Adventskalender von Piggybank (24 kleine Geschichten zur Weihnachtszeit) ================================================================================ Kapitel 1: 1. Dezember ---------------------- 'Eine Kaltwetterfront von Süden verspricht uns in den kommenden Tag viel Schnee. Gibt es einen schöneren Start in die Weihnachtszeit?' *klick* Jedes Jahr das Selbe. Kaum ist es der 1. Dezember ist kaltes Wetter etwas tolles, was jeder haben will. Und alles nur, weil es auf Weihnachten zugeht. Scheinbar wünscht sich jeder Mensch weiße Weihnachten. Jeder? "Na super." Der Sarkasmus war nicht zu überhören und hätte der Wettertyp im Radio die Worte hören können wäre ihm sicherlich sein breites, schleimiges Grinsen aus dem Gesicht gewichen. Lennard hasste Schnee. Nein, er verachtete ihn, wie man sonst nur etwas verachten konnte, was einem wirklich, wirklich zuwider war. Und Schnee war Lennard zuwider. Wie ein Pickel, dass sich auch nach Wochen noch hartnäckig auf der Nase breitmacht und nicht weichen will. Genau, Schnee war nichts anderes als eine unliebsame Unreinheit der Erde, ganz egal wie weiß und glänzend er auch wirkte. Spätestens nach ein paar Tagen war er dreckig gelb oder braun, matschig und glitschig und dann war es vorbei mit dem Winterwunderland. Lennards Abneigung gegen Schnee hatte schon früh begonnen. Erst hatten ihn die anderen Kinder immer geärgert. Hatten ihn mit Schneebällen beworfen oder ihm Schnee in den Pullover gesteckt. Später dann war er auf dem Schneematsch ausgerutscht und hatte sich dabei ein Bein gebrochen. Doch das war nur der Anfang seines Leids, denn in den Jahren danach hatte ihm der Schnee nur immer wieder zugesetzt. Mal war ihm jemand gegen sein Auto gefahren, weil der Schnee die Straße rutschig gemacht hatte, mal war das Haus in dem er wohnte so zugeschneit gewesen, dass er es erst hatte freischaufeln müssen und dann prompt zu spät zur Arbeit gekommen war. Mal ging er spazieren und der Schnee rutschte von einem Ast oder einem Dach genau auf ihn herunter. Egal wo er war, der Schnee verfolgte ihn und schien ihn genauso zu hassen wie Lennard den Schnee hasste. Nun ja, ein gutes hatte der Schnee. Wenn Schnee war, dann durfte Lennard mit dem Schneeschieber durch die Straßen tuckern und dieser üblen Masse mit dem Schieber den Gar ausmachen. Er liebte seinen Job beim Räumdienst, denn auch wenn er früh aufstehen musste und meist fror, als ob man ihn in ein Eisfach gestellt hätte, so hatte er so doch die Möglichkeit dem Schnee zu zeigen was er eigentlich war. Störender, hässlicher Ballast, den niemand auf den Straßen oder Fußwegen haben wollte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Griesgrams und er schlüpfte behände in seine Schuhe, zog sich den Mantel an und schlang den Schal um seinen Hals, ehe er nach draußen trat, wo die Kälte die Menschen dazu antrieb zügig die Straßen entlang und in die Geschäfte oder ihre Häuser zu gehen, um nur ja nicht all zu lang dem schneidenden Wind oder dem Grippewetter ausgesetzt zu bleiben. Lennard mochte dieses Wetter. Solange kein Schnee fiel war alles gut, weshalb er jetzt auch gemächlich den Bordstein entlang lief und sich ab und an die Auslagen in den Geschäften ansah. Überall war weihnachtlich dekoriert, mit Schokoladenweihnachtsmännern, goldenen und silbernen Girlanden, Weihnachtsbäumchen, bunten Kugeln, Räuchermännchen und Eisenbahnen, die ihre Kreise in den Schaufenstern zogen. Zwischen all diesen Kleinigkeiten lag flauschige Watte und interpretierte den Schnee. "Bah!" Als ob Schnee jemals so weich und angenehm sein könnte. Der Alte ging weiter, verließ die Geschäftsstraßen und betrat kurze Zeit später den Stadtpark. Alles war kahl und wirkte schmutzig, überall lagen Blätter auf der Erde, die die dunkle Erde verhüllten so noch ein klein wenig Farbe in die dunkle Landschaft brachten. Müde von seinem langen Marsch setzte sich Lennard auf eine Parkbank und sah sich um, lehnte sich zurück und schloss einen Augenblick lang seine Augen, sog tief die kühle Winterluft ein und roch den Schnee, der sich bereits jetzt ankündigte. Abermals murrte er leise, seufzte dann jedoch nur und öffnete seine Augen wieder. Der Anblick des Parks war nichts was das Herz erwärmen könnte und so stand er wieder auf, putzte sich ab und wollte gerade zurückgehen, als etwas kleines auf seiner Nase landete. Schon jetzt? Konzentriert blickte Lennard auf seine Nasenspitze, wo eine kleine Schneeflocke langsam zu einem Wassertropfen zerschmolz und dann von der Nase tropfte. "Brrr", machte er nur, schlug den Kragen seines Mantels hoch und verließ den Park. Ging nach Hause, wo er sich auch gleich einen heißen Tee machte und den Abend vor dem Fernseher ausklingen ließ. Der nächste Tag startete so wie der vorangegangene geendete hatte. Mit einer Tasse Tee in der Hand stand Lennard am Fenster und blickte nach draußen. Die Stirn in Falten gezogen und immer nur wieder leise murrend und knurrend. Über Nacht war der erste Schnee gefallen und lag nun wie eine weiße, flauschige Decke über der Stadt. Ein Anblick der vielen zu gefallen schien. Vor allem den Kindern, die immer wieder mit dem Schnee nacheinander warfen und lachend zur Schule eilten, so sie sich in warmen Zimmern die weiße, kalte Masse von den Schuhen und der Kleidung tropfen lassen konnten. Auf den Straßen selbst war der Schnee schon ziemlich zerfahren, so dass nicht mehr viel von der weißen Decke übrig geblieben war, was für Lennard bedeutete, dass er heute keinen Schnee schieben musste. Trotzdem zog er sich wieder an, setzte heute noch seine Wintermütze auf und ging wieder nach draußen. An den Geschäften vorbei und auch am Stadtpark, immer weiter, bis zu einer kleinen, alten Bäckerei, von der er jeden Morgen seine Brötchen holte. Mit der Tüte in der Hand lief er langsam wieder zurück, bog dann doch wieder in den Park ein und besah sich das Grauen, welches doch keines war. "Eines muss man ihm ja lassen", murmelte Lennard leise für sich, während er ein wenig von seinem Brötchen zerkrümelte und vor sich auf den Schnee warf, so sich sogleich ein paar Spatzen über das Futter hermachten. "Wenn die Menschen ihn unberührt lassen, dann ist er wirklich wunderschön." Und ungefährlich, da niemand dafür sorgen konnte, das man darauf ausrutschte und kein Auto darauf fuhr, welches ihm das seine zerbeulte. Eigentlich, so musste der Alte feststellen hasste er weniger den Schnee, als die Menschen, die ihren Nutzen und seinen Schaden daraus gezogen hatten. "Bah, Menschen..." Er war eben doch ein alter Griesgram. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)