Save the Bishie! [Izaya X Reader] von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Save the Bishie! --------------------------- Jemand pustet dir ins Gesicht. Da das nicht gerade deine Lieblingsart ist, geweckt zu werden, drehst du dich murrend auf die andere Seite und rollst dich in die Decke ein. „Lass mich...“ „Na so was“, murmelt Izayas Stimme dicht an deinem Ohr. „Schon schlechte Laune am frühen Morgen, hm?“ Stille. Langsam, ganz langsam öffnest du die Augen. Warum...? Du drehst dich vorsichtig um, als könnte dich eine falsche Bewegung das Leben kosten. Neben dir im Bett liegt ein heiter lächelnder Izaya, den Kopf mit einer Hand abgestützt und... ist er nackt? Jedenfalls ist sein Oberkörper frei, der Rest befindet sich unter der Bettdecke. Du hoffst; du betest, dass er eine Hose an hat. Einige Sekunden starrst du ihn einfach nur an und versuchst, deine Gedanken zu ordnen. Du erwiderst sein geduldiges Lächeln nicht. Nachdem du deine Augen geöffnet hast, ist dir sofort klar gewesen, dass das hier weder dein Bett noch dein Zimmer ist. Ihr befindet euch in Izayas Apartment. In Izayas Bett. In einer plötzlichen Bewegung hebst du deine Decke hoch und schaust drunter – dann atmest du erleichtert aus. Du bist noch vollständig bekleidet. Aber Izaya nicht. In einer einzigen schwungvollen Bewegung, die sofort mit einem Schwindelgefühl bestraft wird, wirfst du die Decke zur Seite und setzt dich auf. Die Kühle tut gut. Deine Jeans klebt förmlich an deinen Beinen. „Was kommt jetzt?“, fragt Izaya amüsiert und gähnt. Du ignorierst seine Frage und drehst dich zu ihm um. Du musst total verschlafen aussehen, deine Haare stehen wahrscheinlich in alle Richtungen ab, aber das ist dir gerade herzlich egal. „Warum bin ich hier?“ Er neigt den Kopf und mustert dich eingehend, dann beginnt er zu lachen. „Ach deshalb bist du so komisch!“ Jetzt richtet auch er sich auf, die Decke rutscht zur Seite und du siehst, dass er eine schwarze Pyjama-Hose trägt. Immerhin. Du verschränkst verärgert die Arme und pustest dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 'Komisch', sagt er. Wer ist hier komisch?, denkst du entrüstet. „Du bist gestern hier eingeschlafen und es war so spät, dass ich dachte, ich lass dich einfach in Ruhe anstatt dass ich dich mitten in der Nacht durch die Stadt nach Hause schicke“, erklärt er sachlich; na ja – so sachlich wie man es eben nennen kann, wenn er die ganze Zeit allwissend und zugleich spöttisch lächelt, wie er es fast immer tut. Seine Erklärung hilft zumindest deinem Gedächtnis auf die Sprünge – du bist gestern bei ihm gewesen und ihr habt bis tief in die Nacht geredet. Man kann gut mit Izaya reden, wenn er sich ein wenig Mühe gibt. Das weiß nur keiner. Du bist dir ziemlich sicher, dass du der einzige Mensch auf der Welt bist, der so etwas wie freundschaftliche Gefühle für Izaya Orihara hegt. Und das immerhin schon seit der Mittelschule. „Ach so“, sagst du langsam. Den Rest kannst du dir selbst zusammenreimen. Du bist auf seinem Sofa eingeschlafen, er wird dich ins Bett getragen haben und – Moment. Ins Bett getragen? Du spürst eine unangenehme Wärme im Gesicht und schüttelst den Kopf. Natürlich ins Bett getragen, wie denn sonst? Ist doch nichts dabei! Nichts, gar nichts. Kein Grund, verlegen zu werden. Izaya beobachtet dich interessiert und du hast das sichere Gefühl, dass er ganz genau weiß, was du denkst. Aus Notwehr (oder auch nicht) packst du das nächste Kissen und wirfst es ihm an den Kopf, ehe er etwas sagen kann. „Ich gehe dann.“ „Willst du nicht noch 'nen Kaffee trinken?“, ruft dir Izaya hinterher und unterdrückt ganz eindeutig ein Lachen, doch du knallst ohne ein weiteres Wort die Tür ins Schloss. Draußen atmest du tief durch. Der Tag fängt ja gut an. Und du hast keine Ahnung, was noch auf dich zukommt. Horada war noch nie besonders schlau. Er hat sich mit kleinkriminellen Aktivitäten und gewaltsamer Einschüchterung Schwächerer durchs Leben geschlagen, und solange er den wirklich gefährlichen Typen (aka Shizuo, Simon etc.) aus dem Weg gegangen ist, hat es bisher ganz gut geklappt. Nun, in dem Versuch, die Schmach der Niederlage von vor ein paar Wochen zu verdrängen, hat er sich etwas ausgedacht. Etwas Geniales, denkt er. Etwas wirklich, wirklich Dummes trifft es aber eher. Eine Entführung mit anschließender Erpressung. Wenn man es geschickt anstellt, kann da kaum was schiefgehen. Und wenn man sich so etwas schon vornimmt, dann muss man gleich aufs Ganze gehen. Horada übernimmt sich ganz eindeutig, als er seinen Anhängseln verkündet, er werde Yuuhei Hanejima entführen und von dessen Agentur ein Lösegeld von 10 000 000 Yen (*ca. 92 000 Euro) verlangen. Yuuhei Hanejima, dessen richtiger Name Kasuka Heiwajima lautet. Ja, genau der. Der Bruder von Shizuo Heiwajima. Aber das weiß Horada nicht. Er hatte keine Lust, gründlich zu recherchieren. Großer Fehler, Horada. Ganz großer Fehler. Nach einer warmen Dusche und einer Tasse Kaffee bei dir zu Hause fühlst du dich schon gleich viel besser. Die Gedanken an dein Aufwachen wollen dich noch immer nicht loslassen. Du hast mit Izaya in einem Bett geschlafen. Du weißt nicht, was daran eigentlich denkwürdiger ist – die Tatsache, dass ihr auf derselben Matratze lagt, oder die Erkenntnis, dass offenbar auch ein Izaya Schlaf braucht. Obwohl du ihn schon relativ lange und – wie du zumindest gerne behaupten würdest – auch gut kennst, kommt er dir oft so unnormal vor, dass es dich nicht wundern würde, wenn er ohne Schlaf auskäme. Oder wenn seine Schlafstätte ein Sarg wäre. Oder wenn... Oh, na wunderbar. Jetzt hast du vor Augen, wie Izaya kopfüber von der Decke hängend schläft. Du prustest in deine Kaffeetasse und stellst sie etwas heftiger als beabsichtigt auf den Tisch. „Das tut er ganz bestimmt nicht“, murmelst du und musst noch mehr lachen. Hätte dich jetzt jemand beobachtet, wäre dieser Jemand wahrscheinlich sehr verwundert gewesen. Da heute ein sonniger Samstag ist und du nichts fürs Wochenende geplant hast, beschließt du, einfach ein wenig in Ikebukuro herumzuschlendern, um deine Gedanken von Izaya wegzulenken. Von Izaya, der immer wieder Spaß daran zu haben scheint, dich in Verlegenheit zu bringen, weshalb du es aber dennoch nie schaffst, ihm lange böse zu sein. Von Izaya, der 'die gesamte Menschheit' liebt – mit Ausnahme von Shizuo – und diese Zuneigung deshalb niemals auf eine einzelne Person konzentrieren könnte. Eine Person wie dich. Du schüttelst heftig den Kopf, als du merkst, dass deine Gedanken schon wieder in eine Richtung abdriften, die du immer zu meiden versuchst. Es ist die Richtung, die dich immer ein wenig einsam fühlen lässt. Die leere Tasse stellst du noch eben in die Geschirrspülmaschine, dann öffnest du das Fenster im Wohnzimmer und streckst den Arm heraus, um festzustellen, wie warm es draußen ist. Als du heute Morgen heimgekehrt bist, war es noch recht frisch. Jetzt ist es angenehm warm, aber nicht heiß. Du steckst Schlüssel und Portemonnaie ein, wobei du dein Handy wie so oft auf dem kleinen Schrank im Flur vergisst, und verlässt die kleine Wohnung, in der du alleine lebst. Als du auf die Straße trittst, musst du feststellen, dass es doch etwas wärmer ist als vermutet. Es ist knapp an der Grenze zu heiß. Vielleicht gehst du später ein Eis essen. Du gehst gerne in Ikebukuro spazieren. Du hast das Gefühl, dort schon eine halbe Ewigkeit zu wohnen und es gibt Leute, die du immer wieder auf der Straße triffst, mit denen du oft und gerne redest. Über die anderen Stadtteile Tokios kannst du nicht viel sagen, aber was Ikebukuro anbelangt, hat man das Gefühl, mitten im Leben zu sein, wenn man an den Gebäuden, Menschen und Autos vorbeischlendert und seine Umgebung einfach auf sich wirken lässt. Auch scheint hier immer etwas los zu sein; aber wenn du so recht darüber nachdenkst, liegt es vielleicht nur an deinen Freunden und Bekannten. Meistens sind sie nämlich diejenigen, die dafür sorgen, dass etwas los ist. Ob nun absichtlich oder nicht. Wie... Ja, wie Shizuo zum Beispiel. Ein mildes Lächeln umspielt deine Lippen, als du einen Getränkeautomaten in vier oder fünf Metern Höhe vor dir durch die Luft fliegen siehst. Du bist deine übliche Route gegangen – einmal quer durch das Viertel – und auf diesem Weg passiert tatsächlich fast immer etwas... Unterhaltsames. Munteren Schritts gehst du in die Richtung, aus der der Automat gekommen ist. Noch bevor du ihn siehst, kannst du ihn schon hören. Und Shizuo scheint diesmal wirklich sauer zu sein. „Was hast du gesagt?“ „I-Ich weiß nicht, wer-“ „Erzähl mir keinen Scheiß!“ Shizuos Stimme hat sich zu einem Knurren gesenkt, als du gerade um die Ecke biegst und ihn und sein Opfer – einen verstört aussehenden jungen Mann in den Zwanzigern – erblickst. Die beiden befinden sich in einer kleinen Nebengasse. Die Beine des Mannes haben ihn vor Angst wohl nicht mehr tragen wollen, denn er ist an der Wand herabgerutscht und sieht nun mit weit aufgerissenen Augen zu Shizuo auf, der seine Zigarette schon längst auf den Boden geworfen und drauf getreten hat wie manch ein lustiger Izaya auf ein rosa Handy – nur dass Shizuo dabei sicher nicht gelacht hat. Und er hat nur einmal drauf getreten. „Ich s-sag doch nur, was ich gesehen hab!“, wimmert der Mann und du bist dir ziemlich sicher, dass er kurz davor ist, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. „Dann“, beginnt Shizuo bemüht ruhig – und das scheint ihn wirklich einiges an Anstrengung zu kosten -, „sag mir, wer-“ „Ich weiß es nicht!“, ruft der Mann mit vor Angst hoher Stimme aus und rappelt sich wieder auf. „Sie waren maskiert! Ich konnte sie nicht erkennen! Ich weiß es nicht!“ „Du, ich glaub, er weiß es wirklich nicht“, wirfst du sachlich ein und trittst neben Shizuo, der beim Klang deiner Stimme heftig zusammenzuckt. Offenbar war er so in Rage, dass er nicht bemerkt hat, wie du dich ihnen genähert hast. „G-Ganz genau!“ Der Mann nickt heftig und während Shizuo dich noch irritiert ansieht, sucht der Arme das Weite. „Tut mir leid, dass dein... Zeuge jetzt abgehauen ist.“ Du gestikulierst etwas unbeholfen in die Richtung, in die er geflohen ist, als Shizuo dich noch immer mit unergründlichem Gesichtsausdruck anstarrt. Schließlich seufzt er, sein Gesicht entspannt sich ein wenig und du lächelst wieder matt. „Schon okay“, murmelt Shizuo und zündet sich eine neue Zigarette an. „Ich glaube auch, dass er nicht mehr wusste, als er gesagt hat.“ Er zuckt mit den Schultern und geht Richtung Straße. Du folgst ihm unaufgefordert, holst ihn ein und gehst neben ihm. „Worum geht’s denn überhaupt? Klang ziemlich ernst.“ Wieder seufzt Shizuo. Das tut er selten genug und dein Verdacht, dass etwas wirklich nicht in Ordnung ist, verhärtet sich noch. Hoffentlich hat Izaya nichts damit zu tun. Die beiden versuchen ständig, dich dazu zu überreden, dem jeweils anderen die Freundschaft zu kündigen. Da du aber beide gerne hast, missfallen dir ihre ständigen Auseinandersetzungen ganz besonders. „Kasuka ist entführt worden.“ Deine Augen weiten sich überrascht. „Bitte?“ Aber er braucht es nicht zu wiederholen. Natürlich hast du ihn verstanden. Und natürlich weißt du auch, von wem er redet. Du hast Kasuka schon gekannt, bevor er berühmt wurde. Einige Jahre zuvor hast du ein paar Monate lang fast jeden Nachmittag mit den Heiwajima-Brüdern verbracht. (Das hat Izaya übrigens gar nicht lustig gefunden und ständig versucht, dich dazu zu missbrauchen, Shizuo auszuspionieren.) Besonders nach Kasukas Erfolg ist der Kontakt nur noch spärlich, aber er ist da. Erst vor ein paar Wochen hast du immerhin mit ihm telefoniert. Und das will bei seinem vollgestopften Zeitplan schon was heißen. Und jetzt – entführt? Das klingt unwirklich. Wie aus einem Actionfilm. Vielleicht sogar einem, in dem Kasuka irgendwann mal mitspielen würde. Du versuchst, deine Gedanken zu ordnen, und siehst Shizuo an, der sich jetzt auf einer niedrigen Mauer beim Brunnen niederlässt. Du bleibst stehen. „Aber wer...?“, beginnst du verwirrt und siehst dich nervös um. „Das wüsste ich auch gern“, knurrt Shizuo und in dem Moment bist du sehr froh, dass du nicht der Entführer bist, der sich wohl früher oder später Shizuos Mordlust ausgesetzt sehen wird. „Der Typ von vorhin hat behauptet, es gesehen zu haben. Hat es seinen Kumpels erzählt, die dann abgehauen sind, als ich ihn mir gegriffen hab. Kasuka ist hier in der Nähe gewesen, hat irgendwo Autogramme gegeben... und in einem Moment, in dem er unbeaufsichtigt war, haben sich ein paar maskierte Kerle auf ihn gestürzt und ihn in einen schwarzen Van gezerrt.“ Trotz der Situation musst du ein Lächeln unterdrücken. „Ein schwarzer Van?“ Shizuo nimmt einen Zug von seiner Zigarette und sieht zu dir auf. Er lächelt nicht, aber er wirkt auch nicht mehr wütend. „Ziemlich klassisch, was?“ „Ziemlich, ja.“ Jetzt seufzt auch du, stellst dich neben ihn und lehnst dich an die Mauer, den Blick gen Himmel gerichtet. Keine Wolke ist zu sehen. „Was machen wir jetzt?“ Er sieht dich überrascht an. „Wir?“ Du hebst die Augenbrauen und erwiderst seinen Blick. „Natürlich. Ich bin mit euch beiden befreundet und wenn Kasuka entführt wird, mache ich mir genau so Sorgen wie du.“ Shizuo scheint das einleuchtend zu finden, denn er nickt nur, ehe er einen letzten Zug nimmt und die Zigarette dann auf den Boden wirft, wobei er unglaublich cool aussieht. Er schafft es generell, bei so ziemlich allem cool auszusehen. Manchmal beneidest du ihn ein bisschen darum. Aber nicht heute. Heute hast du schließlich ganz andere Dinge im Kopf. Kurz entschlossen macht ihr zwei, du und Shizuo, euch also auf den Weg durch Ikebukuro, um die Leute zu fragen, ob sie irgendetwas Auffälliges bezüglich Kasuka – den die meisten natürlich unter dem Pseudonym Yuuhei Hanejima kennen – gesehen haben. Wenn es nicht gerade um Bekannte wie Simon geht, zieht ihr unbewusst die allseits beliebte Guter-Bulle-böser-Bulle-Tour ab. Shizuo bedroht die Leute, während du höflich fragst. Das klappt ganz gut. Blöd nur, dass die Leute alle nichts gesehen zu haben scheinen. Nach erfolglosen eineinhalb Stunden allmählich ungeduldig werdend steht ihr wieder am Brunnen, wo ihr angefangen habt. Ein Blick auf deine Armbanduhr sagt dir, dass es bald zwei ist. „So kommen wir nicht weiter“, beschwert sich Shizuo, schon wieder rauchend. Auch wenn er sich größtenteils ruhig gibt, verrät ihn die Tatsache, dass er binnen einer Stunde eine ganze Packung Zigaretten leer gemacht hat. Freilich hat er nicht mal die Hälfte davon geraucht. Die meisten hat er nur dramatisch zu Boden geworfen und draufgetreten. „Mir fiele jetzt nur noch eine Person ein, die uns vielleicht weiterhelfen könnte...“, beginnst du langsam und schielst unsicher zu Shizuo hinüber. Dieser scheint zu ahnen, was du sagen willst, denn er wirft schon wieder seine Zigarette zu Boden. Hättet ihr euch im Wald verlaufen, müsstet ihr nur der Spur aus zertretenen Zigaretten folgen, um wieder raus zu finden. „Nein.“ Du verdrehst die Augen. „Du musst ja nicht mit ihm reden. Du musst nicht mal mitkommen. Ich kann ihn ja kurz anrufen und-“ „Nein“, wiederholt Shizuo, diesmal nachdrücklicher. Sein Blick scheint von Sekunde zu Sekunde mörderischer zu werden. Dabei hast du Izayas Namen noch nicht einmal erwähnt. „Hör mal“, sagst du bestimmt und siehst missbilligend zu ihm auf. „Es geht hier um Kasuka. Und ich würde sagen, dass du für ihn deine Differenzen mit Izaya zumindest zwei Minuten vergessen könntest.“ Nach der Erwähnung Izayas rechnest du fast damit, dass Shizuo explodiert; oder dich in den Brunnen wirft. Aber nichts dergleichen passiert. Er funkelt dich nur böse an und erklärt dann mit unterdrückter Wut in jeder Silbe: „Wenn ich ihn nach so etwas fragen würde, würde er mich wahrscheinlich in ein Gebäude schicken, dass innerhalb der nächsten Stunde gesprengt werden soll oder so.“ Du siehst ihn empört an, willst widersprechen, lässt es dann aber doch sein, weil du weißt, dass er im Grunde recht hat. Auch wenn du das mit der Gebäudesprengung übertrieben findest. (Du würdest es trotzdem nicht ausschließen.) Schließlich beschränkst du dich auf ein entrüstetes „Gut“, wendest dich ab und tastest nach deinem Handy, musst aber feststellen, dass es noch immer in deiner klimatisierten Wohnung liegt. Du verspürst den Drang, Shizuos Beispiel zu folgen und irgendetwas durch die Luft zu werfen. Warum hast du nur gerade heute dein Handy vergessen müssen? Zu dir nach Hause zu gehen würde wieder ewig dauern, denn deine Wohnung befindet sich genau am anderen Ende von Ikebukuro. Da ist der Weg zu Izaya kürzer... Shizuo hebt erwartungsvoll die Augenbrauen, als du dich in einem Schwung wieder zu ihm umdrehst. „Ich gehe zu ihm“, erklärst du kurz angebunden. „Und frage ihn in eigener Sache. Mir sagt er bestimmt die Wahrheit.“ Davon bist du überzeugt, schließlich seid ihr Freunde. „Das glaubst du doch selber nicht“, knurrt Shizuo und holt seine Zigarettenschachtel raus, doch sie ist schon wieder leer. Also wirft er sie auf den Boden und tritt drauf. Allmählich solltest du dir Sorgen um ihn machen. Und darum, was er wohl als Nächstes zu Boden wirft. Hoffentlich nicht seine Sonnenbrille. Die sieht nämlich teuer aus. „Doch, glaube ich“, erwiderst du etwas lahm. Du hast jetzt weder die Zeit noch die Nerven, um mal wieder über das Halt-dich-lieber-fern-von-Izaya-Thema zu diskutieren. Wenn du es nicht besser wüsstest, würdest du sagen, Shizuo ist eifersüchtig. „Also. Ich bin in vierzig Minuten wieder hier. Versuch bis dahin noch was rauszufinden, ja?“ Und noch ehe er sich wieder aufregen kann, machst du auf dem Absatz kehrt und marschierst davon. Du klingelst einmal und wartest. Von der anderen Seite der Tür ist kein Geräusch zu vernehmen. Du willst gerade noch mal klingeln, als sich die Tür öffnet und ein breit lächelnder Izaya vor dir steht. „Nanu, du schon wieder?“ „Störe ich etwa?“, fragst du und versuchst, sein Lächeln nachzuahmen, was dir wahrscheinlich nicht ganz gelingt. Dieses Lächeln muss er sich jahrelang vor dem Spiegel antrainiert haben, überlegst du. Zutrauen würdest du es ihm. Allerdings gibt es fast nichts, was du ihm nicht zutrauen würdest. „Ach was, du doch nicht.“ Er lächelt weiterhin sein berühmt-berüchtigtes Lächeln, macht einen Schritt zur Seite und weist dich mit einer einladenden Geste an, hereinzukommen. Du verdrehst leicht die Augen wegen der übertriebenen Höflichkeit, lächelst aber und trittst ein. Im Flur bleibst du jedoch stehen und wartest, bis er die Tür geschlossen hat. „Ich kann nicht lange bleiben, um ehrlich zu sein“, erklärst du vielleicht etwas zu hastig. Izaya merkt es immer sofort, wenn dich etwas beschäftigt. Er scheint generell oft besser über deine Gemütsregungen Bescheid zu wissen als du selbst. „Ach so?“ Er hebt die Augenbrauen und neigt den Kopf leicht zur Seite, während er sich gegen die Tür lehnt und die Arme verschränkt. „Dann bist du wohl hier, weil du etwas... willst?“ Wie so oft ist es dir unmöglich, aus seiner Mimik, Gestik oder gar seinem Tonfall herauszulesen, was er denkt. Du hast den unbestimmten Verdacht, dass er bereits weiß, weshalb du hier bist, kannst aber keine Anhaltspunkte dafür finden. Im Grunde ist es auch egal. Soll Izaya doch seine manipulativen Spielchen spielen, solange Kasuka in Sicherheit ist. Um alles andere kannst du dich später kümmern. „Deshalb bin ich wohl hier, ja“, gestehst du und versuchst ein verlegenes Lächeln. „Ich brauche eine Information. Das ist doch deine Abteilung.“ Izaya neigt jetzt den Kopf zur anderen Seite, als müsse er seine Antwort abwägen. Wahrscheinlich hat er nur Spaß daran, dich zappeln zu lassen. „Meine Abteilung, so kann man es nennen“, lächelt er und lässt die Arme sinken. „Und was möchtest du wissen?“ Kurz ziehst du die Augenbrauen zusammen. Weiß er es wirklich nicht? Wenn er von der Entführung noch nichts gehört hat und du ihn erst darauf bringst, wird er euch nicht helfen können und es ist wahrscheinlich, dass er die Sache dann am Ende irgendwie gegen Shizuo verwendet. Aber andererseits ist Izaya eure – na gut; deine – letzte Hoffnung. „Jemand hat Yuuhei Hanejima entführt“, sagst du und benutzt dabei wie selbstverständlich seinen Künstlernamen, obwohl dir klar ist, dass Izaya weiß, dass es sich dabei um Shizuos Bruder handelt. „Und ich muss wissen, wo er ist.“ Aus Izayas selbstzufriedenem Gesichtsausdruck meinst du herauszulesen, dass er es gewusst hat. Und dass er in Besitz der Information ist, die du brauchst. „... Und wenn du ich sagst, meinst du Shizzy und dich, richtig?“ Er geht jetzt langsam auf dich zu und du weichst automatisch ein wenig zurück, bis dein Rücken die Wand berührt. „Vielleicht“, bringst du zögernd hervor. Das Ganze wäre einfacher, wenn Shizuo nicht zur Sprache gekommen wäre, aber Lügen würde es noch schlimmer machen. Izaya steht inzwischen mit etwa einem halben Meter Abstand vor dir. Das verunsichert dich, weil ihr normalerweise beide einen höflichen Sicherheitsabstand einhaltet. Außer heute Morgen. Heute scheint eh alles anders zu sein. „Hm.“ Er macht wieder ein nachdenkliches Gesicht, sieht dabei jedoch nicht wie meistens zur Decke oder zur Seite sondern direkt in deine Augen. Noch mehr Verunsicherung. Du spürst, wie dein Gesicht wieder warm wird. Ist das Einbildung oder kommt er dir langsam noch näher? „A-Also?“, stotterst du und willst zur Seite ausweichen, aber dein Körper scheint dir nicht recht gehorchen zu wollen. Stattdessen erwiderst du wie gebannt seinen Blick, ohne dich abwenden zu können. Als er die rechte Hand hebt, beginnt dein Herz wie wild zu pochen und du erwartest schon halb, dass er dir damit über die Wange streicht – Wunschdenken eines, wie man zugeben muss, verliebten Mädchens, das sich natürlich nicht erfüllt. Jedenfalls noch nicht. Stattdessen stützt er sich mit der Hand neben deinem Kopf an der Wand ab. „Du weißt schon, dass ich meine Informationen nicht einfach umsonst rausgebe, oder?“, fragt er in freundlichem Plauderton, der so gar nicht zu seinem Blick und dieser unglaublichen Spannung passt, die in der Luft zu liegen scheint. Du atmest tief durch. „Ich weiß. Aber ich dachte... so unter Freunden...“ Du machst eine schwächliche Geste mit einer Hand, die Izaya zu amüsieren scheint. „Freunde“, wiederholt er, als müsse er sich erinnern, was dieses Wort bedeutet. Und vielleicht muss er das tatsächlich. Möglich, dass seine Erinnerung getrübt ist und er deshalb zu einem falschen Schluss kommt. Aber wahrscheinlicher ist es, dass Izaya einfach nur das tut, was er will. Weil er das schon immer getan hat. Jedenfalls scheint es für ihn ganz natürlich zu sein, als er mit der linken Hand dein Kinn anhebt, sich nach vorne lehnt und dich küsst. Schockiert? Nein. Entsetzt? Auch nicht. Begeistert? Klingt unpassend. Angenehm überrascht? Ja, das trifft deinen Gemütszustand wohl am besten. Das und ein Hauch von OMGWTF!!!!111!1. Du hast dich manchmal, wenn du jene Gedankengänge, die dich einsam fühlen lassen, mal wieder nicht unter Kontrolle hattest, gefragt, wie es wohl sein würde, von Izaya Orihara geküsst zu werden. Es waren Spekulationen, Tagträume – nie hättest du gedacht, dass es wirklich passieren würde. Aber hier stehst du. Im Flur seines Apartments, mit dem Rücken zur Wand, den Kopf im Nacken und seine Lippen auf deinen. Du kannst die Wärme seines Körpers spüren und ziehst ihn an seinem Sweatshirt noch näher zu dir. Eine Ewigkeit scheint zu vergehen – dann taucht vor deinem geistigen Auge wieder das Bild von dem kopfüber schlafenden Izaya auf und du hättest beinahe laut aufgelacht. Breit grinsend löst du dich von ihm und siehst ihn an, immer noch bemüht, nicht zu lachen. „War... das der Preis?“, fragst du lächelnd und bist beeindruckt von deiner eigenen Selbstbeherrschung. Izaya, immer noch so nah vor dir, dass du seinen Atem auf deinen Lippen spüren kannst, lächelt nur ein wenig. Dennoch wirkt es ehrlicher als das allwissende, das spöttische Lächeln, welches er sonst immer zur Schau stellt. „Nein.“ Er lässt dich jetzt los und geht einen Schritt zurück, wie um dich aus der Ferne zu betrachten. „Das war nur die Anzahlung.“ Und da ist es wieder. Sein Standard-Lächeln, das so verdammt sexy aussieht. „Ach so?“ Jetzt ist es an dir, den Kopf zur Seite zu neigen. Dir ist klar geworden, dass Izaya tatsächlich etwas von dir will – was immer dieses Etwas auch genau sei, darüber willst du erst mal nicht nachdenken – und das gibt dir Selbstbewusstsein. In diesem Moment fühlst du dich einfach nur gut. Es ist ein großartiges Gefühl, als könntest du einfach alles schaffen, und du genießt es in vollen Zügen. „Na gut“, sagst du schließlich und lächelst ihm zu. „Dann... bezahle ich den Rest wohl später, was?“ „Ich werde darauf zurückkommen“, erwidert er gespielt höflich. Bei aller Emotionalität bemühst du dich dennoch, dein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. „Einverstanden“, sagst du und klingst jetzt um einiger geschäftlicher. „Also, weißt du, wo sich die Entführer aufhalten?“ Izaya weiß es. Und er sagt es dir freundlicherweise sogar. Wie sich herausstellt, verstecken sie sich in derselben Lagerhalle, in der sich vor einiger Zeit noch regelmäßig die Yellow Scarves getroffen haben. „Danke“, sagst du und bist erleichtert, dass du und Shizuo jetzt endlich zur Tat schreiten könnt. „Du warst echt eine große Hilfe. Ich...“ Du wendest dich zur Tür, zögerst aber dann. Izaya steht nur neben dir und wartet mit schon fast kindlicher Neugierde darauf, dass du weiterredest. „Ja?“ Du atmest kurz durch und drehst dich dann wieder zu ihm um. „Ich fände es nett, wenn... Nein, warte. Ich bitte dich, Shizuo nichts davon zu erzählen.“ Das schadenfrohe Grinsen in Izayas Gesicht gefällt dir gar nicht. „Wovon?“, fragt er betont unschuldig und lehnt sich seitlich gegen die Wand. „Davon, dass ich hier geschlafen habe“, erwiderst du ein wenig unfreundlich, was dir Izaya aber sowieso nicht übel nehmen wird, „und davon, dass wir uns... geküsst haben.“ Die letzten beiden Worte murmelst du so hastig, dass ihre Bedeutung eigentlich nur zu erahnen ist, aber zum Glück fordert er dich nicht auf, sie zu wiederholen. „Warum denn nicht?“, fragt er stattdessen und erfreut sich offenbar an deinem Unbehagen. „Meinst du, Shizzy wird eifersüchtig?“ Die Vorstellung scheint ihm zu gefallen. Ihm wirklich gut zu gefallen. Und das wiederum gefällt dir gar nicht. „Tu es einfach nicht“, bittest du ihn noch einmal. „Hmmm...“ Izaya legt den Kopf auf die eine und auf die andere Seite und kann ein Grinsen nicht unterdrücken, als du ungeduldig auf deine Armbanduhr schaust. „Okay. Aber das kostet dich noch mal was.“ „Was auch immer“, sagst du. Damit, Izaya in dieser Form zu 'bezahlen', hast du nicht wirklich Probleme. Eher im Gegenteil. „Also – ich geh dann.“ „Ja, gehen wir los.“ Du starrst ihn irritiert an. „Bitte was?“ Sein Lächeln wird noch breiter, als er deinen entgeisterten Tonfall hört. Irgendwann kriegt er noch einen Gesichtsmuskelkrampf vom vielen Lächeln und Grinsen. „Ich langweile mich hier eh nur“, erklärt er und gähnt demonstrativ. „Da kann ich genau so gut mitkommen und bei eurer kleinen Rettungsaktion zusehen...“ „Ich glaube nicht, dass das-“ „Du solltest dich lieber beeilen, sonst passiert dem armen Yuuhei noch etwas.“ Hätte er nicht recht gehabt, hättest du dich wahrscheinlich noch stundenlang mit ihm darüber gestritten, dass er gefälligst nicht mitkommen solle - wobei du am Ende trotzdem verloren hättest - aber jetzt bleibt dafür eh keine Zeit. Immerhin müsst ihr einen Bishonen retten. Du weißt nicht, ob Shizuo die ganze Zeit dort am Brunnen gewartet hat oder ob er zwischendurch weg war. Am Ende hast du zwanzig Minuten länger gebraucht als gedacht, was nicht zuletzt an einem absichtlich langsam gehenden Izaya gelegen hat. Auf deine Bitte hin hat sich Izaya dann sogar dazu herabgelassen, hinter einer Ecke zu warten, damit du zuerst alleine mit Shizuo reden kannst. Izaya ist heute offenbar ungewohnt gefügig – aber wie schon gesagt ist heute anscheinend alles anders. „Ich weiß, wo er ist“, erklärst du ohne Umschweife, sobald Shizuo in Hörweite ist. Du hast nicht unbedingt erwartet, dass er vor Freude tanzt, aber mit zumindest ein wenig Interesse hättest du schon gerechnet. Das Einzige, womit er dir jedoch entgegenkommt, ist Misstrauen. Und eine neue Packung Zigaretten. „Die Info hast du von ihm?“, fragt er ziemlich unfreundlich, wie du findest. „Ja, von ihm“, antwortest du und versuchst, geduldig zu bleiben. „Ich bin mir sicher, dass er mich nicht angelogen hat, Shiz... uo.“ Beinahe hättest du Shizzy gesagt. Und das bösartige Funkeln in seinen Augen sagt dir, dass ihm das nicht entgangen ist. „Jedenfalls“, fährst du hastig fort, ehe er etwas sagen kann, „sind er und die Entführer in diesem Lagerhaus, wo die Yellow Scarves sich immer getroffen haben. Wo Celty auch war, weißt du noch?“ „Weiß ich, ja.“ Er scheint aber weiterhin nicht interessiert. Wahrscheinlich vermutet er, dass das Lagerhaus gesprengt werden soll. Allmählich verlierst du die Geduld. „Shizuo, du bist paranoid“, fauchst du ihn in einem Tonfall an, als sei das die schlimmste Beleidigung überhaupt. „Wenn auch nur die Möglichkeit besteht, dass Kasuka da ist, sollten wir dem Nachgehen!“ Shizuo öffnet den Mund, kommt jedoch nicht mehr dazu, etwas zu diesem Thema zu sagen, weil in diesem Moment Izaya in sein Sichtfeld tritt. Du kannst ihn zuerst nicht sehen, weil du ja mit dem Rücken zu ihm stehst, aber du kannst sehr wohl Shizuos Gesichtsausdruck deuten und zudem hättest du seine Stimme überall wiedererkannt. „Also wirklich, Shizzy! Wie kannst du nur davon ausgehen, dass ich lüge?“ Dir bleibt gerade noch genug Zeit um auszuweichen, als auch schon eine Sitzbank auf Izaya zufliegt. Daran, dass er ihr auch locker ausweicht, zweifelst du nicht, daher siehst du dich nicht mal nach ihm um, weil du damit beschäftigt bist, verärgert auf Shizuo einzureden. „Hör auf, hier Sachen durch die Gegend zu werfen und komm gefälligst mit mir zum Lagerhaus! Wer weiß, wie lange sie noch da sind-“ „Die haben in nächster Zeit nicht vor, den Standort zu wechseln“, wirft Izaya nicht sehr hilfreich ein. Du wirfst ihm einen kurzen vernichtenden Blick zu, den er mit einem charmanten Lächeln erwidert, während er einem fliegenden Passanten ausweicht, der unglücklicherweise gerade vorbeikam. „Wenn Kasuka später fragt, warum du ihn nicht gerettet hast, werde ich ihm sagen, dass du zu beschäftigt damit warst, deinem Hass auf Izaya Ausdruck zu verleihen!“, rufst du über den Lärm hinweg, den Shizuo erzeugt, als er einen Laternenpfahl... abbricht. Entweder hört er dich tatsächlich nicht oder er will dich einfach nicht hören. Du hast jedenfalls genug. „Idioten“, zischst du wütend und stapfst davon, den Lärm und die fliegenden Gegenstände und Menschen hinter dir lassend. Eine halbe Stunde später bist du dort. Du stehst vor der Tür der Lagerhalle, die halb geöffnet ist und durch die man jedes Wort der Entführer und auch des Entführten, den sie anscheinend nicht mal geknebelt haben, hören kann. Dir ist sofort klar, dass es sich bei den Entführern um Anfänger handeln muss. „... Hättet ihr den Brief nicht lieber vorher schreiben... oder zumindest vorbereiten sollen?“ Diese Stimme, wie immer ein wenig gelangweilt klingend, kann nur zu Kasuka gehören. Du musst ein wenig lächeln und lauscht noch ein wenig, bevor du zur Tat schreitest. „Halt bloß die Klappe!“, erwidert ein anderer, dessen Stimme du nicht kennst. Du weißt nicht, dass sie zu Horada gehört, weil du nie mit ihm persönlich zu tun hattest, auch wenn du ihn vielleicht ab und zu auf der Straße oder bei Schlägereien gesehen hast. „Ich brauche ein a! Scheiße, haben wir hier nirgendwo ein a?!“ „Die haben wir schon alle aufgebraucht, Boss...“, erwidert jemand anders mit dumpfer Stimme. Ungläubig beugst du dich ein wenig zur Seite und lugst in die Halle. Dort sitzen sie tatsächlich beieinander, sechs oder sieben Mann, mit ausgeschnittenen Buchstaben aus der Zeitung und kleben sie auf ein Stück Papier. Du erkennst, dass auch Kasuka bei ihnen sitzt. Ein wenig abseits, weiter hinten in der Halle und an Händen und Füßen gefesselt zwar, aber doch so nah, dass er ihre 'Arbeit' gut beobachten kann. „Ihr habt keine Handschuhe benutzt“, merkt er trocken an. Der Typ, der der Anführer zu sein scheint – Horada – blickt zu ihm auf. „Was willst du damit sagen?!“ „Dass ihr Fingerabdrücke hinterlasst.“ Horada und die anderen starren einige Sekunden lang ihren halbfertigen Erpresserbrief an, dann sehen sie zu Kasuka. „Warum sagst du das erst jetzt?!“, fährt Horada ihn zornig an, schnellt vor, packt Kasuka am Kragen und holt schon mit der Faust aus – als du, das Supergirl (denn heute ist ja eh alles anders, also warum nicht) in den Lichtschein trittst, der durch das halb geöffnete Tor in die Lagerhalle fällt. „Hey.“ Horada hält mitten in der Bewegung inne. Kasuka hat währenddessen keine Miene verzogen, doch jetzt sieht er zu dir und ein mildes Lächeln umspielt seine Lippen. „Hallo, schön dich zu sehen.“ Du nickst ihm zu und kommst dir fast so cool vor wie Shizuo. „Gleichfalls.“ Die Entführer sehen entgeistert zwischen dir und Kasuka hin und her und schließlich spricht Horada aus, was sie alle denken. „Willst du ihn etwa 'retten'?“ Zwar entgeht dir der spöttische Unterton nicht, aber er macht dir nichts aus. Du bist es gewohnt, unterschätzt zu werden. Weil Mädchen und so. In demselben Tonfall entgegnest du, jetzt langsam auf sie zugehend: „Wollt ihr mich etwa aufhalten?“ Horada, schlecht erzogen, wie er ist, spuckt auf den Boden. „Macht sie fertig“, weist er seine Schergen an, die wie er inzwischen aufgestanden sind und sich dir ebenfalls genähert haben. „Alles klar!“ Mit lautem und vollkommen unnötigem Kampfgeschrei rennen sie auf dich zu, Fäuste und Baseballschläger erhoben. Du hebst die Augenbrauen, bleibst stehen und wartest auf sie. Hier vorne hast du mehr Platz. Horada steht noch hinten bei Kasuka, der das Ganze wie eine mäßig spannende Fernsehsendung verfolgt, als der Erste von ihnen in deine Reichweite kommt. Er läuft direkt auf dich zu und denkt kein bisschen an seine Körperdeckung, daher hast du leichtes Spiel. Du weichst seiner Faust seitlich aus, drehst dich gleichzeitig zur Seite und kickst ihm mit voller Wucht in den Magen, sodass er einige Meter zurückgeschleudert wird. Du hast deine Jugend mit Izaya und Shizuo verbracht – das konnte ja gar nicht ohne Folgen bleiben, oder? Der Nächste, der einen Baseballschläger schwingt und zwar von deiner Kraft irritiert scheint, allerdings trotzdem kein Stück an seine Körperdeckung denkt, holt einfach wie mit einer Axt aus und scheint dir den Holzschläger über den Schädel ziehen zu wollen. Fast schon gelangweilt gehst du im letzten Moment zur Seite, greifst nach dem Schläger, rammst dem Typen deinen Ellenbogen ins Gesicht und er lässt ihn von ganz alleine los. Der Rest ist ein Kinderspiel. Mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit und Kraft, die trotzdem noch lange nicht an die von Izaya oder Shizuo heranreicht, schaltest du einen Entführer nach dem anderen aus, bis am Ende nur noch Horada zwischen dir und Kasuka steht. „W-Was... zur...“ Horada dürfte in diesem Moment traumatisiert sein; erinnert ihn dies hier doch so sehr an das Geschehen von vor ein paar Wochen. Und dieses Mal hat er nicht mal eine Waffe. Also tut er das Einzige, was ihm jetzt logisch erscheint. Laut fluchend rennt er los und versucht, an dir vorbei zum Tor hinaus zu fliehen. Du siehst ihm ungläubig nach, zögerst, hast aber eigentlich keine Lust, ihm nachzulaufen - und wirfst ihm stattdessen den Baseballschläger hinterher, der ihn zielgenau am Hinterkopf trifft und ohnmächtig zu Boden gehen lässt. Jetzt siehst du noch ungläubiger zu ihm. Du bist zwar cool, aber eigentlich nicht so cool. Mit großen Augen hebst du die Hand, zeigst auf Horada und den Baseballschläger und siehst dann zu Kasuka. „Hast du das gesehen?!“ „Gut gezielt“, kommentiert Kasuka und versucht aufzustehen. „Das war ein Glückstreffer“, antwortest du lachend und läufst zu ihm hinüber, um ihn loszubinden. Sobald Kasuka wieder frei ist und ihr draußen seid, schiebt ihr gemeinsam das Tor der Lagerhalle so gut es geht zu und wollt die Polizei rufen, stellt aber dann fest, dass keiner von euch ein Handy dabei hat. „Ich werd' sie später anzeigen“, erklärt Kasuka gelassen und wechselt dann das Thema. „Warum hat das eigentlich so lange gedauert?“ Jetzt würdest du vielleicht mit dem typischen 'Das ist eine laaange Geschichte' antworten, wenn das hier eine fiktive Geschichte wäre. Aber das ist sie nicht! Und im wirklichen Leben sagt so etwas eh niemand. Komm mal spät nachts nach Hause und deine Eltern fragen dich, wo du warst und du antwortest: 'Das ist eine laaange Geschichte.' Ja, das wird sie sicher zufriedenstellen. Und genau so wie deine Eltern mit solch einer Antwort nicht glücklich wären, wäre es Kasuka auch nicht. Deshalb trägst du ihm auf dem Weg zu dem Brunnen, an dem zu Shizuo und Izaya zurückgelassen hast, eine Nacherzählung deines Samstags vor. Kasuka kannst du so etwas erzählen, denn mit ihm kannst du fast noch besser reden als mit Izaya. „... Dann muss ich mich wohl bedanken, dass zumindest du mich für wichtig genug hältst, um gerettet zu werden“, sagt Kasuka, als du fertig bist. Du lächelst. „Gern geschehen. Shizuo wird aber bestimmt später noch wochenlang von Schulgefühlen geplagt werden...“ „Selber Schuld“, murmelt Kasuka, aber du weißt, dass er seinem Bruder nicht böse ist. Auch bist du dankbar, dass er nicht weiter auf die Izaya-Sache eingeht, obwohl du ihm alles darüber erzählt hast. Es loszuwerden war gut, aber du würdest es lieber nicht zerreden. Als ihr am Brunnen ankommt, sieht es aus, als hätte dort eine Bombe eingeschlagen. Keiner von euch beiden ist überrascht. Zwei Straßen weiter sind immer noch Kampfgeräusche und Schreie zu hören, was euch sagt, dass die Auseinandersetzung der beiden immer noch kein Ende gefunden hat. Ihr lasst einen synchronen Seufzer hören, was euch beide wiederum zum Lächeln bringt, ehe ihr immer dem Lärm nachgeht. Shizuo schleudert gerade eine Autotür nach Izaya, als ihr um die Ecke biegt. Die beiden sehen inzwischen ziemlich mitgenommen aus. Shizuo hat ein paar Schnittwunden; ein weiteres von Kasuka geschenktes Outfit ist von Izaya verunstaltet worden. Izaya hingegen hat einige Kratzer und anscheinend tatsächlich eine Platzwunde am Kopf. Geschieht ihm recht. Ja, dein Mitleid hält sich in Grenzen. Du und Kasuka näher euch vorsichtig. „Du... Shizuo?“ Shizuo reagiert nicht. Er ist immer noch – oder schon wieder – so sehr in Rage, dass er kaum mitkriegt, was um ihn herum geschieht. „Shizuooo“, wiederholst du ungeduldig. Er ruft Izaya zu, dass er 'sich verpissen soll' und holt mit einem Vorfahrtsschild nach ihm aus. Um überhaupt Aufmerksamkeit zu kriegen, rufst du stattdessen Izayas Namen, aber der scheint auch alles außerhalb des Kampfes ausgeblendet zu haben. „Okay, das wird mir zu dumm“, sagst du und drehst dich zu Kasuka um. Er nickt zustimmend. „Mir auch. Gehen wir ein Eis essen?“ „Klar, warum nicht.“ Und unbemerkt, wie ihr auf dem Schlachtfeld angekommen seid, verschwindet ihr auch wieder. Männer und ihre Hobbies, denkst du entrüstet, als du dich ein letztes Mal zu ihnen umsiehst. Afterthoughts: „Also.“ „Also?“ „Reden wir über die Bezahlung.“ „Welche Bezahlung?“ „Die für die Information und das Schweigen gegenüber Shizzy.“ „Ach... ja.“ „5000 Yen.“ „... Was?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)