39 One- Shot von shironeko4869 ================================================================================ Kapitel 15: When the fire dies ------------------------------ When the fire dies… Ich drehte den Schlüssel einmal im Zündloch herum und ließ so den unverkennbar schnurrenden Motor verstummen. Jetzt war nur noch das unnachgiebige monotone Geräusch des Regens zu hören, der auf die Scheiben des alten Wagens traf. Ein kurzer Blick zum Fester hinaus genügte, um zu sehen, dass sie sich hier versuchte zu verstecken. Wie töricht von ihr. Ich lehnte mich in den Sitz zurück und steckte mir noch eine Zigarette an. Es eilte nicht. Ich hatte Zeit. In diesem Leben würde sie den Rohbau, in dem sie Zuflucht suchte, sowieso nicht mehr verlassen. Ich kannte sie gut, sehr gut, und wusste, dass sie wahrscheinlich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte. Nicht nachdem ich sie fast die ganze Nacht quer durch die Stadt gejagt hatte. Irgendwann erreichte auch sie ihre Grenzen, und wo die Grenzen ihrer Ausdauer lagen, wusste ich wohlmöglich am besten. Ein Blitz erhellte die Nacht für ein paar Sekunden, und ich musste grinsen. Ob sie sich in irgendeine Ecke verkrochen hatte, während sie um ihr wertloses Leben zitterte? Vorfreude überkam mich. Ja, heute würde das ganze lächerliche Spielchen, welches wir schon viel zu lange spielten, endlich ein, zugegeben, bitteres Ende nehmen. Der Regen wurde stärker und auch das Gewitter schien näher zu kommen. Ich war gerade dabei auszusteigen, als ich im Rückspiegel die Straßenlaterne hinter mir flackerte sah, bald würde sie sicher erlischen. Ohne weiter Notiz davon zu nehmen stieg ich gänzlich aus dem Wagen aus. Noch einmal zog ich an meiner Kippe, bevor ich sie in irgendeine Himmelsrichtung wegschnippte. Auch wenn hier am Morgen alles voller Bullen sein würde, machte ich mir keine Sorge um den ausgerauchten Filter. Dank des Regens würden Fingerabdrücke und DNA weggewischt werden, sodass der Spurensicherung bloß die nutzlosen Überreste eines Zigarettenstummels blieben. Ich betrat das unfertige Haus. Hier war es fast schon kälter als draußen. Es zog aus den leeren Fenstern und ich musste aufpassen wo ich hintrat. Sherry hatte ganze Arbeit geleistet indem sie beinahe alles umgeworfen hatte, was die Bauarbeiter vom Vortag stehen gelassen hatten. Dachte sie tatsächlich, dass mich das hinderte zu ihr zu gelangen? Nein, es war ganz im Gegenteil. Das Chaos zeigte mir sogar noch wo sie genau war. Ich musste wieder grinsen. Das machte mir einfach zu viel Spaß. Ich steig die Treppen in den ersten Stock hoch, dort war sie sicherlich. Der Geruch von Angst lag in der Luft, Verzweiflung… „Sherry…“. Amüsiert kam mir ihr Name über die Lippen. „Na los, komm raus spielen.“ Diesmal klang ich härter. Zugegeben, es war hier sehr ruhig, fast schon zu ruhig. Doch ich fühlte, sie war hier. Es konnte nicht anders sein, auch wenn es schon sehr, sehr dumm war in eine obere Etage zu flüchten. Ich ging ein paar Schritte weiter in den kahlen Raum, blieb dann etwa in der Mitte stehen und lauschte. Und da war es. Mein Grinsen wurde breiter, als ich ihren erstickten Atem hörte. Wahrscheinlich hatte sie die Luft angehalten, um mich zu täuschen. Um mir weis zu machen, dass sie nicht hier, nicht so nah, war. Aber natürlich hatte sie nicht ewig die Luft anhalten können. Ich spazierte zu einem umgekippten Tisch, auf dem die Arbeiter anscheinend ihr Werkzeug und sonstigen Krempel ablegten. Langsam blickte ich hinter die Tischplatte, die mir zu Füßen lag, und dort saß sie zusammengekauert, einem Tier gleich, das sich unter allen Umständen vor seinem Gegner verstecken wollte. Unsichtbar sein wollte. Einfach verschwand… Als sie erkannte, dass ich ihr schlechtes Versteck durchschaut hatte, zog sie scharf die Luft ein. Ihr Blick glitt zu mir nach oben, senkte sich jedoch beinahe augenblicklich wieder. Als hätte mein bloßer Anblick ihr die Sprache verschlagen, hockte sie einfach weiter auf dem kalten Betonboden herum. Obwohl es dunkel war, erkannte ich, dass ihr gesamtes Gesicht gerötet war, auch ihre Brust hob sich etwas zu oft als normal. Aber es sollte mir doch egal sein. Doch allein der Gedanke, dass ihr hoher Blutdruck sie vor mir auf die andere Seite schicken würde, missfiel mir sehr. Aber das war ja wohl sehr unwahrscheinlich. Vielleicht war ich etwas zu weit in Gedanken versunken, als sie plötzlich aufsprang und über den umgestoßenen Holztisch hechtete, doch es hinderte mich nicht daran, nach ihrem Arm zu greifen und sie ruckartig zurückzuziehen. Unsanft, für sie sicherlich schmerzhaft, landete sie vor meinen Füßen und rang keuchend nach Luft. „Steh auf und wag es nicht auch nur daran zu denken abzuhauen. Weit kommst du sowieso nicht.“, zischte ich in einem bedrohlichem Ton. Sie regte sich nicht, was ich auch nicht erwartet hatte. Sie wollte es also unbedingt auf die Tour. Gut, das konnte sie haben. Ich griff ihr ins rotblonde Haar und zwang sie durch mein kraftvolles Ziehen aufzustehen. Ihre unterkühlten Fingerspitzen berührten meine Hand zaghaft, als sie sich kraftlos gegen meinen Griff zur Wehr setzte, jedoch tat sie jetzt endlich was ich wollte. Kaum stand sie auf ihren wackligen Beinen, stieß ich sie gegen die nächste Wand, an die sie mit dem Kopf aufschlug. Ich wusste nicht wieso, aber plötzlich überkam mich eine brennende Wut, oder war es einfach die Lust danach sie leiden zu sehen? Eigentlich auch egal. Mir war einfach nur danach ihr weh zu tun. Sie sagte nichts, sie tat so gut wie nichts, sie heulte nicht einmal. Auch wenn Letzteres ganz gut so war. Wenn ich etwas nicht leiden konnte, dann war es das Geflenne der Leute, die sowieso wussten, dass sie in wenigen Minuten sterben würden. Trotzdem war meine innerliche Ruhe dabei zu verfliegen. Sie rang nach Luft, versuchte jedoch zur gleichen Zeit ruhig zu atmen. Ihr Blick galt weiterhin dem Boden, und auch dies widerte mich an. Sie sollte mir gefälligst in die Augen sehen, wenn sie starb. Sie sollte den Spaß, den ich empfinden würde, sehen und sie sollte langsam verzweifeln an der Gewissheit versagt zu haben. Sie hatte ihre Schwester nicht beschützen können und auch an einer Flucht war sie jämmerlich gescheitert. Und wenn ich sie so ansah, hatte sie nicht einmal mehr richtig Kontrolle über sich. Würde ich die Angelegenheit nicht so verflucht persönlich nehmen, hätte ich vielleicht so etwas wie… nein. Hätte sie die ganze Scheiße nicht abgezogen, wäre es nie so weit gekommen, dass ich auch nur an Mitleid dachte. Ich empfand kein Mitleid. Für niemanden. Und schon gar nicht für sie. Nichts desto trotz war es schade um die Kleine. Ich wandte mich ihr nun vollkommen zu. „Hast du Angst?“, fragte ich sie flüsternd. Zu meiner Verwunderung nickte sie kurz. Ich musste leise lachen. War sie in den letzten Minuten ihres Lebens doch tatsächlich ehrlich. „Aber weißt du“, begann sie. Langsam schien sie also die Sprache wiedererlangt zu haben, sehr schön. „Ich habe gewusst, dass es so enden wird. Du und ich- gemeinsam. Das stand von Anfang an unter keinem guten Stern, Gin.“ Ich nickte zustimmend. Der Satz ließ mich sehr an früher denken. Nicht der Inhalt, eher die Art, wie sie es sagte. Dieser typische besserwisserische Unterton, den ich sehr an ihr geachtet hatte, das trotzige Etwas, welches immer in ihrer Stimme mitschwang. Es wagte kaum jemand mich zu verbessern, mir zu sagen was man wirklich dachte oder mir gar widersprach. Sie war da ganz anders. „Wie bist du aus dem Keller entkommen?“, fragte ich sie. Eine der wenigen Sachen, die noch zwischen uns zu klären war. Diesmal grinste sie, statt mir. Sherry schüttelte den Kopf. „Das wüsstest du wohl gerne. Aber das werde ich mit ins Grab nehmen, glaub es mir.“ Abschätzend wurde sie von mir betrachtet. „Gute Antwort.“, sagte ich, bevor ich ihr ins Gesicht schlug. Ein dumpfes Geräusch erklang, als meine Faust ihre Schläfe traf. „Nur leider die Falsche, Miststück.“ Sie fiel zurück auf den Boden und schaute ein paar Sekunden nur fassungslos zu mir hoch. Dann verfinsterte sich ihr Blick. „Wer ist hier wohl das größere Miststück?“ Mutig. Das musste ich ihr lassen. Mühevoll erhob sich die Verräterin erneut. Wollte sie jetzt etwa noch ihren Stolz aufrechterhalten? Das hingegen war dumm. Sie stand jetzt wieder vor mir. Ein dünner Faden aus Blut lief über ihren rechten Wangenknochen, während sie es wagte mich anzugrinsen. Am liebsten hätte ich gleich noch einmal zugeschlagen, aber das war wahrscheinlich genau das, was diese dumme Frau von mir wollte. Es machte ihr wohlmöglichen Spaß mich aufzubringen. Natürlich, das hatte sie damals schon gerne getan. Noch vor ein paar Monaten hätte mir das auch sicherlich gefallen, doch jetzt machte mich die Arroganz in ihrem Blick wütend. Fühlte sie sich mir etwa überlegen?! Langsam verging mir der Spaß an der ganzen Sache. Alles lief ein wenig anders, als ich es mir gedacht hatte. Ich hatte mir schon oft ausgemalt, wie es mit ihr enden würde, doch die jetzige Situation traf nur wenige meiner Vorstellungen. Ärgerlich. Ich sollte zusehen, dass ich es bald hinter mir hatte. „Willst du sterben?“, fragte ich sie emotionslos. „Ich bin lieber im Tod für ein paar Jahre, hoffentlich, vor dir sicher, als in einer Welt zu leben, in der ich vor dir wegrennen muss.“ „Dann bereite dich darauf vor in der Hölle mehr Qualen zu leiden als hier…“ Sie lachte kurz auf. „Gin, du glaubst nicht an so etwas Dummes wie die Hölle.“ „Kluges Mädchen.“, lobte ich sie. Dabei fuhr ich ihr mit der Hand über die linke Wange. Ihre Haut war noch immer kalt. Wieder ein Datei, das so nicht hätte sein sollen. Ich hatte fühlen wollen, wie ihr toter Körper immer kälter wurde. Doch jetzt war sie schon kalt, trotz des schlagenden Herzen. Ich atmete einmal durch. Seufzte ironisch. Dann drückte ich sie auf den Boden, es war ein Leichtes, denn ihre Beine gaben dem Druck sofort nach. „Ich denke wir können das hier jetzt abbrechen und zum nächsten Teil übergehen.“ Sie sah mich kühl an, als ich ein paar Schritte Spielraum zwischen uns brachte. Je weiter ich von ihr wegging, um später zu schießen, desto schwerer würde es der Polizei sein meine Größe zu schätzen. Ich zog eine Baretta aus der Tasche meines Mantels und zielte auf Sherry. Ruhig saß sie da, atmete regelmäßige, tiefe Züge der eisigen Luft ein. Es würden ihre Letzten sein. Sie war soweit, hatte abgeschlossen, das sah und spürte ich. Etwas anderes hingegen nicht, und dies erschreckte mich beinahe. Sie war bereit, aber war ich es auch? Schon längst hätte ich sie einfach töten sollen, hatte viel zu lange mit ihr gespielt. Ich stand vor ihr, es war mir möglich jeden Augenblick einfach abzudrücken, jeden Moment hätte ich ihr Blut an die Wand hinter ihr spritzen lassen können. Und nur ein einziger melancholischer Gedanke hielt mich davon ab. Nichts, rein gar nichts war so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Seit sie in mein Leben getreten war, war alles anders verlaufen, als ich es gewollt hatte. Absolut alles. „Du zögerst.“, durchbrach sie meine schlechten Gedanken, „Wieso?“ Ich sah sie an und schüttelte den Kopf. Noch einmal, ein einziges Mal sah ich unmittelbar in ihre eisblauen Augen. „Nein. Ich überlege.“, sagte ich ruhig. Ich wusste nicht wieso ich es tat, ich verstand die nächsten Minuten nicht, und doch schoss ich bewusst bloß durch ihre Schulter, sodass die Kugel wieder austrat und an der Betonwand abprallte. Der erschrockenen Aufschrei Sherrys war nur ein Nebengeräusch gewesen. Geschockt starrte sie auf das Einschussloch hinter sich, dann zu mir. Wahrscheinlich hatte sie sogar schneller verstanden als ich selbst, denn sie versuchte sofort aufzustehen. Ich ließ die Waffe zurück in die Tasche meines Mantels gleiten und drehte Sherry den Rücken zu. „Du hast zwei Minuten, dann bist du hier raus, außer du bevorzugst es zu verbrennen.“, murmelte ich und schaute aus dem glasscheibenlosen Fenster. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu sehen, wie sie sich aufrappelte und mühevoll aus ihrer Ecke taumelte. „Wieso?“, keuchte sie, als sie an mir vorbei kam. Sie brauchte ein paar Sekunden ehe sie begriff, dass sie keine Antwort auf diese Frage bekommen würde. „Lass deine Verletzungen ansehen und verschwinde besser aus Japan und dann tu was du willst.“, war mein einziger Rat. Ich hörte wieder ein paar schlurfende Schritte, dann spürte ich ihre Hand auf meinem Rücken. Sie sagte nichts, und es war auch gut so. Ich schloss die Augen, bis sie nicht mehr da war. Mir war nach Lachen zu Mute, doch ich ließ es, denn ich wusste nicht, ob die Situation so lustig war, wie irgendetwas in meinem Kopf dachte. Ich hatte sie gehen lassen. Sie nicht getötet zu haben bereute ich nicht einmal, sie gehen gelassen zu haben hingegen schon. Die Chance, dass jemand aus der Organisation sie finden würde, war hoch und ab dieser Nacht schlief ich mit diesem Gedanken ein und wachte mit eben diesem wieder auf. Dass sie geschafft hatte zu verschwinden, glaubte ich. In den nächsten Tagen war keine Leiche gefunden worden, die sie hätte sein können. Dreißig Minuten später fuhr ich meinem Porsche eine der endlosen Straßen Tokyos entlang. Der Rohbau, der eigentlich Sherrys Grabstelle hatte werden sollen, brannte schon eine Weile lichterloh und vor wenigen Minuten waren die Feuerwehrautos an mir in die Richtung, aus der ich kam, vorbeigefahren. Je länger sie brauchten desto besser, dachte ich. Alles was man in dem ausgebrannten Bau finden würde, wären zwei Kugeln und die unerkenntlich verbrannte Leiche irgendeines Penners, den ich auf die Schnelle aufgetrieben und erschossen hatte. Die Kugel, die durch Sherrys Schulter gegangen war, wog in meiner Tasche. Man würde merken, dass etwas mit dem Tatort nicht stimmte, wenn man drei Kugeln dort finden würde, wo das Opfer hatte nur zwei erleiden müssen. Bald würde die Sonne aufgehen und ich beschleunigte den Wagen. Die Organisation würde denken sie sei tot. Machte mich das glücklich? Ein wenig vielleicht… Ich bog in eine Straße ab und dachte nach. Ja, über uns war nie ein guter Stern gestanden. Über Sherry und mir. Es war mir ebenso klar wie ihr gewesen. Doch Sterne leuchteten in der Nacht und ja, vielleicht würden wir uns eines Tages wieder sehen. Eines Tages, wenn man die Sterne nicht sah. Ich grinste bei dem Gedanken und schüttelte über meine eigene Dummheit den Kopf. Ich Narr… … a new day is born… Hosted by Animexx e.V. 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