kyoosha - learning by doing von ivy-company (AoixKanon) ================================================================================ Kapitel 44: Wie man vermisst ---------------------------- Kapitel 44 Wie man vermisst „Ich sollte mich mal wieder auf den Weg machen. Danke für die Hilfe. Und ich hoffe, dir ist klar, dass die kleine Durchsuchung unter uns bleibt?“ Kanon schreckte aus seiner Gedankenwelt auf und sah zu Gackt, der sich wieder seine Sonnenbrille aufsetzte. Eigentlich hatte er auch gar nicht vorgehabt ihre kleine Aktion weiter zu erzählen. Schließlich würde er sich damit auch selbst belasten. Allerdings fiel ihm jetzt eine Möglichkeit ein, wie er das kleine Geheimnis noch etwas besser nutzen konnte. „Ich werde schon leise sein. Aber nur, wenn du mir noch einen winzigen Gefallen tust“, flötete er dem Älteren entgegen und sprang dann zurück zu Reitas DVD-Regal. „Die nimmst du auch noch mit.“ Freudestrahlend überreichte Kanon dem Sänger einen kleinen Stapel an Filmen, welche vom diesem nur skeptisch beäugt wurden. „Das ist meine Toplist der widerlichstem Filme, die Reita besitzt“, erklärte der Bassist. „Nimm sie bitte mit. Du kannst sie auch ruhig wegwerfen oder verbrennen. Mir egal.“ Interessiert schaute sich Gackt die Cover der Filme an, auf denen größtenteils nur Blut und abgetrennte Körperteile zu sehen waren. „Hab ich wenigstens bisschen Unterhaltung, bis Ruha zurück ist.“ Damit verabschiedete sich der Ältere und ließ Kanon wieder allein. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, bemerkte dieser aber erstmal wieder, was es hieß, allein zu sein. Gackts Anwesenheit hatte ihm deutlich gemacht, dass es ihm sogar mehr oder weniger egal war, wer denn hier war. Hauptsache irgendjemand! In seiner eigenen Wohnung hatte er nie große Probleme gehabt allein zu sein. Obwohl er ja durch das Zusammenleben mit Teruki zuvor auch nicht an Einsamkeit gewöhnt war. Nur jetzt war es irgendwie anders. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass das Leben bei Aoi und Reita so aufregend war, dass ihm jetzt das Alleinewohnen erst richtig bewusst wurde. Er musste mal wieder irgendjemanden einladen. Wieso auch nicht? Jetzt würden es die beiden Wohnungsbesitzer ja sowieso nicht mitbekommen. Die Stille durchbrach schließlich ein Geräusch, das ihm das Herz höher schlagen ließ: Sein Handypiepen. Es hatte sich in den letzten Tagen öfters gemeldet, aber nie war die erhoffte SMS dabei gewesen. Natürlich freute er sich über Nachrichten seiner Band, aber noch mehr würde er sich über eine Nachricht von jemand anderem freuen. Von jemand bestimmtem. Mit klopfendem Herzen ging er zum Küchentisch rüber, auf dem sein Handy lag, und warf einen Blick aufs Display. Es war Aoi. Aoi! Endlich! Er hatte schon geglaubt, der Ältere hätte ihn einfach vergessen oder keine Lust mehr auf ihn und irgendwann hatte Kanon einfach Angst gehabt, ihm wirklich auf die Nerven zu gehen. Jetzt aber ermahnte er sich selbst sich zu beruhigen. Es war nur eine SMS! Er sollte sich nicht so anstellen! Kein Kuss. Kein Liebesgeständnis. Nur eine kleine kurze Nachricht. Schließlich nahm der Bassist das Handy in die Hand und öffnete sie. „Tut mir leid!“ Mit diesen Worten wurde er begrüßt und sie lösten ein Gefühl der Erleichterung in ihm aus. Es waren wirklich Worte, die Aoi ihm geschrieben hatte. Nur Aoi. Und nur an ihn. Auch wenn Kanon bemerkte, wie kitschig verliebt diese Gedanken waren, konnten sie sein Glücksgefühl nicht trüben. „Wir hatten die letzten Tage über keinen Empfang! Sind gerade in Deutschland und haben heute frei. Wie gehts dir?“ Kanon atmete einmal tief durch und ein Lächeln zierte seine Lippen. Es ging ihm gut. Nach einer solchen SMS konnte es ihm ja auch nur gut gehen! „Hey! Schön, wieder von dir zu hören! Mir geht’s gut. Hatte die letzten paar Tage viele Proben. Wie geht’s dir so?“ Kanon wartete noch ab, bis sein Handy ihm die Sendebestätigung anzeigte und ging dann ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Doch kaum hatte er den Raum verlassen, fing sein Handy an zu klingeln. Sofort rannte er zurück und schnappte sich das Telefon. Auf dem Display leuchtete ihm der Name „Aoi“ entgegen. Sein Herz hämmerte. Das war keine SMS. Das war ein Anruf! „Aoi?“ Der Bassist presste sich sein Handy gegen das Ohr. „Kanon?“ Diese Stimme. Kanon hatte gar nicht gemerkt, wie sehr er sie vermisst hatte. „Hey“, antwortete er sanft und ließ sich auf das Sofa plumpsen. Der Ältere antwortete ebenfalls mit einem „Hi“ und Kanon glaubte, ein Lächeln in den Worten gehört zu haben. Auch der Bassist begann zu lächeln, doch er versuchte sich zusammenzureißen. Wahrscheinlich hatte Aoi nicht aus Europa angerufen damit sie sich gegenseitig anschwiegen. Sein Herz schlug erneut schneller. Aoi rief ihn gerade tatsächlich aus Europa an! Ok… zusammenreißen! „Und? Wie gefällt dir Deutschland so?“ Zwar keine sehr tiefgründige Frage, aber immerhin. „Hm, ich bin hungrig“, murrte der Ältere zurück, was Kanon etwas verwunderte. So kurze und kryptische Aussagen war er eher von Reita gewöhnt. Wieso rief Aoi denn überhaupt an, wenn er so schlecht drauf war und anscheinend gar nicht reden wollte? Kanon traute sich nicht eine zweite Frage zu stellen und kurz herrschte Stille. Irgendwann hörte er Aoi gequält aufseufzen. „Wir hatten bis jetzt noch gar keinen ganzen Tag frei. Immer nur ein paar Stunden und in der Zeit hab ich entweder geschlafen oder gegessen. Doch jetzt hab ich so viel Zeit und ich glaub ich hab irgendwie… Heimweh.“ Kanon musste wieder lächeln. Obwohl Aoi irgendwie traurig zu sein schien, hörte es sich so niedlich an. Am liebsten würde er ihn jetzt umarmen. Ganz fest in seine Arme schließen. Ihm sagen, dass sie in einer Woche ja schon wieder zu Hause sein würden. „Europa ist ja auch ziemlich anders“, sagte Kanon schließlich und fügte noch ein leises „Und so weit weg…“ hinzu. Er hatte damals auch ein kleines bisschen Heimweh gehabt, als sie dieses Jahr nur ziemlich kurz in Europa und Amerika gewesen waren. Da konnte er Aoi ganz gut verstehen. „Und so andere Menschen…“, kam es ebenfalls leise aus seinem Handy. Kanons Herz machte wieder einen kleinen Hüpfer. Vielleicht bezog es Aoi ja auf die Menschen allgemein, aber vielleicht… ganz vielleicht war ja auch er damit gemeint. Er jedenfalls vermisste den Gitarristen. Jetzt, wo er dessen Stimme hörte, sogar noch viel mehr als er gedacht hatte. Am liebsten würde er diese Europatour verfluchen. Und er war auch schon mehrmals kurz davor gewesen, aber Kanon wusste, dass es eine Erfahrung war, die man genießen musste. Er wollte Aoi jetzt nicht die Laune verderben und ihm noch einreden, dass er so schnell wie möglich diese dumme Tour hinter sich bringen sollte. Aber verdammt… Er wollte genau das. Dass Aoi so schnell es ging wieder hier war. „Ich vermiss dich…“ Dass er die Worte ausgesprochen hatte, merkte Kanon erst, als es schon passiert war. Ihm wurde sofort heiß und er geriet leicht in Panik. Das hatte er jetzt doch eigentlich wirklich nicht sagen wollen! Natürlich vermisste er Aoi, aber… Aber… Das auszusprechen war eine ganz andere Sache!! Ihm wurde noch heißer, als von der anderen Seite her niemand antwortete. „Ich meine…“, begann er rumzustammeln. „Es ist so ruhig hier! Und… niemand ist da, weil… weil…“ Weil sie auf Europatour waren. Der Bassist verdrehte die Augen. Er blamierte sich mal wieder in Grund und Boden. „Ich vermiss dich auch.“ Die Worte an seinem Ohr wurden so sanft ausgesprochen, dass Kanon eine Gänsehaut bekam. Sofort verstummte er. Seine Panik verflog. Aoi vermisste ihn. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Plötzlich fühlte sich alles wieder gut an. Keine Panik. Keine Aufregung. Es fühlte sich einfach nur gut an, diese Worte von Aoi zu hören. Es fühlte sich richtig an diese Worte zu Aoi zu sagen und sie auch gesagt zu bekommen. Und Kanon konnte sich vorstellen, dass es sich bei einem anderen Geständnis ähnlich anfühlen würde. Allerdings war das nichts, worüber er sich jetzt den Kopf zerbrechen wollte. Lieber die restliche schöne Zeit genießen, in der er noch Aois Stimme hören durfte. Tatsächlich hatte der Ältere seine wortkarge Stimmung nun vollends abgelegt und begann Kanon von der Tour zu erzählen. Ein Großteil der Erzählung bestand natürlich wieder aus Beschwerden über seine Bandmember, doch das war dem Jüngeren egal. So lang er Aoi zuhören durfte und diesen sogar ab und zu mit kleinen Kommentaren zum Lachen bringen konnte, war ihm alles recht. Gerade als Aoi mitten in einer sehr ausführlichen Erklärung darüber war, wieso er nächstes Mal nicht neben Ruki im Bus sitzen wollte, wurde er von einem lauten Klopfen unterbrochen. „Warte mal kurz.“ Kanon hörte, wie Aoi ein ziemlich ruppiges „Herein“ rief und sich dann kurz mit jemanden unterhielt, bevor die Zimmertür wieder geschlossen und der Störenfried anscheinend verjagt war. „War nur Ruha. Wollte wissen, ob ich mit ihm essen gehen und mir bisschen die Stadt angucken will“, entschuldigte sich der Ältere, als er sich wieder den Hörer geschnappt hatte. Der Jüngere sah auf die Uhrzeit, die ihm vom DVD-Player her anblinkte. Sie telefonierten sicher schon 10 Minuten. Zwar noch nicht wirklich lang, aber schon diese kurze Zeit kosteten den Gitarristen sicher ein Vermögen. „Und? Gehst du mit?“, fragte der Jüngere vorsichtig, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Ach… eigentlich hab ich nicht wirklich Lust“, druckste der Ältere rum. Wieder wanderte Kanons Blick zur Uhr. Er hatte Aois Heimweh eigentlich schon lang genug ausgenutzt. „Geh doch mit! Das bringt dich sicher auf andere Gedanken und lenkt dich ab. Deine schlechte Laune geht sicher nicht davon weg, dass du einsam in einem Hotelzimmer sitzt.“ „Aber…“, meinte Aoi weiter, doch Kanon unterbrach ihn. „Nichts ‚aber‘. Ihr seid in Europa! Du musst doch was zu erzählen haben, wenn du wiederkommst!“ Er freute sich schon jetzt darauf. Wahrscheinlich würde Kanon bei den Erzählungen selbst ein bisschen Fernweh bekommen, schließlich hatten An Cafe nicht sonderlich viel Zeit für Sightseeing gehabt, aber gerade deshalb wollte er, dass Aoi mitging. Er würde es bereuen, die ganze Zeit nur in seinem Hotelzimmer gesessen zu haben. Kurz herrschte noch Stille am anderen Ende, bevor ein seufzendes „Na gut“ erklang. In Kanon mischte sich Triumpf mit einem leichten Anflug von Traurigkeit. Wenn Aoi mitging bedeutete das, sie mussten das Gespräch jetzt beenden. Der Ältere bestätigte das auch noch. „Ich muss mich dann jetzt umziehen. Ruha wollte in 15 Minuten los…“ „Okay.“ Wieder Stille. „Okay“, kam es dann auch von Aoi. Ganz so als wollte sich keiner zuerst verabschieden. Die Stimmung war drückend. So sehr, dass Kanon kurz davor war, den anderen zu bitten doch nicht mitzugehen. Er riss sich dann aber doch zusammen. So konnte das ja schließlich auch nicht ewig weitergehen. Und Aoi wirklich darum zu bitten kam eigentlich gar nicht infrage. Auch wenn er die Stimme des Älteren jetzt schon vermisste. „Ich meld mich wieder, sobald ich kann. Aber keine Ahnung wie das hier in den nächsten Tagen mit dem Empfang ist.“ „Alles klar.“ Kanon hasste das Gefühl nicht zu wissen, wann er wieder mit Aoi Kontakt haben würde. „Dann bis bald!“ „Bis bald! Und viel Spaß noch!“ „Danke, dir auch.“ Kanon konnte erneut ein Lächeln in den Worten hören. Ein kurzes Zögern folgte noch, bevor schließlich das Tuten aus dem Handy kam und der Bassist mit einem tiefen Seufzer auch auf den roten Hörer drückte. ______ Er war aufgeregt. Verdammt aufgeregt. Dabei wusste er gar nicht wirklich warum! Vielleicht hätte er doch zum Flughafen fahren sollen. Diesen Gedanken hatte Kanon dann aber nach ewigem hin und her verworfen. Sicher lauerten irgendwo Fangirls und er wollte nicht wie eins von diesen erscheinen und Aoi am Flughafen auflauern. Deshalb hatte er sich dazu entschieden, hier in der Wohnung zu warten. In Aois Wohnung. Dort, wo kein Fangirl Zutritt hatte. Der Bassist saß auf dem Sofa und zappte ziellos durchs Fernsehprogramm, während er nervös auf seiner Lippe kaute. Er hatte durch das Internet genau verfolgt, wann das Flugzeug gelandet war. Das war jetzt schon zwei Stunden her. Wie hatte er es nur geschafft zwei Wochen alleine zu überstehen, wenn ihn jetzt schon zwei Stunden beinahe umbrachten? Zwar hatte sich Aoi nach ihrem Telefonat regelmäßiger gemeldet, aber alle paar Tage eine SMS waren auch nicht mehr als ein Lichtstreifen am Horizont gewesen. Telefoniert hatten sie nicht nochmal. Ihr eines Gespräch war Kanon zu schön erschienen, dass jeder weitere Anruf wohl nur eine Enttäuschung mit sich gebracht hätte. Also hatte sich der Bassist an die SMS und die Erinnerungen an das Telefonat geklammert und so irgendwie die Zeit überstanden. Irgendwie… Kanon wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er ein Geräusch vor der Wohnungstür wahrnahm. Als dann noch ein Schlüssel von außen ins Schloss gesteckt wurde, sprang er sofort auf und starrte gebannt in Richtung Eingang. Seine Anspannung erinnerte ihn ein wenig an Gackts Einbruch. Mit dem Unterschied, dass es sich dieses Mal nicht um Angst, sondern um Vorfreude handelte. Denn er wusste dieses Mal genau, wem dieser Schlüssel gehörte. Aoi. Gleich würde der Ältere vor ihm stehen und ihn anlächeln. Alles begann zu kribbeln. Kanon ging jetzt einige Schritte in Richtung Hausflur. Sein Herz machte einen Luftsprung als endlich die Tür aufgerissen wurde. „Endlich wieder zu Hause! Hey Kleiner! Hast du was gekocht? Ich sterb gleich.“ Perplex sah Kanon dabei zu, wie Reita grinsend die Wohnung betrat und sofort die Kochnische ansteuerte. Selbst als der Blonde ihm beim Vorbeilaufen kurz die Haare verstrubbelte und ihm einen Klaps auf die Schulter gab, bewegte Kanon sich nicht und starrte weiter die offene Tür an. Ja, er hätte damit rechnen sollen, dass Reita auch reinkam. Und vielleicht auch, dass er als erstes die Wohnung betrat. Irgendwie hatte er den Blonden aber aus seinen Gedanken verdrängt und verdiente deshalb wohl auch diese enttäuschende Überraschung. Doch nachdem sich der Jüngere von seinem kurzen Schock erholt hatte, gab es für ihn nur noch eine entscheidende Frage: „Wo ist Aoi??“ „Der trägt das Gepäck. Hätte nicht gedacht, dass er so schwach ist und so ewig braucht, aber…“ Kanon bekam nicht mehr mit, wie der Satz endete. Und es interessierte ihn auch nicht. Fluchtartig rannte er aus der Wohnung. Die Treppen waren kalt und er wusste, dass er eigentlich nicht so rennen sollte, weil er nur sockig war. Doch das war in dem Moment alles zweitrangig. Kanon kam so ruckartig zum Stehen, dass er beinahe doch noch gestürzt wär. Er stand auf den Stufen zwischen dem dritten und vierten Stock. Sein Atem ging schnell und er wusste nicht ob das vom Rennen oder von der Person kam, die jetzt vor ihm stand. „Ich schwör dir Reita, nächstes Mal lass ich deine verfluchte Tasche einfach stehen und du kannst das Drecksding selbst tragen!“ Aoi schaute nicht auf, sondern ließ nur eine schwere Tasche in den Hausflur des dritten Stocks plumpsen, um seine Worte noch zu unterstreichen. Der Bassist stand nur da und sah den Älteren an. Er wirkte ziemlich geschafft und müde und trotzdem sah er umwerfend aus. Kanon spürte, wie seine Wangen bei diesem Gedanken warm wurden, aber es war ihm egal. Sein Atem ging immer noch schnell. Er wollte sich gar nicht beruhigen. „Trag deinen Scheiß alleine!“, gab Aoi nochmal von sich, schulterte seine eigene Tasche richtig und wollte gerade den restlichen Weg nach oben antreten, als er seinen Blick endlich hob und sich dieser mit Kanons kreuzte. Er hielt inne. Sie sahen sich einfach nur an. Und Kanon spürte es in jeder Faser seines Körpers: Er hatte Aoi so sehr vermisst wie noch nie jemand anderen vor ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)