Die Tage danach von ElefantenFee ================================================================================ Kapitel 9: Resignation ---------------------- Er hatte aufgegeben. Die Wut war verschwunden. Er war nich mehr sauer. Weder auf sich noch auf ihn. Seit Tagen hatte er das Haus nicht mehr verlassen. Telefonanrufe ignorierte er. Der Fernseher war seit Tagen aus, das Radio hatte keinen Ton mehr spielen dürfen. Es erschien ihm alles sinnlos. Er wusste, dass niemand ihn jemals ersetzen konnte. Seit knapp zwei Stunden saß er im Wohnzimmer auf dem Boden und starrte in den Garten hinaus. Die Terrassentür war geschlossen. Durch die Scheibe beobachtete er die Vögel, die in regelmäßigen Abstand immer wieder auf den grauen Steinen auftauchten. Immer wieder pikten sie in den Rillen zwischen den Steinen nach Essen. Es war das Einzige was ihn in der Realität hielt. Er hatte sonst nichts mehr. Nur die Vögel und die achteten kaum auf ihn. Der Verlust hatte ihn gezeichnet. In seinen Händen hielt er ein Bild des Mannes, der ihn in diese Trauer sinken ließ. Der Mann, der dafür verantwortlich war, dass er alles aufgegeben hatte. Er war in Gedanken versunken. Ab und an, so schien es, legte ein Spatz seinen Kopf schief und schaute durch das Fenster. Nicht oft und nur ganz kurz. Doch genau so kam es ihm vor und es fühlte sich gut an. Das warme Gefühl, dass ihm der kurze Blick des Vogel bescherte, ließ ihn für einen kleinen Moment in die Realität zurückkehren. Es riss ihn aus seinen Gedanken und er war dankbar dafür. Es war einzig und allein die Regelmäßigkeit an die er sich klammerte. Hatte er das Gefühl, dass alles um ihn herum verschwamm, kam einer von den kleinen Spatzen und holte ihn zurück. Trotzdem sah er in Gedanken den Mann, den er noch immer so sehr liebte. Er sah wie er ihn zum Essen an seiner Lieblingsbude einlud, wie er an dem Schreibtisch saß und las. Wie er singend unter der Dusche stand und nicht bemerkte, dass er ihn beobachtete. Er sah, wie sie zum ersten Mal in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung zeigten und zusammen über die Straße, Hand in Hand, flanierten. Wie er lachend auf der Couch saß, wie er weinend zusammenbrach als er erfahren hatte, dass seine Mutter gestorben war. Er erinnerte sich an gemeinsame Momente. Gute, schlechte und alltägliche. Egal in welcher Situation, sie hatten immer zusammen gehalten. Selbst als sie nur Freunde gewesen waren. Er sah wie er ihm den kleinen Zettel überreichte. Ein einfaches Herz, nicht mal sonderlich ordentlich, war darauf gezeichnet. Es war mit einer roten Stift ausgemalt worden. Er hatte den Zettel bekommen als Jan alleine verreisen wollte. „Als Erinnerung“, hatte er damals gesagt und war lachend verschwunden. Der Gedanke an den Zettel entlockte Dirk ein Schmunzeln. Langsam stand er auf und streckte sich. Seine Beine waren taub, die Füße wollten nicht das machen, was er verlangte. Er rieb sich die Oberschenkel auf dem Weg zu der kleinen Kommode neben dem Fernseher. Er öffnete die Schublade. Er war sich nicht sicher, aber musste schauen. Ohne Hoffnung wühlte er in der Schublade rum. Notizen, Bilder, klebrige Bonbonpapierchen. „Da bist Du ja“, sagte er und nahm den kleinen Zettel in die Hand. Das Papier war vergilbt. Die Seiten franzten leicht aus. Trotzdem war das rote Herz gut zu erkennen. Dirk musste ihn, nach dem Jan wieder nach Hause gekommen war, in die Schublade gelegt haben. Und all die Jahre hatte er hier auf ihn gewartet. Du hast Recht, dachte Dirk, Vergessen kann ich Dich wohl nie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)