Adventskalender von Piggybank (24 kleine Geschichten zur Weihnachtszeit) ================================================================================ Kapitel 6: 6. Dezember ---------------------- Nachdenklich blickte John auf das Papier vor sich. Seit über einer Stunde schon saß er jetzt hier an dem mehr als nur überfüllten Küchentisch und zerknüllte ein Papier nach dem anderen. Immer wieder versuchte er einen Anfang für seinen Brief zu finden, doch wirklich die richtigen Worte kamen ihm einfach nicht in den Sinn. Seit über einem halben Jahr nun machte er sich schon Gedanken und jetzt saß er hier und dennoch fiel ihm nicht ein passendes Wort ein. Selbst der Anfang fiel ihm schon schwer und das obwohl er schon so oft darüber nachgedacht hatte. Das erste Mal hatte er sie gesehen, als er auf dem Weg zur Uni war. Damals hatte sie Straßenrand Flyer verteilt und ihm mit einem wirklich unwiderstehlichen Lächeln auch eines dieser Blätter in die Hand gedrückt. Seitdem hatte er sie jeden Tag gesehen. Mal bei der Arbeit - nachdem er sie durch Zufall beim Bäcker um die Ecke hinterm Tresen hatte stehen sehen -, mal auf dem Weg nach Hause oder beim Einkaufen. Sarah, so hieß seine Traumfrau schien keinen Freund zu haben, denn sie wohnte allein in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Aber sie hatte eine kleine Katze, mit der sie sich die Zeit vertrieb. Das wusste er, weil sie mindestens einmal die Woche Katenfutter kaufte. Zu Beginn noch für Katzenbabies, später dann normales Katzenfutter, Katzenstreu und anderlei Kleinkram. Und sie las gern, denn er konnte sie mindestens einmal im Monat in der Bücherei sehen, wo er selbst arbeitete und die gelesenen Bücher entgegennahm oder neu ausgesuchte Bücher stempelte. Sarah interessierte sich für Fantasyromane und historische Liebesromane und ab und an lieh sie sich auch Bücher über Katzenpflege aus. Abermals sah er auf den Brief vor sich oder besser auf das leere Blatt, denn nachdem er jetzt schon ein Dutzend Versuche gestartet hatte ein paar Zeilen an Sarah zu schreiben wusste er, dass es so wohl einfach nicht funktionieren würde. Er hatte ab und an mal eine kleine Notiz in einem der ausgeliehenen Bücher versteckt und war sich sicher, dass sie diese auch gefunden hatte, denn beim Zurückbringen waren die kleinen Zettel immer verschwunden. Heute jedoch wollte er sich endlich als Verehrer zu erkennen geben. Noch einmal blickte er auf das Blatt, leckte sich über die Lippen, ehe er doch ein paar Zeilen schrieb. Das Blatt faltete und gleich in einen Briefumschlag steckte, um es sich nicht doch noch einmal anders zu überlegen. Es war einfach die perfekte Zeit, Weihnachten stand vor der Tür und auch wenn sie sich sonst nur flüchtig sahen, so wusste er, dass auch sie ihn mochte, einfach weil sie ihn immer anlächelte. Kaufte er bei ihr ein, dann lächelte sie und sehr viel strahlender als bei den anderen Kunden. Kam sie zu ihm in die Bibliothek, dann lächelte sie und John wusste, dass dieses Lächeln nur ihm galt. DingDong! DingDooong! Vorsichtig öffnete Sarah die Tür ihrer kleinen Wohnung. Nur einen Spalt breit, ehe sie erleichtert aufatmete. "Eine Lieferung für Sarah Willmers", kam es freundlich von dem Postboten, der ihr jetzt ein Päckchen übergab, ehe er auch schon wieder ging. Die junge Frau ging in ihr Wohnzimmer und öffnete jetzt das Päckchen. Blickte irritiert auf die Pralinenschachtel, die mit ihrer Herzform schon alles sagte. Das Päckchen selbst war mit Zeitungsschnipsel ausgekleidet, doch das Bild das sie ergaben ließ sie ein wenig zittern, stand doch immer und immer wieder ihr Name darauf. "Bitte nicht", flüsterte Sarah leise und nahm jetzt nervös den Briefumschlag, öffnete ihn mit zittrigen Fingern und las die wenigen Zeilen, die John nach so langer Zeit für sie verfasst hatte. Worte, die sie jetzt weinen ließen, während sie den Brief auch schon von sich schmiss. "LASS - MICH - IN - RUHE!", schrie sie nur und öffnete das Fenster, schmiss das Päckchen mitsamt der Pralinen hinaus in den Schnee, ehe sie sich wieder in ihrer Wohnung verbarrikadierte. Verzweifelt und dem Gefühl des Wahnsinns Nahe, im Blick doch immer wieder den Brief von John. Geliebte Sarah, die Pralinen sollen dein Nikolaus sein. Zu Weihnachten bist DU statt der Pralinen MEIN. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)