Ein Leben für die Kunst. von Die_Georgesons (Sammlung.) ================================================================================ Ein Leben für die Camarilla. ---------------------------- Wäre sie dazu noch in der Lage gewesen, dann hätte sie mit Sicherheit Kopfschmerzen bekommen. Und wenn sie lange genug daran dachte, wie es sich angefühlt hatte, wenn man der Überzeugung war, dass der Stress in den nächsten Sekunden den eigenen Schädel sprengen musste, dann war da ein leises Echo des ganzen in ihren Schläfen. Angenehm. Sehr angenehm. Und eine Flucht vor der Wahrheit, mit der sie sich einfach nicht mehr auseinandersetzen konnte. Oder wollte. Aber immerhin, immerhin hatte sich eine Lösung für das Ganze herauskristallisiert. Hätte sie gekonnt, sie hätte Elias die Sache in die Hand gegeben, aber sobald es ihren Wirkungskreis verließ, verließ die Ungeheuerlichkeit auch den Hort des Schweigens und sobald es auf die Straßen getragen wurde, war sie vollkommen machtlos. Sicher, unter anderen Umständen hätte sie einen solchen Fehltritt einfach nur belächelt. Hätte es wahrscheinlich sogar mit einer gewissen Zufriedenheit betrachtet, weil es sie selbst in einem besseren Licht dastehen ließ. Und genau darin lag jetzt das Problem: es würde ein schlechtes Licht auf sie werfen. Die Verbindung zwischen ihr und Jocelyn war bekannt. Weitläufig bekannt. Und dann würden die ersten Fragen auftreten. Ob sie davon gewusst hatte. Ob sie es am Ende gebilligt hatte… Ein entnervtes Aufstöhnen kroch über ihre Lippen. Wäre Erik hier gewesen, dann hätte sich das sicherlich deutlich besser regeln lassen, aber so… sie konnte sich nicht immer darauf verlassen, dass ihr Schöpfer alles für sie erledigen würde. Niemand wurde Ancilla, wenn er nicht auf eigenen Beinen stand. Niemand bekam ein Amt, wenn er nicht zeigte, dass er Verantwortung übernehmen konnte. Und vielleicht hieß Verantwortung in diesen Tagen, dass ein Bruch der Tradition sich nur mit einem weiteren Bruch wieder heilen lassen würde. Und der silbrige Brieföffner, der auf der Mitte des pedantisch aufgeräumten Schreibtisches lag, funkelte zustimmend in dem gelblichen Licht, welches den Raum erhellte. Die Schritte auf dem Gang waren fast schon eine willkommene Ablenkung, auch, wenn es die jener Leute waren, die sie gestern in eine Art der Verzweiflung gestürzt hatten, die sie in diesem Ausmaß bis jetzt noch nicht erfahren hatte. Keine verdammte Sekunde in ihrem Leben. Aber jetzt, jetzt wo sie eine Antwort auf alles hatte, da war es fast schon erlösend, das Klacken von Jocelyns Absätzen auf dem Parkett zu hören, zusammen mit dem fast nicht wahrnehmbaren Auftreten des Geigers. Erstaunlich, wie schnell sie ihrer Einladung gefolgt war, aber wahrscheinlich war sie einfach zu begierig darauf, ihre neueste Errungenschaft der Welt zu präsentieren. Hatte in ihrem ignoranten Überschwang überhaupt nicht bemerkt, dass sie scheinbar die Einzige war, die das, was sie getan hatte, für wunderbar hielt. Damian selbst… Gott, er war wie ein Kind, Neugeboren und vollkommen hilflos, dankbar für jede helfenden Hand, die man ihm entgegenhielt, er konnte noch gar keine Meinung zur Lage haben. Und eigentlich war die auch vollkommen gleich. Die Tür schwang auf und sie erhob sich, mit einem Lächeln auf den Zügen, welches wirklich, wirklich ernst gemein war. Sie freute sich, die beiden zu sehen. Weil in den Moment, in dem sie diesen Raum betraten die beiden unter ihre Kontrolle fielen. Und ja, sie war glücklich, wenn sie die Kontrolle über etwas bekam. Ganz gleich, ob es ihr zuvor schon entglitten oder ob es neu war. „Jocelyn.“ Fast schon hätte sie die Arme ausgebreitet, als sie ihr entgegenging, aber das wäre wohl ein wenig zu viel des Guten gewesen. Also ergriff sie nur die Hand der Freundin und drückte sie leicht. Auf dem Gesicht der Französin lag immer noch dieses stille Leuchten, welches von diesem unglaublichen Glück sprach, was diese Schöpfung in ihr hervorgerufen hatte. Damian selbst warf ihr nur einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu, ehe er noch ein Stück näher an Jocelyn rutschte. Bis jetzt hatte er kein Wort mit ihr gewechselt, betrachtete sie nur hin und wieder nervös, wenn sie ihm zu nah kam, als könnte er ahnen, was sie für ihn darstellte. Sein Ende, wo seine Schöpferin den Anfang markiert hatte. „Abigail… es ist gut, dass du dich beruhigt hast.“ Beruhigt? Nun, so konnte man das auch sehen, aber diese Antwort blieb sie der Französin schuldig, die gerade Damian dazu veranlasste, sich zu setzen, ehe sie mit einem spöttischen Lächeln das Schild hochnahm, welches auf ihrem Schreibtisch stand. „Magdalena Stettin… du wirst diesen lächerlichen Namen nie mehr ablegen, oder?“ „Wenn er ausgedient hat, dann mit Sicherheit.“ Es verärgerte sie. Was zum Teufel interessierte es sie, ob ein Name in ein ästhetisches Gefüge passte? Verdammt, sie hatte noch nicht einmal gewusst, dass es ein ästhetisches Gefüge im Bezug auf Namen gab, bevor sie von ihr darauf hingewiesen war. Erik hatte Magdalena gewählt. Und Bernard fand den Namen mehr als passend… aber Bernard zu erwähnen schien ihr gerade keine sonderlich gute Idee zu sein. Wobei es das nie war, außer man verknüpfte eine Beleidigung damit. Oder die Nachricht eines blamablen Misserfolges. Den er sie so gut wie nie leistete… „Was auch immer.“ Das Thema gefiel der Toreador nicht, also wurde es mit der Geschwindigkeit des Flügelschlags eines Kolibris gewechselt. Zurück zu ihrem Schmuckstück. So nahtlos, dass sie es fast schon bewundern musste. „Willst du ihn nun doch endlich spielen hören? Ich hatte ja schon jegliche Hoffnungen aufgegeben, dass du jemals vernünftig wirst, was das angeht, ich meine, bei aller Liebe, Abi“ Oh, wie sie es hasste, wenn sie den Namen einfach so abkürzte. „aber dein Kunstverständnis ist einfach… mangelhaft.“ „Nein, das ist nicht der Grund, warum ich nach euch beiden habe schicken lassen.“ Und fast, fast fühlte es sich gut an, als sie dabei zusah, wie die Maske der Überlegenheit auf dem Gesicht ihres Gegenübers mehr und mehr bröckelte, als sie antwortete. „Du hast Recht, ich habe mich beruhigt und ich habe nachgedacht.“ Langsam hob sie den Brieföffner auf und drehte das glänzende Metall in der rechten Hand hin und her, sorgsam darauf bedacht, dass die scharfe Klinge die Haut nicht anritzte. „Ich kann das nicht dulden, Jocelyn. Du hast die Tradition gebrochen und das unter meiner Obhut.“ Sie sah, wie die Blonde den Mund öffnete, um zu widersprechen, aber eine herrische Handbewegung seitens der Ventrue brachte sie zum Schweigen. „Es gibt keine Widerworte, Jocelyn. Das einzige, was ich dir ersparen kann ist die Tatsache, dass ich es weiterleiten werde.“ In Damians Augen flackerte Angst auf, als sie auf ihn zutrat. Und das erste Mal, seitdem sie über diese Sache nachdachte, flackerte eine Ahnung von Bedauern durch ihren Kopf. Wahrscheinlich hätte er sich gut eingefügt. Mit Sicherheit war es schade, ein Unleben zu vernichten, welches noch nicht einmal begonnen hatte. Aber das hatten sie sich selbst zuzuschreiben. „Und sei dir bewusst, dass ich das nur tue, weil diese Tat von dir negativ auf mich zurückfallen könnte. Unter anderen Umständen hätte ich es weitergeleitet. Merk es dir für die Zukunft.“ Ein leises Schnalzen mit der Zunge untermalte die letzten Silben. „Was hast du… vor?“ Die Stimme der Französin zitterte leicht. „Es aus der Welt schaffen, Jocelyn. Und du…“ Der Geiger erstarrte in der Bewegung. „Bleibst sitzen.“ Sein Geist war schwach, keine Barriere, die ihn vor ihrem Befehl hätte schützen können, dem er auf der Stelle nachkam. „Und du.“ Leicht drehte sie sich nach hinten, um Jocelyn direkt anzusehen. „Bleibst genau da, wo du bist, ohne dich von der Stelle zu rühren.“ Der Aufschrei, der aus ihrer Kehle kroch war fast hysterisch, wie der Schrei einer Mutter, die ihr Kind verlor, aber sie war es, die ihren Willen durchsetzte. Die die Andere zwang, dort stehen zu bleiben, wo sie war und zuzusehen, wie der Brieföffner sein Ziel fand, ohne ein Zögern, ohne einen wirklichen Widerstand. Wider jeglicher Tradition. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)