Unlimited Love von DrShibe (Liebe kennt keine Grenzen) ================================================================================ Kapitel 5: Ren -------------- Die Nacht. Ich liege wach. Die ganze Nacht, mache ich kein Auge zu. Meine Augen stehen die ganze Zeit offen. Mir läuft eine Träne über meine Wange, eine nach der anderen. Bin ich so traurig? „Guten Morgen Yami.“, begrüsst mich Kouhei, als ich mich auf meinen Platz setze. „Morgen.“, murmle ich und packe meine Sachen aus. „Deine Augen sind ganz rot.“, stellt Kouhei fest: „Und deine Wimpern sind verklebt, hast du geweint?“ „Wenn es dich etwas angehen würde, würde ich es dir vielleicht verraten, aber so.“, antworte ich und senke den Blick, es muss ja nicht jeder wissen, dass mir die ganze Nacht durch Tränen über die Wangen geperlt sind. Der Hass, welchen ich auf mich selbst verspüre, ist gewachsen und er wächst und wächst immer weiter. Wie Giftefeu, der immer weiter in die Höhe wächst und das ganze Sonnenlicht irgendwann verdunkelt. Irgendwann wird es kein Licht mehr in meinem Herzen geben. Warum ich es ihm nicht gesagt habe... Ich bin so ein Feigling. „Hey, Yami Schatz. Wie geht es dir denn heute?“, fragt mich Youko mit einem Lächeln auf den Lippen, welches aber gleich wieder verschwindet, als sie mir ins Gesicht sieht. „Anscheinend nicht besonders.“, gibt sie sich selbst die Antwort und setzt sich hin. „Nicht wirklich.“, sage ich sarkastisch und sehe wieder auf meinen Tisch. ‚Und was ist, wenn er morgen nicht mehr da ist?’, verfolgt mich Tsuyoshis Stimme. Ich bekomme sie nicht aus meinem Kopf. Ich habe solche Angst, meine einzige Chance verspielt zu haben. „Willst du nicht die erste Stunde blaumachen und in das Krankenzimmer gehen? Du siehst aus, als hättest du dringend ein wenig Schlaf nötig.“, schlägt Youko besorgt vor. „Schon gut.“, antworte ich und lege den Kopf auf das Pult: „Ich kann es mir nicht leisten zu schwänzen, ich bin nur durch sehr viel lernen, auf diese überdurchschnittliche Highschool gekommen. Und in Mathe bin ich besonders schlecht.“ „Aber du siehst wirklich nicht gut aus.“, murmelt Youko und macht sich daran die Hausaufgaben von ihrer anderen Banknachbarin abzuschreiben. Ich passe in Mathe so gut es geht auf, mein Blick verschwimmt immer wieder vor meinen Augen. Manchmal wird es mir auch schwarz vor den Augen. Als es zur nächsten Stunde klingelt stehe ich zu schnell auf. Alles dreht sich und sieht verzerrt aus, ich keuche, ich bekomme nicht mehr genug Luft. Ich versuche den drohenden Sturz abzufangen aber mein Bein knickst ab. „Itoe.“, höre ich die Stimme von Youko. „Es ist alles in Ordnung.“, keuche ich und suche nach Halt. Plötzlich fühle ich den Boden unter meinen Füssen nicht mehr. „Ich bringe sie ins Krankenzimmer.“, sagt Kouhei: „Bitte entschuldigt mich und vor allem Itoe bei dem Lehrer.“ „Ja, mach ich.“, höre ich Youko sagen: „Ich nehme ihre Schultasche mit, oder willst du sie nehmen?“ „Ich nehm sie.“, höre ich Kouhei plötzlich spüre ich sanfte Auf- und Abbewegungen. „Mein Name ist nicht Itoe, sie hiess so.“, flüstere ich leise. „Ich weiss, aber dein Körper reagiert am besten auf den Namen Itoe. Er ist es sich gewöhnt.“, antwortet Kouhei ruhig. „Ich bin nicht sie.“, flüstere ich noch leiser. „Aber du wirst schon wieder zu ihr werden, glaub mir.“, antwortet Kouhei immer noch so ruhig. „Verrätst du mir wie?“, frage ich immer noch flüsternd. „Nicht jetzt. Später.“, antwortet er, noch immer mit dieser viel zu ernsten Stimme, es erinnert mich an den ersten Tag hier, an diesen Blick. „Weshalb bist du überhaupt umgekippt?“, fragt mich wieder der alte Kouhei. „Vielleicht weil ich fast nicht geschlafen habe in letzter Zeit.“, rate ich. „Das wird es wahrscheinlich sein.“, sagt Kouhei und langsam sehe ich sein Gesicht wieder. „Oder weil ich fast nichts gegessen habe in letzter Zeit.“, stelle ich weitere Vermutungen auf. Kouhei sieht mich bestürzt an: „Was hast du denn mit dir angestellt?“ „Oder, weil ich zu viel Stress in der Schule und mit meinen Eltern habe.“, rätsle ich weiter. „Es ist ein Wunder, das du so lange durchgehalten hast.“, sagt Kouhei verblüfft. Ich zucke zusammen, ich erkenne diesen Satz und hasse ihn. „Hör auf von Wundern zu sprechen.“, sage ich leise. Ich wünschte Tsuyoshi wäre hier, schiesst es mir durch den Kopf. „Ich muss in die nächste Stunde. Ich sehe in der Pause nach die, ruh dich aus.“, sagt Kouhei und ich höre seine sich entfernende Schritte. Ich drehe mich auf den Rücken, ich bemerke erst jetzt, dass er auf ein Bett gelegt und zugedeckt hat. Ich lege mir beide Handrücken auf die Augen, sie kühlen meine Augen. Und verstecken die bitteren Tränen die ich weine. Ich hatte Recht, ich bin nicht Itoe. Aber wer bin ich dann? Ich bin so leer, wie eine Hülle ohne Inhalt. Vielleicht bin ich ja genau das, eine Hülle ohne Inhalt. Kouhei sagte er könnte mich wieder zu Itoe machen. Zu der Itoe, die ich früher war. Youko wird geschockt sein, wie wertlos ich bin, wenn ich wieder Itoe bin, denke ich und kichere leise. Ich erinnere mich wieder daran, was Hotaru gesagt hat. Itoe bleibt Itoe. Aber das ist nicht wahr, er hat mich nicht so erlebt wie alle anderen. Sogar Youko kennt mich besser als Hotaru, vielleicht kennt er Itoe, aber mich kennt er nicht. Aber er denkt wir sind ein und dieselbe. Ich kann schon wieder nicht schlafen. Ich wälze mich hin und her, aber es bringt nichts. „Hey.“, höre ich eine bekannte Stimme. Ich blicke auf und sehe in Tsuyoshis Gesicht. „Hey.“, antworte ich. „Du bist angeblich in Mathe umgekippt.“, sagt Tsuyoshi und setzt sich auf den Stuhl, welcher neben dem Bett steht. „Ja.“, antworte ich und drehe mich wieder um, als ich seinen durchdringenden Blick spüre. Er weiss schon lang, dass etwas nicht mit meinem Leben stimmt. „Wollen wir heute nachsehen, um zu beweisen, dass ich gelogen habe?“, fragt er mich ernst. „Was ist wenn du nicht gelogen hast, was wenn er weg ist?“, frage ich und drehe mich wieder um ihm in die Augen zu sehen. „Dann wüssten wir wenigstens beide die Antwort.“, sagt er und senk den Blick: „Ist es nicht besser Gewissheit zu haben?“ „Vielleicht.“, antworte ich und füge an: „Aber wenn man keine Gewissheit hat, kann man sich immer noch etwas vorlügen.“ „Willst du wirklich eine Lüge leben? Und was ist, wenn er tatsächlich noch da ist, wenn er nicht bloss ein Hirngespinst war? Was wenn er auf uns wartet?“, fragt Tsuyoshi mich und sieht mir fest in die Augen. „Wenn er auf uns wartet?“, frage ich schwach, ich will ihn nicht verletzen, niemals. „Lass uns heute noch einmal gehen und wenn er da ist, oder auch wenn er nicht da ist kannst du auch wieder essen und schlafen.“, sagt er und streichelt mir über den Kopf. „Woher...?“, frage ich erstaunt. „Kouhei ist ein Plappermaul, aber jetzt muss ich wieder gehen, bitte tu mir einen Gefallen und schlaf ein wenig.“, sagt Tsuyoshi und steht auf. „Als hätte ich Macht über den Schlaf.“, flüstere ich und drehe mich auf die Seite um nicht sehen zu müssen wie er geht. Ich will nicht, dass er geht, ich will nicht verlassen werden. Mein jetziges Ich mag Tsuyoshi viel lieber, als es Itoe getan hat. Soll ich mich selbst auch Yami nennen? Frage ich mich unwillkürlich. Bin ich Yami? Ich fühle mich so, als hätte ich keinen Namen verdient. Auch nicht Dunkelheit, aber ihn kann ich wenigstens tragen, ohne das Gefühl zu haben, irgendetwas zu haben, was ich nicht verdient habe. Itoe, die mit Liebe gesegnete, schon als Itoe noch sie selbst war, wollte sie nach seinem Tod ihren eigenen Namen nicht mehr tragen Für sie gab es keine Liebe mehr, nach seinem Tod. Aber vielleicht wird es ja für mich Liebe geben, wenn ich noch in diesem Körper bin, welcher eigentlich Itoe gehört. Aber sie ist weg, wohin auch immer und geblieben bin ich, zusammen mit ihren Erinnerungen und ihrem Schmerz. Aber was ist denn gegangen. Oder ist Itoe tatsächlich noch da? Bleibe ich immer Itoe, egal was passiert? So wie Hotaru es mir gesagt hat. Ich will Itoe sein. Der Gedanke kommt mir ganz plötzlich. Ich will nicht Yami sein, sondern die Itoe in die sich Hotaru verliebt hat. Aber ich kann den Namen Itoe nicht tragen, dafür dass ich in diesem Körper bin kann ich nichts, aber ich darf ihren Namen nicht auch noch klauen. Ich will nichts mehr denken ich will bloss noch schlafen. In meinem Traum erscheint eine grosse Frau, ihre Haut ist weiss wie Schnee und ihre Haare sind lang und schwarz. Irgendwie stimmen ihre Proportionen nicht so wirklich, ihr Hals ist zu lang und zu dünn und die Arme sind unter den Ärmeln ihres langen weissen Kleides verborgen. „Yuki Onna?“, höre ich mich selbst fragen. Die Frau lächelt, ihr Gesicht scheint ausgezehrt, aber ihr Lächeln ist warm. Sie streckt mir eine Hand entgegen, ich strecke ebenfalls den Arm aus, aber ich kann sie nicht berühren. Wie bei Hotaru. Die Frau lächelt erneut. Ich sehe erst jetzt, dass über ihr ganzes Gesicht feine Narben verlaufen. „Wer sind Sie?“, höre ich mich fragen. Ich erwache beim Klang meines Handys. Langsam öffne ich die Augen und sehe auf das Display, Tomomi steht da. Sie ruft mich an. Wie lange habe ich schon nichts mehr von ihr gehört. Ich nehme ab: „Hallo?“ „Hi, ich bin’s.“ Ihre Stimme klingt so vertraut. „Ich weiss.“, antworte ich und schlucke. „Wie geht es dir?“, fragt sie. „Nicht besonders, ich bin wohl krank, bin umgekippt in Mathe.“, antworte ich knapp. „Oh, gute Besserung. Ich habe gehört du hast dich ziemlich verändert.“, antwortet sie. „Du konntest es ja nicht sehn.“, antworte ich bissig. „Hey, es tut mir leid, okay? Aber du hast dich auch kein bisschen um unsere Freundschaft gekümmert.“, sagt sie wütend. „Du weisst genau wieso, oder? Du kannst es dir gar nicht vorstellen wie es für mich ist.“, antworte ich. „Nein, das kann ich wirklich nicht. Aber du hast dich auch vor Hotarus Tod nie gekümmert. Ich war dir egal.“, antwortet Tomomi und ihre Stimme klingt brüchig. „Tomomi mir tut es auch furchtbar leid. Ich war keine gute Freundin. Wir sollten uns treffen, für mich war es nicht leicht, auch vor... na ja du weisst schon. Aber ich kann das einfach nicht am Telefon besprechen.“ „Okay, wann kannst du?“, fragt Tomomi. „Morgen nach Schule hole ich dich ab.“, antworte ich. „Bis dann.“ „Ich freue mich.“ Sie hat aufgelegt. Es tut gut mit ihr zu reden, ich wollte ihr sowieso mal alles sagen. Sie war von klein auf meine beste Freundin und sie war immer liebevoll und wusste was in mir vorgeht. Genau wie ich sie verstanden habe. Wann hat sich das geändert? Erst nachdem ich mit Hotaru zusammen gekommen bin? Nicht schon vorher?
Ist nicht vorher schon irgendetwas vorgefallen. Aber was? Was hat mich so verändert, dass wir uns nicht mehr so nah waren wie früher. Ich habe keine Erinnerung daran. Aber vielleicht ist sie irgendwo tief in mir drin. „Sind sie Fräulein Kazumi?“, höre ich die Stimme einer Frau. „Ja.“, antworte ich schwach. „Ich bin die Schulkrankenschwester. Darf ich dich duzen?“, die Frau sieht jung aus, so um die fünfundzwanzig. „Natürlich.“, antworte ich fein lächelnd. „Du siehst wirklich nicht so aus, als würdest du schwänzen, ich dachte bloss, weil du schon so lang schläfst, aber dann wärst du ja kaum noch hier.“, sagt sie freundlich und setzt sich neben mein Bett. „Wieso noch hier?“, frage ich erstaunt. „Na ja, die Schule ist seit einer dreiviertel Stunde aus.“, sagt sie freundlich. „Was?!“, frage ich und springe auf, allerdings taumle ich und falle sofort zurück in mein Bett. „Langsam, du solltest nichts überstürzen.“, sagt die Schwester. „Es tut mir leid aber ich muss ganz dringend hier weg.“, sage ich und stürze wirklich nach draussen. „Hier nimm das noch mit.“, sie wirft mir einen Regenschirm zu: „Mein Name ist übrigens Kanon.“ „Danke Kanon.“, sage ich und renne aus dem Gebäude. Meine Augen suchen nach ihm, den Regenschirm habe ich schon aufgespannt, obwohl ich noch unter dem Vordach stehe. Der Regen strömt wolkenbruchartig herab und ich sehe kaum noch den Weg, der aus der Schule heraus führt, aber da unter dem Baum steht ein Schatten. „Tsuyoshi.“, rufe ich laut Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)