You don't know von Kaychi (KaRe) ================================================================================ Kapitel 2: Unendlich müde und weiß wie Porzellan ------------------------------------------------ Kapitel 2 Unendlich müde und weiß wie Porzellan Natürlich fuhren sie nicht wie geplant um Punkt sechs Uhr in der Früh ab. Nicht, weil der Bus unpünktlich gewesen wäre, oder sie eine Panne gehabt hätten. Aber wenn Tyson um sechs Uhr bereit zur Abfahrt gewesen wäre, wann hätte er dann aufstehen müssen um nach seinem Ermessen noch genug zu frühstücken? Richtig, die Rechnung erübrigt sich… Tatsächlich war es bereits kurz vor sieben als sich der Bus endlich in Bewegung setzte, während der Busfahrer ihnen zum ungefähr hundertsten Mal erklärte, dass es unter Garantie nicht seine Schuld wäre, wenn sie das Flugzeug verpassen würden. Und darin bestand genau das Problem. Das Flugzeug würde nicht warten und sie waren nun dank Tyson auf dem Weg in den Tokioer Berufsverkehr, welchem man bei pünktlicher Abfahrt entkommen wäre. Auch Dizzy die etwa alle zehn Minuten verkündete wie lange sie noch maximal brauchen dürften um den Flug noch zu erwischen, war wenig hilfreich. Und wie das nun mal immer so war, wenn man es eilig hatte mussten sie keine Viertelstunde unterwegs seien um bereits zu stehen oder sich maximal mit Schrittgeschwindigkeit voran zu bewegen. Nachdem der Bus dann schließlich endlich vor dem Eingang des Flughafens gehalten hatte und die Bladebreakers trotz ihres doch recht ansehnlichen Gepäcks einen beeindruckenden Sprint zum Schalter hingelegt hatten, setzten sie nun mit ihren Bordkarten in der Hand zum Schlusssprint Richtung Gate an. Weit kamen sie dabei jedoch nicht, denn das Schild, dem sie eben noch gefolgt waren, wiedersprach sich anscheinend mit dem darauf Folgenden und so mussten sie erst einmal verzweifelt vor einem großen unübersichtlichen Flughafenplan Halt machen. Ray rannen die Schweißperlen über die Stirn, der ‚Last Call‘ war nun schon einige Minuten her und wenn dass so weiter ging, würden sie noch Stunden brauchen! Warum mussten diese Pläne auch so verdammt unübersichtlich und diese doofen Flughäfen so groß sein?! „Wenn ihr meint, dass ihr euch vor dem Training drücken könnt, indem ihr da weiter so rumsteht und Wurzeln schlagt, während unser Flieger geht, habt ihr euch gewaltig geschnitten. Dann lasse ich mir nämlich hier ein Trainingsprogramm für euch einfallen, dass ihr euch noch wünschen werdet, ihr hättet hinter dem Flugzeug herlaufen dürfen.“ Die Bladebreakers wirbelten herum. „Kai!“ Doch dieser hatte sich schon von der Gruppe abgewendet und marschierte schnurstracks, ohne sich noch einmal umzudrehen Richtung Gate. Ein erleichtertes Seufzen kam über Rays Lippen, als er sich endlich unter den wütenden Blicken der anderen Passagiere, auf dem Gangplatz neben Kai nieder ließ. ‚Geschafft…‘, murmelte er leise und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Tschek Airlines war nicht gerade eine große Fluglinie. Und auch die Maschine in der sie nun saßen, wäre wohl mit viel gutem Willen bestenfalls als ‚süß‘ durchgegangen. Es gab nur je zwei Sitzplätzte auf jeder Seite und geschätzt nicht mehr als zwanzig Reihen. Als Ray seine Augen wieder öffnete um seinen Blick aus dem Fenster schweifen zu lassen, blieb sein Blick jedoch unweigerlich an seinem Sitznachbarn hängen. Kai hatte wie immer die Arme abweisend vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen, was Ray die perfekte Gelegenheit gab, eine viel interessantere Aussicht zu genießen, als des sich langsam entfernenden Flughafengebäudes. Doch er musste unwillkürlich schlucken. Vorhin am Gate war alles so schell gegangen, dass er Kai noch gar nicht richtig angeschaut hatte. Jetzt erschrak er über den Anblick, der sich ihm bot. Kai sah schrecklich mitgenommen aus. Er war kreidebleich und sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen und auch jetzt kräuselte sich seine Stirn in leichten Falten. Er sah unendlich müde, angespannt und einfach völlig fertig aus. Doch das war noch nicht alles. Natürlich hatte Kai noch nie ein überflüssiges Gramm Fett an seinem wundervollen Körper gehabt, aber nun traten seine Wangenknochen deutlich stärker hervor als sonst. Ray war sich sicher, dass er in den letzten zwei Wochen gut vier Kilo abgenommen hatte, wenn nicht noch mehr. Bei genauerem Hinsehen war auch zu erkennen, dass der Wangenknochen, der auf der Fensterseite, weshalb Ray ihn nicht so gut sehen konnte, geschwollen und etwas verfärbt wirkte. Ob das noch immer ein Überbleibsel des Kampfes mit Brooklyn war? Am Hals konnte Ray trotz des obligatorischen Schals erkennen, war der Russe noch immer bandagiert war. Kai sah wirklich nicht gut aus. Plötzlich öffnete jedoch genau dieser seine Augen, sodass Ray seinen Blick so schnell wie möglich auf das Fenster richtete, damit der Grauhaarige nicht merkte, dass er ihn beobachtete. Auch Kai lies seinen Blick aus dem Fenster wandern, gerade als das Flugzeug sich endlich mit einem leichten Ruck beschleunigte und zum Start anlief. Kai nahm einen tiefen Atemzug, den er jedoch unvermittelt abbrach und einen Moment die Luft anhielt um dann deutlich vorsichtiger die Luft wieder auszuatmen. Dann rieb er sich mit dem Daumen kurz die Stirn und schloss wieder die Augen. Ray, der seinen Teamleader aus den Augenwinkeln beobachtet hatte legte besorgt die Stirn in Falten und nahm sich vor Kai in den nächsten Tagen genau zu beobachten. Als das Flugzeug abhob schloss auch er die Augen. Abgesehen von dem eher unbedeutenden Drama, das sich zwischen der Stewardess und Tyson abspielte, als dieser nach seinem zweiten Essen noch ein drittes verlangte, verlief der Flug ereignislos und ruhig. Nur, dass Kai das ihm angebotene Essen ablehnte und auch seinen Kaffee bis zum Schluss unberührt stehen lies, bereitete Ray Kopfzerbrechen. Aber was hätte er machen sollen? Er konnte Kai unmöglich so etwas sagen wie: ‚Hey, willst du gar nichts essen, die siehst so dürr aus. Du solltest wirklcih was essen.!` Er wusste genau wie sehr Kai es hasste bevormundet zu werden oder gesagt zu bekommen wie er sich verhalten sollte. In seinen Ohren klänge das wahrscheinlich wie: ‚Darf ich dich füttern?‘ Als sie aus dem Flughafengebäude traten wartete bereits ein alter, zerknittert aussehender Mann auf sie, der ein mit Filzstift beschriebenes Pappschild mit ‚BBA Team‘ hochhielt. Er nickte ihnen kurz zu und nuschelte ein „Follof mi“ Der Mann war, soviel konnten sie noch herausfinden ihr Busfahrer, dass war nicht so schwer zu erraten gewesen. Ab hier, wurde es jedoch schwieriger. Denn außer ‚Follov mi‘, konnte der Gute leider kein Wort Englisch, geschweige denn japanisch. Tyson: Wo fahren wir denn jetzt hin? Ist es noch weit? Busfahrer: ??? Max: Äh, sorry, where are we going now? Is it still far? Busfahrer: ??? O.o° Kenny: Hey, Ray versuch du’s doch mal! Tadschikistan grenzt schließlich auch an China, vielleicht kann er ja chinesisch! Konnte er nicht. Der arme Mann war inzwischen sichtlich verwirrt und dass Tyson versuchte ihm, während er ihnen half ihr Gepäck in dem mehr als klapprigen Kleinbus unterzubringen, versuche ihm mit Gebärdensprache (sprich wildes durch die Luft rudern mit Händen und Füßen) doch noch eine Antwort zu entlocken, machte es auch nicht gerade besser. Die Fahrt war ein Alptraum. Und der schien kein Ende zu nehmen. Der Fahrer hatte, kaum waren sie losgefahren, eine Kassette mit einer Art tadschikischer Volksmusik eingelegt, die nun etwa zum siebten Mal in Folge durchgelaufen war, in einer Lautstärke, bei der an Schlaf nicht zu denken war. Zudem wurden die schrägen Gesänge immer wieder von lauten Stör- und Knackgeräuschen untermalt, die einem wirklich den letzten Nerv rauben könnten. Diese Tatsache allein wäre aber durchaus noch erträglich gewesen, würden sie nicht seit über vier Stunden über eine Straße brettern, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient hatte, denn der unasphaltierte Pfad bestand aus mehr Schlaglöchern und groben Steinen, als jeder gewöhnliche Trampelpfad, den Ray in seinem bisjetztigen Leben gesehen hatte. Außerdem, war es durch die, auf das Dach des Blechhaufens, der sich ihr Bus nannte, brennende Sonne inzwischen bestimmt 40°C Grad in ihrem Bus, obwohl es draußen höchstens 5°C haben konnte. Kai lehnte seine Stirn gegen die kühle Scheibe. Sein Kopf dröhnte. Seit Stunden schon hatte er das Gefühl, sein Schädel müsse jede Minute in zwei springen. Den Kopf gegen die Scheibe zu lehnen machte es jedoch auch nicht wirklich besser, denn durch die uneben mäßige Straße wurde er ständig etwas zurückgestoßen, nur um im nächsten Moment wieder unsanft an die Scheibe zu stoßen. Trotzdem. Wenigstens war sie kühl. Ray hatte sich neben Kai hinten in den Bus gesetzt, Max und Tyson, die lautstark irgendein Kartenspiel spielten, saßen vorne und Kenny hatte sich in der Mitte platziert. Letzterer hatte die ersten Stunden noch fleißig dazu genutzt auf die Tasten seines Laptops einzuhämmern, hatte diese Tätigkeit jedoch bald eingestellt. Jetzt kam er grüngesichtig und wankend, und sich an Sitzen langtastend, um nicht beim nächsten Schlagloch umzufallen, auf sie zu. „Hey Leute, hat einer von euch vielleicht ne Aspirin, oder sonst irgendwas gegen extreme Übelkeit?“, würgte er hervor. Bedauernd schüttelte Ray den Kopf. „Sorry Chef.“ Zu ihrer Überraschung hatte Kai sich jedoch ein wenig vorgebeugt, um kurz in der kleinen Tasche zu kramen, die er stets mit sich führte und in der er, unter anderem, seinen Blade plus Starter verwahrte. Zu Kennys unendlicher Erleichterung zog ein kleines grünes Röhrchen hervor, dessen Deckel er cool abschnipste um es dann über Kennys ausgesteckter Hand umzukippen. Es viel eine einzige Aspirin Tablette heraus. Die letzte. „Mann Kai, du bist echt meine Rettung!“, nuschelte der Kleinste der Bladebreaker dankbar um dann, die Tablette, wie einen unermesslich wertvollen Schatz in Händen haltend, zu seinem Platz zurück zu torkeln. Kai lehnte seine Stirn wieder gegen das kühle Glas. Er bereute es, nicht am Flughafen noch ein neues Röhrchen gekauft zu haben. Er hasste eigentlich jede Art von Tabletten, aber ohne die kleinen weißen Sprudeltabletten hätte er die letzten Wochen wohl kaum überlebt. Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet auch in dieser Woche, im Trainingslager mit seinem Team noch welche zu brauchen. Es dauerte jedoch keine zwei Minuten, bis Kenny schon wieder in ihre Richtung wankte. Diesmal hatte er ein etwa zur Hälfte mit Wasser gefülltes Glas dabei. „Hier Kai“, sagte er indem er das Glas seinem Teamleader hinstreckte, „du siehst irgendwie aus, als ob du das jetzt auch gut gebrauchen könntest.“ In dem gefährlich schwappenden Glas schwamm eine halbe Aspirintablette, die gerade erst unter wildem Sprudeln begonnen hatte sich aufzulösen. Ungläubig sah Kai den Chef an. Ray musste breit grinsen. Es war einer jener seltenen Momente, in denen Kais Gedanken ihm in Schriftgröße fünfzig auf die Stirn gemeißelt waren. Es dauerte einen Moment in dem er das Glas und Kenny völlig verunsichert anstarrte, bis er sich dessen bewusst wurde. Dann jedoch nahm er es Kenny aus der Hand und stotterte ein noch immer etwas verwirrtes: „D-Danke.“ „Kein Ding, Kai“, lächelte dieser, „wir sind schließlich ein Team.“ Dann wankte er wieder nach vorne. Ray musste immer noch grinsen. ‚Gut gemacht Kenny‘, dachte er. Kai musterte immer noch nachdenklich sein Glas, in dem sich die Kopfschmerztablette inzwischen vollständig gelöst hatte. Der Nächste, der zu ihnen nach hinten getaumelt kam, war Tyson: „Hi Kai, sag mal du hast in deinem Wundersäckchen doch bestimmt auch noch was zu Essen, oder? Ich verhungere! Ehrlich!!!“ Doch diese Anfrage ignorierte der Silberhaarige gekonnt. Die Busfahrt zog sich insgesamt noch drei weitere Stunden hin und die Sonne war bereits am Untergehen, als der klapprige Bus endlich mitten im Wald völlig unvermittelt mit einer Vollbremsung anhielt. Kaum hatten sich die Türen geöffnet, sprang Kenny raus um sich im erstbesten Gebüsch erst einmal herzhaft zu übergeben. Anscheinend war Kai nicht der einzige gewesen, bei dem die Aspirin nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, dachte dieser bitter. Nachdem sie, mit Hilfe ihres tadschikisch Busfahrers, ihre Taschen aus dem Bus gehievt hatten, und Ray sich der Höflichkeit halber noch mit einem „Thank you!“ bedankte, antwortete dieser unerwarteter Weise mit einem schnell gesprochenen unverständlichen Satz, nach welchem er Ray erwartungsvoll anblickte, als würde er auf eine Antwort warten. Die bekam er auch tatsächlich, jedoch nicht von Ray. „Da.“ So viel russisch konnte selbst Ray. Auch die anderen drehten sich verblüfft zu Kai um, der sich nun auch noch den offensichtlich erleichterten Redeschwall des Fahrers anhörte und dann mit einem Nicken bestätigte, er habe verstanden. „Hä?“, war der intelligente Kommentar von Tyson, „Kai?! Sprichst du etwa ta-äh-ta tatchiki-… na wie auch immer! Jedenfalls hättest du ruhig mal früher damit rausrücken können!!“ „Nein, Tyson, nicht Tadschikisch.“, wiedersprach Kenny der inzwischen aus dem Gebüsch zurück gekehrt war, „Ich weiß auch nicht warum mir dass nicht früher eingefallen ist, aber hier in Tadschikistan ist die zweite Amtssprache Russisch!“ „Äh, auch so. Verstehe. Und was hat er gesagt?“ Kai seufzte genervt während er seine Tasche schulterte und in Richtung der kleinen Hütte ging, die die nächsten zwei Wochen ihre Unterkunft seinen würde. „Dass er uns in drei Tagen wieder abholt, um uns zum Turnier zu fahren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)