmollst du etwa?“ Schweigen. „Es ist doch nicht etwa wegen vorhin, oder? Hör mal, ich wollte es nur schnell hinter mich bringen, falls Yuuko-sensei oder einer der Schüler mit einer Kamera auftaucht.“ Mal schnell hinter sich bringen. Als wäre er eine lästige Pflicht. „Oder war ich Kuro-rin etwa nicht zärtlich genug?“ „HALT DIE KLAPPE!“, schnauzte der Sportlehrer plötzlich zurück. Der Blonde hatte mit überraschender Treffsicherheit den wunden Punkt getroffen. „-dann hättest du nur was sagen müssen. Aber Kuro-sama ist ja immer so schüchtern.“ „Noch ein Wort...“ „Und ein miserabler Küsser noch dazu. Aber ich schätze, das ist normal, wenn man kaum Erfahrung hat.“ Kurogane knallte sein Punschglas so heftig auf den Tisch, dass es einen Sprung bekam. „Weißt du was? Ich scheiß' auf deine Meinung!“ „Kuro-tan, warte!“ Aber der große Mann stürmte schon zur Turnhalle hinaus. „Kuro-chi?“ Mit grimmiger Genugtuung stellte er fest, dass der Idiot ihm folgte. Natürlich folgte er ihm; Kurogane wusste genau, dass Fye keine Ablehnung vertrug. „Kuro-sama, jetzt bleib' doch mal stehen!“ Weil er wusste, dass der Blonde ohnehin schneller sein würde als er, also blieb er abrupt stehen – direkt unter einem Mistelzweig. Fye stoppte, seine Augen weiteten sich überrascht; er wollte nicht noch so eine Situation provozieren. Doch der Größere packte ihn am Kragen und drückte den überrumpelten Blonden gegen den Türrahmen. „Ich bin also schüchtern, ja?“ „Kuro-myuu, das war nicht so-“ Raue Lippen pressten sich gegen die schmalen von Fye, fordernd, fast schon aggressiv. Der Blonde versuchte, sein Gegenüber weg zu stoßen, aber Kuroganes Körper drängte sich gegen seinen, hält ihn genau am Platz. Er bemühte sich den Kuss nicht zu erwidern, aber sobald er auch nur den Mund öffnete um irgendeine Art des Protests zu äußern, nutzte Kurogane die Möglichkeit, das Lippenspiel zu intensivieren. Das war nicht die Art Kuss, die Fye wollte. Genau genommen war es nicht mal ein Kuss, es war ein Racheakt. „Wer ist ein miserabler Küsser, hä?“, fragte der Schwarzhaarige, als er endlich von Fye abließ. Und bemerkte seinen Fehler sofort. Fye sah Kurogane so entsetzt an, als wäre dieser ein Monster, das aus seinen Alpträumen geflüchtet war, nur um ihn zu fressen. Er merkte, dass er den Blonden an einen Punkt gedrängt hatte, der ihm Schmerzen bereitete. „Nicht fair, Kuro-sama...“, flüsterte der Chemielehrer. Sein Körper zitterte leicht. „Nicht fair.“ Fye rannte davon, flüchtete sich zurück in die sichere Geborgenheit, die ihm nur die Anwesenheit vieler Individuen geben konnte; er sehnte sich nach der Anonymität der Gemeinschaft. Kurogane hielt ihn nicht zurück. Er hätte ohnehin nicht gewusst wie. Er war zu weit gegangen. Ausgerechnet er. Das war mit Worten nicht einfach wieder gerade zu biegen. Er musste sich beruhigen. Den Kopf wieder klar kriegen. Also beschloss der groß gewachsene Mann erst mal einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor er sich wieder unter Menschen wagte. Im Gegensatz zu Fye fand er Trost in der Einsamkeit; die Einfachheit und Unmissverständlichkeit einer menschenleeren Gegend war beruhigend. Man konnte sich selbst denken hören. Kapitel 2: Der tragische Tod des Willard Snowman ------------------------------------------------ @Faypier: Ich verstehe, was du meinst, aber es gibt ja verschiedene Arten von Beziehungen, nur weil die eine stirbt… aber ich kann mich auch nie entscheiden, wer mir mehr leid tut. Aber gut, ich frag’ mal. Fragen kostet ja nichts. @Puffie: Ich weiß schon, warum ich dich als Betaleserin will. XD Immer muss Kuro alles ausbaden, was? _________________________________ ~Once I made a man all out of snow; he had the darkest eyes and a button nose I told him all my sadness and my fear and he just listened with a snowy ear But when I came around the next day my friend had gone and melted all away I saw his eyes lying on the ground and I made a sound that was something like crying~ Ingrid Michaelson, “Men of Snow” _________________________________ Tathergang (Fortsetzung): Die Welt war von einer dicken Schneemasse bedeckt, die jeden Laut zu ersticken schien und die Stille war ein willkommener Gast. Vor dem Hintergrund eines grauvioletten Abendhimmels fielen große, leichte Flocken und verfingen sich in Kuroganes struppigem Haar, legten sich auf die Schultern seines langen schwarzen Mantels. Die Flocken bemühten sich, die von den Schülern geformten Schneefiguren zu undeutlichen Schemen zu verwischen. Winter... warum musste es ausgerechnet im Winter sein? Jesus Christus war doch im März geboren, warum konnten sie Weihnachten denn nicht im Frühling feiern? Alles an dieser stillen weißen Pracht erinnerte ihn an den quirligen Blonden, vor allem die kunstvoll gestalteten Häschen aus Schnee, die dessen geschickte Hände geschaffen hatten. Der Winter war die liebste Jahreszeit des Chemielehrers und nicht nur, weil er kurz vor Weihnachten geboren wurde. Ein echtes Dezember Baby, wie Fye gerne betonte. Unter anderem, weil es einen Song gab, der so hieß. Fye gehörte einfach in den Winter. Er war selbst wie eine Schneeflocke – umherwirbelnd, sich vom Wind treiben lassend und doch schwer zu fassen. Und wenn man sie zu fassen bekam, dann war es ihr Tod. Kurogane strecke eine Hand aus und sah eine Weile dabei zu, wie die Flocken sich auf seiner dunklen Haut setzten und sofort schmolzen. Er hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, dass der Anblick ihn traurig stimmte; immerhin waren das bloß kleine Kristalle gefrorenen Eises, mehr nicht. So einzigartig jede einzelne von ihnen sein mochte, war ihre Schönheit bedeutungslos, weil sie in der großen Masse verloren ging. ...vielleicht hatte der Blonde doch nicht so viel mit einer Schneeflocke gemeinsam, wie er gedacht hatte. Der Sportlehrer ging weiter und wäre beinahe in einen Schneemann hinein gelaufen. Kein Wunder, das Kerlchen war gerade mal halb so groß wie er, wirkte etwas schief und krumm und... verloren. Dieser weiße Gentleman mit seinem eleganten Zylinder und der krummen Karottennase war das Werk der Li-Zwillinge, wenn er sich recht erinnerte. Kurogane mochte keine Schneemänner. Sie verursachten bei ihm Gänsehaut, so wie Clowns bei anderen Leuten. Worin bestand bitte der Sinn, dieser kalten Modelliermasse ein menschliches Gesicht zu geben? Schneemänner waren schlimmer als Vogelscheuchen, weil ihr Lächeln die Leute einlullte und sie vergessen ließ, dass Schnee kein Herz hatte. Schnee war nur kalt. Das war etwas, was sogar dieser Idiot von Chemielehrer kapiert hatte, auch wenn der es auf die harte Art gelernt hatte. Die Straßen strotzten nur so vor braunem Matsch und die Wiesen wurden endlich wieder grün – nicht mehr lang und auch die letzten weißen Inseln würden verschwunden sein; in der lauen Frühlingsluft geschmolzen. Natürlich hatte das für Willard den Tod bedeutet. Benannt nach Josiah Willard Gibbs, einem der ersten amerikanischen Physikochemiker und Begründer der Gibbs-Helmoltz-Gleichung, war Willard nicht irgendein Schneemann gewesen. Er war ein formidabler und respektabler Schneemann gewesen. Sein Erbauer, der von Natur aus eine Liebe zum Detail hatte, hatte sich mit Willard größte Mühe gegeben. Fye hatte die besten Äste heran geholt, die er finden konnte; hatte Zweige abgeschnitten, bis nur noch fünf holzige Finger übrig gewesen waren, die nun in blauen Nitrilhandschuhen steckten. Seine Augen waren zwei riesige schwarze Knöpfe und der Mund eine gestrichelte Linie aus verschiedenen schwarzen Steinen. Aber nichts war faszinierender als die Nase: ein 10-Milliliter- Reagenzglas, mit einem Edding leuchtend rot gemalt. Den Abschluss (und das Zeichen von Fyes uneingeschränkter Hingabe für alles, das er tat) bildete ein blau-weiß gestreifter Schal, der kokett um den „Hals“ des Schneemannes geworfen war. Das war der Willard, den Fye in Erinnerung gehabt hatte. Nicht diese unförmige Pfütze, die im Schulhof lag. Sie war einfach nur dreckig und seelenlos und... aber da war sein Schal. Und die Knöpfe und die Handschuhe. „Hey! Heulst du etwa?“, knurrte Kurogane. Es regte ihn auf zusehen zu müssen, wie der Idiot die Schultern hängen ließ. „Nein“, erwiderte Fye aber das erstickte Geräusch, das darauf folgte, enttarnte seine Lüge. „Ich hab' vergessen, ihm eine Mütze zu geben. Warum nur habe ich ihm keine Mütze gegeben?“ „Unter der wäre es nur noch schneller warm geworden.“ „Vielleicht hast du Recht...“ Der Blonde rieb sich die Augen. Murmelte, dass er wohl etwas ins Auge bekommen hätte. Es war eine alberne Ausrede und beide wussten das, deshalb sprach es auch keiner an. Kurogane kannte eine einfache Methode, damit der Andere sich besser fühlen würde, aber er war nicht gut in solchen Dingen. Im trösten. Also hob er nur den schmutzigen und durchtränkten Schal vom Boden auf und reichte ihn Fye. „Der gehört dir.“ Aber der Narr schüttelte den Kopf. „Ich will ihn aber nicht. Du kannst ihn haben, wenn du magst.“ „Und was will ich mit einem schmutzigen Schal?“ Fye antwortete nicht, er starrte nur auf die Pfütze. „Richtig. Was sollte irgendwer damit wollen?“ Der Sportlehrer hatte die Nase voll von der übertriebenen Sentimentalität. Er konnte es nicht ertragen, wenn der Blödmann sich so benahm. Er hielt ihm das triefnasse Kleidungsstück hin. „Wasch das Ding gefälligst, bevor du es mir schenkst.“ Auf einmal hatte Kurogane keine Lust mehr, draußen herum zu wandern. Nur ein wenig Wärme und alles würde schmelzen. Der Winter war so verflucht vergänglich. Nicht, dass ihn das scherte. Natürlich nicht. _________________________________ Wie man schon sieht ist das ein kleines Intermezzo, wirklich nur ein winziges Häppchen. Das tut mir ja auch echt Leid, aber ich mag diese Szene so, ich musste sie einfach einbauen. Dafür wird das nächste Kapitel länger und man erfährt, wie es dazu kommt, dass die beiden im Bett landen. Ich hoffe, das ist rausgekommen, dass alles, was unter „Tathergang“ fällt und am 17. Dezember spielt quasi der Vorabend ist. Insofern muss einer von Beiden ja die angespannte Situation wieder gerade gebogen haben. Sonst hätten die Beiden nicht miteinander geschlafen. Nun ja… bis Montag. ^^ *wink* Kapitel 3: Grenzfall -------------------- @Puffie-chan: Es freut mich, dass genau das rüber gekommen ist, was ich beabsichtigt hatte. Ich glaube, bei Kurogane ist es wirklich so, dass er zu pragmatisch veranlagt ist um das zu verstehen. Er ist ja auch der Ansicht, dass das Vergangene vergangen ist und daher nicht zählt und wenn der Schneemann geschmolzen ist, dann lässt es sich eben nicht ändern. Er würde keinen Grund sehen. Sich wegen so etwas banalem runter ziehen zu lassen. Danke übrigens für das Interview, das du mir geschickt hast. War interessant. ^ ^ _________________________________ ~Baby, you've got the sort of eyes that tell me tales That your sort of mouth just will not say, the truth impales[…] My love’s too big for you my love And if I was stronger then I would tell you no~ Ingrid Michaelson, “Sort Of” _________________________________ Tathergang (Fortsetzung): Fye hatte die Zeit schwatzend verbracht, aber nie allzu weit entfernt von dem Tisch mit den heißen alkoholischen Getränken. Punsch und Glühwein und heiße Schokolade mit Rum... Er bemühte sich, nicht zu viel zu trinken. Er vertrug zwar einiges aber der Alkohol im Blut machte es ihm schwerer den Anderen vorzugaukeln, dass alles okay wäre. Den Schülern dabei zu zu sehen, wie sie auf ihre schüchterne Art und Weise ganz eng miteinander tanzten oder wie sie fröhlich Ringelreihen bildeten, half ein wenig, aber nicht viel. Wie sehr musste Kurogane ihn eigentlich verachten, wenn er so etwas Unschuldiges wie das Küssen unter einem Mistelzweig als Racheakt benutzte? Fye hatte mit Absicht darauf geachtet, keinerlei Emotionen in seinen ersten Kuss zu legen. Es war das Beste, das Sicherste für ihre Freundschaft. Und er hatte Kuro-pon extra getriezt, damit der Mann in Zukunft besser aufpasste, wenn sie in die Nähe eines Mistelzweigs gerieten. Denn er wusste, wenn er die Chance bekam Kurogane zu küssen – nur einmal richtig zu küssen – dann würde er ganz sicher nicht wieder aufhören. Nun, diese Befürchtung hatte sich ja so offensichtlich als überflüssig erwiesen, dass es keiner weiteren Maßnahmen bedurfte. Denn im Moment verspürte er keine Lust, auch nur in die Nähe dieser aggressiven Lippen zu kommen. Es war so erniedrigend gewesen... als wüsste Kuro-tan von seiner Zuneigung und würde sich auf diesem Wege darüber lustig machen. Er wollte das nicht, diese gespielte Leidenschaft, diese erzwungene Intimität. Er wollte Sicherheit. Und Aufrichtigkeit. Kurogane hatte das alles für ihn verkörpert, also was war passiert? Was hatte diese Veränderung bewirkt? Ein Kreischen riss Fye aus seinen Gedanken und er sah einen hilflos zappelnden Watanuki, der von einer sehr angeheiterten Verwaltungschefin auf die Tanzfläche gezerrt wurde. „Yuuko-sensei? Das wievielte Glas Punsch war das eben?“, fragte der Teenager; in seinem Gesicht stand das pure Entsetzen. Yuuko-sensei lachte nur. Fye starrte in seinen eigenen, verlockend duftenden Glühwein. Wenn er ihn nicht bald trank, würde sich noch der ganze Alkohol verflüchtigen... oh, elender Dampfdruck. Es war erst sein zweites Glas, aber ihm war schon leicht schwindelig. Das konnte auch an den vier Gläsern Eierpunsch liegen, die er zuvor getrunken hatte. So sehr er dieses süße Gesöff auch mochte, es schmeckte nur mit Schlagsahne wirklich gut und sich fett zu trinken, nur weil er gerade ein wenig an Liebeskummer litt, das war doch ein wenig... klischeehaft. Wir summieren: 6 Gläser Alkohol. Verschiedener Sorten. Auf fast nüchternen Magen; denn der Blonde hatte seit dem Mittagessen nur einige Pfefferkuchen und Plätzchen gegessen. Soviel also zum Thema 'nicht zu viel trinken'. Aber Fye konnte noch stehen. Trotzdem setzte er sich lieber auf eine der Zuschauerbänke. Nicht, dass er noch plötzlich umfiel, aufgrund einer, ähm... Schwerkraftstörung. Fye war froh über sein Gläschen Glühwein; es war warm und er hatte etwas, an dem er sich festhalten konnte. Etwas, in das er Starren konnte und das ihm den Vorwand lieferte um nicht aufzublicken, als Kurogane in die Turnhalle zurück kehrte. Nein, er würde ihn nicht ansehen, diesen unsensiblen und zu Fyes Leidwesen viel zu attraktiven Klotz. Und das musste er auch nicht – so ganz allein auf der Zuschauertribüne war er leicht zu entdecken. Kein Wunder also, dass der Schwarzhaarige ihn im Nu erspähte und auch noch die Dreistigkeit besaß, sich direkt neben ihn zu setzen. Fye konnte förmlich die Kälte spüren, die von dem Größeren ausging. „Rauchpause?“, hakte er nach. Die Stimme des Blonden klang bereits leicht belegt, aber nicht genug um die Schärfe seiner Worte zu verdecken. „Spaziergang“, erwiderte der Schwarzhaarige knapp ohne auf die Feindseligkeit einzugehen. Er rauchte nicht, wie Fye genau wusste. „Ah ja.“ Damit erstarb die Diskussion. Die zwei Lehrer taten ihr Bestes, um weiter stur geradeaus zu blicken, aber nur einer von ihnen schaffte es. Derjenige, der keine Schuldgefühle hatte. Und während Kurogane Fye immer wieder verstohlene Blicke zuwarf, fiel ihm auf, dass die sonst so blassen Wangen stark gerötet waren. Und der Blonde hatte ihm Gegensatz zu ihm nicht in der Kälte gestanden. Großartig. Jetzt trieb er diesen Idioten schon in den Alkoholismus. „Hey“, murmelte der Schwarzhaarige. Ein kläglicher Versuch, das Gespräch wieder aufzunehmen, der jedoch keine Reaktion weckte. Er umfasste Fyes Handgelenk. Der Ältere zuckte kurz zusammen, fixierte dann seinen Kollegen. „Was?“ Ablehnend. „Ich hatte nicht vor, dir irgendwie weh zu tun oder dir Angst einzujagen.“ „Hast du nicht.“ Der Blonde fauchte schon fast und brach den Augenkontakt, schon allein aus Trotz. „Dafür bist du aber erstaunlich schnell weg gelaufen.“ „Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Dir für die lehrreiche Erfahrung danken?“ Dieses zickige, aggressive Verhalten entsprach gar nicht der Art des Chemielehrers, der seine Probleme lieber für sich behielt, bis sie ihn von innen auffraßen. Er musste schon ordentlich blau sein um sich wie ein in die Enge getriebenes Kätzchen zu benehmen. „Mich ohrfeigen“, bot Kurogane an. Fye blinzelte, als hätte er eben „mich umbringen“ gesagt. Dann schüttelte der Blonde seinen Kopf. „Kein Bedarf.“ Der Japaner hatte genug von dem Spiel. Er nahm dem Idioten den Glühwein aus der Hand und stellte das Glas beiseite, ohne auf Fyes Proteste zu achten. Dann stand er auf, zog den kleineren Mann auf die Füße und zerrte ihn mit sich. Bahnte ihnen einen Weg zwischen den tanzenden Schülern hindurch und heraus aus dem Trubel, heraus aus der Turnhalle. „Stopp“, jammerte Fye, während er dem Größeren hinterher stolperte. Wieso hatte Kuro-puu eine solche Körperbeherrschung; der Mann hatte mehr getrunken als er... „Was soll das?“ Aber Kurogane hielt nicht an, bis sie sich endlich in einem verlassenen Korridor befanden. Keine Schüler, keine Zeugen, keine verdammten Mistelzweige. „Okay, hier ist gut. Jetzt mach schon.“ „Was soll ich machen?“, fragte Fye, aber er ahnte die Antwort schon. „Mir eine knallen.“ Also war die Bemerkung mit der Ohrfeige Kuroganes voller Ernst gewesen. „Kuro-pii, ich werde dich nicht schlagen, nur damit du dich besser fühlst.“ „Dir ist klar, wie absurd das klingt, oder?“ „Und wenn schon.“ Der Schwarzhaarige knurrte. „Hör' zu, ich hab' Mist gebaut, okay? Du kannst damit umgehen wie ein Kerl und mir eine runter hauen. Oder du spielst weiter das zickige Biest; deine Entscheidung. Aber wenn ich mir den Rest des Abend dieses frostige Schweigen antun muss, dann kannst du unsere Freundschaft als beendet betrachten.“ Eine Wahl, die keine Wahl war. Entweder, er verpasste Kurogane eine Ohrfeige – oder Freundschaft ade. Es war unfair. So unfair. Der Sportlehrer wusste genau, wie sehr Fye es verabscheute allein zu sein oder verlassen zu werden. Wie konnte er es wagen, das als Druckmittel zu benutzen? Das machte Fye so wütend, dass er erst die Hände zu Fäusten ballte... und dann tatsächlich ausholte. Kurogane wappnete sich innerlich und sah es trotzdem nicht kommen. Fye war schnell. Das Klatschen von Haut an Haut hallte unnatürlich laut in den verlassenen Gang wider und der Größere taumelte fast ein paar Schritte zurück angesichts der Wucht dieses Schlages. Seine Wange brannte. Aber er war nicht einmal annähernd so entsetzt wie der, der die Ohrfeige verteilt hatte. Der Blonde schlug sich die – schmerzende – Hand vor den Mund. „Oh mein... es tut mir Leid, ich wollte gar nicht so doll... aber, du hast gedroht... Wie kannst du nur unsere Freundschaft kündigen wollen? Oh, Kuro-tan, es tut mir so Leid!“ „Hör' auf dich zu entschuldigen!“, grummelte der Jüngere und rieb sich die Wange „Ich hab' dich drum gebeten, nicht?“ Und trotzdem war der blonde Idiot den Tränen nahe. „Tut es sehr weh? Oh Gott, Kuro-rin, was machst du nur für Sachen. Können wir die Sache nicht einfach vergessen?“ „War alles, was ich je wollte.“ Mit dem Schmerz wurde er fertig, der verflog wieder. Aber Gott allein wusste, wie lange der Chemielehrer auf ihn sauer sein konnte.Jedoch... obwohl er sein Ziel erreicht hatte, konnte er sich nicht wirklich drüber freuen. Der Sieg hatte einen bitteren Nachgeschmack. „Komm, wir gehen nach Hause“, hörte er sich selbst murmeln. „Aber ich will noch nicht gehen!“, quengelte Fye. Zwei Schatten näherten sich langsam aus der Dunkelheit. „Verdammt, hast du für heut' noch nicht genug getrunken?“ Schlichen sich heran, unbemerkt. „Jetzt sei doch nicht so ein Spielverderber, Kuro-sama!“ „MISTELZWEIG!“, riefen plötzlich zwei piepsige Stimmen synchron. Die weiße Mokona, Larg, hatte einen Fotoapparat gezückt und stand in Schnappschussposition. Der Schwarze, Soel, stand eben ihr und hielt eine Angelrute, an deren Haken ein Mistelzweig befestigt war, den er natürlich genau über den Köpfen der beiden Lehrer baumeln ließ. „Hey, was soll der Scheiß?“, brüllte Kurogane seine zwei Schüler a.k.a. Die Schulmaskottchen an. Es war ja noch nicht schlimm genug, dass man auf das grüne Kuss-Unkraut aufpassen musste, wenn man durch die Tür trat, nein, jetzt gab es noch einen mobilen Mistelservice. „Yuuko-sensei hat uns damit beauftragt, ein Mistelzweig-Foto von euch zu machen“, kicherte die weiße Mokona. Fye blickte zu Kurogane. Über dessen Augenbraue pochte schon wieder bedrohlich eine Ader. Bei dem Anblick fiel der Blonde in das Kichern mit ein. Mal ehrlich... was haben wir zu verlieren? Schlimmer als die ersten beiden Versuche kann es ja nicht mehr werden. „Mokona?“ „Ja?“, erwiderten beide Maskottchen aus einem Munde. „Muss es ein Kuss auf die Lippen sein?“ Die kloßförmigen Wesen sahen sich an. „Das hat sie nicht gesagt. Yuuko-sensei meinte nur, es müsse 'verdammt heiß' aussehen.“ „Diese kranke, perverse Hexe...“, fluchte Kurogane und ballte die Hand zur Faust, „wenn ich die in die Finger kriege!“ „Das verlangt eigentlich nach einem Kuss auf die Lippen, nicht Larg?“, murmelte Soel. Fye hob den Finger und sah die Mokonas schulmeisterlich an. „Aber nicht doch. Manchmal kann ein Kuss so viel mehr bedeuten, wenn man ihn eben nicht auf die Lippen gibt. Und wir dürfen nicht vergessen Kuro-myuu-senseis Integrität zu wahren. Mit empfindlichen Herzen spielt man nicht.“ Und das von einem Kerl, der noch nicht einmal eine Stunde zuvor einen absolut bedeutungslosen Kuss verteilt hat. Kurogane blickte den Blonden misstrauisch an. Er glaubte zu verstehen, dass die Nervensäge Angst hatte, wieder eine negative Reaktion zu provozieren. Dass er seinem Freund zu nahe treten könnte. Die Befürchtung war absolut unbegründet. Denn in Kurogane begann der Alkohol zu wirken und auch wenn diese kleine chemische Verbindung noch nicht seine Wahrnehmung und Motorik beeinflusste, so senkte sie bereits seine Hemmschwelle. Die Droge ließ alle seine Bedenken etwas bedeutungsloser erscheinen. Deshalb verzog er auch keine Miene als Fye sich ihm letztendlich zu wandte, entschuldigend grinsend. „Es kommt eigentlich nicht einmal darauf an, wo man jemanden berührt, sondern wie.“ Der Chemielehrer gab vor, weiterhin mit den Mokonas zu reden, doch eigentlich haftete sein Blick auf Kuroganes Wange. „Es ist ja auch gar nicht der Kuss selbst, der so viel aussagt, sondern all die kleinen Gesten, die ihn begleiten. Das Tempo, mit dem man vorgeht.“ Ein weiterer Schritt um die letzte Distanz zu überbrücken. Langsam streckte Fye die Hand nach seinem Freund aus, legte sie zärtlich an die Wange, der er kurz zuvor noch Schmerz bereitet hatte. Sein Daumen strich über die gebräunte Haut und er schenkte Kurogane ein warmes Lächeln. „Überfalle ich den Anderen damit? Oder lasse ich mir Zeit und erweise ihm somit den Respekt und die Möglichkeit, dass er jederzeit flüchten kann?“ Mokona hatte angefangen einfach nur auf den Auslöser zu drücken um die Szene so Bild für Bild einfangen zu können. Ein Blitzlichtgewinner jagte über die beiden Männer aber sie waren zu gefangen in ihrem Moment um sich darum zu scheren. „Zögere ich?“ Spätestens nachdem diese Worte gefallen waren, merkte Kurogane, dass es nicht mehr nur eine Show oder Unterrichtsstunde war. Der Blonde schien seine Worte direkt an ihn zu richten. Schien für ihn zu sprechen. Denn Kurogane zögerte. Er wusste, dass er Fye zumindest ein wenig entgegen kommen sollte, aber er konnte sich einfach nicht dazu überwinden, seinen Kollegen, seinen Freund, seine heimliche Liebe zu berühren. Fye war für ihn immer etwas Undurchschaubares, Unberührbares gewesen. Der Chemielehrer war freundlich zu jedem und vermied es so, tiefere Bindungen zu seinen Mitmenschen aufzubauen. In Gegenwart der Schüler war er noch am ausgelassensten, denn hier sorgte der Alters- und Erfahrungsunterschied bereits für Distanz. „Und wenn ich zögere; warum? Bin ich hin und her gerissen zwischen dem, was sein könnte und dem, was ich damit kaputt mache? Und doch suche ich ständig mehr Nähe...“ Kurogane fiel kaum auf, dass der Blonde sich auf die Zehenspitzen stellte, noch dass er sich zu Fye herunter beugte. Erst als sich ihre Nasen fast berührten, als er warmen Atem auf seiner Haut spürte, wurde ihm klar, dass sie nur Millimeter trennen. Und die Bedenken, natürlich. Aber die Barriere ist nur in ihren Köpfen. Und sie wird absolut bedeutungslos angesichts der Verlockung, den Duft des Anderen in sich aufzusaugen. Nähe zu erfahren. Kurogane schluckt. Er weiß, was er will und plötzlich wird ihm klar, dass das vielleicht seine einzige Gelegenheit ist Fye völlig unverfälscht zu erleben. Es wird Zeit. Er legt seine Hand in den Nacken des Blonden; seine Finger vergraben sich in weichen Strähnen, als er Fye in den Kuss zieht und zum ersten Mal vorsichtig erkunden und kennen lernen kann, was ohnehin ihm gehören sollte. Für den kurzen Moment kann er das alles haben; kann kosten wie die Lippen schmecken, dessen Worte er täglich hört und dessen Lächeln ihn bis in seine Träume verfolgt. Kurogane weiß nicht, wie lange es andauert, aber es ist nicht annähernd lang genug um den Hunger in ihm zu stillen. Und als Fye sich langsam zurück zieht, hätte der Größere beinahe seiner Enttäuschung Luft gemacht. Obwohl beide wussten, dass es vorbei war, wollten sie den Kontakt nicht ganz abreißen lassen. Keiner zog seine Hand von ihrem Platz. Kuroganes Stirn ruhte an der von Fye. Still und einträchtig. … bis die weiße Mokona zu quietschen begann. „Puu~! Das war bis jetzt der Beste Kuss, den wir fotografiert haben. Was meinst du?“ Sie stupste ihren Freund an. Soel war sprachlos. Verrichteter Dinge schlichen sich die Fellknäule davon, auf der Suche nach neuen Opfern. „Weg sind sie,“ murmelte Kurogane. Seine Stimme war rau, als hätte er sie längere Zeit nicht mehr benutzt. „Und der Mistelzweig“, ergänzte Fye. Mit einem Hauch von Enttäuschung. „Ja. Dieser eine.“ Der Chemielehrer glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, aber er meinte, eine Einladung in diesen Worten zu hören. Ich muss verrückt geworden sein. Er trat einen Schritt zurück um dem anderen besser in die Augen sehen zu können. Vergrub beide Händen in den Hosentaschen, damit sie nicht auf Wanderschaft gehen konnten. Kuroganes Mundwinkel umspielte ein verschmitztes Grinsen und Fye, wie gebannt von dem Anblick, murmelte: „Und wir sollten aufpassen. Nicht, dass uns das wieder passiert.“ Aber es lag kein wirklicher Elan hinter den Worten. „Und das wäre wirklich ein Jammer.“ Wie auf ein Kommando setzten sich beide gleichzeitig in Bewegung, hasteten zur nächsten Türschwelle. Zwei Süchtige, die eine Ausrede gefunden haben um ihrer Sucht nachzugehen. Eine Möglichkeit, sich den nächsten Endorphinrausch zu besorgen. Damit die Euphorie noch ein wenig länger anhielt. So schlichen sie sich von Mistelzweig zu Mistelzweig, von Kuss zu Kuss. Doch nie scheint es genug zu sein. Jedes Lippenspiel wird leidenschaftlicher, fordernder, hungriger. Für die Dauer des Weihnachtsfestes diente das Musikzimmer als Garderobe. Es lag ganz in der Nähe der Eingangshalle und als die Lehrer endlich dort angekommen waren, bewegten sie sich mehr stolpernd als laufend fort, zu eilig hatten sie es. Sie hielten sich nicht zu lang in dem Raum auf, er war nur ein notwendiger Zwischenstopp. Und als Fye für Kuroganes Geschmack ein wenig zu lange damit kämpfte seinen Schal um zu schlingen, ergriff der Schwarzhaarige seine Hand und zog ihn weiter. So rannten sie durch die Nacht, Hand in Hand wie zwei Kinder. Der Schnee strahlte genug Helligkeit ab, um ihnen den Weg zurück zum Wohnhaus zu erleuchten. Es war ein kleines Wettrennen bis zu den Türen ihrer Wohnungen, welches ohne weitere Zwischenstopps verlief, da sie an keinen weiteren Mistelzweigen vorbei kamen. Schwer atmend hatte Fye kaum noch Luft um auf zu lachen, als Kurogane verzweifelt in den Taschen seines Mantels nach dem Schlüssel suchte. Und als der Schwarzhaarige das begehrte Objekt endlich in den Händen hielt, scheiterte er daran es in das Schloss zu befördern. Dass er sich mit der Stirn an der Tür abstützen musste half da auch nicht weiter; vielmehr war es ein Zeichen, dass der gute alte Alkohol sich letztlich doch seiner Motorik bemannt hatte. „Gib her, ich mach'“, murmelte Fye und machte Anstalten Kurogane den Schlüssel abzunehmen. „Ich kann das alleine“, knurrte der Größere zurück, aber es klang mehr wie der schmollende Protest eines Grundschülers. „Kuro-chan, wenn du so weiter machst, stehen wir morgen noch hier.“ Die Prozedur, die darauf folgte, war etwas merkwürdig anzusehen, aber nur ein Betrunkener konnte nachvollziehen, von welch vollendeter Notwendigkeit sie war. Sobald Fye den Schlüssel in der Hand hatte, lehnte er sich gegen den Türrahmen und tastete mit der linken Hand das Schloss ab. Er ließ seinen Zeigefinger direkt über der oberen Kante des Schlüssellochs verweilen und führte dann mit der rechten Hand den Schlüssel an seinen linken Zeigefinger. Innerhalb weniger Sekunden konnte man die Metallbolzen einrasten hören. „Tadaa~!“, jubelte Fye, als die Haustür aufschwang. Er drehte sich mit einem triumphalen Grinsen um, das erst gefror, als er den ernsten Gesichtsausdruck seines Freundes sah. „Stimmt etwas nicht, Kuro-wanwan?“ Kurogane fühlte sich, als klebte seine Zunge oben am Gaumen fest. Aber das war egal, er würde ohnehin nicht die richtigen Worte finden. Ihnen waren die Mistelzweige ausgegangen. Er hatte nun keinen Vorwand mehr Fye zu berühren aber das Bedürfnis war noch da; stärker als je zuvor. Und er musste feststellen, dass der Blonde noch nie so anziehend ausgesehen hatte. Das Haar war durcheinander, verwuschelt als wäre er gerade erst aufgestanden; Wange und Nase waren gerötet (von der Kälte und von ihrer kleinen Hatz). Nur warum zur Hölle lächelte er nicht mehr? Kurogane liebte dieses Lächeln. Fye mochte nach jedem Standard gut aussehend sein, aber wenn er lächelte, war er unwiderstehlich. Und Kurogane wollte mehr – er wollte der Grund für dieses Lächeln sein. Gott, das war so albern, hoffnungslos romantisch und überhaupt nicht das, was er von sich gewohnt war. Und wie hätte er das alles sagen sollen? Der Idiot hätte ihn vermutlich ausgelacht. „Kuro-chan~? Hallo~?“ Der Chemielehrer wedelte mit der Hand vor dem Gesicht seines weg getretenen Kollegen, selbst leicht schwankend. „Kaffee?“ Mehr brachte Kurogane nicht heraus. Fye kicherte und piekte dem Größeren in die Wange. „Kuro-Kuro ist ja auf einmal so einsilbig.“ „Willst du nun oder nicht?“ „Pft, als ob du nüchtern genug wärst den selber zu kochen.“ Der Blonde grinste und schlenderte in die Wohnung. Er hatte eigentlich gar keine Lust auf Kaffee, aber wenn er jetzt ging, war dieser wunderbare Abend vorbei. Fye schälte sich aus seinem Mantel und hängte ihn über die Lehne eines Küchenstuhls. Dann begann er, in den Schränken nach der Kaffeedose zu suchen ohne darauf zu warten, dass Kurogane es ihm erlaubte. Er war nicht so vertraut mit diesem Räumlichkeiten – wenn sie zusammen aßen, dann war er es, der kochte, in seiner Wohnung – aber er fühlte sich wie zu Hause. „Hm...“, murmelte er, während er stöberte. „Weißt du, eigentlich ist Koffein gar nicht so gut. Fein, es macht wach und aufmerksamer, aber es verdünnt das Blut, genau wie Alkohol und das erhöht den Blutdruck. Das is' gar nich gut für's Herz.“ Ist nicht das einzige, was schlecht für's Herz ist, dachte der Schwarzhaarige, als er an seinen Küchentisch torkelte und den anderen Mann dabei nicht aus den Augen ließ. Er wollte ihn. Gott und wie er ihn wollte. Aber... ...ihm fiel kein 'aber' ein. Nicht gut. Sein Blick wanderte über den Körper des Blonden, den zarten Hals, die schmalen Schultern. Er sah dabei zu wie Fye seinen Rücken durchstreckte, als er nach den Tassen ganz oben im Regal griff. Sein Blick wanderte tiefer, verharrte kurz an dem wohlgeformten Hintern (natürlich musste der Idiot verdammt enge Jeans tragen, dieser wandelnde Flirt) und wanderte weiter zu den Füßen, die in flauschigen weißen Söckchen mit bunten Punkten steckten. Kurogane schmunzelte. Das war so typisch Fye... es war einfach zu viel. Seine Zuneigung für diesen Mann war fast zu stark um sie zu ertragen. Nur am Rande bemerkte er, wie er sich von dem Küchentisch abstieß und sich wie in Trance auf den Chemielehrer zu bewegte. „Hey, Kuro-sama, ich glaube, ich habe ihn gefu-“ Fye sog überrascht die Luft ein, als sich ein Gewicht gegen seinen Rücken lehnte und sich zwei kräftige Arme von hinten um seinen Bauch schlossen. „Kuro-rin... was wird das?“ Fyes Stimme zitterte leicht. Küssen war okay. Herumalbern war okay. Aber eine solch liebevolle Geste.., Bitte nicht. Kuro-chi, bitte tu das nicht!, betete der Blonde innerlich. Er fühlte, wie die Nase des Schwarzhaarigen spielerisch gegen sein Ohr stupste. „Du hast Recht“, brummte Kurogane und ließ sein Kinn auf Fyes Schulter ruhen. „Aber ich will nicht, dass du gehst.“ Fyes Herz schlug schneller, in einer Mischung aus Befürchtung und Erwartung. Er schluckte. „Ich kann auch hier schlafen, wenn du Angst hast, dass ich es nicht bis nach nebenan schaffe. Wir müssen nur ausknobeln, wer das Bett bekommt.“ Wir werden nicht in einem Zimmer schlafen. Wir werden nicht im selben Bett schlafen. Es war eine dezente Art und Weise, diese Botschaft zu verdeutlichen ohne Kurogane gleich vor den Kopf zu stoßen. Aber der Sportlehrer konnte oder wollte nicht verstehen. „Da dürfte es nicht viel zu knobeln geben.“ Kuroganes Atem kitzelte Fyes Ohr und seine Wange. Eine Gänsehaut breitete sich auf den Armen und dem Rücken des Blonden aus, als sich eine Hand unter seinen Pullover schlich und die empfindliche Haut seines Bauchs kraulte. Es hätte so perfekt sein können... wäre da nicht der Geruch nach Punsch und Glühwein gewesen, der jedes Wort des Größeren begleitete. Fye entwand sich der Berührung und drehte sich um. In den mohnblütenroten Augen seines Gegenübers stand Verwirrung und Frustration über Fyes plötzlichen Rückzug. „Weißt du, vielleicht sollte ich doch lieber gehen. Es wäre nicht richtig, wenn ich bleibe. Nicht in deinem Zustand.“ Er sah, wie Kurogane die Hände zu Fäusten ballte und sie dann wieder entspannte. „Ich scheiß' auf meinen Zustand“, knurrte er; ohne zu bemerken, dass das nicht viel Sinn ergab. „Ich sagte, ich will nich, dass du gehst und das heißt, dass ich nich will, dass du gehst.“ Unter anderen Umständen hätte es den Chemielehrer amüsiert dass sein geschätzter Freund sich wie ein bockiges Kind benahm, wenn er betrunken genug war. Stattdessen strich er unentschlossen eine Strähne aus der Stirn des Schwarzhaarigen, die sofort wieder an ihren Platz zurück fiel. Wenn er tatsächlich ging, würde er damit einen Streit provozieren. Und selbst wenn er das Glück haben sollte, dass der Andere sich am nächsten morgen an nichts erinnerte; er konnte es nicht ertragen, wenn Kurogane wütend auf ihn war. Fye versuchte ein Lächeln aufzusetzen und hoffte, dass der Schwarzhaarige die Unaufrichtigkeit dahinter nicht bemerkte. „Wenn ich Kuro-meanie ins Bett bringe und ihm einen Gute-Nacht-Kuss gebe, verspricht er dann ein artiger Junge zu sein und zu schlafen?“ Die Antwort war ein widerwilliges Brummen. Fye mochte den Blick des Größeren nicht zu deuten, bis der sich plötzlich herunter beugte und seinen Gute-Nacht-Kuss sofort einforderte. Auf alles andere als keusche Weise, doch die Lippen des Blonden waren ebenso hungrig. Sie machten dort weiter, wo sie beim letzten Mal aufgehört hatten und schon bald ruhten Kuroganes Hände an Fyes Hüften, zogen die schmale Gestalt näher. Der Kleinere krallte sich am Kragen des schwarzen Shirts fest und der Laut, der ihm entwich war mehr ein Schluchzen als ein Stöhnen. Er zog sich zurück, nur ein klein wenig. Legte seinen Zeigefinger auf die fordernden Lippen des Anderen um diesen ein wenig inne halten zu lassen. Es war falsch... so falsch. Die Umstände waren einfach nicht richtig. Er wünschte, er wäre stärker. Um dem zu widerstehen. Es war leicht eine Versuchung zu ignorieren, wenn der Verstand und das Herz dafür plädierten das Richtige zu tun. Aber Fye liebte Kurogane; sich von etwas abzubringen, nach dem sich Herz und Körper sehnten, war schlichtweg unmöglich. Besonders wenn die einzige Opposition, der gesunde Menschenverstand, vom Alkohol gefesselt und geknebelt zu Boden gegangen war. Hinzu kam die alberne Hoffnung, dass wenn er Kurogane haben konnte – und sei es nur dieses eine Mal, für diese eine Nacht – dann würde ihm das ausreichen. Er müsste sich nicht mehr ausmalen, wie es wäre. Und selbst wenn es ein totaler Reinfall werden sollte; umso besser. Vielleicht würde ihn das von seiner kranken Liebesbesessenheit heilen. Das wäre dann eine eher ungewöhnliche Art, ihre Freundschaft zu erhalten... Fye blinzelte und blickte auf. Kurogane wartete immer noch auf eine Reaktion von ihm. Oder eine Erklärung für die Unterbrechung. Er versuchte, Kurogane nicht in die Augen zu sehen. Diese glutroten Iriden, die ihn anzogen wie Feuer eine Motte. Stattdessen hing sein Blick an den Lippen des Größeren, auf denen immer noch sein Zeigefinger ruhte. „Es tut mir wirklich Leid...“, flüsterte Fye und beobachtete, wie sein Finger die Unterlippe des Anderen nachzeichnete. „...aber ich konnte noch nie nein zu dir sagen.“ Er trat einen Schritt zurück und setzte sich auf die Küchenanrichte; dann zog er sich dem Pullover über den Kopf. Ein verärgertes Grummeln signalisierte Fye, dass Kurogane gar nicht begeistert war, als unter dem Pulli noch ein T-Shirt zum Vorschein kam. Der Blonde gluckste. Wie Kurogane dann erst reagieren würde, wenn er mitbekam, dass er unter der Jeans noch Strumpfhosen trug? „Du kannst also nicht nein sagen?“ Der Schwarzhaarige stützte seinen linken Arm seitlich von Fye ab, während sich seine rechte Hand an dem Nacken des anderen Mannes ruhte. Er zog den Chemielehrer in einen weiteren Kuss, der überraschend sanft begann. Diesmal ließ Kurogane vorsichtig seine Zunge in Fyes Mund gleiten; fuhr mit ihr die Zahnreihen entlang und kitzelte den Gaumen. Er konnte den Idioten kichern hören. Die Arme, die sich um seinen Hals schlangen, zogen ihn näher heran. Hießen ihn willkommen und versprachen Wärme. „Kuro-...gane?“, flüsterte Fye ein wenig atemlos von dem Zungenspiel. Seinen vollen Namen zu hören, noch dazu in diesem heiseren, flehenden Tonfall, weckten Bilder in Kuroganes Vorstellung. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn Fyes schmale Gestalt unter ihm liegen würde? Wie wäre es wohl, den Älteren Stück für Stück seiner Kleidung zu entledigen, ihn auszupacken wie ein Geschenk und so mehr und mehr von dieser weichen, hellen Haut freizulegen? Haut, die danach verlangte, erkundet und liebkost zu werden. Er spürte ein Ziehen in seinem Unterleib. „Kuro-rin?“ „Was?“ Der Sportlehrer versuchte, nicht ungeduldig zu klingen. Er kuschelte sich in Fyes Halsbeuge, küsste den Blonden zärtlich. „Hast... du... Kondome?“ „Schlafzimmer“, murmelte der Schwarzhaarige, zwischen vereinzelten Küssen. Seine rechte Hand wanderte unter Fyes T-Shirt und fuhr über die Brustwarze des Mannes, verharrte dort um die empfindliche Haut ein wenig zu reizen. Ihm war jetzt gar nicht nach reden zumute, aber besser sie klärten die leidlichen Fragen, bevor sie beide nackt und mehr als bereit waren. „Ich will...“ Die Worte des Blonden wurden unterbrochen von vereinzeltem Keuchen. „... dir... dabei in die Augen... sehen.“ Kurogane versprach es. Er hätte Fye in diesem Moment jeden Wusch gewährt, wenn das bedeutete, dass er noch ein wenig länger den Duft des Anderen einsaugen konnte. Fye schlang seine Beine um Kuroganes Hüfte, presste seinen Unterleib gegen Kuroganes Lenden. Dem Größeren entwich ein Stöhnen. „Scheint, als wäre Kuro-sama nicht sehr geduldig“, gluckste Fye, als er die Beule spürte, die sich unter schwarzem Jeansstoff ausbildete. Und um es noch schlimmer zu machen, drängte er sich noch mehr gegen Kurogane. Die Antwort war ein heiseres Knurren. „Lass das, du Idiot! Oder willst du, dass wir es nicht mehr bis zum Schlafzimmer schaffen?“ Das wollte er natürlich nicht, aber er war jetzt in Spiellaune und er wollte getragen werden, so wie er jetzt war. Kurogane hatte nichts dagegen, so musste keiner von ihnen die Finger von dem Anderen lassen. Und so ganz nebenbei gab es ihm noch die Gelegenheit, den Hintern des Blonden zu packen. Keine fünf Minuten später lag Fye – trunken lachend und um T-Shirt und Jeans erleichtert – auf seiner Matratze und sah Kurogane dabei zu, wie er hektisch in den Schublanden seines Nachttischs nach dem Kondom und der Gleitcreme suchte. Das Foto seiner Eltern hatte er bereits umgedreht – auch wenn es nur ein Bild war, dem Sportlehrer behagte der Gedanke nicht, dass seine Eltern ihm dabei zusahen, er würde sich schon noch früh genug damit beschäftigen müssen, was sie von all dem hielten. Der blonde Idiot schälte sich quälend langsam aus seiner Strumpfhose, warf sie achtlos über den Bettrand. Dann schlüpfte er unter die Decke und kuschelte sich zu einem Knäuel zusammen. „Was zur Hölle wird das?“ „Mir ist kalt, Kuro-chan, beeile dich!“ „Halt die Kl- Au!“ Er jaulte auf, als Fye ihm in den Hintern zwickte. „Blödmann.“ „Ich liebe es, wenn du mir Spitznamen gibst!“, juchzte Fye. Und ich liebe dich, hätte er noch hinzufügen mögen, aber der Zeitpunkt war denkbar unpassend. Stattdessen sah er dabei zu, wie sein Freund das Gleitmittel und das Kondom auf den Nachttisch legte, wie der Schwarzhaarige sich das dunkle Shirt auszog. Darunter kam der muskulöse Oberkörper des Mannes zum Vorschein, sodass Fye aufseufzte. So lange hatte er darauf gewartet... so hoffnungslos war ihm seine Lage erschienen. Und nun? In seinen blauen Augen lag eine Mischung aus Verehrung und Verlangen; Gefühle, die ihrer Natur nach gegensätzlich waren, trotzdem fühlte er sich seit langem wieder im Einklang mit sich selbst. Fye wusste, dass er Kurogane unmöglich mit Worten verständlich machen konnte, was er fühlte. Also ließ er seinen Körper sprechen. Er drosselte das Tempo ihrer Berührungen, hielt das Begehren zurück… …und ließ Zärtlichkeit sich entfalten. Kapitel 4: Ein untrügliches Indiz... ------------------------------------ _________________________________ ~Maybe I think you're cute and funny Maybe I wanna do what bunnies do with you If you know what I mean~ Ingrid Michaelson, “You and I” _________________________________ Indizienbeweis eins legt nahe, dass es sich in der Tat nicht um ein sorgsam geplantes Verbrechen, sondern eine Affekttat handelte... Einzig der Schmerz konnte sein Verlangen kurz bremsen, und Fye verkrampfte sich. Er war in Kuroganes Obhut und das allein schon half dem Blonden dabei, sich zu entspannen. Sie waren einander zugewandt, Stirn an Stirn, die Hände miteinander verflochten und lauschten den Geräuschen ihres Atmens. Regungslos. In Fyes Augen brannten Tränen, als er seine zu Fäusten geballten Finger ausstreckte und seine Arme um den Hals des Schwarzhaarigen legte. Er fühlte sich, als würde er ertrinken in Kuroganes erdigem Duft, der stärker wurde, als der andere zu schwitzen begann. Ein schlanker Fuß rieb sich an einem gebräunten Unterschenkel, als der Blonde sein Bein anwinkelte. Der Schmerz war verebbt. Fye hauchte einen Kuss auf Kuroganes Ohrmuschel und flüsterte leise drei kleine Worte. Nun, vier, um genau zu sein. „Ich mag dich, Kuro-rin.“ Kurogane erwiderte nichts; sein Hirn befand sich im Stand-by, seine ganze Welt war auf wenige Impulse zusammen geschrumpft. Fye beschützen. Fye halten. Fye lieben. Er küsste den Blonden, als er sich langsam in seinem Geliebten zu bewegen begann. In vorsichtigen, gleichmäßigen Stößen versuchte er, einen Rhythmus für sie beide zu finden ohne dem Kleineren weh zu tun. Fyes anfängliches Keuchen schwoll zu einem kehligen Stöhnen an. „Kuro... hah... tiefer...“, murmelte er, als wüsste er um die Unerfahrenheit des Anderen. Diesem passte es gar nicht, mehr Distanz zwischen sie zu bringen, aber er stützte seinen Oberkörper von der Matratze ab und hob Fyes Becken an. „Bes-ser?“ Es kostete ihn sein gesamtes Maß an Selbstbeherrschung nur dieses eine Wort zusammen zu bringen. Er wollte. Seinen. Fye. Besitzen. Vollkommen. Er beschleunigte seine Stöße, angespornt durch die Laute des Blonden. Er wurde begehrt, gebraucht, geliebt. Er konnte in Fyes fiebrigen Blick sehen, spürte es, als Fye sich ihm entgegen drängte und nach ihm rief. Seinen Namen schrie, während er sich ein letztes Mal aufbäumte und sich gegen Kuroganes Bauch ergoss. Ein seliges Lächeln breitete sich auf den Lippen des Blonden aus, der den Schwarzhaarigen in eine tiefere Umarmung zog, die keinen Millimeter Luft zwischen ihnen ließ. So ineinander verschlungen, kam auch Kurogane mit einem letzten anhaltenden Stöhnen. Ihm war schwindlig, sein Hirn schrie nach Sauerstoff und er ließ den Kopf auf das Laken sinken. Er wollte sich keinen Millimeter bewegen, aber... Fyes Hand strich zärtlich über seinen Rücken. Der Ältere gab einen Protestlaut von sich, als Kurogane sich zurück zog und eine Leere in ihm hinterließ. Er ließ sich auf den Rücken fallen. „Das war...“ „Ungewohnt?“, flüsterte Fye, während sich eine seiner Hände auf Kuroganes Seite des Bettes schlich und mit behutsamen, aber bestimmten Berührungen das beste Stück seines Freundes von dem Kondom befreite. Er ließ es achtlos irgendwo außer Kuroganes Sichtfeld fallen. „Unglaublich“, erwiderte Kurogane und fuhr sich durch die Haare. Er hatte seit er siebzehn gewesen war die ein oder andere Sache mit einem Mädchen laufen gehabt und hatte nie das Gefühl bekommen, dass Sex etwas Besonderes oder etwas sonderlich Emotionales sein könnte, lediglich ein kurzes Hochgefühl. Man gab ja nur seinen Trieben nach. Vermutlich, weil er mit dem Herzen nie Recht bei der Sache gewesen war, weil diese Mädchen eben nichts Besonderes gewesen waren. Aber Fye… „Wir sollten uns sauber machen“, murmelte der Blonde, während er sich in die Armbeuge des Sportlehrers kuschelte. Der Sportlehrer nickte schwach – sein Herz raste noch immer von der Anstrengung, doch langsam machte sich Müdigkeit in ihm breit. Er war verschwitzt und er fühlte sich klebrig – eigentlich wäre eine Dusche angebracht. Aber sein Unwille aufzustehen war stärker, daher holte er aus seinem Nachttisch eine Packung Taschentücher. Aber als er dem Blonden eines reichen wollte, musste er feststellen, dass der schon eingeschlummert war. Sollte er... Kurogane wurde schon allein bei dem Gedanken Fye zu säubern knallrot. Eigenartig – immerhin war das der Mann, mit dem er eben geschlafen hatte. Er sagte sich selbst, dass er sich nicht so zimperlich anstellen sollte; das gehörte nun mal dazu. Außerdem bot sich ihm so die Gelegenheit, den Blonden noch ein wenig im Schlaf anzusehen. Also wischte Kurogane erst seinen eigenen Bauch und die empfindliche Region darunter ab, bevor er Fye dieselbe Behandlung zukommen ließ. Er achtete darauf, seine Berührungen so vorsichtig wie möglich zu halten um den anderen nicht zu wecken. Fye murmelte, kuschelte sich noch etwas enger an den warmen Körper unter ihm. „Ku... sa-ma...“ Kurogane grinste und gab dem Schlafenden noch einen Kuss auf die Stirn, bevor auch er die Augen schloss. Sie schliefen lächelnd. _________________________________ o///o Und? Was haltet ihr davon? Gott, ich hoffe, das war jetzt nicht total daneben, ehrlich... Ich kann so was nicht. -.- Ähm, ja, aufgrund diverser Anfragen meiner Leser bei fanfiktion.de hier dieser kleine Einblick... ein Mini-Extra-Kapitel sozusagen. Ich versuche, das letzte Kapitel morgen hinzubekommen, ebebso wie Kap. 5 von Inspector Black. Kapitel 5: Plädoyer ------------------- ~When I push the sheets away from your face and watch you sleep all day here. And when I push you away and say you simply can not stay here. It's all love, all love, It's all of my stupid love.~ Ingrid Michaelson, “Stupid Love” Sämtliche Beweise liegen dem Richter in Schriftlicher Form vor. Verhandlungstermin: 18. Dezember Es war ein merkwürdiges Gefühl, in dem Wissen aufzuwachen, dass man ein Flittchen war. Es ließ sich in etwa mit den Gefühlen eines trockenen Alkoholikers vergleichen, der wieder getrunken hatte. Erst kam das Bedauern. Dann die Scham. Dann die Selbstverachtung. Das Fehlen eines Katers sagte Fye, dass er die Nacht zuvor nicht so betrunken war, dass es seinen Fauxpas entschuldigte. Er konnte Kurogane atmen hören; merkte, wie der Brustkorb des Anderen sich hob und senkte. Der Chemielehrer kuschelte sich noch näher an den warmen Körper; die Anwesenheit von Kurogane spendete ihm Trost. Auch wenn er Mist gebaut hatte, das hier war Kuro-tan, sein Kuro-tan. Der Sportlehrer war das Beste, was ihm je passiert war und das würde sich auch dann nicht ändern, wenn der groß gewachsene Mann nie wieder ein Wort mit ihm redete. „Meine Damen und Herren von der Jury, die Sache ist doch die – die Anklage spricht von einer Ermordung, doch lag wirklich ein Mord vor? Oder war das Ableben der verehrten platonischen Freundschaft zwischen dem Kläger und dem Angeklagten nicht doch eine Affekttat? Denn ist es nicht so, dass Mr. Suwa, unser Kläger, der hier so freundlich die Opferrolle spielt auch eine Teilschuld an dem trägt, was geschehen ist? Uns liegt ein Schriftdokument vor, das bezeugt, dass der Beischlaf, welcher zum kleinen Tod führte, einvernehmlich war.“ Er wusste nicht, ob Kurogane wach war oder nicht. Er ahnte ja nicht, dass der Größere bis vor kurzem noch seinen Nacken gekrault und seine Zärtlichkeiten erst dann eingestellt hatte, als Fye wach wurde. Der Blonde zeichnete mit seinem Finger Muster auf einen braun gebrannten Bauch, konnte die Muskeln darunter fühlen. Sollte er ihn wecken? Aber er hatte Angst vor Kuroganes Reaktion. Was, wenn der Andere einen Blackout hatte? Oder, noch schlimmer, wenn es ihm plötzlich peinlich war, was sie getan hatten? Kurogane verachtete Dinge, die an seiner männlichen Würde kratzten und Fye wusste nicht, ob Sex mit anderen Männern dazu gehörte. Er wollte das nicht mit durchmachen müssen. So feige das auch sein mochte und so gern er auch da geblieben wäre; es war vielleicht besser, wenn er ging, bevor er heraus geschmissen wurde. Der Chemielehrer verlagerte sein Gewicht auf die Seite, während er sich mit den Händen von der Matratze abstützte. Der Schmerz in seinem Hintern ließ ihn kurz zusammenzucken. Er wimmerte. Verflucht! Hauptsache, er hatte Kurogane jetzt nicht geweckt... doch das Gesicht des anderen blieb regungslos. Und makellos, wie in dunklen Marmor gemeißelt. Aber jetzt war nicht die Zeit zum schwärmen. Fye beschloss einfach so fix aus dem Bett zu krabbeln, wie er nur konnte. Er schaffte es gerade mal sich auf die Bettkante zu setzen und auszuspähen, wohin sich denn seine Kleidung (insbesondere seine Unterhose) verirrt hatte, als sich ein Arm um seine schmale Gestalt legte und ihn zurück auf die Matratze zerrte. Fye war verwirrt. War das jetzt nur eine dieser unbewussten Reaktionen im Schlaf gewesen? Er konnte hören, wie Kurogane sich hinter seinem Rücken regte. „Hab' ich dir weh getan?“ … okay, Kuro-tan schien wach zu sein. Schon fast automatisch versuchte Fye, ein Schmunzeln zustande zu bringen, obwohl Kurogane sein Gesicht ohnehin nicht sehen konnte. „Nicht so schlimm. Es ist...“ „Nicht das erste Mal?“, fragte Kurogane. Fye konnte sich nicht helfen, aber er meinte einen Hauch Verbitterung zu hören. „Normal, wollte ich sagen. Es könnte viel schlimmer sein. Kuro-sama ist eben sehr zuvorkommend, selbst wenn er betrunken ist.“ Und ein Gentleman, hätte man noch hinzufügen können, als der Andere die Decke über ihre beiden Körper zog. Keine Ausflüchte, kein zurück ziehen. Nur so etwas wie stille Akzeptanz. „Und warum heulst du dann?“ Der Blonde fühlte sich ein wenig ertappt, weil er wirklich mit den Tränen rang, deshalb versuchte er es gar nicht erst zu leugnen. „Weil du mich jetzt sicher hasst.“ „Und wie kommst du darauf?“ „Ich...“, ein kurzes Schniefen, „ich hab' dich ausgenutzt. Du warst betrunken...ich hätte nein sagen sollen.“ Ausgenutzt? Fye sollte ihn ausgenutzt haben? Kurogane rief sich noch einmal in Erinnerung, was passiert war, seit sie die Wohnung betreten hatten und förderte dabei Dinge zutage, die Schulmädchen zum Erblassen gebracht hätte. Und sofern diese Bilder ihn nicht trügten, war er es gewesen, der den Blonden gegen die Matratze gepinnt hatte. „Meinst du wirklich, du würdest noch hier liegen, wenn ich das glauben würde?“ „Aber...“ „Halt die Klappe, Idiot.“ Kurogane zog die schmale Gestalt näher. „Glaub mir, wenn es mir bloß um den Sex ginge, dann wärst du der Letzte auf der Liste.“ „Oh, na vielen Dank auch.“ Fyes Stimme war kaum mehr als als ein Zischen und er versuchte, sich Kuroganes Griff zu entwinden. „Soll heißen, dass ich nicht will, dass du jetzt einfach so abhaust, als ob nie was passiert wäre.“ Der Blonde hörte auf zu strampeln. Drehte seinen Kopf zögerlich um. Er konnte gar nicht so recht glauben, was er da hörte und suchte Bestätigung in den Augen des Anderen. Kurogane lag auf der Seite, den Oberkörper von der Matratze abgestützt und sein Kopf ruhte auf seiner Handfläche. Nichts an dieser Haltung verriet Unwohlsein. Der freie Arm des Sportlehrers hinderte ihm immer noch daran zu flüchten. „Kuro-rin?“ „Was denn?“ „Ich wollte wirklich nicht, dass es so läuft. Das war unprofessionell.“ „Tch. Als ob du dich je professionell verhalten würdest.“ „Ich hatte nicht vor, dich zu verführen, das weißt du doch, oder? Und selbst wenn, so hätte ich mir das nicht vorgestellt, nicht ohne mindestens drei Dates in extravagantes Restaurants.“ Auch wenn Kurogane nicht so aussah als gehörte er zu der Sorte Mann, der auf Verabredungen stand, so verdiente er nur die beste Behandlung. Kurogane verdiente Respekt und Anerkennung... keinen trunkenen Fehltritt. Der Sportlehrer grinste. „Das lässt sich nachholen.“ „Ist das dein Ernst?“ War das eben wirklich eine Einladung zu einer Verabredung gewesen? Nach allem? Aber er kannte die Antwort bereits. Der Sportlehrer verschwendete keine Worte, wenn es nicht notwendig war. „Sonst hätte ich es nicht gesagt.“ Irgendetwas stimmte da nicht. Das war einfach zu perfekt, zu gut um wahr zu sein. Irgendwo klingelte ein Telefon. „Oh verflucht. Bleib hier, ich bin gleich wieder da.“ Und mit damit hastete der große Mann aus dem Raum, griff nebenbei nach seinem Bademantel und schlüpfte in das Kleidungsstück, sehr zum Bedauern des Blonden. Fye knabberte an seinem Daumen und musste sich zusammenreißen um nicht wie ein Schulmädchen zu kichern. Der Anblick von Kuroganes Kehrseite war einfach zu verlockend, wie er bereits hatte feststellen dürfen, als er den Schwarzhaarigen beim Singen unter der Dusche aufgenommen hatte. “Wehe es ist nichts wichtiges!”, bellte der Sportlehrer in die Sprechmuschel, kaum dass er den Hörer abgenommen hatte. Die Antwort war ein amüsiertes Glucksen. “Na, na, na, wer wird denn gleich so ungehalten sein? Ich störe doch nicht etwa bei irgendetwas?” “Was willst du, Hexe?” “Du weißt nicht zufällig, wo ein gewisser blonder Chemielehrer steckt, oder? Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber es geht niemand ran.” … Großartig. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er seufzte genervt. “Der Blödmann ist bei mir. Wieso?” „Perfekt! Kannst du ihn noch ein wenig beschäftigen, vielleicht so für sechs oder sieben Stunden? Und sorge dafür, dass er um vier im Chemielabor ist, ja?“ „Was für einen kranken Plan heckst du denn jetzt schon wieder aus?“ „Wir wollen eine Geburtstags-Überraschungsparty vorbereiten.“ Kurogane grübelte nach, welches Datum sie hatten. Samstag. Der 18. Dezember. December Baby... Der Idiot hatte heute Geburtstag. „...du hast es vergessen, was?“, tadelte die Stimme am anderen Ende. „Klappe! Habe ich nicht. Mir war nur bis eben nicht klar, dass das heute ist.“ Yuuko seufzte theatralisch. „Natürlich. Sorge einfach dafür, dass er nicht vor um drei deine Wohnung verlässt.“ Ein Klicken war zu hören, als die Verwaltungschefin auflegte. Kurogane knallte den Hörer auf die Gabel. Für wen hielt sie ihn eigentlich, ihren persönlichen Sklaven? Wenn er sich recht erinnerte hatte der zappelige Teenager mit der Brille schon diesen Job. Er musste Fye also für ein paar Stunden davon abhalten, irgendwohin zu gehen. … das ließ sich arrangieren. Auf den Lippen des großen Mannes bildete sich ein verschlagenes Grinsen. Diese Sache, die sie hatten, dieses merkwürdige Irgendwas, das noch keine Bezeichnung hatte, verdiente eine Chance. Kurogane war das bewusst geworden, als der blonde Idiot gezeigt hatte, dass ihm die Umstände ihres kleinen Stelldicheins genauso wenig gefallen hatten. Da hatte er auch gewusst, dass sie ohnehin nicht mehr so weiter machen konnten wie bisher, weil Fye sich die ganze Zeit Vorwürfe machen würde. Sie mussten also nach vorn sehen. Austesten, wie weit ihre Beziehung gehen konnte, wie stark Fyes Gefühle für ihn waren. Der Sportlehrer hatte nie daran gezweifelt, dass er dem Anderen etwas bedeutete; die Frage war und ist nur, was genau dieses ’etwas’ einschloss. Für jemanden, der es nicht ertrug allein zu sein, war Fye ziemlich undeutlich wenn es darum ging zu zeigen, wie es um sein Herz stand. Der Idiot flirtete zwar ständig, aber wenn jedes Wort von einem schalkhaften Lächeln begleitet wurde, wie ernst konnte man das Gesagte dann nehmen? Die letzte Nacht hatte Kurogane zumindest erfahren, dass keinen Mangel an körperlicher Anziehung von beiden Seiten gab und dass sie sexuell mehr als kompatibel waren. Und der einzige Grund, weswegen sie noch nicht miteinander im Bett gelandet waren, war… (Mit empfindlichen Herzen spielt man nicht…) Gegenseitiger Respekt. Das gab die Hoffnung, dass ihre kleine Sache mehr wurde als nur eine simple Affäre. Kurogane ging zu seinem Wohnzimmerschrank und holte ein mit nüchternem hellblauem Geschenkpapier und dunkelrotem Band verpacktes Paket heraus. Es sah etwas liederlich aus, aber Geschenke einpacken gehörte nicht gerade zu seinen Stärken und wen kümmerte es? Er hatte nun mal niemand anderen darum bitten wollen. „Der Grund, warum wir heute hier sind, ist eine Farce. Sehen Sie sich doch nur Mr. Suwa an, dann werden Sie erkennen, dass er die Anklage sofort fallen lassen würde, wenn sein Stolz ihn ließe.“ Als er ins Schlafzimmer zurück kehrte starrte ein gewisser Chemielehrer bereits gelangweilt an die Zimmerdecke. Und wackelte mit den Zehen. Kaum hatte Fye ihn bemerkt, setzte er sich so schnell auf, dass er einem Kastenteufel Konkurrenz hätte machen können. „Kuro-chan, da bist du ja wie-- was ist denn das?“ Zwei blaue Augen richteten sich neugierig auf das eingewickelte Objekt, das der Schwarzhaarige mitbrachte. „Was wohl? Alles Gute zum Geburtstag.“ Er legte das Päckchen in Fyes Schoß. Der blickte nur irritiert zwischen dem Geschenk und dem Schenkenden hinterher. Soweit Fye sich erinnern konnte, hatte er noch nie etwas von Kurogane geschenkt bekommen, weil der Sportlehrer es auch überhaupt nicht mochte, wenn man ihn beschenkte. Es verstärkte nur noch das Gefühl der Unwirklichkeit. Er kniff sich. Ein kleiner, willkommener Schmerz loderte an seinem Unterarm auf und sagte ihm, dass das nicht nur ein Traum war. Das hier passierte wirklich. Er kniff sich noch einmal. Wirklich-wirklich! „Kann ich… es auspacken?“, fragte er zögerlich. „Du kannst es auch den ganzen Tag anstarren. Es gehört dir.“ Er nickte. Ihm fehlten noch immer die Worte – was bei Fye de Flourite nur sehr selten vorkam – also nestelte er an dem Geschenkband. Kurogane hatte eine merkwürdige Art Schleifen zu binden, aber dank seiner geschickten Finger hatte der Blonde im Nu auch den letzten Knoten gelöst und riss das Papier herunter. Darunter kam ein leicht gräulicher Pappkarton zum Vorschein, auf dem ein paar Handschuhe und drei Tafeln Schokolade lagen, unterschiedlicher Sorte. Da der Sportlehrer nicht recht gewusst hatte, welche Sorte Fye am liebsten aß, hatte er die drei beliebtesten Geschmacksrichtungen gekauft – weiße, Zartbitter- und Vollmilchschokolade. „Hyuu~! Die sind ja hübsch“, fief Fye aus, als er die Handschuhe entdeckte. Das waren sie. Und feminin obendrein. Es waren flauschige, weiße Fingerhandschuhe, auf die ein rot-goldenes Blättermuster aufgenäht war und Fye musste dem Drang widerstehen, sie sofort anzuziehen. Stattdessen öffnete er den Deckel des Kartons, schob das knisternde violette Papier beiseite, das weißen Stoff bedeckte... und saugte überrascht die Luft ein. Er hob das Kleidungsstück in die Höhe, um Form und Schnitt besser erkennen zu können. „Kuro-puu... ist das etwa...“ „Ja, ist es.“ Der schwarzhaarige musste sich räuspern um darüber hinweg zu täuschen, wie nervös er war. Es war das aller erste Mal, dass er Fye irgendetwas geschenkt hatte und dann gleich so etwas... dabei hatte er keinen Schimmer, was den Geschmack des Blonden traf, wenn es um jene Sache ging, über die sie nicht sprachen, die aber von jedem toleriert wurde. „Du solltest es anprobieren, nur für den Fall. Ich... ich mache uns Frühstück.“ Kurogane verließ das Zimmer mit gemischten Gefühlen. Einerseits war es eine angenehme Abwechslung mal eine ernstere Seite von Fye zu sehen, andererseits wusste er nicht was der Blonde nun von dem Geschenk hielt – immerhin hatte er nicht mit dem typischen Enthusiasmus reagiert. Gerade als der schwarzhaarige Mann die ersten Löffel Kaffeepulver in die Maschine häufte, war ein leises Quieken aus dem Schlafzimmer zu hören. Kurogane grinste. Also hatte sich die Tortur in dem Kaufhaus gelohnt. (Er würde nie den Blick vergessen, den die Verkäuferin ihm bei der Frage zugeworfen hatte, ob für Männer und Frauen die gleichen Konfektionsgrößen galten.) Er hörte das metallische Klicken der Türklinke als ein blonder Wirbelwind auf ihn zustürmte und kräftig von hinten umarmte. „Danke, Kuro-chan. Danke-danke-danke!“ „Verflucht, du erwürgst mich!“ Daraufhin ließ der Blonde wieder von ihm ab. „’Tschuldigung.“ Der Größere gab ein kurzes Grummeln von sich und rieb sich den Hals. Er ließ das Filterfach zuklappen und holte sich die Glaskanne, um Wasser einzufüllen. „Das heißt, du magst es?“ Er drehte sich um... und hätte beinahe die Kanne fallen lassen. Der erste Impuls war: ’Wer ist dieses Mädchen und was macht sie in meiner Küche?’ Der zweite Impuls war schwer zu beschreiben. Ein Hauch Erleichterung schwang darin mit, als sein Hirn erkannte, dass es Fye war und der Anblick weckte seinen Beschützerinstinkt und seine Begierde gleichermaßen. Der Blonde sah zum niederknien aus, in dem roten Babydoll-Kleid. Nicht einmal die bunten Söckchen konnten diesen Anblick schmälern. „Es ist hinreißend. Und die Farbe erst.“ Fye ergriff den Saum des Kleides, der ihm bis knapp über’s Knie ging und strahlte regelrecht. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Notwendig oder nicht, darüber ließ sich streiten, fest stand nur, dass Kurogane es ihm hatte schenken wollen, unter allen Umständen. Die Idee dazu hatte er schon im Sommer gehabt; jedes Mal wenn Fye sehnsüchtig den Schülerinnen hinterher blickte, die lässig in ihren luftigen Sommerkleidchen vorbei schwebten. Aber... nicht jedes Kleidungsstück stand einem Mann, mochte sein Gesicht noch so weiche Züge haben wie Fye. Der Schwarzhaarige war also sogar soweit gegangen, Tomoyo-chan aus Klasse A um Rat zu fragen, weil er wusste, dass sie nähte. Sie war es gewesen, die ihm zu einem Babydoll geraten hatte. Es war gar nicht mal so einfach gewesen, ein Kleid mit quadratischem Kragen zu finden; die meisten Babydolls hatten Spaghettiträger und tiefe, dreieckige Ausschnitte die ausschließlich für den Brüste tragenden Teil der Menschheit geeignet waren. Trotzdem musste der Sportlehrer sich fragen, warum er es ausgerechnet in Rot gekauft hatte und nicht in dem Hellblau oder Weiß, das Fye so oft trug. Jetzt, da er ansehen konnte, wie es sich an Fye machte, musste er feststellen, dass es in gewissem Sinne seinen Zweck verfehlte. Schon der Name des Kleidungsstücks implizierte, dass es niedlich und unschuldig sein sollte. Vielleicht gab es sie deshalb meist in dezenten Farbtönen zu kaufen, aber dieses Rot... es schrie förmlich nach Aufmerksamkeit. Es war ungewohnt, doch es passte zu dem exzentrischen Blonden. Und noch etwas... Rot war eigentlich Kuroganes Farbe. Die Zweithäufigste, die er trug, direkt nach schwarz. Es war im gewissen Maße also auch eine Reviermarkierung. „So besonders ist es nun auch nicht“, versuchte Kurogane es herunter zu spielen. So intensiv, wie er Fye anzustarren begann, konnte man glauben er hätte es nur gekauft weil er schmutzige Hintergedanken hatte. Und dann, bevor er es verhindern konnte, rutschte ihm heraus: „Du bist etwas Besonderes.“ Fye erstarrte. 'Oh Gott. Hab’ ich was falsches gesagt?’ Das war nicht gut. Der Blonde gehörte zu der Sorte Menschen, die davon liefen, wenn sie von einer Situation überfordert waren. Und wenn ihm das alles zu schnell ging... Erster Zeuge der Verteidigung: Fye de Flourite, Chemielehrer. „Du würdest so was nicht sagen, wenn du es nicht wirklich meinst, stimmt’s?“ Fyes Stimme schwankte leicht. „Ich meine, ich weiß du würdest nie lügen, aber... ich...“ „... es wäre nicht das erste Mal, dass dir das passiert“, beendete Kurogane den Satz, als sich die Wahrheit setzte, die er gerade erst begriffen hatte. „Einspruch! Nicht relevant.“ „Euer Ehren, mit Verlaub ich muss widersprechen. Die Frage diente einzig und allein dazu, die Motivation des Angeklagten zu hinterfragen. Ist es nicht so, dass man im Falle einer psychischen Vorbelastung sogar von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgehen kann?“ Über Fyes Vergangenheit, insbesondere sein Liebesleben, hatte Kurogane sich nie Gedanken gemacht (oder machen wollen), weil er nicht das Recht dazu hatte. Und auch jetzt war er noch der Ansicht, dass es keinen Unterschied für ihn machte ob er es wusste oder nicht, weil es ihn ja nicht betraf. Deshalb war ihm bisher nie der Gedanke gekommen, dass Fyes Verhalten, die plötzliche Wandlung von heiß zu kalt, von verspielt zu ernst, darauf zurückzuführen war, dass jemand ihn bitter enttäuscht hatte. Der Ältere nickte nur. „An manchen Tagen denke ich nur, dass ich bin ziemlich hinüber bin. Ich meine, wenn ich schon mal jemanden finde, dem was an mir liegt, dann schubse ich ihn entweder weg oder er ergreift von allein die Flucht, wenn er merkt, was sich hinter meinem Lächeln verbirgt. Wenn du dir also nicht sicher bist, ob du das aushältst, dann-“ „Halt die Klappe.“ Kurogane stellte die Glaskanne weg und zerrte den Blonden in seine Arme. „W-wie?“ „Du tust es schon wieder. Das mit dem weg schieben. Du musst mir das nicht erzählen, wenn du denkst, ich würde dann gehen.“ „Nein. Ich will nur, dass du die ganze Wahrheit weißt. Ich will nicht, dass du nachher bereust, was du gesagt hast.“ Kurogane stellte fest, dass jemanden zu umarmen viel weniger verkrampft war, als er angenommen hatte. Besonders, wenn es um jemanden ging, um den er sich sorgte. Und es gab einem tatsächlich Sicherheit, wenn einem gerade alles zu entgleiten drohte. „Jetzt hör mal. Du wirst melodramatisch. Ich habe Hunger und ich kann nicht denken, wenn ich Hunger habe. Du kannst mir sagen, was du mir sagen willst, aber erst nach dem wir gefrühstückt haben. Also geh wieder ins Schlafzimmer und mach es dir bequem, du wirst diesen Raum nämlich nicht verlassen, bevor die Sache nicht geklärt ist. Verstanden?“ Fye musste feststellen, dass dies einer dieser Momente war, an denen er partout nicht wusste, was Kurogane gerade dachte. „Okay. Aber das kann eine Weile dauern.“ Von Kurogane war ein leises, kehliges Lachen zu hören. Er hob das Kinn des Jüngeren ein wenig an, damit Fye ihm ins Gesicht sehen musste. In den blauen Augen stand Ungewissheit. „Ich wollte sowieso den Tag im Bett verbringen.“ Seine Stirn an Fyes Stirn. Kuroganes Nasenspitze fuhr die sanfte Kurve von Fyes Wange nach, bevor er dem Blonden einen Kuss auf die Ohrmuschel hauchte. Liebe ist... ... ihn in dein Bett krümeln zu lassen. Dass dieser Satz der Wahrheit entsprach konnte Kurogane nur bestätigen. Er hatte Frühstück vorbereitet, aber den Tag im Bett zu verbringen bedeutete auch, die Mahlzeiten dort einzunehmen und so kam er eine halbe Stunde später mit einem Tablett wieder ins Schlafzimmer – beladen mit Kaffee, Sandwiches und French Toast. Letzteres hatte er nur deshalb ausgewählt, weil er wusste, dass Fye Süßkram auch zum Frühstück mochte und es war das einzige süße Gericht, das er beherrschte. Der Chemielehrer hatte unterdessen schon das Schlafzimmer aufgeräumt – ihre Kleidung vom Boden aufgelesen und sorgfältig gefaltet auf dem Fußboden aufgestapelt. Auch sein Geschenk hatte er wieder ausgezogen und in den Karton zurück getan. Der Blonde trug jetzt wieder sein T-Shirt und die Slip Shorts, die er unter der Strumpfhose getragen hatte. Die Konversation während des Frühstücks verlief eher oberflächlich und stockend und die einzige zärtliche Geste, die ausgetauscht wurde war die, dass Fye seinen Kopf auf Kuroganes Schulter sinken ließ, als sie nur noch schweigend Kaffee tranken. Als Fyes Tasse leer war bis auf die letzten schwarzen Krümel, die es irgendwie doch geschafft hatten, dem Filter zu entkommen, hatte er keinen Grund mehr, das Gespräch unnötig hinaus zu zögern. „Meinen ersten richtigen Freund hatte ich, als ich auf die Uni ging“, begann Fye ruhig. Er starrte in den Kaffeesatz, als wolle er den Ausgang dieses Gesprächs darin lesen, aber er konnte in den dunklen, aromatisch duftenden Krümeln keine Figuren erkennen. „Er war einer meiner Dozenten, obwohl er gar nicht mal so alt war. Er war Doktorand im Institut für Physikalische Chemie und hielt das Seminar für Elektrochemie, obwohl er Physik studiert hatte. Ich weiß nicht warum, aber später schien mir der Umstand, dass er Physiker ist, mir so wichtig... als wäre das der Grund, warum ich von vornherein die Finger von ihm hätte lassen sollen...“ Der Blonde stellte seine Tasse beiseite und kuschelte sich dann näher an Kurogane. Er schlang die Arme um den Oberkörper des Schwarzhaarigen und ließ seine verschränkten Hände an dessen Hüfte ruhen. „Ist sein Name wichtig?“ „Wenn du ihn nicht sagen willst, musst du nicht“, erwiderte der Sportlehrer. Seine Hand fand den Rücken des Kleineren, um beruhigend und ermunternd darüber zu streichen. „Gut.“ Fye behagte der Gedanke nicht, diesen Namen auszusprechen, erst recht nicht an diesem Ort. Namen hatten Macht. Wenn er ihn aussprach, dann war es, als würde er etwas heraufbeschwören... und er wollte nicht, dass Kurogane in Kontakt mit seiner Vergangenheit oder dieser Person kam. „Weißt du, es war nicht so, wie es meistens läuft: 'Junge trifft Junge, Junge verknallt sich, dem Jungen wird das Herz gebrochen, als er mitbekommt, dass der Andere ihn dafür verabscheut, dass er etwas für ihn empfindet.' Ich hab ihn – nennen wir ihn mal 'Ernie', weil er dasselbe schreckliche Gelächter drauf hatte wie Ernie aus der Sesamstraße – im ersten Moment noch nicht mal besonders interessant gefunden, er war einfach Teil meines Stundenplans und zu dem Zeitpunkt war ich mir noch nicht mal darüber klar, was ich wollte... in emotionaler und sexueller Hinsicht. Die anderen Jungs kamen mit mir nie besonders gut klar; ich weiß nicht ob es an meiner Art lag oder daran, dass all die Mädchen auf mich flogen. Ich weiß nur, dass ich immer eine Menge Freundinnen um mich herum hatte. Ich war ganz hingerissen von Mädchen, ihre Art zu kleiden, sich zu bewegen. Sie waren so hübsch und ich war mit ihnen auf derselben Wellenlänge. Seit ich vierzehn war, hatte ich eigentlich immer eine Freundin und sie war mein ein und alles, nur... weißt du, mir kam nie in den Sinn, dass sie eigentlich nicht meine festen Freundinnen waren, weil sie mich sexuell nie interessierten.“ Fye seufzte und schloss für einen kurzen Moment die Augen, aber ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Sie waren nur meine besten Freundinnen, jemand, mit dem man durch dick und dünn ging. Aber eine echte Beziehung war es nicht. Als ich in meinem zweiten Semester war, kam meine damalige Freundin, Renée, auf die Idee, mich ihrer Familie vorzustellen, nachdem wir schon fast ein ganzes Jahr zusammen waren; also stellte sie mich zum Geburtstag ihres Bruders der ganzen Sippe vor und da traf ich auch 'Ernie' wieder. Es stellte sich heraus, dass er ein entfernter Cousin von Renée war. Und da wir die einzigen zwei Naturwissenschaftler dort waren, kamen wir früher oder später ins Gespräch, während Renée damit beschäftigt war, vor ihrer Schwester mit mir anzugeben. Von dem Tag an, trafen wir uns auch während der Studienzeit öfters. Ich fand ihn ganz sympathisch und war erleichtert, endlich mal einen männlichen Kumpel zu haben und störte mich nicht daran, dass er ein paar Jahre älter war als ich. Er ist ziemlich einfach gestrickt, es gab eigentlich nur wenig, an dem er Interesse zeigte. Eigentlich waren es nur drei Sachen: Naturwissenschaften, World of Warcraft und... ich. Letzteres wurde mir klar, als er anfing, mir regelrecht den Hof zu machen.“ „Er hat versucht, dich herum zu kriegen? Obwohl er wusste, dass du eine Freundin hattest?“, fragte Kurogane und in seinem Tonfall schwang Unglauben mit. „Ja, ich weiß. Das allein hätte mich schon stutzig machen sollen, dass er nicht mal die Beziehung seiner eigenen Cousine respektierte, aber er meinte, er erwarte nichts von mir, er wollte nur, dass ich es weiß, weil es sonst unfair wäre, unserer Freundschaft gegenüber und weil er es nicht aushalten könne, noch länger so zu tun, als würde er nichts für mich empfinden. Ich war überrumpelt und verstand die Welt plötzlich nicht mehr, aber nachdem ich in paar Nächte drüber geschlafen hatte, war mir klar, dass ich unsere Gespräche in der Mittagspause vermissen würde und so trafen wir uns weiter nur als Freunde, aber was er gesagt hatte, ließ mich nie ganz los. Er... er meinte auch, er würde versuchen, seine Gefühle im Zaum zu halten, aber wenn mir sein Verhalten zu aufdringlich erscheinen sollte, dann müsste ich es ihm sagen. Nur...“ „...er kam dir nie zu aufdringlich vor, weil du genauso sehr an ihm interessiert warst wie er an dir?“ Kurogane bekam langsam eine Idee, wo diese Geschichte hinführte, auch wenn Zwischenmenschliches nicht gerade seine Stärke war. Fye nickte und Kurogane konnte die Bewegung an seiner Schulter spüren. „Einige Wochen nach 'Ernies' Geständnis, machte Renée unter Tränen mit mir Schluss, als sie mir gestand, dass sie mich mit einem ihrer Arbeitskollegen betrogen hatte und sie sagte, ich würde etwas Besseres verdienen. Sie war mir so dankbar, dass ich ihr das nicht übel nahm; aber die Wahrheit war, dass es mich nicht berührte. Ich war nicht eifersüchtig, weil ich sie nicht wirklich geliebt habe und wir trennten uns dann im Guten. Und dann ging alles ziemlich schnell. Nur eine Woche nach meiner Trennung, küsste ich 'Ernie' zum ersten Mal. Das war im Kino und um ehrlich zu sein, bekamen wir danach nicht mehr viel von dem Film mit, weil wir zu abgelenkt damit waren-“ „Keine Details bitte!“, unterbrach ihn der Sportlehrer. Kurogane musste sich wirklich zusammen reißen, um nicht mit den Zähnen zu knirschen. Ihm war klar gewesen, dass es schon vor ihm Menschen in Fyes Leben gegeben hatte; der Blonde war ja auch nicht gerade dafür bekannt, ein Einsiedlerleben zu führen. Aber nur weil er diesen Fakt akzeptierte, musste ihm der Gedanke noch längst nicht gefallen, dass die Hände, die jetzt an seiner Seite ruhten, früher einen anderen Körper als den seinen erkundet hatten. Dieses kurze Aufflackern der Eifersucht brachte tatsächlich ein schwaches Lächeln auf die Lippen des Blonden. „Okay. Es gibt ohnehin nicht viel zu sagen, außer, dass das meine erste richtige Beziehung war und ich habe einiges gegeben, damit sie funktioniert. Ich war der festen Ansicht, es wäre etwas Besonderes und ich war zu blöd um zu merken, dass sie sich eigentlich nur innerhalb unseres Stundenplans abspielte. Am Wochenende sahen wir uns so gut wie nie und auch innerhalb der Woche blieb er selten über Nacht, was nicht hieß, dass wir nie...“ Fye blinzelte Kurogane an und entschied, dass es besser war, das nicht auszusprechen. „Du weißt schon.“ Kurogane gab nur ein mürrisches Grummeln von sich, das ein 'Ja' darstellen sollte. Instinktiv drückte er Fye enger an sich. „Dann kam Renée an unsere Uni. Nach dem Techtelmechtel mit ihrem Arbeitskollegen lief es nicht mehr so gut für sie in ihrem Job und sie sah sich gezwungen zu kündigen. Und weil sie keinen Job fand, der ihren Ansprüchen genügte, wollte sie Journalistik studieren. Sie war neugierig, wie es mir so ergangen ist, weshalb ich sie am Wochenende zum Kaffee eingeladen habe und es freute sie zu sehen, dass es mir gut ging. Ich glaube, sie machte sich immer noch ein wenig Vorwürfe wegen dem, was passiert ist. Deshalb erzählte ich ihr, dass ich jetzt jemanden gefunden hatte, der mich glücklich macht, auch wenn ich ihr erst einmal verschwieg, um wen es sich handelte. Aber Renée ließ nicht locker und hakte immer wieder nach, bis ich es ihr letztlich doch erzählte. Ich war vorsichtig; ich weiß, dass Mädchen etwas empfindlich sein konnten, wenn es darum geht, dass der Ex-Freund sich plötzlich als schwul herausstellt. Und ich schien Recht zu behalten, denn sobald ich auch nur den Namen erwähnte, versteinerte ihre ganze Miene. Ich konnte richtig sehen, wie unwohl sie sich plötzlich fühlte.“ „Sie hat dir Vorwürfe gemacht.“ „Nein, gar nicht. Sie sagte nur: 'Du weißt es nicht, nicht wahr?' - und ich hatte keine Ahnung worauf sie hinaus wollte. Sie wollte es mir auch nicht sagen, ich solle 'Ernie' schon selbst fragen, aber wie, wenn ich nicht wüsste, wonach? Da nahm sie meine Hände in ihre und sagte drei Worte, die alles veränderten. 'Er ist verheiratet.' Wie sich herausstellte hatte er Frau und Tochter in einer anderen Stadt. Ich wollte es erst nicht glauben, aber Renée war seine Cousine... Ich musste ihn sprechen. Ich hatte die Hoffnung, dass es eine ganz einfache Erklärung dafür gab, dass er mir nie etwas gesagt hatte. Es gibt einige homosexuelle Männer und Frauen, die aufgrund ihres Umfelds eine Ehe mit jemandem eingehen, den sie nicht lieben. Das wäre zwar feige von ihm gewesen, aber verständlich. Ich traf mich mit 'Ernie' nur zwei Tage danach und bat ihn um eine Erklärung. Und er...“ Der Blonde stockte in seiner Erzählung und als Kurogane sein Kinn anhob, sah er die ersten Tränen in den blauen Augen schimmern. „Wenn du lieber aufhören willst, dann solltest du das tun“, bot der Größere an. Ihm behagte der Gedanke nicht, dass der Idiot das alles um seinetwillen noch einmal durchlebte, auch wenn er hoffte, dass es Fye besser gehen würde, wenn er alles erzählte. Die Vergangenheit wie eine Last mit sich herum zu schleppen war sicher schlimmer. Der Andere schüttelte mit dem Kopf. Er war bereits zu weit in der Geschichte vorangekommen um jetzt noch aufzuhören. Nur wurde ihm langsam kalt, also legte er sich hin und kuschelte sich unter die Decke und Kurogane tat es ihm gleich. Na ja, bis auf den Teil mit dem Kuscheln – die einzige Wärme, die der Schwarzhaarige brauchte, ging von dem Mann neben ihm aus. Der Mann, in dessen Haar Kurogane seine Hand jetzt vergrub und der mit seinem Finger unsichtbare Zeichen auf Kuroganes gebräunte Brust malte. „Die Sache war die – er war gar nicht unglücklich verheiratet. Er liebte seine Frau und er hatte ihr geschworen, nie eine andere anzurühren, aber seit das Baby da war, hatte seine Frau das Interesse am Sex verloren. Und dann begegnete er mir und weißt du, er sah es nicht als Betrug an, da er seiner Frau ja nie versprochen hatte, keinen Mann anzurühren und mir hatte er nichts von seiner Ehe erzählt, weil er glaubte, er würde mich sonst verlieren. Und dann fing er an, irgendwas zu erzählen von wegen, dass das ja nicht heißen würde, dass er mich nicht lieben würde, immerhin wäre es möglich, mehr als nur einen Menschen zu lieben und zu begehren.“ Fye rieb sich die Augen, aber keine Tränen rannen ihm über die Wangen, was ein gutes Zeichen war. Das hieß, dass es doch nicht so sehr schmerzte. „Wir waren an diesem Abend ausnahmsweise mal ausgegangen und saßen in einem Restaurant. Ich habe ihm vor den Augen all der anderen Gäste meinen Teller Spaghetti über den Kopf gekippt und ihm klar gemacht, dass das wohl das Bescheuertste wäre, dass ich in meinem ganzen Leben gehört habe und dass mir seine Frau Leid tut, weil sie mit so einem Schwein verheiratet ist. Das waren die letzten Worte, die ich je mit ihm gewechselt habe. Ich ging ihm aus den Weg, besuchte sein Seminar nicht mehr und ließ mir von meinen Kommilitonen die Mitschriften geben. Aber das reichte mir nicht. Ich hätte am liebsten keinen Fuß mehr auf das Campusgelände gesetzt, wo wir gemeinsam so viele Stunden verbracht haben, also legte ich ein Auslandssemester ein. Ich flüchtete mich nach Italien, an die Universität von Rom. Jemand, der mir sehr nahe stand, machte dort eine Ausbildung und er nahm mich in seiner Wohnung auf, ohne Fragen zu stellen. Wenn er nicht gewesen wäre... ich weiß nicht, was ich dann getan hätte. Das war das erste Mal, dass ich vor etwas davon lief. Danach fiel es mir schwer, noch irgendjemandem zu vertrauen. Ich suchte mir Zerstreuung und hatte viele Bekannte, aber keinen wirklichen Freund und es dauerte fast ein Jahr, bis ich mich wieder auf so etwas wie eine romantische Beziehung einließ. Aber... sobald es irgendwie ernst wurde, hab’ ich die Sache beendet. Ich bin weg gelaufen, aus reinem Selbstschutz. Ich dachte, wenn ich zu sehr an den Menschen hänge, dann enttäuschen sie mich wieder. Ich hatte nicht viel Vertrauen in mich zu dieser Zeit und deshalb konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass es jemanden geben könnte, der bei mir bleiben würde. Der mich lieben könnte. Und dann... dann begegnete ich dir. Und du warst so unhöflich.“ Die Begeisterung, die in Fyes Stimme mitschwang, ließ es wie ein Lob klingen. „Und du hast nicht einmal so getan, als könntest du mich leiden, wodurch jedes freundliche Wort von dir umso wertvoller war. Und vor allem konnte ich dir glauben. Du warst... nein, du bist seit langem der Erste Mensch, von dem ich mehr als nur gemocht werden will. Und wenn ich in deiner Nähe bin, fühle ich mich jedes Mal, als könnte mich nichts auf der Welt verletzen. Ich liebe dich. Aber aus irgendeinem Grund heißt das noch lange nicht, dass ich deswegen meinen alten Verhaltensmustern entkommen kann.“ Der Blonde schloss für einen Moment die Augen und genoss das Gefühl von Kuroganes Fingerspitzen, die seine Kopfhaut kraulten. So musste sich der Himmel anfühlen – eine Mischung aus zeitloser Geborgenheit und sanfter Liebkosung. Für den Moment gab es keine Verpflichtungen, niemand, der nach ihnen verlangte. Sie hatten sich und das war genug. Es war bereits Mittag, 12.03 Uhr. „Hey.“ Kurogane sprach so leise, dass es fast ein Flüstern war. „M-hm?“ „Was du vorhin gesagt hast...“ Fye gluckste. „Welchen Teil davon, Kuro-wanwan?“ Ihm entfuhr ein kleiner Schmerzensschrei, als der Andere ihm zur Strafe für seine Frechheit an den Haaren zog. Nicht zu doll, versteht sich. „Der wichtige, natürlich!“, knurrte der Sportlehrer. „Ich... mir geht es genauso.“ Fye öffnete eines seiner Augen, um einen Blick auf Kuroganes Gesicht zu bekommen. Mit diebischer Freude stellte er fest, dass sein Freund rot geworden war. „Tut mir Leid, aber ich fürchte, du wirst dich schon etwas klarer ausdrücken müssen.“ Die Augen des Schwarzhaarigen verengten sich zu schmalen Schlitzen, wodurch ihre rote Farbe noch stärker leuchtete. Kurogane ärgerte sich. „Spiel nicht den Dummen. Du weißt genau, was ich meine, warum muss ich es dann noch sagen?“ „Weil ich es hören will.“ Er stieß verärgert die Luft aus. „Das ist doch... “ Fyes Hand schlich sich unter den Stoff von Kuroganes Bademantel und er entblößte eine muskulöse Schulter. „Das ist was, Kuro-chan?“ „Du bist ’ne Nervensäge.“ „Ich weiß“, erwiderte der Kleinere und ließ Zeigefinger und Mittelfinger wie zwei Beine wie Rundung von Kuroganes Schulter abschreiten... „Und unachtsam. Und ein Idiot.“ „Ich weiß.“ ...die Finger wanderten weiter bis zum Hals... „Aber du bist nun mal du.“ „Also wirklich, es sieht dir gar nicht ähnlich, nicht zum Punkt zu kommen.“ Mit einem zufriedenen Lächeln beobachtete Fye wie seine tapsenden Finger wieder tiefer wanderten, dem klar definierten Weg von Kuroganes Schlüsselbein folgten. Sie wären noch tiefer gegangen, hätte eine starke Hand sie nicht ergriffen und als Geiseln genommen, nur um den Blick ihres Besitzers ganz für sich einzunehmen. „Okay, ich sag’s. Unter drei Bedingungen. Erstens, was zwischen uns vorfällt, ist unsere Sache. Wehe, du rennst sofort los und erzählst es der Hexe oder den Schülern. Das schließt das Geschenk mit ein. Zweitens, wenn du zulässt, dass dich irgendwer außer mir in dem Kleid sieht, dass ich dir geschenkt habe, bringe ich dich um. Du gehörst mir, wenn du das Ding anhast.“ Was Kurogane damit sagen wollte, war, dass er wollte, dass der Anblick allein ihm vorbehalten blieb – denn es war fast unmöglich, Fye nicht zu verfallen, wenn er dieses Kleid trug. Natürlich konnte der groß gewachsene Mann es nicht mit diesen Worten ausdrücken, aber als der Andere kicherte, wusste er, dass der Idiot ihn auch so verstanden hatte. „Akzeptiert. Ich mag es, wenn du besitzergreifend bist. Und drittens?“ „Ich muss heute Nachmittag zu einer Besprechung mit der Hexe und ich will verdammt sein, wenn ich da allein hinmuss.“ „Fein.“ Kurogane gab noch ein missmutiges Grummeln von sich, dann ließ er die Hand des Blonden wieder los. Sein Gesicht wurde weicher – und ein wenig wehmütig, als er daran denken musste, dass diese drei Worte nicht ihm mindesten all das aufwiegen konnten, was Fye ihm erzählt hatte. Der Idiot hatte sich ihm völlig geöffnet, vielleicht zum ersten Mal und Kurogane musste noch herausfinden, was es für ihn bedeutete. Das Wissen, dass jemand Fye so verletzt hatte, müsste ihn stinkwütend machen, aber stattdessen empfand er beim Anblick des Blonden nur eines: Unglauben. Wer konnte es nur übers Herz bringen, jemand so gutherzigen wie Fye bewusst zu verletzen? Wer so etwas tat, der war schon längst verloren. Den Kerl aufzuspüren und ihn zu verprügeln, bis er Blut spuckte, änderte auch nichts an dem, was passiert war. Fye war kaputt. Er war nicht mehr unangetastet – ja und? Hatte der Idiot wirklich geglaubt, man würde ihn abschreiben, nur weil er ein bisschen beschädigt war? Es brachte nichts, dem Umstand hinterher zu trauern „Du bist Teil meines Lebens, ob es mir passt oder nicht. Und bevor du blöd fragst, ja, es passt mir sogar verdammt gut in den Kram und deshalb werde ich auch dafür sorgen, dass sich daran nichts ändert. Ich werde nicht zulassen, dass du wieder weg läufst, klar? Weil ich dich liebe. Zufrieden?“ Der Kleinere zeigte seine Zufriedenheit indem er freudig maunzte und seinem Geliebten einen stürmischen Kuss auf die Lippen gab, der Kurogane bereuen ließ, dass er dieser Drei-Dates-Regel zugestimmt hatte. Wie zur Hölle sollte er es aushalten, die Nervensäge – die jetzt seine Nervensäge war – so lange nicht anzurühren? Als hätte Fye seine Gedanken gelesen, drückte er den Schwarzhaarigen tiefer in die Laken und begann an dem Gürtel von Kuroganes Bademantel herum zu nesteln. „Nur um das klar zu stellen – ich will trotzdem noch mit dir ausgehen. Aber ich finde, wenn man zusammen rechnet, was wir schon alles zusammen unternommen haben, dann haben wir die drei Dates längst überschritten.“ Natürlich war der Gürtel kein großes Hindernis und um zu unterstreichen, worauf er hinaus wollte, machte der Chemielehrer es sich auf den Oberschenkeln seines Kollegen bequem. Kurogane stützte sich auf seinen Ellbogen von der Matratze ab und der dünne Stoff rutschte von seinen Schultern, gab eine Menge seines Oberkörpers preis. „Und wenn schon. Ich konnte diese dämliche Regel noch nie ausstehen. Als ob ich mir von so was vorschreiben lasse, wann ich dich vögeln darf.“ „Da sind wir ausnahmsweise mal einer Meinung.“ Er grinste, als er den Körper betrachtete, der unter dem seinen lag und nur auf seine Berührungen wartete. Er würde Kurogane nicht aus diesem Bett lassen, bis er nicht jeden Zentimeter dieser herrlich gebräunten Haut geküsst und die empfindlichsten Stellen erkundet hatte. Und die beste Stelle gefunden hatte, um einen Knutschfleck zu platzieren. Möglichst dort, wo jeder es sehen konnte, damit jedem gleich klar wurde, dass dieses außergewöhnliche Exemplar der männlichen Spezies bereits vergeben war. Der Fall wurde geschlossen, als Mr. Suwa die Anklage letztlich doch noch zurück zog. ~Ende~ So, meine Lieben, ich hoffe, die Story hat euch gefallen. Da ich den Stil des Mordes etwas aufrecht erhalten wollte, habe ich von Stil her einige Elemente einer Gerichtsverhandlung eingebaut, da das ja direkt nach der Mordermittlung erfolgt. Ich hoffe, das hat nicht zu sehr irritiert oder den Lesefluss behindert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)