Fragmente von SamAzo (One Shot Sammlung) ================================================================================ Verbotene Lektüre ----------------- Heimlich blätterte er in dem schmalen Buch und las einige der Zeilen, die ihm die Seiten darbrachten. Eigentlich sollte er gar nicht hier sein und schon gar nicht sollte er in dem Tagebuch lesen. Es war nicht seins. Er hatte kein Recht dazu. Dennoch tat er es, um zu sehen, wieviel Miles bereits selber herausbekommen hatte. Denn es konnte nicht so einfach an ihm vorbei gehen. Er musste es doch wissen. Tief in sich drin, im Unterbewusstsein. An einigen Worten blieb er hängen und las sie gleich mehrmals. Ob das ein Hinweis war? Manchmal ist die Welt wie ein Traum, gefangen in einer Seifenblase. Zerbrechlich schwebt er durch die Luft und zerplatzt beim schwächsten Windhauch. Mit ihm verfliegt der letzte Funke Realität und trägt die Welt hinfort. Zurück bleiben nur die Ruinen aus Glas, die das letzte Wasser kaum zu halten vermögen, in dem die Wahrheit verborgen war. Es war einmal alles so stabil. Die Welt, das Glas... Aber jetzt ist alles verloren im Sturm. Selbst die Ruinen sind verschollen, wie der Traum und die Wahrheit. Quint klappte das Buch zu, nachdem er sich die Worte gemerkt hatte. Sie erinnerten ihn an etwas, das er einmal gelesen hatte. Vor vielen Jahren, in einer Bibliothek, die schon lange kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hatte. Vielleicht sollte er noch einmal dorthin und versuchen, das alte Buch, in dem er die Informationen gesehen hatte, wieder zu finden. Wenn er nur wüsste, unter welchem Titel er da suchen müsste... Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich zurück, stützte sich mit einer Hand auf dem Bett ab und schaute auf den Schlafenden. Warum war er eigentlich hier? Und wieso machte er sich solche Gedanken darüber, was es wirklich war, das Miles so zu schaffen machte? 'Ach ja', erinnerte er sich selber schweigend. Er mochte den Jüngeren. Wie ausgelassen und fröhlich er sein konnte, wenn ihm sein Kopf keine Schwierigkeiten machte. Leider passierte es immer häufiger, dass Quint mitbekam, wie sein menschlicher Freund mehr und mehr den Hang zur Realität verlor. Für die meisten war es noch nicht sehr auffällig. Aber er bekam es mit. Durch dessen Handlungen und vor allem seine Gedanken. Auch jetzt, wo Miles schlafend im Bett lag, konnte er die verwirrenden Träume miterleben. Manchmal hatte es etwas von Alice im Wunderland. Nur nicht in der bunten Zeichentrickversion, in der alles gut ausging. Er musste einen Weg finden, das zu verhindern. Miles sollte im Hier und Jetzt bleiben. Schon, weil Quint wusste, wie sehr der junge Mann darunter litt, wenn er sich in einer Wahnvorstellung verlor. Außerdem wollte er nicht irgendwann der Bitte seines Freundes nachkommen müssen. Er würde es tun, wenn es nötig wurde, aber wenn er vorher eine Lösung fand, dann war ihm diese bestimmt lieber. „Quint“, hörte er plötzlich eine Stimme sagen und er spürte, wie es eisiger wurde. Es war nicht die Stimme des jungen Mannes, der in diesem Bett lag, aber sie ging von ihm aus, genauso, wie die Kälte. „Wer bist du?“, fragte der Vampir leise. „Mein Name ist Miles“, antwortete die Stimme ruhig. „So wie ihr alle Miles heißt, richtig?“ „Sicher... Wie sollte sonst unser Name sein?“ Quint überlegte, wie er diese kleine Unterhaltung nutzen konnte, doch seine Gedanken würden unterbrochen. „Du kannst ihm nicht helfen. Er gehört zu uns. Je mehr du versuchst ihn von uns zu trennen, umso schneller wirst du ihn verlieren!“ „Wie bitte?“, fragte er noch, doch zu schnell war alles so wie vorher. Die Temperatur, das Getümmel in Miles Kopf... Alles wie immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)