The Luck of the Draw von -shiyuu (Wie der Zufall so will) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Satoshi konnte kaum glauben, was er vor sich sah. Erst dachte er, er hätte sich im Zimmer geirrt, aber das hatte er definitiv nicht. Das da war definitiv Ryo und der saß definitiv auf einem anderen Kerl. Er sah es, aber begreifen konnte er es nicht. Ryo war nicht schwul. Das hätte er ihm doch gesagt, immerhin waren sie sowas wie beste Freunde! Er wollte das nicht sehen, wollte gehen, aber seine Beine spielten ihm da einen Streich, denn die bewegten sich nicht einen Millimeter, also musste er mit ansehen, wie Ryo auf dem Kerl ritt. Er war mehr als ausgelassen, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und den Mund, der stoßweise Atem entließ, leicht geöffnet. Satoshis Blick wanderte unweigerlich zu dem Kerl und als er den sah, erschrak er. Er musste ein Geräusch gemacht oder sich bewegt haben, er wusste nicht was es war, er wusste nur, dass er plötzlich bemerkt wurde. Vielleicht war es auch Zufall, dass Ryo gerade in seine Richtung sah, wer wusste das schon. Als sein Blick aber auf den Sänger fiel, wurde er sofort stocksteif, er gefror regelrecht zur Salzsäule. Und sein Blick sprach tausend Bände. Bevor einer von ihnen beiden irgendetwas sagen oder machen konnte, mischte sich der andere Kerl ein. Dem gefiel es scheinbar gar nicht, dass Ryo plötzlich nicht weiter machte, aber er holte sich einfach was er wollte, krallte seine Pranken in den Hintern des Drummers, der darauf nicht vorbereitet war und nach vorn kippte, und machte da weiter, wo Ryo aufgehört hatte. Ryos Lippen verließ ein langgezogenes Stöhnen und just in dem Moment gehorchte Satoshis Körper ihm wieder. Er drehte sich auf dem Absatz um, zog die Tür hinter sich ins Schloss und ging dann schnurstracks auf sein Zimmer, wo er erst mal tief durchatmete. Nur langsam drang zu ihm durch, was eben geschehen war. Er hatte einfach nur nach Ryo sehen wollen und plötzlich sah er sowas! Und er konnte sich gar nicht vorstellen, dass das wahr war. Ryo war klein und süß und asexual. Ja, genau. Wie konnte er seine Vorstellungen einfach so zerstören? Sein Weltbild war nun im Eimer. Satoshi seufzte schwer, ehe er sich auszog und ins Bett legte. Er war gerade nur froh, dass er nicht direkt das Zimmer neben Ryo hatte, sonst hätte er da jetzt vielleicht auch noch zuhören müssen und das war etwas, worauf er sehr gerne verzichtete. Wobei er eigentlich auch gern auf diesen Anblick und die daraus folgende Erkenntnis verzichtet hätte, aber nun war es zu spät. Er hatte es gesehen und nun war es für immer in seine Netzhaut eingebrannt. Das würde er nicht vergessen könnten – nie. Er drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen, aber dieses Bild verschwand einfach nicht, auch nicht als er sie wieder öffnete. Scheiße. Das würde wohl so bald nichts werden mit dem Schlafen. Normalerweise war es ja nichts Schlimmes vor dem Einschlafen an Sex zu denken. Das tat er sogar öfter. Nur hatte er noch nie daran gedacht, wir Ryo Sex hatte und das auch noch mit einem Mann. Mit dem Typen von der Bar. Jetzt wusste er wenigstens, wieso der Drummer dort vorhin immer hingeguckt hatte. Eifersucht auf Nii war es nicht gewesen; er wusste es besser. Doch wollte er das? Ihm drängte sich die Frage auf, warum Ryo nie etwas gesagt hatte. Soweit er sich erinnerte, hatte der Drummer nicht eine ernsthafte Beziehung gehabt, seit sie sich kannten. Zumindest nicht zu einer Frau. Alles andere hatte er ja ganz gut verheimlichen können bisher, warum auch immer er das getan hatte. Hatte er Angst sie würden ihn verurteilen? Wahrscheinlich war es das, auch wenn er sich das irgendwie nicht vorstellen konnte. Sie waren gute Freunde, da war es doch egal, ob man das Bett lieber mit Männlein oder Weiblein teilte – oder? Ob Shuu und Nii davon wussten? Vielleicht sollte er sie morgen früh danach fragen. Also nicht so direkt und unverblümt. Outen wollte er Ryo nämlich nicht, das musste er schon selbst tun. Aber er konnte ja mal nachforschen, ob er der einzige war, der von diesem Geheimnis wusste. Da fiel ihm ein… morgen früh würde er Ryo wieder sehen. Sollte er etwas sagen? Oder sich einfach verhalten wie immer und ignorieren, was er gesehen hatte? Wenn er ihn darauf ansprach, würde es bestimmt peinlich werden. Er hatte noch nie etwas mit diesem Thema zu tun gehabt. Ja er hatte noch nicht mal einen schwulen Bekannten – zumindest hatte er das gedacht – und nun sah er gleich so etwas! Ein Bild, das er nie hatte sehen wollen. Ein Bild, das er nie wieder sehen wollte. Wahrscheinlich war es das Beste, das alles zu ignorieren, sich so zu benehmen wie immer, nichts zu sagen. Dann würde er von weiteren Peinlichkeiten verschont bleiben und müsste hoffentlich nie wieder darüber nachdenken, was Ryo im Bett tat. Ja genau, so würde er das machen. Einfach ignorieren. Ob Ryo da mitspielen würde, war eine andere Sache, aber man konnte ja noch hoffen. * Am nächsten Morgen wurde Satoshi durch ein lautes Geräusch geweckt. Es hörte sich an als wurde etwas gegen seine Tür geschlagen. Sein erster Gedanke war, dass es Ryo war. Sein zweiter, dass er ihn töten wollte. Langsam setzte er sich auf und sah zur Tür, gegen die nur Augenblicke später wieder gehämmert wurde, aber wie er mit Erleichterung feststellte, was es nicht Ryo, der heute den Weckdienst übernahm, sondern Nii. „Satoshi!“, rief der Gitarrist so laut, dass er bestimmt das ganze Stockwerk weckte. „Los, Dornröschen, steh endlich auf! Wir wollen frühstücken und dann los! Satoshi!“ Er seufzte. „Jetzt mach nicht so’nen Alarm! Ich komm gleich!“ Er stand auf, aber anstatt Nii noch weiter Beachtung zu schenken, verschwand er erst mal in dem kleinen Badezimmer und gönnte sich eine Dusche. Erfrischt kam er dann wieder in sein Zimmer, zog sich an und ging nach unten in die Hotellobby, wo das Frühstücksbüffet angerichtet war. Er sah die anderen gleich – zu überhören waren sie ja auch nicht – und ging zu ihnen. Ryo war noch nicht da – zum Glück. So hatte er noch Zeit sich zu überlegen, was er sagen würde, wenn der kam, und ob überhaupt. Leider tauchte der Drummer nur Sekunden nachdem er sich hingesetzt hatte auf, und als Satoshi ihn sah, hatte er direkt wieder die Bilder von letzter Nacht vor Augen und er konnte nichts tun, damit diese verschwanden. Sofort wandte er den Blick wieder ab und widmete sich seinem Essen, auf dem er lustlos herum kaute. „Was ist los, hast du keinen Hunger?“, kam auch gleich von Nii. Satoshi schüttelte den Kopf. Wie sollte er auch Hunger haben, bei den komischen Bildern, die ihm im Kopf rumschwirrten. Er versuchte ruhig zu bleiben, als Ryo sich direkt neben ihn setzte. Er spürte, dass er ihn ansah, und er wusste, dass er etwas sagen wollte, aber sie beide blieben still. Satoshi war schwer damit beschäftigt sein Essen anzustarren. Ignorieren – das war sein Plan und den würde er knallhart durchziehen. Ryo schien das auch für das Beste zu halten, denn er sah wieder weg und begann zu essen. Er beteiligte sich auch an dem Gespräch der anderen, während Satoshi nur dasaß und versuchte nichts zu denken. Als aber sein Name fiel, wurde er dann doch hellhörig und sah auf, auch wenn er es im nächsten Moment bereute, weil ihn alle anstarrten. Er war das ja gewöhnt; wenn er auf der Bühne stand, sahen ihm hunderte Fans zu, manchmal sogar ein paar Tausend, aber das war doch etwas anderes als das gerade. Die Fans wollten nur, dass er sang. Seine Freunde gerade wollten aber, dass er ihnen erzählt, was mit ihm los war. Doch er würde sich hüten das zu tun! Als er nichts sagte, sondern einfach wieder nur wegsah, begann Shuu zu lachen, woraufhin Ryo ein genervtes Seufzen entkam, und jetzt sahen alle ihn an, nur Satoshi nicht. „Das ist echt lächerlich, Satoshi. Du stellst dich doch sonst nicht so an!“ Shuu hob fragend eine Augenbraue. „Du weißt, was er hat?“ „Ja! Ich war gewissermaßen beteiligt.“, sagte Ryo mehr als genervt. Er sah Satoshi wieder an, der sich aber immer noch mehr für seinen Teller interessierte als für alles andere. Ryo wollte etwas sagen, doch er kam nicht dazu. Shuu schnürte ihm das Wort ab. „Woran warst du beteiligt? Hat Satoshi sich noch auf dein Zimmer geschlichen und ihr habt heimlich weiter gesoffen? Und dann habt ihr an der Rezeption angerufen, euch Nutten bestellt und ‘ne wilde Orgie gefeiert?“ Er musste lachen und auch Nii konnte nicht an sich halten. Diese Vorstellung war einfach zu lustig. Die beiden, die sonst kaum Interesse an Weibern zeigten, feierten eine Orgie. Haha. Satoshi fand das nur irgendwie gar nicht lustig, und Ryo scheinbar auch nicht. „Nein. Naja, der erste Teil stimmt.“ Jetzt verstummten die beiden und sahen ihn fassungslos an. „WAS?“ „Ja, Satoshi war noch bei mir im Zimmer – warum auch immer.“ Er sah den Sängern eindringlich an. „Ich war aber nicht allein und das hat ihn offensichtlich sehr verstört.“ Jetzt machten die beiden große Augen. „Du hast noch wen abgeschleppt?!“ Er nickte, wenn auch zögerlich. Und was dann kam, war unvermeidbar. Ryo, der kleine süße Ryo, auf den die Mädchen reihenweise flogen, hatte endlich mal eine mitgenommen. Also war ihr Kleiner sehr wählerisch. So sah das für Shuu und Nii aus, und da wollten sie natürlich wissen, was für ein Rasseweib der Drummer in sein Bett gelassen hatte. Dementsprechend sprudelten alle Fragen aus den beiden hervor, die ihnen nur einfallen konnten und Ryo hatte große Mühe, da ruhig zu bleiben. „Ich erzähl euch nichts.“, sagte er irgendwann leise und schüttelte den Kopf. „Ah, verstehe. Ein Gentleman genießt und schweigt.“ Einen Augenblick war alles still, dann wanderte Shuus Blick eine Person weiter. „Satoshi! Wie war sie so?“ Der Sänger schluckte. Sein Blick ging kurz zu Ryo, der ziemlich angespannt aussah. Also wussten die beiden nichts von seiner Vorliebe für Schwänze in seinem Hintern. Dann würde er es ihnen bestimmt nicht erzählen. „Fragt Ryo.“, sagte er nur, stand auf und ging zurück auf sein Zimmer, um seine Sachen zu packen. Denn wenn er das erst erledigt hatte, konnten sie bald los, weg von hier. Vielleicht würde er dann auch zu gewissen Dingen, die hier geschehen waren, mehr Abstand nehmen können. Er konnte sich nämlich echt besseres vorstellen, als ständig einen nackten Ryo in seinem Kopf rumschwirren zu haben. Einen nackten Ryo, der unanständige Sachen machte. Das alles wäre bestimmt einfacher gewesen, wenn Ryo nicht zu seinem Zimmer gekommen wäre, ihm gesagt hätte, dass er mit ihm reden wollte und dann minutenlang vor der Tür darauf gewartet hätte, dass er endlich aufmachte. Das alles wäre auch einfacher gewesen, wenn nicht Shuu und Nii sofort auf ihn zugestürzt gekommen wären, als er später auch nur in ihrer Sichtweite auftauchte. Wie konnten die beiden nur so verdammt neugierig sein? Dann hatte Ryo eben jemanden abgeschleppt – na und? Er wusste es und wünschte, es wäre anders. Hätte er gekonnt, hätte er nur zu gern mit ihnen beiden getauscht. Irgendwann schaffte er es und vergraulte die beiden, die ihn dann die ganze Fahrt über zurück nach Chiba mit Schweigen und Ignoranz straften, doch das war ihm nur recht. Er wollte nicht reden und schon gar nicht darüber. Er war froh, wenn er seine Ruhe hatte. Und die hatte er erstaunlicherweise auch. Selbst Ryo sprach nicht mit ihm, auch wenn er einige Male etwas zu lange zu ihm sah, als dass es hätte bedeutungslos sein können. Satoshi wusste, dass er darüber reden wollte, doch er ignorierte Ryos Blicke, und als sie endlich ankamen, war er der erste, der aus dem Bus sprang und sich verabschiedete. Die öffentlichen Verkehrsmittel ersparte er sich, die waren sowieso immer überfüllt, egal zu welcher Tageszeit er es auch versuchte. Ein Taxi bekam er auch nicht, also machte er sich genervt zu Fuß auf den Weg nach Hause. Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er, als er plötzlich vor seiner Tür stand, nur verwirrt auf diese starrte und als er versuchte sich zu erinnern, wie er hier her gekommen war, musste er feststellen, dass er absolut keine Ahnung hatte. Aber Hauptsache war ja, dass er da war. Als er den Schlüssel in den Tiefen seiner Taschen gefunden und aufgeschlossen hatte, stellte er seine Tasche im Flur ab und ging in die Küche, aus der er am liebsten sofort wieder rückwärts rausgegangen wäre. Selbst ein Schweinestall sah wohl ordentlicher aus als das hier. Er seufzte. Sonderlich viel Lust zum Aufräumen hatte er nicht – die hatte er eigentlich nie, aber jetzt wurde es wirklich mal Zeit, also begann er in der Küche und arbeitete sich durch seine ganze Wohnung, bis alles soweit sauber war, dass er ohne zu Zögern Gäste zu sich eingeladen hätte – wenn er denn Lust darauf gehabt hätte. Jetzt wollte er einfach nur noch seine Ruhe haben und die paar Stunden Freizeit genießen, die er hatte, ehe er morgen wieder früh aufstehen, irgendwo hinfahren und zum wahrscheinlich dreißigsten Mal die gleichen Fragen beantworten durfte. Er mochte auch diese Seite am Showbiz, aber gerade hatte er auf so etwas herzlich wenig Lust. Beinahe genau so wenig wie zur Tür zu gehen, als es läutete, doch da dieser jemand vor der Tür sich nicht mit einmal Klingeln zufrieden gab und ihm immer mehr auf die Nerven fiel, je öfter er auf diesen dämlichen Knopf drückte, ging er mit einem genervten Seufzen auf den Lippen doch mal seinen Besucher begrüßen – und das bereute er schon in der Sekunde, als er die Tür aufgemacht hatte. Am liebsten hätte er die Tür sofort wieder zugeschlagen, aber blitzschnell war ein Fuß zwischen Tür und Türrahmen gestemmt und damit war’s das dann wohl. So ungern er jetzt mit ihm reden wollte, so ungern wollte er ihm auch wehtun, trotzdem versuchte er noch mehr oder minder energisch die Tür zuzumachen und den Besuch auszusperren. „Satoshi, was soll denn das?“ Er seufzte und ließ es bleiben. Er trat einen Schritt zurück, damit Ryo reinkommen konnte und das tat der auch ohne zu zögern. Er zog Jacke und Schuhe aus und sah sich dann in der Wohnung um. „Wow. So ordentlich sah’s hier ja schon lange nicht mehr aus.“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Warum auch? So selten wie ich mich in letzter Zeit hier aufgehalten hab.“ Ryo nickte; das kannte er auch zur Genüge. Einen Moment standen sie einfach nur da und sahen sich an. Irgendwie war ihm das mehr als unangenehm, also drehte er sich einfach um und verschwand ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ. Das genervte Seufzen des Drummers bevor er ihm hinterher kam hörte er, aber er ignorierte es getrost, ebenso wie er ignorierte, dass Ryo sich zu dicht neben ihn setzte und ihn zu durchdringend ansah. Das hatte es alles früher nicht gegeben, dass Ryo ihm zu nah kam oder ihn zu lange ansah. Bisher war nie etwas zu viel gewesen, egal um was es ging. Es war Ryo, der hier bei ihm war. Ryo, den er 24 Stunden täglich sehen konnte ohne ihn am Ende über zu haben. Ryo, mit dem er sich immer über die Weibergeschichten von Shuu und Nii amüsierte. Ryo, mit dem er über alles reden konnte –bis jetzt. Er wusste genau, warum Ryo hergekommen war, aber er würde dieses Thema bestimmt nicht selbst ansprechen. Er hatte Angst vor diesem Thema, auch wenn er nicht wusste warum. Ryo fiel es aber auch schwerer darüber zu reden als er erwartet hatte. Sie saßen lange schweigend da. Vielleicht suchte er nach den richtigen Worten, doch welche könnten das schon sein? “Ich weiß, dass du mich gesehen hast. Es ist nicht so wie du denkst. Am besten vergisst du das alles wieder und wir benehmen uns wie vorher.“? Nein, so etwas Plattes würde Ryo nicht sagen – das hoffte er zumindest. Denn vergessen konnte er das bestimmt nicht mehr. Seit er das gesehen hatte, musste er beinahe ständig daran denken und das nervte ihn jetzt schon. Es war ja normal an seine Freunde zu denken, aber es war definitiv nicht normal, wenn man daran dachte, wie sein Freund nackt und verschwitzt war und den Schwanz eines anderen Kerles in sich hatte. Moment – was hatte er da gerade gedacht? Eines anderen…? „Warum benimmst du dich so?“ Total verwirrt sah er Ryo an. Er hatte seine Worte gehört, aber wirklich zu ihm durchgedrungen waren sie nicht. Aber über das, was Ryo gesagt hatte, konnte er auch gar nicht weiter nachdenken, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu beruhigen. Natürlich hatte er nur daran gedacht, dass Ryo überhaupt einen Schwanz in sich hatte! Natürlich. An was auch sonst? Er schüttelte leicht den Kopf, was nun Ryo verwirrte. Er zog die Augenbrauen in die Höhe und wartete weiter auf eine Antwort, die aber blieb aus, also blieb ihm nichts anderes übrig als es erneut zu versuchen. „Satoshi.“ Schwupps hatte er seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Woran der Sänger gedacht hatte, wollte er lieber gar nicht wissen. „Warum rennst du den ganzen Tag schon vor mir weg? Hab ich dir irgendetwas getan?“ Angesprochener runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Ich hab gesehen, wie du im Bett mit ’nem Kerl lagst und getan hast du da ziemlich viel.“ Ryo wurde schlagartig rot und plötzlich war er auch ganz still. Er sah jetzt lieber auf seine in seinem Schoß verschränkten Hände und versuchte ruhig zu bleiben. „Wie kannst du denn sowas machen? Mal davon abgesehen, dass das schädlich für die Band sein kann, kann da sonst was passieren! Du hast es mir nicht mal erzählt! Wie lange bist du schon so?“ Die Worte sprudelten nur so aus ihm raus und als sie seinen Mund verlassen hatten, war es zu spät. Er wusste, dass er etwas Falsches gesagt hatte, und zurücknehmen konnte er es nicht mehr. Leider. Ryos Finger verkrampften sich ineinander und von einer Sekunde auf die andere schien alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen zu sein. „Findest du mich jetzt eklig?“, fragte er leise, sah ihn aber nicht an. Satoshi zögerte. Fand er ihn eklig? Nein. War er zutiefst geschockt und unsicher? Ja. Aber das konnte er doch nicht sagen! Sein Stocken wurde falsch interpretiert. Ryo stand auf und wollte gehen. „Gut, wenn das so ist… dann geh ich lie-“ „Unsinn! Setz dich hin!“, sagte Satoshi harsch und überrumpelte den kleinen Drummer, der sich einfach wieder hinsetzte und ihn verdutzt ansah. „Ich find dich nicht eklig.“ „Und warum benimmst du dich dann so? Du führst dich auf wie ein Fünfjähriger, der Mama und Papa beim Sex erwischt hat und damit nicht umzugehen weiß. Du solltest doch wohl wissen, was das zu bedeuten hat, oder? Du solltest wissen, dass das nicht einfach nur eine kleine Verirrung war. Du solltest wissen, dass ich nicht bin, wie man es von mir erwartet. Gerade du! Warum kommst du damit nicht klar, Satoshi? Das ändert doch zwischen uns überhaupt nichts! Es ändert rein gar nichts! Ich bin doch kein anderer Mensch, nur weil ich nicht auf Frauen stehe, sondern auf Männer!“ Da war er platt. Mit so einer Ansprache hatte er nicht gerechnet. Ihm wurde schlagartig klar, dass er sich wirklich kindisch benahm. Manchmal war es ja ganz lustig, wenn das Kind in ihnen wieder zum Vorschein kam, aber in Situationen wie dieser war das wohl eher unangebracht. „Warum hast du nichts gesagt?“ Ryo blinzelte ihn an. Und dann hätte er beinahe gelacht, so kam es Satoshi zumindest vor. „Ich sollte dir sagen, dass ich schwul bin?“ Der Sänger nickte. „Was meinst du, was dann passiert wäre?“ Keine Antwort war ja auch eine Antwort, dachte er sich. „Bei aller Liebe, aber manchmal gehst du mir wegen viel weniger wichtigen Sachen schon gehörig auf den Zeiger, da brauch ich nicht noch etwas, weshalb du mich nerven kannst.“ Als Satoshi widersprechen wollte, fuhr er ihm über den Mund. „Es reicht mir schon, dass du ständig meckerst, wie ungesund doch rauchen ist. Aber nur weil du mir das 200 Mal am Tag sagst, wird das nicht gesünder. Ich weiß, was ich mache. Wenn ich Hilfe brauche, sag ich schon Bescheid! Meinst du ernsthaft ich brauch dann noch etwas, womit du mich den ganzen Tag vollquatschen kannst?“ Jetzt war es Satoshi, der plötzlich sehr still war. Ryo atmete angestrengt ruhig um sich nicht noch weiter aufzuregen. Satoshi lauschte seinem Atem und ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Sicher hatte er gewusst, dass er Ryo nervte, wenn er andauernd so besserwisserisch war was das Rauchen anging, aber dass es so extrem war, hatte er nicht einmal geahnt. „Warum sagst du nicht, dass dich das nervt?“ „Das tu ich doch! Aber du scheinst da ja ganz gut drüber hinweg sehen zu können! Warum kannst du das jetzt nicht auch?“ „Weil das was anderes ist! Ob es mir nicht passt, dass du rauchst, oder das jetzt… das ist ja wohl ein meilenweiter Unterschied!“ Ryo musterte ihn und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er sich zurücklehnte. „Es stört dich… dass ich auf Kerle stehe, stört dich…“ „Nein.“ Doch. „Dann bist du so zickig, weil ich’s dir nicht gesagt hab?“ „Nein.“ Doch! „Was ist es denn dann?“, fragte er genervt und sah ihn immer noch an. „Weiß ich doch auch nicht, man!“, fuhr er Ryo an und bereute es im nächsten Moment fast schon wieder. Er stand auf. „Ich hab keine Ahnung, okay? Es ist einfach ‘ne verdammt komische Situation. Ich wünschte, ich hätt’s anders erfahren.“ Ryo stand auch auf und ging auf ihn zu. Tapfer wie er war, blieb Satoshi stehen. „Das ist es also? Es kratzt dich nicht, dass ich auf Kerle steh, sondern dass du es gesehen hast?“ Satoshi war unsicher, aber er nickte. Ja. Ja, das störte ihn – und wie! Ryo seufzte. „Ich wünschte das wäre nicht passiert… aber was kommst du auch einfach so in mein Zimmer geplatzt? Irgendwie bist du ja selbst schuld.“ Er grinste leicht, nur war er der einzige, der das gerade lustig fand. „Woher sollte ich denn wissen, dass du nicht allein bist? Ich wollte nur nachsehen ob’s dir auch gut geht, immerhin bleibst du sonst auch immer bis alle ins Bett gehen. Ich dachte du wirst krank oder sowas.“ Ryos Grinsen wurde nur noch breiter. „Aww. Du hast dir Sorgen um mich gemacht? Wie süß!“ Er lachte und zog Satoshi in eine Umarmung. Der Sänger stand aber ein wenig verkrampft da und bewegte sich gar nicht, sodass Ryo ihn lieber schnell wieder losließ. Er sah ihn unsicher an und seufzte schließlich leise. „Sag mir Bescheid, wenn du wieder so weit bist.“ Er drehte sich um und ging zur Tür. „Bis morgen dann.“ Und schon war er verschwunden. Satoshi stand bestimmt noch zehn Minuten einfach so da, ehe er wieder zur Couch ging und sich hinsetzte. Unweigerlich wandte sich sein Blick zu der Stelle, wo Ryo eben noch gesessen hatte und er musste an die Worte des Drummers denken. Es änderte nichts. Sie waren immer noch Freunde, alles konnte sein wie früher, wie vor diesem… Zwischenfall. Das hatte er gesagt. Doch je länger Satoshi dasaß und darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sich doch schon längst etwas geändert hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)