Vergebung von lunalinn (Yoh/Feilong) ================================================================================ Kapitel 1: Vergebung -------------------- Ein melancholisches Lächeln stahl sich auf die Lippen von Ryu Feilong, dem Kopf der Baishe-Mafia aus China, während eben jener vor dem großen Fenster seines Zimmers stand und Hong Kongs blitzende Lichter, die selbst eine so dunkle Nacht wie diese erhellten, betrachtete. Sachte fuhren seine Fingerspitzen über das angenehm kühle Glas, atmete tief durch, ehe er die Lider halb über die dunklen Augen senkte. Vor drei Tagen war er wieder in sein Anwesen zurückgekehrt- nicht genug Zeit um die Ereignisse auf dem Schiff zu verarbeiten, wie er im Nachhinein feststellen musste. Noch immer ging ihm dieses Gesicht nicht aus dem Kopf...diese schreckgeweiteten, großen, silberblauen Iriden, die ihn durchschaut hatten, wie kein anderer zuvor...und ja, diesmal handelte es sich nicht um Asami, sondern um Takaba Akihito. Der junge Fotograf aus Japan hatte es tatsächlich geschafft, so etwas wie Liebe in ihm zu wecken...und dies sogar unbewusst. Nun war er weg...weil er ihn hatte gehen lassen und Feilong musste sich eingestehen, dass er es nicht einmal wirklich bereute. Es war von Anfang an klar gewesen, zu wem Akihito gehörte...ebenso wie Asami niemals ähnliche Gefühle für ihn entwickelt hätte...oder doch? Vielleicht, wenn alles anders gelaufen wäre...damals... Er schüttelte leicht den Kopf, wobei ein paar lange Strähnen rabenschwarzen Haares in sein Sichtfeld gelangten. Noch während er diese zurückstrich, kamen ihm die Worte seines Vaters ins Gedächtnis. Ja...nur wegen ihm hatte er sie nicht geschnitten...nach seiner Anerkennung gesucht...egal, was er dafür hätte tun müssen. Und so war es auch bei Asami verlaufen...er war ihm gefolgt, hatte ihm genommen, was ihm wichtig war...ihn herausgefordert und verloren. Seltsam...nun, da er dies eingesehen hatte, konnte er nicht einmal mehr Verbitterung oder Ähnliches fühlen...einzig das Gefühl der Einsamkeit blieb zurück. Tao hielt sich immer noch im Krankenhaus auf, was den Grund hatte, dass Feilong seine Gedanken zuerst ordnen musste, ehe er dem Jungen aus einer Laune heraus Dinge sagte, die er später bereuen würde. Vielleicht hätte er ihn doch wieder zu sich holen sollen...er hasste es, sich allein und verlassen zu fühlen und noch schlimmer war es, dies niemandem zeigen zu dürfen. Und dann gab es ein weiteres Problem...eines, das ebenfalls japanischer Abstammung war und dessen eigentlich geplante Beseitigung nun nicht mehr ganz so einfach war, wie es zunächst ausgesehen hatte. Feilong musste zugeben, dass er nicht einmal auf den Gedanken gekommen war, dass Yoh derartige Gefühle für ihn hegen würde. Natürlich, er wusste, wie viele seiner Männer ein Auge auf ihn geworfen hatten, schließlich war er weder blind, noch taub und garantiert nicht dumm. Aber all dies beruhte eher auf Begehren oder Bewunderung- nicht auf derartiges wie Liebe. Er hatte damit gerechnet, dass Yoh zurückgekommen war, um ihn zu töten, vielleicht auch sich raus zu reden...aber nicht mit einer Liebeserklärung und der Bitte, durch seine Hand sterben zu dürfen. Allein für diese Frechheit hatte er den Tod verdient...es wäre so simpel, einen Lakaien zu schicken, um das Leben dieses elenden Verräters und Narren zu beenden. Wie stand er denn da, wenn er diesen laufen ließ? Als Schwächling...ein Weichei, das nicht in der Lage war, die chinesische Mafia zu führen. Andererseits...Yoh war immer ein loyaler Mann gewesen und irgendwie ehrte es ihn sogar, dass er sich gestellt hatte und das Rückrad besaß, nicht um sein Leben zu betteln. Ein hauchdünnes Lächeln zog sich über die schön geschwungenen Lippen des femininen Chinesen, als eben jenem eine Idee kam, wie er sich der Einsamkeit entziehen konnte...und wenn auch nur für ein paar Stunden. Als seine ehemaligen Kollegen ihn aus der Zelle holten, dachte Yoh zuerst, dass es das nun gewesen war. Schließlich hatte Feilong ihn lange genug im Kerker sitzen lassen...ohne seine Verletzungen versorgen, ihn duschen zu lassen oder ihm saubere Kleidung zu geben. Lediglich eine kalte Mahlzeit hatte er genießen dürfen...und ehrlich gesagt hatte Yoh auch nichts anderes erwartet, nachdem sein ehemaliger Boss ihn nicht sofort getötet hatte. Vermutlich wollte Feilong ihm nicht die Genugtuung gönnen, durch seine schlanken Hände zu sterben. Er war ein Narr, dass er zurückgekommen war, das wusste er selbst gut genug...und dennoch wollte er nirgendwo anders sein als hier...bei ihm. Das oder den Tod...eine dritte Möglichkeit existierte nicht. Grob wurde er aus seinen Überlegungen gerissen, als einer der Männer ihn in einen Raum schubste...ein Bad. Irritiert drehte er den Kopf, sah fragend auf, verstand er doch nicht, was dies nun sollte. "Wasch dich! Befehl vom Boss!", und damit ließ man ihn allein. Logisch...Feilong hatte wohl erkannt, dass er nicht fliehen würde...aber warum sollte er vor seinem Tod noch duschen dürfen? Das ergab nicht wirklich Sinn...es sei denn, man hatte vor, ihn am Leben zu lassen, was der Japaner doch sehr bezweifelte. Aber gut...Befehl war Befehl und er schwor sich, nie wieder einen zu missachten, sollte er von Feilong kommen. Davon abgesehen sehnte er sich mehr denn je nach einer Dusche... Umso angespannter war er, nachdem er frische Kleidung, einen schwarzen Anzug, wie er ihn immer getragen hatte, bekommen und sich umgezogen hatte. Wie eine unbezwingbare Mauer erschien ihm die Tür, welche ihn direkt in Feilongs Zimmer, vor welchem er stets gewacht hatte, führen würde. Und dennoch wollte er den Mann dort drin noch ein letztes Mal sehen dürfen. Also klopfte er höflich und trat erst dann ein, als er Feilongs Stimme vernahm. Yoh schluckte unmerklich, gab sich äußerlich jedoch ruhig, als er in die dunklen Augen seines Gegenübers, in denen ein beinahe belustigtes Funkeln lag, blickte. Leise schloss er die Tür hinter sich, ehe er sich kurz verbeugte, dem Chinesen den angemessenen Respekt zollte. "Feilong-sama." Angesprochener musterte ihn knapp, ehe er mit der Hand auf einen der Sessel, in welchem er selbst saß, wies. "Setz dich. Yoh", drang die dunkle Stimme an seine Ohren und er nickte gehorsam, tat, was verlangt wurde. Flüchtig ließ er den Blick durch das Zimmer schweifen, konnte jedoch keine Waffe oder dergleichen erkennen...sollte das hier wirklich nur ein harmloses Gespräch unter vier Augen werden? Er wagte fast, das zu glauben, wenngleich es ihm surreal erschien. Schweigend beobachtete, wie sein ehemaliger Boss mit dem Kopf zu dem runden Tisch, auf welchem eine Flasche Reiswein und zwei Gläser standen, zwischen ihnen nickte. Ohne zu zögern folgte Yoh der Aufforderung, schenkte jedoch nur einem der Gläser ein, da er nicht sicher war, ob er überhaupt einen Schluck verdiente. Feilong sagte auch nichts, sondern nippte an seinem Glas, wobei ein kaum merkliches Lächeln seine vollen Lippen umspielte. "...warum haben Sie mich herbestellt?", fragte Yoh schließlich, fing sich einen intensiven Blick ein. Mit einem leisen Klirren stellte der Schwarzhaarige sein Glas auf den Tisch, verschränkte die Finger ineinander, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. "Ich langweile mich...und momentan bist du der einzig Verfügbare, da Takaba nicht mehr hier ist, um mich zu unterhalten und Tao sich noch im Krankenhaus aufhält", kam die Antwort, wobei Yoh es sich verbiss, darauf hinzuweisen, dass Feilong selbst entschieden hatte, den Fotografen gehen zu lassen und Tao noch nicht zurückzuholen. Stattdessen nickte er widerspruchslos, wartete ab, inwiefern er den femininen Mann unterhalten sollte...er nahm nicht an, dass er ähnliche Dienste erfüllen sollte wie Takaba. Und sollte es so sein...würde er sich dann verweigern? Sich Feilong hingeben? Es war nicht so, dass er den Körper des anderen nicht begehrte...allerdings konnte er sich nicht damit anfreunden, unter diesem zu liegen, sich wie eine Frau nehmen zu lassen. "Worüber denkst du nach?" Er hob den Kopf, erwiderte den Blick der dunklen Iriden ein wenig irritiert...allerdings fasste er sich schnell. "Über die Folgen meines Verrats", log er spontan, erschien ihm dies eine gute Antwort. Wie ein Raubtier fixierte Feilong ihn, schnaubte dann verächtlich. "Als würdest du daran denken...lüg mich nicht an. Ich weiß, an was du denkst...was du begehrst und doch niemals zu erfragen gewagt hast." "Wenn Sie es wissen...warum fragen Sie dann?", entgegnete der Japaner weiterhin ruhig. Feilong ließ sich Zeit mit der Antwort, aber Yoh war nicht so dumm zu glauben, dass er keine hätte...er ließ ihn zappeln, weil er um die Wirkung der Stille wusste...wie schwer seinem Gegenüber diese auf der Seele lag. "Ich hatte gehofft, du würdest vielleicht diesmal ehrlich sein." Das traf...und zwar genau die wunde Stelle, dessen war sich sein Boss zweifellos bewusst. Yoh schwieg, blickte betreten auf den Boden, um diesem stechenden Blick auszuweichen. Hätte Feilong ihn doch erschossen, gleich nachdem er zu ihm zurückgekehrt war...das wäre humaner gewesen als das. "Willst du dich nicht rechtfertigen?" "Sie hassen Leute, die nicht zu ihrem Wort stehen." "Soll das eine Antwort sein?" "Nein...eine Begründung." Wieder blieb es still zwischen ihnen...und Yoh sah auch nicht auf. "...warum bist du wirklich zurückgekommen?" Nicht schon wieder die Frage... "Das habe ich Ihnen bereits gesagt." "Warum, Yoh?", das klang schärfer. Nun sah der Japaner doch auf, wollte er Feilongs Gesicht sehen, wenn er ihm seine Gründe, die er ihm schon auf dem Schiff mitgeteilt hatte, darlegte...und damit auch seine Gefühle preisgab. "Wenn ich schon sterben muss...dann durch die Hand des Mannes, der mein Herz gestohlen hat." Es mochte furchtbar kitschig klingen...aber es war die Wahrheit. Keine Ausrede...Feilong würde ihn aufgrund solcher nicht am Leben lassen... "Dein…Herz, huh?", machte dieser nun, funkelte ihn an. "Männer lieben einander nicht...es geht immer nur um Verlangen...du scheinst dir darüber nicht im Klaren zu sein, aber-" "Das stimmt nicht!", seine Stimme war fest, geriet nicht ins Wanken. Auch nicht, als Feilong ihn fassungslos ansah; niemand wagte es gewöhnlich, dem Kopf der chinesischen Mafia ins Wort zu fallen. Yoh ließ sich davon nicht beirren, sprach weiter. "Ich kann sehr gut zwischen Verlangen und Liebe unterscheiden." "Interessant...", schnaubte der Langhaarige unbeeindruckt. "Wie viel du plötzlich zu wissen scheinst...Asamis Einfluss, nehme ich an?" Asami...immer wieder nur Asami...Yoh begann langsam wütend zu werden. "Nein. Die Meinung habe ich mir selbst gebildet...ich muss niemanden als Ausrede benutzen." "Soll das heißen, ich rede mich heraus?", allmählich bewegte er sich auf sehr dünnem Eis, aber nun war eine Rückkehr unmöglich...dafür war er zu respektlos geworden, dem anderen zu nahe getreten. "In einigen Punkten...ja. Zum Beispiel behaupten Sie, dass Männer sich nicht lieben könnten...das sagen Sie doch nur, um zu beweisen, dass Ihnen Asami nichts bedeutet...dass Ihnen niemand etwas bedeutet." "Was erlaubst du-" "Ich habe doch Recht, oder nicht? Sie befürchten, dass man Sie erneut verletzt...darum vertrauen Sie niemandem." Yoh wusste, er hatte die Grenze überschritten...und doch spürte er keine Angst, viel mehr Erleichterung, dass er endlich mal seine Meinung hervor gebracht hatte. Wenn Feilong ihn dafür töten sollte...was machte es? Er stand bereits mit einem Bein in seinem Grab...Verrat galt als etwas Unverzeihliches. "...allein für diese Worte sollte ich dich hinrichten lassen." "Ich weiß." Scheinbar hatte er Feilong damit endgültig sprachlos gemacht, denn dieser sagte nichts mehr, schloss den Mund, den er zuvor geöffnet hatte wieder und fixierte ihn mit einer Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit über Yohs Dreistigkeit. Doch schließlich glätteten sich die Züge des femininen Mannes wieder und ein nahezu diabolisches Funkeln schlich sich in die dunklen Seelenspiegel. "...du willst es also wirklich wissen, nicht wahr, Yoh?" Angesprochener verstand nicht, runzelte die Stirn. "...bitte?" Er hielt kurz den Atem an, als er zusah, wie sich der in ein rotes, fließendes, chinesisches Gewand gehüllte Mann katzengleich erhob und sich dann mit einer unglaublichen Anmut auf seinen Schoß sinken ließ. Yoh glaubte vor Emotionen zu vergehen, konnte diese Handlung nicht deuten. Er spürte nur Feilongs graziösen Körper an seinem, dessen Atem an seinen Lippen, als er sich vorbeugte, die Hände hinter seinem Nacken verschränkt. Was sollte das jetzt? "Wa-" Er kam nicht dazu, die Frage auszusprechen, legte sich ein paar weicher Lippen auf seine eigenen, schienen gleichzeitig jeden Gedanken aus seinem Kopf zu blasen. Wie oft hatte er sich das hier vorgestellt, es sich ersehnt, erhofft...zu lange, das stand fest. Der Japaner fühlte sich ein wenig überfordert, war das hier doch der erste Kuss mit einem Mann...mit dem Mann, den er liebte...und dieser küsste ihn so einfach. Warum? Wozu? "Yoh..." Die samtene, aber scharfe Stimme holte ihn zurück in das Hier und Jetzt, machte ihm klar, dass diese Fragen irrelevant waren. Beinahe zärtlich bewegten sich die schönen Lippen gegen seinen Mund, suchten nach Erwiderung, die sie auch bekamen. Yoh versuchte, sich seine Unsicherheit nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, stattdessen dem warmen Gefühl in seiner Brust zu folgen und sich einfach gehen zu lassen, was eigentlich komplett gegen seine Gewohnheiten ging. Für diesen Mann würde er alles tun. Etwas mutiger legte er eine Hand an Feilongs Wange, strich über die helle Haut des Chinesen, welcher ihn mit undefinierbarem Blick anschaute. Wieder trafen sich ihre Lippen und der Japaner erwiderte; kein Vergleich zu den wenigen Frauen, die er gehabt hatte. Allerdings lösten sich die begehrten Lippen sofort wieder, kaum dass Yoh sich ein wenig Initiative zugetraut hatte und verwirrt sah er auf, erkannte das berechnende Lächeln in dem femininen Gesicht. "Lass mich raten, du hast noch nie einen Mann geküsst." Natürlich hatte er das noch nicht…schließlich war Feilong der einzige Mann, für den er jemals mehr als Sympathie empfunden hatte. Es war einfach passiert…und mit der Zeit immer stärker geworden, dieses Gefühl, da ihm nun den Verstand raubte. „Du spielst mit mir oder?“ Er ging gar nicht erst auf die Frage des anderen ein, stellte seine eigene und ließ bewusst die förmliche Ansprache fallen. Nachdenklich fuhr er durch das lange, schwarze Haar, welches so seidig war, wie er es sich vorgestellt hatte…wenn nicht noch weicher. Der Chinese schwieg einen Moment und das Lächeln war bei dieser Frage längst von seinen Lippen gewischt worden. Vielmehr schien er sich das Gesagte durch den Kopf gehen zu lassen…nur um letztendlich mit den Schultern zu zucken. „Vielleicht will ich dir einen letzten Gefallen tun, bevor ich dich erschießen lasse?“ „Dann musst du es sein, der mich erschießt“, erwiderte Yoh darauf lediglich und der andere schnaubte leise. „Dass es das ist, was du dir wünschst…welchen Unterschied macht es, ob ich es bin, der dir die Kugel in den Kopf jagt?“ Ernst blickten Feilongs dunkle Augen an, als würde er wirklich auf eine Antwort warten…aber machte das Gespräch überhaupt noch Sinn? Feilong redete sonst auch nicht so viel…er handelte lieber. War das nun ein gutes Zeichen? Diese Konversation? Und wie sollte er diesen Kuss verstehen? „So würde ich vielleicht meinen Frieden finden…“ „Ich denke nicht, dass du deinen Frieden verdient hast.“ Da hatte er allerdings Recht…und Yoh konnte nicht genug bereuen, dass er diesen Mann hintergangen hatte. Andererseits…was hätte dieses ganze Theater gebracht? Dieser Streit mit Asami hätte Feilong das Leben kosten können…dass er sich darüber noch immer nicht im Klaren war. Er blickte auf, als Feilong sich erhob, ihm den Rücken kehrte und zum Fenster schritt, hinaus sah. „…ich bin es leid, enttäuscht zu werden“, wisperte er und Yoh fuhr dieser Ton durch Mark und Bein. Weil er diesen Menschen, der da stand und der so traurig wirkte…so einsam und verlassen…weil er diesen über alles liebte. Niemals hatte er ihn verletzen wollen und er hasste sich in diesem Moment dafür, dass er es getan hatte. Feilong war sein ganzes Leben nur verraten und enttäuscht worden…von seiner Familie, von Asami, selbst von Takaba…und schlussendlich auch von ihm. Er würde niemals vergessen, wie er ihn damals das erste Mal gesehen hatte…mit diesen kurzen Haaren, die ihn nicht weniger androgyn hatten aussehen lassen…nicht weniger hübsch. Damals war er völlig in sich gekehrt gewesen…aber er hatte sein Vertrauen gewinnen können – nur um ihn zu enttäuschen, wie viele andere zuvor. Feilong schwieg beharrlich, wünschte sich bereits, er hätte das Letzte nicht gesagt – immerhin musste er sein Gesicht wahren. Gerade vor Yoh…eigentlich hätte das alles anders ablaufen sollen. Er hatte vorgehabt, Yoh zu quälen, des anderen Gefühle auszunutzen, um ihn damit innerlich zu zermürben – sicher wäre diese Strafe um einiges schlimmer als der Tod gewesen. Wenn er tatsächlich mit ihm gespielt hätte. Aber er konnte nicht…weil ihm einfach nicht nach Spielchen zumute war. Der letzte Racheakt hatte dazu geführt, dass er nun genau hier stand und darunter litt, wieder einmal von allen verlassen worden zu sein. Akihitos Worte hallten in seinen Gedanken wieder…war er wirklich so bemitleidenswert? Eigentlich war er Yoh nicht mal mehr böse…er fühlte keine Wut mehr, nur noch Selbsthass, weil es ihn so mitnahm, dass er allein war. Er hätte stark genug sein müssen, um damit zurechtzukommen…aber das war er anscheinend nicht. Er hielt inne, als er Yohs Schritte hinter sich hörte und es reizte ihn, sich umzudrehen und ihm das Knie in den Magen zu rammen. Vielleicht würde Gewalt diese schrecklich erbärmlichen Gedanken vertreiben? Aber letztendlich blieb er mit dem Rücken zu ihm stehen und schaute still hinaus, wissend, dass Yoh nur wenige Zentimeter hinter ihm stand. „Ich weiß…“, hörte er ihn sagen. „…und es tut mir leid. Als ich dich damals im Gefängnis traf…als dich dieser Kerl in der Dusche mit dem Messer angreifen wollte…da habe ich mir geschworen, dich mein Leben lang zu beschützen.“ Er zog die Brauen zusammen, verschränkte die Arme und starrte weiterhin hinaus. „Mich braucht niemand beschützen.“ „Auch das weiß ich…du bist stark, die wenigsten können dich überwältigen. Aber darum ging es auch nicht…nicht nur.“ Der Chinese blinzelte, verstand nicht, worauf er hinaus wollte…doch noch immer konnte er sich nicht umdrehen, schaute angestrengt auf die Stadt draußen. „Du warst damals innerlich gebrochen…wie eine seelenlose Puppe. Deshalb wollte ich an deiner Seite sein…damit dir niemals wieder jemand so wehtut. Ich wollte diesen Blick nie wieder sehen…“ Feilong musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Yoh gerade bitter lächelte. „Aber nun bin ich selbst dafür verantwortlich…“ Das Ganze wirkte wie in einem schlechten Film und es fiel dem schönen Chinesen schwer, ihm zu glauben…vor allem nachdem er ihn betrogen hatte. Aber Yoh sprach so ernst…er wusste nicht mehr, was er glauben sollte. „Ich…wünsche mir nur, dass du mir irgendwann vergeben kannst.“ Konnte er das? Feilong hatte sich immer schwer mit dem Verzeihen getan – das hatte zu dem Krieg mit Asami geführt. Unter anderem natürlich. „Du verlangst zu viel“, erwiderte er abweisend, auch wenn er es gar nicht so meinte. In Wahrheit wollte er vergeben, er wollte sich fallen lassen und jemandem vertrauen…darauf vertrauen, dass man ihn nicht allein ließ. Er wollte einen Halt haben, sich in jemandes Gegenwart so geben, wie er war…so wie er sich selten Takaba hatte zeigen können. Aber die Angst davor, wieder allein gelassen…verraten zu werden, diese hemmte ihn, ließ den Schutzwall einfach nicht sinken. „Nein…“ Nun drehte er sich doch um, sah den anderen fast ein wenig verstört an…nicht zuletzt, weil dieser ihm so nahe stand. Feilong fiel es zum ersten Mal schwer, Yohs Blick, der so fest entschlossen war, standzuhalten. Warum war ihm dieser Mann verfallen wie so viele andere vor ihm? Lag es an seinem „hübschen“ Gesicht, wie viele es bezeichneten? Sein Charakter konnte es wohl kaum sein. „…du machst es dir nur zu schwer“, führte Yoh seinen Satz zu Ende. Das mochte sogar stimmen, aber er konnte diesem Mann einfach nicht mehr vertrauen…obwohl er wollte, denn außer Tao – und der war noch ein Kind – hatte er niemanden, der ihm noch etwas bedeutete. Und wie man es drehte und wendete…Yoh war der Mensch, der ihm in diesen sieben Jahren am nächsten gestanden hatte. Derjenige, auf den er sich immer verlassen hatte…deshalb ging der Verrat umso tiefer. „Und du machst es dir zu einfach“, konterte er daher und klang schon wieder ein bisschen aggressiver. Yoh seufzte leise, sah ihn wieder mit diesem weichen Ausdruck in den Augen an…es mochte absurd klingen, aber er schien in den Jahren jünger geworden zu sein. Damals im Gefängnis war stets dieser strenge Zug um seinen Mund gewesen…diese kalte Ausstrahlung…jetzt war davon nichts mehr zu sehen. „Das stimmt nicht…ich bitte dich nur um Vergebung. Nicht mehr…bitte, Feilong.“ Nun fiel es ihm noch schwerer, hart zu bleiben…eben weil es Yoh war, der ihn darum bat. Er wollte ihm glauben, das wollte er wirklich…doch das aber verschwand einfach nicht. Also wich er ihm aus – jedoch konnte er dies nicht lange tun, denn ohne Vorwarnung legte der Mann vor ihm plötzlich beide Arme um ihn. Normalerweise hätten allein Feilongs Reflexe dafür gesorgt, dass der andere sich nun einen ordentlichen Tritt eingefangen hätte…aber seltsamerweise war es ihm nicht mal unangenehm. Yohs Umarmung war nicht etwa ruppig, mehr sanft...so als hielte er etwas Wertvolles in den Händen. Die rechte Hand strich ihm sachte durchs Haar, was ihn zusätzlich beruhigte…ihm das Gefühl gab, das hier sei wirklich in Ordnung. Vielleicht war es das auch. Wie lange war es her, das ihn jemand so im Arm gehalten hatte? Die einzige Person, der er körperlichen Kontakt erlaubte, war Tao. „…was versprichst du dir davon?“ Seine Bedenken würden nicht einfach verschwinden, denn bisher hatte jede Umarmung – mit Ausnahme der seines Vaters – irgendwelche Schattenseiten aufgewiesen. „Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagen würde, dass ich das für dich tue?“, antwortete Yoh mit einer Gegenfrage. Feilong schnaubte hörbar, legte den Kopf auf seine Schulter und senkte halb die Lider. „Nein.“ Yoh lächelte…das konnte er fühlen, ebenso wie die Tatsache, dass ihn die Antwort wohl nicht überraschte. „Du kannst mich ausnutzen…mit meinen Gefühlen spielen, wenn dir danach ist…mich umbringen, wenn es dir dann besser geht. Das ist mir gleich, solange ich nur bei dir sein kann.“ Feilong hob den Kopf ein Stück, sah dem anderen durchdringend in die Augen…aber er fand einfach keine Lüge darin. Vielleicht war er weich geworden…vielleicht zermürbte ihn die Einsamkeit langsam…wer wusste das schon? Er löste sich von dem Mann, der nur ein paar Zentimeter größer war als er und ihn nun äußerlich ruhig anblickte. „Ich bin kein Monster, Yoh“, begann er leise, strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Ich bin ein Mensch wie jeder andere…und ich bin nachtragend.“ Er hörte den anderen Mann leise schlucken, doch sagen tat er nichts, nickte nur. „Du bist mir lange loyal gewesen…und so sehr mich dein Verrat auch schmerzt – ich brauche dich an meiner Seite. Gerade jetzt…und auch wenn ich es eigentlich nicht will.“ Er atmete durch, ehe er weiter sprach. „Du wirst dir mein Vertrauen erarbeiten müssen…und das wird nicht leicht, davon kannst du ausgehen. Außerdem wäre eine Entschuldigung bei Tao angebracht – immerhin hast du ihn ebenso verraten.“ Bewusst ignorierte er, wie sich die Miene seines Gegenübers mehr und mehr aufhellte…weil sie beide wusste, dass er eine zweite Chance bekommen würde. „Natürlich…ich…danke.“ Feilong schwieg eine Weile, sah zu, wie der andere sich vor ihm verbeugte…und dann musste er, wenn auch gegen seinen Willen, lächeln. Der Weg der Rache war immerzu schwierig gewesen und am Ende hatte er nichts außer weitere Wunden davon getragen. Vielleicht war es an der Zeit, zu vergeben. Nicht nur Yoh oder Asami…sondern auch sich selbst. __________________________________________________________ Wem der OS gefällt, der kann sich gern in einem Kommentar dazu äußern. Kritik ist ebenfalls gern gesehen - es ist immerhin mein erster OS zu dem Manga und ich würde mich gern verbessern. lg Pia Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)