Adelphoi von abgemeldet (Bruderschaft) ================================================================================ Kapitel 1: Antonió ------------------ «Hätte ich mich im Alter von 10 Jahren selbst kennen lernen können, würde ich mich vermutlich nicht ausstehen können, aus dem einfachen Grund, dass ich das nachgiebigste und verzogenste Kind der ganzen Straße war. Heute bin ich zwar weniger nachgiebig, dafür aber mehr ich selbst.» Ich komme ja aus einer ziemlich wohlhabenden Familie, die sich niemals um Arbeit herumdrückt und sich so zum Wohlstand hochgearbeitet hat. Mein Vater ist Anwalt, mein Großvater ist Anwalt, der Großvater meines Vaters war Anwalt und das ist auch die Zukunft, die mich erwartet und das wurde mir bereits im Alter von 4 Jahren klar gemacht. Unglücklicherweise trifft es sich, das Anwalt einer der Berufe ist, die mich absolut und niemals in keinster Weise gereizt haben und das wusste ich auch schon recht früh. Wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen, habe ich bisher nur einmal versucht, mit meinen Eltern über meine Zukunftswünsche zu reden, doch das Thema wurde untersagt und es hieß immer nur: Antonió, dein Großvater möchte, das du irgendwann dieses Erbe antrittst. Gut, gut, so wurde es halt gemacht, ich habe meinen Mund gehalten, alles über mich ergehen lassen und getan, was von mir verlangt wurde. Meine Nachmittage verbrachte ich damit, vom Schachunterricht zum Gitarrenunterricht zu rennen und von da aus zu meinem geliebten Triathletiker-Verein. Bis auf den Schachunterricht hatte ich mir alles selbst ausgesucht, das einzige mal, das ich selbst etwas bestimmen durfte. Meine Schwester konnte ich überhaubt nicht ausstehen, habe überhaubt nie eingesehen, warum gerade ich diese dämliche Nachfolge antretten sollte und nicht sie. Sie ist die Ältere, sollte sie das doch machen, ich hatte meine eigenen Vorstellungen von meinem Leben. Aber durch meine Großeltern wurde mich früh klar gemacht, das meine Vorstellungen falsch waren, die wüssten schon, was gut ist und ich hätte mich danach zu richten. Das meine Schwester aus dem einfachen Grund, das sie ein Mädchen war, diese Nachfolge nicht antretten durfte, wollte ich zu dem Zeitpunkt gar nicht einsehen, wieso sollte es ihr so einfach gemacht werden, während man mir Steine in den Weg legen wollte? Wie man vielleicht merkt, waren meine Erziehungsberechtigten weniger meine Eltern sondern meine Großelten. Meine Eltern sind eigentlich ziemlich antiautoritär, meine Großeltern strahlen dafür eine umso größere Macht aus. Hab auch ziemlich früh gemerkt, das ich besser nicht alles sagen sollte, was mir im Kopf so herumspukte, denn das war definitiv nicht die beste Entscheidung meines Lebens, meinem Großvater zu sagen, was ich von seinen Plänen für mich hielt. Wenn man es recht nimmt, bekam ich als Kind ziemlich viel, mein Taschengeld war hoch, ich durfte an Samstagen meinem Sport nachgehen und nach der Schule, den Hausaufgaben, den zusätzlichen Unterrichten und dem Besuch bei meinen Großeltern machen was ich wollte. Nur der Sonntag, an diesem einen Tag gab es eine Pflichtveranstaltung, die mir so ganz und gar nicht passte. Unglücklicherweise sind alle in meiner Familie religiös und jeden Sonntag gabs ein riesiges d'Oliveira-Familientreffen in unserer Kirche mit anschließendem Mittagessen bei uns zuhause. Wenn sie einfach nur religiös wären, wäre ja alles in Ordnung, aber das ist ziemlich untertrieben, die lieben dieses unsinnige Gottesgequatsche und Liebe-deinen-nächsten-Gesäusel und was sonst noch. Behängen sich mit ihren Rosenkreuzen, heulen in ihr Taschentuch wenn einer was von Sündern erzählt und rutschen auf ihren Knien hin und her wenns ums beten geht. Ich hab es richtig gehasst und nie verstanden warum ich einen Typen anhimmeln soll, den ich nicht einmal sehen kann. Aber schließlich musste ich ja ein Erbe antretten, Großvater wollte das so und ich habe brav mitgespielt, gelächelt und gebetet während ich niesen musste und mir die Tränen aufgestiegen sind. Kommt blos auf keine seltsamen Gedanken! Ich steh nicht auf diesen ganzen Scheiß, ich bin verdammt nochmal allergisch gegen Weihrauch! Als ich versucht habe, es meiner Mutter klar zu machen, hat die mich natürlich sofort zum Arzt geschleppt, der diagnostizierte dann eine Allergie gegen ätherische Öle und ich hab mich riesig gefreut, nie wieder dieses bekloppte Gequatsche von wegen Erlösung un'so. Haha, glatt daneben, Toni wurde weiter zur Kirche mitgeschleift und es hieß: Sei ein Mann, ertrag es einfach irgendwie! Hab ich locker weggesteckt, die wolltens ja so, ich mein, wem macht es schon was aus, wenn das Kind kotzen muss und jede 30 Sekunden einen Ohnmachtsanfall hat, wenn du doch bei Gott im Sprechzimmer sitzt? Einfach schön lächeln und versuchen, nicht in die Handtasche der alten Dame vor dir zu erbrechen. Freunde hatte ich absolut keine. Klar, da gab es diese Gören die einen auf großer Macker machen wollten und dachten ein kleiner verzogener Junge, desssen reicher Papa hinter einem stand, machte sicherlich auch großen Eindruck in der Gruppe. Schon wieder welche, die meinten, die wüssten, was das beste für mich war, aber da ich das gewohnt war, hab ich einfach gelächelt und mitgemacht. Und der Countdown der Zeitbombe ging los. Mit 10 nahmen die mich zum ersten Mal mit zu einer großen Party, ich war mit großem Abstand der Jüngste und sichtlich schokiert wie wiederlich junge Erwachsene doch sein konnten. Überall lagen Bierflaschen rum, es stank absolut bestialisch nach weiß Gott (Haha) was allem und in jeder Ecke wurde wild rumgemacht. Kaum waren wir 5 Minuten da, kam auch schon der erste Depp angetorkelt und drückte mir 'ne Bierflasche in die Hand. 'Da hast du Kleiner, das ist gut für dich.' Aaah, wie gut das alle wussten, was gut für mich ist, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ich müsste irgendwelche Entscheidungen selbst fällen, wär ja furchtbar gewesen. Hm, also eines habe ich an diesem Abend definitiv gelernt, Alkohol ist echt nicht gut für mich. Gottseidank kann ich, ohne eingebildet wirken zu wollen, sagen, das ich um längen schlauer war als diese versifften Kinder auf dieser Party und so hab ich das Bier direkt ausgeschütet. An ein Geschehnis dieses Abends kann ich mich noch genau erinnern, denn diese Szene war sehr prägend für mein Leben. Ein etwa 7 Jahre älteres Mädchen, ziemlich besoffen, bestimmt bekifft, torkelte an dem Abend auf mich zu und hatte wohl nen erheblichen Sehfehler, denn sie wollte mir direkt ihre Zunge in den Mund stecken. Ich, 10 Jahre alt, null Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, total schokiert, hab sie weggedrückt, gerufen 'Sorry! Ich steh nur... auf... Blauhaarige!' und mich aus dem Staub gemacht. Keine Ahnung wie ich in dieser Situation auf blaue Haare kam, war wohl meine derzeitige Lieblingsfarbe. Nach diesem so schockierenden Ereignis lief ich schnurstraks heim, aber unglücklicherweise war es bereits weit nach Sperrstunde und sogar meine Schwester schlief schon und das wollte was heißen. Also habe ich versucht ganz gekonnt an dem Baum vor meinem Fenster hochzuklettern, die in den Filmen machten es schließlich auch immer so. Man, war das ne schlechte Idee, kaum 15 Sekunden später lag ich auf dem Boden, mit nem Ast im Arm und weitere 15 Minuten später im Krankenhaus, mit 'nem 1a gebrochenen Arm. Meinen Eltern hab ich natürlich erzählt, ich hätte mitten in der Nacht ein Kätzchen miauen gehört und wollte es retten. Entweder meine Eltern waren total bescheuert und haben mir diese wahnwitzige Geschichte abgekauft, oder sie waren so antiautoritär, das sie mich trotz Alkoholfahne meine eigenen Erfahrungen machen lassen wollten. Total bekloppt, die einen wollen alles selbst bestimmen, die andren machen den Mund nicht auf um mir zu sagen was richtig oder falsch ist. Etwa zu dem Zeitpunkt, kurz nach meinem 11ten Geburtstag, habe ich auch vollständig akzeptiert, das meine Zukunft absolut nicht zur Diskussion stand und das andere darüber entschieden, also habe ich versucht, es allen recht zu machen. Und dann kam mein Vater von einer Geschäftsreise wieder, im Gepäck ein sturer, zerbrochener, kleiner Junge. 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