Auf der Suche nach dir von Finvara (Wichtel-Ff für [[Chimiko]]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Zwei Kinder rannten über eine Wiese, nahe den Klippen. Das Wasser rauschte gegen die Felsen, war wild und ungestüm. Über ihnen strahlte die Sonne, wie noch nie zu vor in diesem Jahr. Fröhliches Lachen erklang aus ihren Kehlen, als sie sich in den Blumen wälzten, rauften. Eine perfekte, kleine Idylle. So schien es zumindest auf den ersten Blick. Doch die alte Bauersfrau, die an ihnen vorüber ging, wusste, dass es nicht so war. Immerhin war Tai-Lynn die Königstochter. Ein kleines, blondes und freiheitliebendes Mädchen. Viel lieber spielte sie mit dem der Bauersfrau jüngsten Sohn, tollte über die Wiesen anstatt zu lernen, wie sich eine Prinzessin verhielt. Oft genug wurde die Bauersfrau bestraft, weil ihr Sohn mit dem adligen Mädchen spielte. Doch es hielt sie nicht davon ab, ihren Sohn weiterhin mit der Prinzessin spielen zu lassen, fern ab des Schlosses, wenn Tai-Lynn wieder einmal ausgebüchst war. Kinder sollten glücklich sein. Doch an diesem Tag hatte sie ein schlechtes Gefühl und rief nach ihrem Sohn als sie eben dort worüber ging: „Hael! Komm her!“. Hael hörte nicht sofort, sondern raufte sich lieber weiter mit dem Mädchen weiter. Die Bauersfrau rief lauter: „Hael! Komm her!“ Der kleine Junge lief los und winkte Tai-Lynn zu. Seine Mutter durfte er nicht warten lassen. Stürmisch umarmte er die alte Frau und fragte: „Mutter? Was soll ich denn tun?“ Das blonde Mädchen blieb zurück und sah Hael lange hinterher. Schließlich wand sie sich ab und betrachtete das Meer. Sie wollte runter von dieser kleinen Insel, die sie davon abhielt mehr von der Welt zu sehen. Von der Insel, von der immer Menschen verschwanden und sie nicht verstand, warum es so war. *~* Tai-Lynn stand am Hafen und war nicht länger Prinzessin, sondern eine Piratin, obwohl sie die Kleider einer Prinzessin trug. Ein weißes, schulterfreies Kleid. An ihrer Brust war es leicht gerafft und der Rock bestand aus Tüll, mit einem Blumenmuster. Doch das Haar, das sie einst lang trug, war nun Schulterlang, aber immer noch blond. Blond… die Haarfarbe, die Hael immer am liebsten mochte. Die junge Frau wusste nicht, was mit ihm geschehen war. Das letzte Mal sah sie ihn, als die Bauersfrau, die schon längst Tod war, ihn rief. Tai-Lynn würde ihn finden. Und wenn es das letzte wäre, was sie tat. Mit sicheren Schritten ging sie auf das Schiff zu, das mit der Jolly Roger, ihre neue Heimat. Ihr Blick war fest, doch in ihrem Inneren zitterte sie vor Angst. Das Herz schlug ihr fest gegen ihre Brust als der Kapitän ihr die Hand gab. Er hatte dasselbe rote Haar wie Hael und sein Gesicht war ebenso Sommersprossig. Hatte sie ihn tatsächlich gefunden? „Ich werde dich Tai nennen. Ich bin Kapitän Raik.“, mehr Zeit nahm er sich nicht für sein neues Mitglied. Um akzeptiert zu werden musste sie sich selbst beweisen, offen und ehrlich sein. Dann würde Tai auch Freunde finden. Und Tai bewährte sich. Schnell wusste sie, was ihre Aufgaben waren. Mit ihrer natürlichen Art und dem offenen Lächeln fand Tai schnell Freunde. Das Leben machte ihr Spaß, zum ersten Mal seit langem. Sie liebte die raue Gewalt eines Sturmes, wenn die Mannschaft das Schiff vor dem Kentern bewahren musste. Sie liebte auch die ruhigen Tage. Besonders wenn ihr liebster Freund anwesend war. Ja, sie hatte sich angefreundet mit Raik, dem Kapitän. Oft standen die beiden an der Reling, redeten, lachten. „Kapitän, meintet Ihr das ernst? Ihr habt wirklich ein Schiff der Marine vor dem Untergang bewahrt?“, Tai klang ungläubig. Es war ja geradezu lächerlich, das Piraten der Marine halfen. „Natürlich habe ich das. Ich denke, ich habe dir noch nicht gesagt, dass wir denen helfen, die Hilfe brauchen. Wir haben keine Feinde.“ Tai nickte einfach nur, blickte ins Wasser. Einige aus der Mannschaft hatten so etwas angedeutet, doch Tai hatte es für einen Witz gehalten. Doch bei Raik klang es so wirklich. Sie glaubte dem Kapitän. „Ich muss noch das Deck wischen“, beendete Tai das Gespräch zwischen ihnen und floh fast schon. Das Mädchen musste nachdenken. Sie wusste, dass sie an eine nette Bande von Piraten geraten war, immerhin segelten sie jetzt schon gut ein halbes Jahr über die Ozeane, hatten ihre Beute oft an Arme verteilt. Aber es wirkte unecht, falsch. Sie waren Piraten! *~* Tais Kleidung hatte sich geändert. Statt des Kleides trug sie nun mehr eine praktische, knielange Stoffhose in rot, dazu ein schwarz-weiß gestreiftes Oberteil mit kurzen Ärmeln und ein Kopftuch, ebenfalls in rot, damit das Haar ihr nicht im Gesicht flatterte. Die Kleidung sorgte dafür, dass sie sich unter den Piraten wirklich heimisch fühlte. Sie war da, wo sie immer sein wollte. Nur Hael fehlte ihr. Sie wollte mit Hael um die Welt segeln, Abenteuer erleben. Und nun suchte sie ihn. Das Hochgefühl war verflogen und wurde ersetzt durch tiefe Einsamkeit. Klar, sie waren noch Kinder gewesen, aber niemals mehr hatte sie einem Menschen so vertraut, dass er ihr inneres sehen durfte. Nach einem weiteren Monat erreichten sie eine Insel. Dort gab es nur ein einziges Dorf, ärmlich und heruntergekommen. Tai sah sich unsicher um. Vielleicht fand sie hier Hael. Ihre Suche gestaltete sich als schwieriger als sie dachte. Egal wo sie waren, niemand hatte ihn gesehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Raik sprach mit einem einfachen Mann und Tai ging zu ihnen. Freundlich lächelte sie den Mann an: „Haben Sie vielleicht vor kurzem einen Mann gesehen? Er sieht ungefähr so aus wie Kapitän Raik, nur ein wenig jünger“. „Ich bedauere, junge Frau, aber nein, habe ich nicht“, der Mann deutete eine Verbeugung an. Tai stiegen Tränen in die Augen. Egal wo sie suchte, nie war er da! Es war zum heulen! Dabei wünschte sie sich nichts sehnlicher als Hael wiederzufinden und ihn Lachen zu hören. Fürsorglich legte Raik seinen Arm um das Königskind. Er konnte sich gut in sie einfühlen und auch der fremde Mann spürte all ihre Verzweiflung und Trauer und sagte: „Vielleicht sollten Sie einmal zu Rike, dem Klatschweib unseres Dorfes. Sie müsste in dem Gasthaus zu finden sein“. Tais Gesicht hellte sich auf, dankte dem Mann und machte sich auf den Weg. Der Mann sagte das Gasthaus liege am anderen Ende des Dorfes. Es war kein weiter Weg, denn das Dorf war klein. Unterwegs traf sie zwei Kinder, beide hatten weißblondes Haar. Tai beugte sich zu ihnen runter, streichelte ihnen das Haar und gab den unterernährten Kindern Brot. Sie erreichte das Gasthaus und öffnete die alte, schäbige Tür. Die Dielen knarrten unter ihren Füßen, die Tische waren alt und schmutzig. An den Wänden waren Spinnenweben. Schon ewig hatte es hier keinen Gast mehr gegeben. „Hallo?“, rief Tai halblaut, als eine Frau, sie musste wohl Rike sein, die Treppe runterkam, welche ebenfalls knarrte und knarzte. Die Frau schien jung zu sein, ihre Augen strahlten, und doch sah sie müde aus. „Ja, wer ist da?“, sie blieb vor Tai stehen und musterte sie neugierig. „Tai ist mein Name. Sind Sie Rike?“ „Ja, die bin ich. Doch seit dem Tod meiner Mutter war niemand mehr hier. Was wünscht Ihr?“, ihr Ton war geschäftsmäßig, aber die Neugier konnte man nicht überhören. Wahrscheinlich würden morgen alle wissen wer sie und was sie wollte. „Ich habe nur eine Frage, Rike. Ich suche einen Mann, in etwa mein Alter. Er hat rote Haare, ein Sommersprossiges Gesicht und unendlich grüne Augen. Rike musterte Tai, die sie hoffnungsvoll ansah. Es war vor kurzem jemand hier gewesen, er war dunkelhaarig gewesen und hatte ihr gedroht. Doch Rike wusste, dass sie dieses Wissen zu Geld machen konnte, auch wenn diese Tai jemand anderen suchte. Ihre Kinder hatten Hunger und sie hatte kein Geld um ihnen etwas zu kaufen. „Wenn du mir Geld gibst, dann sag ich dir ob ich was weiß!“ Tai sah die Frau an. Sie hatte dasselbe Haar wie die beiden Kinder, denen sie Brot gegeben hatte. Sie selber hatte selten Geld, im Moment war es wenig, aber diese Frau, Rike, brauchte es dringender als sie. Denn Tai hatte immer genug zu essen auf dem Schiff, jemand, der sich um sie sorgte, ob es nun der Kombüsenjunge war oder Kapitän Raik. Rike schien niemanden zu haben. Aus diesem Grund siegte ihre anständige Art. „Ich habe selber nur ein wenig Geld, aber ich hoffe es reicht“, Tai hielt ihr zwei Goldmünzen hin. Rike nahm sie schnell. Damit könnte sie sich und ihre Kinder einen, vielleicht auch zwei Monate ernähren. Das Geld verschwand in ihrer Rocktasche: „Ja, ich habe so jemanden gesehen, vor zwei oder drei Tagen. Er war hier und wollte nach Osten, zu den Bergen“, Tai lauschte ihr aufgeregt, ihr Herz schlug wild und heftig gegen ihre Brust. Endlich gab es Hoffnung. Nicht einen Moment zweifelte Tai daran, das Rike lügen könnte. Rike verschwieg wohlweislich, das in den Bergen eine Hexe hausen sollte, die einen großen Goldschatz bewachen sollte. Nach eben diesem hatte dieser Mann gesucht, ebenso ihr Mann und viele andere mutige Männer. Doch keiner von ihnen kehrte je wieder zurück. Tai verabschiedete sich. Die Berge waren nicht allzu weit entfernt, zwei Tagesmärsche, genug Verpflegung trug sie dabei. Eigentlich müsste sie ihrem Kapitän Bescheid sagen, doch alles zog sie nach Osten. So gab sie dem flehen ihrer Seele nach und wanderte los. Sie erreichte den Berg schneller als sie es erwartet hatte. Am Fuße des Berges sah sie sich um, fand schließlich einen Eingang, so eine Art Höhle. Vielleicht… Tais Augen glitzerten vor Hoffnung und Vorfreude, ihr Herz schlug schnell und hart gegen ihre Brust. Mit schnellen Schritten betrat sie die Höhle. In der plötzlichen Dunkelheit konnte sie im ersten Moment nichts sehen, ihre Augen brauchten einen Moment ehe sie Umrisse erkennen konnte. In ihrer Tasche tastete sie nach einer Fackel und ihren Streichhölzern, welches sie beides auf Raten des Vizekapitäns mitgenommen hatte. Innerlich dankte sie ihm für sein Drängen, als die Fackel aufflammte und bald darauf unheimliche Schatten an der Wand tanzten. Sie fand sich, nachdem sie den Eingangsbereich verlassen hatte, in einem verzweigten Gängesystem wieder, nein es war eher ein Labyrinth. Doch diese Tatsache hielt sie nicht davon ab weiter zu gehen, auch wenn es gefährlich war. Währenddessen hatte der junge Kapitän ihr Verschwinden bemerkt, immerhin, lange genug war sie schon weg. Seine Sorge breitete sich in der gesamten Mannschaft aus und ließ sie unruhig werden. Raik stand auf, sah seinen Vize an: „Ich werde sie suchen gehen“, dann verließ auch er das Schiff. Tai bedeutete ihm mehr, als er nach außen zeigte. Sie war so unglaublich ehrlich, lachte viel und hatte ihm gezeigt, auf ihre Art und Weise, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte. Anfangs war sie für Raik nur so etwas wie eine Schwester, dann wurde sie zu seiner Vertrauten und schlussendlich verliebte er sich in das blonde Königskind. Raiks erster Weg führte zu Rike. Das Gasthaus sah, wie bei Tais Besuch, verstaubt aus. Aber Rike war nicht da. Genervt zog Raik Luft ein. Wieso, verdammt noch mal? Also musste er erst einmal das Klatschweib suchen. So verließ er die staubige Hütte und folgte dem, von Schlaglöchern durchzogenem, Weg. Der Kapitän war sich sicher, dass Rike in der örtlichen Kneipe zu finden war. Dort allerdings war nur der Wirt und der Mann, mit dem Raik vor drei Tagen sprach. Dieser hatte vor sich einen Humpen stehen, gefüllt mit etwas Alkoholischem, das Gesicht in die Hände gestützt und sah verzweifelt aus. „Schon wieder hat sie jemanden geholt! Und diesmal war es Rike“, rief der Mann. Neugierig trat Raik zu dem Tisch und ließ sich neben ihn auf den Stuhl fallen. „Wer hat Rike geholt?“, fragte der Kapitän leise. Der Mann schien ihn nicht zu bemerken, antwortete aber auf dessen Frage, ohne Raik anzusehen: „Die Hexe! Ich hielt es für ein Gerücht! Die Männer, die auszogen um den Schatz zu suchen wurden nie wieder gesehen. Aber ich dachte sie starben auf der Suche. Aber Rike ist jetzt die Zweite, die verschwunden ist!“, Tränen liefen über sein Gesicht. Das Dorf war anscheinend dem Untergang geweiht. Doch was er und keiner der anderen wusste, Rike hatte ihr altes Leben aufgegeben, zusammen mit ihrem Hausmädchen, das erste Mädchen, das verschwand. Beide waren verzweifelt und hatten alles verloren. Rike hatte ihre Kinder, aber diese erinnerten sie zu sehr an ihrem verstorbenen Mann. Das Hausmädchen versteckte sich, damit niemand Verdacht schöpfte. Drei Tage später gab Rike ihre Kinder bei der Kräuterfrau ab. Zusammen mit dem Hausmädchen schlich sie sich auf ein Schiff und hoffte auf ein besseres Leben in der unbekannten Welt. Rike war Raik relativ egal, aber er hatte eine Ahnung, nichts weiter als eine vage Idee, wo es Tai hin verschlagen haben könnte. Nämlich zu dem Ort, an dem die Hexe hauste. Schnell hatte er die gewünschte Information vom Wirt, mit dem Mann konnte man nicht mehr reden. So machte auch Raik sich auf den Weg, allerdings besser ausgerüstet und mit einer Karte des Berges. In dem Moment, wo er die Höhle betrat, fand Tai eine Kammer, nachdem sie müde und erschöpft umhergeirrt war. Es war eine Kammer, gefüllt mit Gold, Silber und Diamanten. Sie hatte keine Kraft mehr sich zu wundern, warum das Dorf so arm und heruntergekommen war, obwohl hier so ein riesiger Goldschatz lag. Auch bemerkte sie nicht den Mann, der schon in der Kammer gewesen war. Er war groß und kräftig, mit kurz geschorenen Haaren und bösen Augen. Außerdem fühlte er sich bedroht von Tai, die sich seufzend auf einen freien Stein fallen ließ um die Beine zu entlasten, die entsetzlich schmerzten. Der Mann trat hervor, drückte Tai zu Boden und fesselte sie. Bevor Tai überhaupt etwas merkte, lag sie schon geknebelt in einer Ecke, während der Mann knurrte: „Ich nehme dich und ertränke dich, damit du nichts ausplaudern kannst“. In aller Ruhe fühlte er weiter seine Taschen mit dem Gold der Kammer. Tai zitterte, Angst lähmte ihren geschwächten Körper. Sie würde hier nie wieder rauskommen. Hael nie finden, nie wiedersehen. Tränen liefen ihr aus den dunklen, blauen Augen, als sie all dies bemerkte. Sie würde sterben. Unabdinglich. Warum war sie nur so dumm gewesen? Sie wusste nicht wie viel Zeit verstrichen war. Tai war durstig, verzweifelt. Der Mann lachte und trank demonstrativ einen Beutel Wasser, ließ das Wasser an seinen Mundwinkeln vorbeilaufen und auf den Boden tropfen. „Du hättest bei Mama und Papa bleiben sollen, Kleines“, meinte er und trat nach ihr. Das Mädchen ging ihm auf die Nerven, nur weil sie ihn gestört hatte. Aufgrund der Karte fand Raik den Weg zur besagten Kammer schneller als Tai oder der Mann. Leise trat er ein. Tai war auf dem ersten Blick nicht zu sehen und dennoch war er sich sicher, dass die Gesuchte sich hier befand, denn alle Wege führten hier her, teilweise mit einigen Umwegen, aber sie mündeten alle hier. Als der Mann herumwirbelte und Raik mit einer Waffe bedrohte hatte dieser schon sein Schwert gezogen. Ohne auch nur einen Moment zu zögern kreuzten sich ihre Klingen und in der engen, überfüllten Kammer entbrannte ein heftiger Kampf. Raik hatte keine Zeit sich umzusehen, denn sein Gegner war stark, stärker als er dachte. Hiebe wurden pariert und gekontert. Tai drückte sich, soweit es ging, dichter in die Ecke, sie hatte Angst. Wenn Raik etwas geschehen würde, dann wäre es ihre Schuld. Niemand würde es ihr je verzeihen! Doch Raik gab nicht auf, tapfer kämpfte der Kapitän weiter. Nach einiger Zeit, die Tai und ebenso Raik ewig erschien, verlor der Mann das Gleichgewicht. Er sah wohl ein, das Raik der Stärkere der beiden war, denn er floh. Raik hätte ihm folgen können, doch das war nicht seine Art, aber vor allem, er suchte immer noch Tai. Jetzt, da der Widersacher fort war, konnte er die Blonde auch in Ruhe suchen. Schnell war sie auch gefunden und befreit. „Kapitän Raik, ich danke dir“, murmelte sie und blickte dankbar zu ihm auf. Wortlos blickte er sie an, ein Hauch von Sorge war in Raiks Augen zu lesen. Das war eine Seltenheit, Tai wusste es. „Warum?“, fragte Raik kurz angebunden, die Angst um sein Mannschaftmitglied schnürte ihm noch immer die Kehle zu. „Sie sagte, sie hätte Hael gesehen…“, setzte Tai an, doch sie schwieg, als die Sorge in Raiks Blick sich in Wut wandelte. Er drückte ihr den Wasserbeutel in die Hand. Sie trank ein wenig, dann erhob der Kapitän seine Stimme, kalt: „Wir brauchen niemanden, der seine eigenen Ziele vor das Wohl der Mannschaft stellt. Nun komm“, Tai wusste, dass es hieß, sie solle die Mannschaft verlassen. „Kapitän Raik, bitte, es tut mir Leid…“, setzte Tai an und als sie begann zu sprechen flossen erneut Tränen über ihr Gesicht. Sie wusste, sie würde den jungen Mann nicht erreichen, aber sie versuchte es trotzdem. Sie wollte diese Familie nicht verlieren! Nicht auf diese Art, nicht durch ihre eigene Dummheit. „Hör auf zu heulen“, durchschnitt seine Stimme die Stille der Gänge, „Du hast es dir selbst verbockt. Wir bringen dich nach Hause. Vielleicht findest du ein anderes Schiff, das dich mit nimmt“. Schweigend setzten sie den Weg nach draußen fort. Als sie endlich wieder am Tageslicht waren, atmeten beide Erleichert auf. Sie beide hatten die Sonne vermisst, die ihnen die Haut wärmte. Wieder einmal erstarkte ihr Verdacht, das Raik Hael sei. Diesmal sprach sie ihn laut aus. Raik lachte als Antwort trocken auf und meinte: „Hätte ich mich dir denn nicht schon längst zu erkennen gegeben?“. Er hatte recht, dachte die Blonde und doch, sie hatte es so sehr gehofft, dass Hael die ganze Zeit über bei ihr gewesen war. Sie verließen das Dorf, nachdem Raik dem Dorfoberhaupt sagte, was in der Höhle zu finden sei und der Mannschaft erzählte, warum Tai verschwunden gewesen war. Sie reagierten unterschiedlich, einige befürworten Raiks Entscheidung, andere wiederum wollten das fröhliche Mädchen bei sich behalten. Doch an der Entscheidung des Kapitäns konnte keiner mehr irgendetwas ändern. Die nächste wurde schwer für Tai, denn alle begegneten ihr mit Misstrauen. Ihr wurden die schlimmsten Aufgaben übertragen. Aufgaben für einen Verräter. Tai lächelte bitter. Mehr war sie auch nicht. Sie wusste auch, dass Raik sie ihr nicht überbringen ließ, sondern dass es die Verachtung der Anderen war. Fast war sie froh, als sie die einengende Insel, ihre Heimat, erreichten. Endlich konnte sie das Schiff verlassen, doch ihr war bewusst, dass niemand auf der Insel sie mit Freundlichkeit empfangen würde. Immerhin hatte sie das gesamte Volk verraten, indem sie sich den freundlichen Piraten anschloss. Bevor sie das Schiff endgültig mit all ihren Habseligkeiten verließ, für immer, das sagte ihr Herz, entschuldigte sie sich ein letztes Mal bei Raik, der nur den Kopf schüttelte und sie kalt anblickte. Nie würde der Kapitän diesen Vertrauensbruch ihr verzeihen können. Deswegen musste sie gehen. Wehmütig sah sie dem fort segelnden Schiff hinterher, dass ihr mehr Heimat war, als ihr jemals das Schloss gewesen war. Sie wollte weinen, schreien, aus diesem Traum erwachen, doch sie stand nur da und sah dem Schiff nach, bis sie es nicht mehr sehen konnte. Der Wind spielte in ihren blonden Locken, schien sie über die Klippen schubsen zu wollen und das Meer rief sie, doch bevor Tai dies wirklich erreichte, wand sie sich ab. Ohne es zu merken, trugen ihre Füße sie zu dem Ort, an dem das Bauernhaus Haels Eltern stand. Doch dort war nur noch eine Ruine, die Überbleibsel eines großen Brandes. Tai schluckte. Das konnte nicht wahr sein! Die Luft roch auch noch nach Feuer, es schien noch gar nicht allzu lange her zu sein. Ob seine Bewohner es überlebt hatten? Tai spürte Trauer, Verzweiflung und hatte das Gefühl ihren letzten Zufluchtsort verloren zu haben. Es entsprach der Wahrheit, denn ins Schloss konnte sie nie mehr zurückkehren. Wieder spürte sie den Wind in ihren Haaren. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus, als der Wind ein Stück leicht verkohltes Papier auf sie zu fliegen ließ. Sie bekam es zu fassen und erkannte die Schrift der Bauersfrau. In zitternder Schrift stand dort geschrieben: „Ich hoffe, es macht Hael glücklich, das er Prinzessin Tai-Lynns Leben retten konnte…“ Noch während Tai-Lynn an der Klippe stand und aufs Meer hinausblickte, trafen Feinde des Königreichs auf der anderen Seite der Insel ein. Die Männer hatten schnell den Weg gefunden, plündernd, raubend, alles in Brand setzend. Sie sahen das Mädchen an der Klippe stehend, nicht wissend, dass es die Königstochter war. Denn dafür sah sie zu schlicht aus. Ehe Tai-Lynn etwas merkte durchbohrte ein Pfeil ihren Rücken, drang durch ihr Herz. Angst und Schrecken standen ihr ins Gesicht geschrieben, als sie Männer lachen hörte. Sie fiel lautlos, ihre Brust haltend, auf die Knie, ehe sie Ohnmächtig ganz zu Boden fiel. Die Männer verschwanden. Und bald darauf wurde sie gefunden von der Ärztin ihres Vaters. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon fast Tod. Eilig wurde das kleine Mädchen ins Schloss gebracht, in den Saal der Ärztin. Das einzige was dieses Mädchen noch retten konnte war eine Herztransplantation… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)