Tiefrote Küsse von abgemeldet (An deiner Seite) ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 18 ---------------------- Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Weder in dem Bett in ihrer Wohnung, noch in dem Bett in Liams Gästezimmer, aber sie hörte das sanfte Knistern, das sie einem Feuer zuschrieb. Also befand sie sich im Wohnzimmer, dort wo sie an Liams Seite eingeschlafen war. Wohl eher an seiner Brust, erinnerte sie sich. Sie zog die Decke, die über ihren Körper lag peinlich berührt über ihren Kopf, damit niemand sehen konnte, wie rot dieser gerade anlief. Sie grinste als sie daran dachte, dass sie auf seiner Brust eingeschlafen war und dass sie sich jetzt wie ein Teenager benahm, der erwischt wurde. Die Frage war nur, bei was sie sich ertappt hatte? Sie fühlte sich zu Liam hingezogen, egal wie verkorkst die Sache war und in ihren Augen war das alles ziemlich verkorkst. Hier ging es um Vampire oder zumindest etwas in der Art, um Leute die nachts mit Säbel durch die Nacht zogen, um wundervolle Lippen. Sie musste schon wieder grinsen, weil sie mit den Gedanken abgedriftet war. Doch ihre Gedanken lenkten sie immer wieder zu Liam. Zu seinen Augen. Zu seinen Lippen. Zu seinem Lächeln. Zu seinem Körper. Seine Schultern waren sehr breit und wenn er sie ansah, war da diese Wärme in seinen Augen. Inzwischen war sie sich ziemlich sicher, dass er zu den Guten gehörte. Leila öffnete die Augen und fand sich wirklich im Wohnzimmer wieder. Allerdings war sie alleine, vom Liam weit und breit keine Spur. Sie blieb auf der Couch liegen und starrte ins Feuer. Es war schön hier einfach liegen zu können, sie konnte sich nun vorstellen wie das Leben ihres Katers verlief. Schlafen. Essen. Ein wenig Kuscheln und wieder schlafen. Eigentlich war das nicht so ihre Art, aber sie fühlte sich immer wieder müde und erschöpft. „Du bist schon wach. Sehr schön“, hörte sie die Stimme von Marissandra. Leila setzte sich sofort auf, als sie sah, das Marissandra mit einem Tablett rein kam. „Ich muss hier eingeschlafen sein.“ „Das ist doch schon okay. Liam hat mir gesagt, dass ich dich hier finde.“ Sie legte Leila das Tablett auf den Schoss. „Ich habe Frühstück für dich, Liebes.“ „Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Doch just in dem Moment knurrte ihr Magen und erinnerte sie daran, dass sie Hunger hatte. Er rebellierte regelrecht gegen ihre eigene Aussage. Sie sah zur Uhr und war überrascht, dass es schon halb zwölf war. Noch nie hatte sie so lange geschlafen, aber der Schlaf hatte ihr gut getan, sie fühlte sich wie neugeboren. Das Essen sah auch zu verlockend aus und mit ihrem Magen eine längere Diskussion zu führen. „Das sieht sehr lecker aus. Vielen Dank.“ Marissandra setzte sich neben Leila auf die Couch und sah ins Feuer. Leila fühlte sich beim ersten Bissen vom Croissant ein wenig unwohl, da Marissandra neben ihr saß und nichts aß. Sie hatte ihr Frühstück gemach, es ihr ans Bett gebracht und aß selber nichts. „Liebes, iss du nur. Liam, Menas und ich haben vorhin schon gegessen. Liam wollte aber nicht, dass wir dich wecken.“ „Der Schlaf hat mir sehr gut getan“, meinte sie lächelnd. Das Croissant war innen noch warm. Es war weich und der himmlische Geschmack machte sich in ihrem Mund breit, fast so als hätte sie noch nie in ihrem Leben ein Croissant gegessen. „Ja, Schlaf ist immer die beste Medizin“, fügte Marissandra hinzu und lächelte, während sie weiterhin in den Kamin sah. Leila nahm die Gabel in die Hand und spießte ein Stück Kiwi auf. Marissandra hatte sich sichtlich viel Mühe gegeben, mit dem Frühstück. Leila versuchte daran zu denken, wie lange es her war, dass ihr jemand Frühstück gemacht hatte. Vermutlich war es das letzte Mal gewesen, als sie noch bei ihrer Mutter und ihren Brüdern gewohnt hatte. „Liam ist ein guter Junge.“ Ja, das ist er, stimmte Leila Marissandra in Gedanken zu, allerdings würde ich ihn nicht mehr als Junge bezeichnen. Für Leila war Liam ein Mann, wie er im Buche stand. Breite Schultern, ernster, aber warmer Blick. Bevor sie weiter an Liam dachte, erinnerte sie sich wieder, das Marissandra ja ihre Gedanken lesen konnte. Sie sollte mit ihren Gedanken etwas vorsichtiger sein, schließlich hatte sie immer noch keine Ahnung in welcher Verbindung Marissandra zu Liam stand „Liebes, du musst dir um mich nun wirklich keine Sorgen machen. Ich will nur das Liam glücklich ist, was er in deiner Nähe ist.“ Leila lief wieder rot an, zumindest glaubte sie, dass sie jetzt gerade knallrot wurde und einer Tomate Konkurrenz sein konnte, denn einen Spiegel hatte sie nicht gerade zur Hand. Ihre Wangen fühlten sich aber deutlich wärmer an. Liam war ihr auch wichtig geworden, sie mochte ihn und das lag nicht nur alleine daran, dass er so wahnsinnig gut küssen konnte. Es war einfach seine Art. Sie vertraute ihm und das war etwas vollkommen verrücktes, wenn man Leila besser kannte. Es war sehr schwer ihr Vertrauen zu bekommen, vor allem wenn man ein Mann war, zu oft war sie einfach enttäuscht und verletzt worden. Ihr Herz fühlte sich erhitzt an, als ihr bewusst wurde, dass sie ihm wirklich vertraute. Sie sah wie Marissandra neben ihr lächelte, bevor sie aufstand. „Ich gehe dann mal nach den Jungs sehen.“ „Was machen sie denn?“, fragte Leila sofort. „Sie gehen ein paar Dinge, wegen der Firma durch, die besprochen werden müssen.“ „Verstehe.“ Also was Geschäftliches, da wollte sie Liam nun wirklich nicht stören, dachte sie. Aber sie konnte auch nicht hier einfach auf der faulen Haut liegen und in den Kamin starren. „Liam meinte, du möchtest dir vielleicht ein paar der Bücher ansehen“, schlug Marissandra ihr vor. „Du hast draußen eine große Auswahl. Vielleicht findest du ja ein paar Antworten.“ Bevor Leila die Frau fragen konnte, auf welche Fragen sie Antworten finden könnte, schloss diese auch schon die Flügeltür und ließ Leila wieder vollkommen alleine. Auch wenn Menas und Marissandra ihr ein wenig sonderbar erschienen, mochte sie die beiden. Vielleicht auch nur deswegen, weil Liam sie mochte. Sie biss in ein weiteres Stück Kiwi, dass auf den Teller lag und trank einen Schluck vom Orangensaft. Alles schmeckte ihr außerordentlich gut und sie fragte sich, ob es sich irgendwie um besondere Früchte handeln müsste, da es ihr so gut bekam. Doch im nächsten Moment dachte Leila nicht mehr an ihre Geschmacksnerven, sondern an das was Marissandra gesagt hatte. Die Bücher. Liam hatte mal erwähnt gehabt, dass in diesen Büchern Dinge standen, die sie sonst noch nicht gelesen hatte, dass seine Spezies dokumentiert war und je länger sie darüber nachdachte, umso neugieriger wurde sie. Eigentlich hätte sie schon viel früher darauf gekommen sein, sie gehörte doch sonst auch immer zu den ganz Neugierigen. Leila stellte das Tablett auf den Wohnzimmertisch und schob die Decke von sich, in die Liam sie gebettet hatte. Sie hatte jetzt wirklich Lust auf ein Buch und sie wusste nicht was sie erwartete, als sie das Wohnzimmer verließ und in den Flur trat. Die Lampe an der Decke leuchtete, auch wenn sie alleine war und das Licht nicht angeschaltet hatte. Vermutlich wusste Marissandra, dass sie nicht lange auf sich warten würde um ihre Neugier nach den Büchern zu stillen. Bevor sie jedoch die einzelnen Regale ansah, lauschte sie und fragte sich wo Liam gerade mit seinem Bruder war. Das Haus war still, sie hörte gar nicht. Die Dämmung der einzelnen Zimmer musste hier perfekt sein, vielleicht hatte man hier einfach Geheimnisse vor einander, so wie er ihr immer noch nicht alles gesagt hatte. Aber heute Morgen war sie auch zu müde gewesen. Sie hätte sich eh nicht auf seine Worte konzentrieren können. Als sie sich den Bücherregalen zu wandte, die alle bis oben hin mit dicken Büchern vollstanden, strich sie mit den Spitzen ihrer Finger über die Buchrücken. Früher war sie viel in der Bibliothek gewesen. Sie hatte als Kind einen sehr großen Verschleiß an Büchern gehabt und war deswegen oft in der städtischen Bücherei gewesen. Ihre Mutter konnte ihr nicht jedes Buch kaufen, aber die Mitgliedskarte der Bücherei. Irgendwie hatte sich Leila immer vorgestellt, dass in jedem Buch eine magische Geschichte steckte, die nur darauf wartete, von ihr verschlungen zu werden. Eine Geschichte von einer fremden Welt in der sie eintauchen konnte, wieder Kind sein durfte und ihre eigene schmerzende Welt vergessen konnte. An Fantasie hatte es ihr noch nie geschadet, auch wenn sie heute für alles nach einer wissenschaftlichen Erklärung suchte. Aber für das was Liam ihr erzählt hatte, dafür hatte sie noch keine Erklärung gefunden, doch vielleicht fand sie ihre Antworten wirklich auf den Seiten dieser vieler Bücher. Manche Titel konnte sie nicht lesen, sie erkannte die Schrift nicht. Manche Titel waren in Latein gehalten, manche schienen arabisch oder chinesisch zu sein. Es überraschte sie wie viele Bücher hier in dem Flur standen, das war ihr vorher gar nicht so sehr aufgefallen. Manche Bücher waren dicker als andere, die meisten Einbände wirkten alt und viele waren in Leder gebunden. Sie rochen nach altem Wissen und überwältigen Leila im ersten Moment, sie war sich sicher, dass es sich hier nicht um irgendwelche Romane handelte. Es waren Sammlungen, Sammlungen von Berichten und Erklärungen. Manche Bücher hatten Jahreszahlen auf ihrem Rücken stehen, zumindest nahm sie das an, das letzte in der Reihe mit das die Zahl ‚2008‘ auf dem Rücken hatte. Das war letztes Jahr gewesen. Es gab nicht von jedem Jahr ein Buch, aber es schien als wurde diese Reihe alle fünf bis zehn Jahre mit einem neuen Buch in der Reihe vervollständigt, wenn sich überhaupt um eine Reihe handelte. Schließlich zog sie dieses Buch heraus, nahm noch das mit dem Jahr ‚1895‘ auf dem Buchrücken heraus und dann noch zwei weitere. Mit den vier Büchern in den Armen ging sie wieder ins Wohnzimmer, schloss die Tür hinter sich und setzte sich mit den Büchern wieder auf die Couch. Bevor sie das erste aufschlug, kuschelte sie sich wieder in die Decke. Aufregung und Neugier hatte sie gepackt, denn sie wollte unbedingt wissen, was sie auf den Seiten lesen würde. Welche Geheimnisse man ihr offenbarte. Welche Antworten sie finden würde. Sie nahm sich das erste Buch auf den Schoss, auf der auf dem Deckblatt ins Leder ein großes „E“ eingebrannt war und sie fragte sich, was es mit diesem „E“ auf sich hatte. Wenig später war sie überrascht davon, welche Geheimnisse wirklich in diesem Buch steckten. Es erzählte ihr von der Spezies, von der ihr auch Liam erzählt hatte. Einer Spezies von der sie noch nie etwas gehört hatte, aber von der auch dieses Buch zu sein schien. Kein Mensch hätte es so erzählen können. Es gab anscheinend Geheimnisse auf der Welt, von der sie nie etwas geahnt hatte. Eine andere Spezies. Die Erklärungen, Sätze, Erläuterungen klangen plausibel, waren mit wissenschaftlichem Hintergrund erklärt. Es stand geschrieben, wann sich ihre Spezies vom homo sapiens getrennt hatte und ihren eigenen Weg gegangen waren. Leila konnte nicht glauben, dass diese Spezies eine so lange Zeit schon mit ihr auf dem gleichen Planeten lebten und keiner davon eine Ahnung zu haben schien, dass es sie gab. Die Unterschiede wurden deutlich erklärt, an Hand von Bildern, beider Skelette konnte sie die Unterschiede selber erkennen. Sie waren nicht besonders ausgeprägt, aber der Oberkiefer war anders geformt. „Vampirzähne“, meinte sie überrascht und strich mit ihrer Fingerspitze über das Foto, auf dem der Kiefer dieser Spezies genauer erläutert wurde. Dieses Zahnpaar war mit einem Muskel versehen, den es beim homo sapiens gar nicht gab, deswegen konnte sie die Zähne aus und einziehen. Es gab Beschreibungen über die Augen, ihre Iris hatte eine andere Struktur. Außerdem wurde auf mehreren Seiten erklärt, dass die Sinne anders funktionierten, viel ausgeprägter kam. In dem Buch stand sogar beschrieben, dass sie Gedanken lesen konnte, was aber nur daher rührte, dass sie einen größeren Teil im Gehirn benutzen. Leila lehnte sich mit geschlossenen Augen und einem schweren Seufzer zurück in die Lehne fallen. Sie hatte noch nicht mal alles gelesen und war jetzt schon völlig verwirrt. Wobei Verwirrung ihrer Meinung nach, nicht mal der richtige Ausdruck dafür war. Sie überrascht, von dieser Welt, die ihr so fremd war. „Wow“, war das einzige was sie in diesem Moment von sich geben konnte. Sie hatte so viel von dieser anderen Spezies gelesen, dass sie es gar nicht mehr bezweifelte, dass Liam Recht hatte. Es stimmte so sehr mit den Aussagen von Liam und Marissandra überein, dass es einfach nur die Wahrheit sein musste. Liam war nicht verrückt, nein, er hatte ihr die Wahrheit erzählt. Sie hatte ihr ganzes Leben nur in einer vollkommenen Unwissenheit gelebt. Das war ein schwerer Schlag. Sie fühlte sich hintergangen oder etwas das diesem Gefühl ähnlich kam. „Ist bei dir alles in Ordnung?“, Marissandra steckte den Kopf ins Zimmer und Leila nickte. Ihr fiel es schwer irgendwas zu sagen, es kam eh kein Laut über ihre Lippen. „Gut, wenn was ist, ruf einfach nach mir, Liebes.“ Und da hatte sich die Tür auch schon wieder geschlossen und Leila war wieder allein im Wohnzimmer, mit all ihren Fragen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass dieses Buch ihr nicht wirklich Antworten gegeben hatte, nein, eher noch viel mehr Fragen. Also legte sie es zur Seite und griff nach dem nächsten Buch und hoffte darin, zumindest die Antworten finden zu können, die ihr das erste Buch nun gegeben hatte. Sie musste es einfach wissen, deswegen öffnete sie auch sofort den Deckel des Buches und fing an die Zeilen zu lesen. Manche schienen schon etwas ausgeblichen, als hätten schon so viele Hände über diese Seiten gestrichen. Als sie noch klein war, hatte sie sich immer vorgestellt, dass sie die Geschichte intensiver lesen und verstehen würde, wenn sie dabei über die Seiten strich. Natürlich war das Schachwinn, aber kindlicher Glaube konnte Berge versetzen und sie hatte damals nur daran geglaubt. Ihre Fantasie war das Einzige gewesen, an das sie damals noch glauben konnte, alles andere hatte sie verlassen und enttäuscht. Liam und Menas Noxus waren in dem großen Raum im Keller, ein Raum der nur selten genutzt wurde, außer als Waffensammlung. Sie kümmerten sich nicht wirklich um das Familiengeschäft, das war in guten Händen. Es ging um andere Dinge, um die sie sich gerade kümmerten. Dinge, die jetzt wichtiger waren, als die Führung des Geschäfts. Liam hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass er den Hostus finden würde, der Leila angeschossen hatte. Für ihn gab es in seinen Gedanken nicht mal die Alternative, dass sich jemand anderes schon um diesen Hostus früher oder später kümmern würde. Allerdings würde die Suche nicht einfach sein, das wusste er. Aber mit Menas an seiner Seite, würden seine Chancen gar nicht mal so schlecht sein. Menas saß vor dem großen Bildschirm und tippte Befehle auf die Tastatur. Liam stand hinter ihm, sah auf den Monitor und gab Anweisungen oder Tipps. Für ihn ging es jetzt nur darum, dass er diesen Seelenlosen jagte und sich rächte. Leila hatte leiden müssen, obwohl der Anschlag gar nicht ihr galt. Der Hostus wollte nur Liam schaden und das hatte er getan. Der Hostus hatte noch vor Liam selbst gewusst, dass Leila seine Achillesferse war. Sie war das was ihm lieb und teuer war und er hatte sie nicht richtig beschützen können. Die Tatsache dass es nun etwas gab, was er zu beschützen wollte, außer seiner Familie, war neu vor ihm, aber es stärkte ihn auch. Menas hatte es geschafft, die paar Videokameras der Stadt dazu zu bringen, ihnen zu zeigen, was sie am Samstag aufgenommen hatten. „Man sieht gar nichts“, fuhr Liam ihn an. „Das war auf der anderen Straßenseite. Kannst du die Kamera nicht drehen?“ „Liam“, knirschte Menas mit den Zähnen. Er konnte es nun mal gar nicht haben, wenn man ihm in seine Arbeit reinredete. Aber er tat sein Bestes und verstand die Ungeduld Liams. Noch nie hatte er seinen Bruder so gesehen, geschweige das Liam um die Hilfe seines Bruders bat. „Schon gut“, meinte sein Bruder und trat einen Schritt zurück, doch das machte die Sache nicht besser, zumindest nicht für Liam. Menas gab sein bestes und das wusste Liam auch, doch für ihn stand hier eine Menge auf dem Spiel und er war seinem Bruder schon sehr dankbar, dass er bei dieser Sache überhaupt mitmachte, dass hätte er ihm nämlich gar nicht zugetraut. Menas schaffte es mit weiteren Befehlen, dass der Blickwinkel der Kamera sich änderte. Ein Glück war es eine Rundumkamera gewesen, die alles aufnahm, man musste nur den richtigen Blickwinkel einstellen, den man sehen wollte. „Super. Jetzt spul mal etwas vor“, schlug Liam vor und Menas tat das auch sofort. „Stopp“, schrie Liam sofort als er Leila entdeckte. Sie kam die Straße entlang und schien sich ihrer Gefahr absolut nicht bewusst zu sein. Liam seufzte, als sie direkt an der Gasse stehen blieb, wo er sie schließlich entdeckt hatte. Er hatte schon den Drang, den Film anzuschreien, um ihr zu sagen, dass sie weg gehen sollte. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das lächerlich war. Erstens weil es eine Videoaufzeichnung war und zweitens, weil das alles, was sie gleich mehr oder weniger sehen würden schon passiert war. Während er nicht dabei gewesen war, dachte er weiter. Seine Schultern sackten nach unten und seine Hände ballten sich an seiner Seite zu Fäusten. Liam und Menas starrten wie gebannt auf den Bildschirm, der einen Großteil der Wand einnahm. Liam benutzte den PC hier unten nie, aber jetzt war er dankbar, dass Menas ihn vor langer Zeit angeschafft hatte. Es war besser, als wenn sie oben in Liams Büro vor dem kleinen Bildschirm saßen. Hier hatten sie eine bessere Sicht und bessere Technik. Er schluckte schwer, als er sah, wie Leila gepackt wurde und in die Gasse gezogen wurde. Man sah sie nicht mehr und er war froh, dass es keinen Ton gab, denn ihre entsetzlichen Schreie wollte er nicht hören. Das würde das Fass zum überlaufen bringen und er würde sich nicht mehr auf den eigentlichen Zweck der Sache konzentrieren können. Er war unbewusst einen Schritt nach vorne gegangen, auf den großen Bildschirm hinzu. „Vielleicht kriege ich einen Ton hin“, meinte Menas und tippte so schnell auf die Tastatur ein, dass Liam beim Anblick schwindelig wurde. Menas hatte bestimmt mit diesem Anschlag mit den besten Sekretärinnen mithalten. „Ich glaube, jetzt müssten wir was…“ Noch bevor Menas das Wort ‚hören‘ aussprechen konnte, hörten beide einen lauten Knall. Zuerst wussten beide nicht, was das gewesen war, sahen sich fragend an. Doch dann fiel es ihnen wieder ein. Leila wurde gerade eben angeschossen. Liams Faust machte sich selbstständig und schlug auf den Schreibtisch. Er erwartete ihre Schreie zu hören, doch er hörte nichts. Irgendwie war diese Stille unerträglicher für ihn, als wenn er ihren Schrei gehört hätte. Sie sagte doch sonst immer so viel, warum gab sie in dieser Situation keinen Laut von sich. Doch dann war er sich nicht sicher, ob er ein Murmeln vernahm. Ein Flüstern, er sah Menas an und bevor er etwas sagen konnte, wusste sein Bruder schon, was Liam von ihm wollte. „Vielleicht geht es etwas Lauter.“ Er drehte die Lautstärkeregelung bis zum Anschlag auf und dann hörten sie eine Stimme. Es war aber nicht die von Leila, sofort wussten Sie, dass es nur die vom Hostus sein konnte. „Ich nehme die Stimme auf, vielleicht bringt sie uns etwas.“ Er wollte gerade das nächste Programm laden, als sie sahen, dass eine Person die Gasse verließ. Eine Person, die nicht Leila war. Menas stoppte das Video und starrte auf die Person, die gerade die Gasse verließ, als wäre nichts passiert. Er hielt keine Waffe in der Hand, vermutlich hatte dieser sie wegschmissen. Die Frage war nur wohin. Menas war in der Nacht von Samstag auf Sonntag noch mal zu dem Ort gefahren, um Spuren zu verwischen und vielleicht etwas vom Täter herauszufinden. Doch von einer Waffe war keine Spur gewesen. Es konnte natürlich sein, dass noch vor Menas jemand am Tatort gewesen war, der die Waffe mitgenommen hatte. Bewusst oder weil er sie einfach gefunden hatte. Aber das was sie nun hatten, langte ihnen. Menas zoomte das Gesicht des Mannes heran, sie warteten einen Moment, bis die Qualität etwas besser wurde und prägten sich das Gesicht sofort ein. Das hier würde Liams Ziel Nummer Eins sein. Er würde nicht eher Ruhe geben, bis er wusste, dass dieser Hostus vernichtet war und er niemanden mehr schaden konnte. Menas kopierte das Bild vom Gesicht des Hostus, in ein anderen Programm und ließ dann die Videosequenz wieder laufen. „Li…am…“ Liam erstarrte, als er Leilas Stimme hörte und sie seinen Namen rief. Ihre Stimme war schwach und man vernahm sie auch nur sehr leise. Sie hatte ihn angerufen, das war das einzige, was sie ihm sagen konnte, zu mehr hatte sie keine Kraft mehr gehabt. Er war froh gewesen, dass sie ihn anrief. Niemand anderes hätte sie sonst so schnell finden können. Bis jemand anderes sie gefunden hätte, wäre sie vermutlich gestorben und das war sie in seinen Armen auch fast. Ein schwerer Stein schien in seinem Magen zu liegen, als er ihre Stimme noch mal gehört hatte. „Ist alles okay mit dir?“ Liam nickte nur. „Ja. Aber wir müssen diesen Typen finden.“ Seine Stimme war geladen mit Wut, klang dunkel und kämpferisch. Er würde Leila rächen, das wusste Menas. Diesen Ausdruck hatte er noch nie im Gesicht von seinem Bruder gesehen, er erschreckte ihn sogar etwas. Liam und er waren vollkommen verschieden. Menas ging es eher um Taktik, er überlegte sich einen Plan bevor er etwas in Angriff nahm. Liam dagegen würde mit dem Kopf einfach durch die Wand rennen, wenn er glaubte, so schneller ans Ziel zu kommen. Menas starrte an die Wand neben sich, an der Liam viele seiner Waffen gehängt hatte. Es hätten Dekorationsstücke sein können, nur Schaustücke, doch Menas wusste es besser. Dolche, Messer einklingig oder mit zwei Klingen, Sperre, Spieße, Dreizacke, Partisane, Dolche, Lanze, Degen, Bajonette, Palasche. Die Wand war mit allen möglichen Stichwaffen verhängt und sie erinnerten an alte Zeiten. Die meisten Waffen war schon verdammt alt, hatten eine Menge Kämpfe hinter sich gebracht. Blut hing an jeder dieser Klingen, doch von sich zu trennen war schwerer als gedacht. Es waren Waffen eines Krieges, den die Menschen nicht verstanden und nie verstehen werden, da er vor ihnen geheim gehalten werden muss. Es ging dabei nur um ihre Sicherheit. 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